Kannada
Kannada (ಕನ್ನಡ) | ||
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Gesprochen in |
Indien (Karnataka und angrenzende Bundesstaaten) | |
Sprecher | 40 Millionen | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache in | Indien, Bundesstaat Karnataka | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
kn | |
ISO 639-2 | (B) kan | (T) |
Kannada (ಕನ್ನಡ kannaḍa; auch Kanaresisch) ist eine Sprache aus der dravidischen Sprachfamilie. Sie wird in Südindien, hauptsächlich im Bundesstaat Karnataka, von etwa 40 Millionen Muttersprachlern gesprochen.
Sprachverwandtschaft
Kannada gehört zur Familie der hauptsächlich in Südindien verbreiteten dravidischen Sprachen. Neben Tamil, Telugu und Malayalam ist Kannada eine der vier großen dravidischen Sprachen. Innerhalb dieser Sprachfamilie gehört Kannada zum süddravidischen Zweig. Der nächste Verwandte des Kannada ist Badaga. Diese unter der Stammesbevölkerung des Nilgiri-Gebirges in Tamil Nadu gesprochene Sprache wird teilweise auch als Kannada-Dialekt aufgefasst.[1]
Mit den in Nordindien gesprochenen indoarischen Sprachen ist Kannada nicht verwandt. Es ist aber recht stark durch Sanskrit, die klassische Sprache des Hinduismus, beeinflusst worden und hat neben einer großen Zahl an Lehnwörtern auch strukturelle Merkmale aus dieser indoarischen Sprache übernommen.
Geografische Verbreitung

Kannada hat derzeit geschätzte 40 Millionen muttersprachliche Sprecher.[2] Die Sprecher des Kannada bezeichnet man als Kannadiga. Das Verbreitungsgebiet der Sprache deckt sich weitgehend mit den Grenzen des indischen Bundesstaates Karnataka. Daneben gibt es kannadasprachige Minderheiten in den angrenzenden Gebieten der Nachbarbundesstaaten Andhra Pradesh, Tamil Nadu und Maharashtra. Seit jüngerer Zeit wird Kannada auch unter Auslandsindern in den USA, Großbritannien, Kanada und Australien gesprochen.
Von der Bevölkerung Karnatakas sprechen 66 % Kannada als Muttersprache.[3] Die meisten nicht-kannadasprachigen Einwohner des Bundesstaates, etwa die Sprecher von Tulu und Kodava, beherrschen Kannada als Zweitsprache. Im Bundesstaat Karnataka ist Kannada alleinige Amtssprache. Auf überregionaler Ebene ist es als eine von 22 Nationalsprachen Indiens anerkannt.
Sprachformen
Kannada teilt sich in vier Dialektgruppen ein, die aus weiteren Unterdialekten bestehen. Der südliche Dialekt wird in und um die beiden größten Städte Karnatakas, Bangalore und Mysore gesprochen. Im Raum Mangalore ist der westliche Dialekt verbreitet. Der nördliche Dialekt wird in der Gegend von Dharwad gesprochen, der nordöstliche Dialekt in und um Bijapur. Der nördliche und nordöstliche Dialekt sind von Marathi, der indoarischen Sprache des Nachbarbundessstaates Maharashtra, beeinflusst worden.
Parallel zu den geografischen Dialekten existieren Kastendialekte beziehungsweise Soziolekte. Die Hauptunterscheidung liegt hierbei zwischen den Dialekten der Brahmanen, Nichtbrahmanen und Dalit-Dialekten. In jüngerer Zeit treten aber auch bei den Soziolekten verstärkt Klassenunterschiede an die Stelle der Kastenzugehörigkeit.[4]
Geschriebene und gesprochene Sprache unterscheiden sich im Kannada recht stark voneinander, wenn auch die Diglossie weniger stark ausgeprägt ist als etwa im verwandten Tamil. Als überregionale Standardumgangssprache hat sich die gesprochene Sprache der gebildeten Stadtbevölkerung Bangalores und Mysores eingebürgert.
Sprachgeschichte

Kannada wird in drei Sprachstufen eingeteilt: Altkannada (450-1200), Mittelkannada (1200-1700) und modernes Kannada (seit 1700). Das älteste erhaltene Sprachzeugnis des Kannada ist eine im Distrikt Hassan gefundene Inschrift, die auf die Zeit um 450 datiert wird. Seit dem 9. Jahrhundert gibt es eine ununterbrochene Literaturtradition. Damit ist Kannada nach Tamil die zweitälteste dravidische Literatursprache.
Schrift

- Hauptartikel: Kannada-Schrift
Wie viele indische Sprachen verfügt Kannada über eine eigene Schrift, die Kannada-Schrift. Diese ähnelt der Telugu-Schrift sehr und gehört zur Familie der indischen Schriften. Mit den übrigen Schriften Indiens, Tibets und Südostasiens teilt sie den gemeinsamen Ursprung von der Brahmi-Schrift aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. und ein gemeinsames Funktionsprinzip: Es handelt sich bei ihnen um eine Zwischenform aus Alphabet und Silbenschrift, sogenannte Abugidas, bei denen jedes Konsonantenzeichen einen inhärenten Vokal a besitzt, der durch diakritische Zeichen modifiziert werden kann. Typisch für eine südindische Schrift zeichnet sich die Kannada-Schrift durch ihre runden Formen aus.
Phonologie
labial | dental | retroflex | palatal | velar | ||
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Plosive | stl. unasp. | p [p] | t [t̪] | ṭ [ʈ] | c [ʧ] | k [k] |
stl. asp. | ph [pʰ] | th [t̪ʰ] | ṭh [ʈʰ] | ch [ʧʰ] | kh [kʰ] | |
sth. unasp. | b [b] | d [d̪] | ḍ [ɖ] | j [ʤ] | g [g] | |
sth. asp. | bh [bʱ] | dh [d̪ʱ] | ḍh [ɖʱ] | jh [ʤʱ] | gh [gʱ] | |
Frikative | stl. | f [f] | s [s] | ṣ [ʂ] | ś [ɕ] | h [h] |
sth. | z [z] | |||||
Nasale | m [m] | n [n̪] | ṇ [ɳ] | |||
Laterale | l [l] | ḷ [ɭ] | ||||
Halbvokale | v [ʋ] | y [j] | ||||
Tap | r [r] |
Kannada besitzt 34 konsonantische Phoneme. Typisch für die indischen Sprachen ist die Unterscheidung nach fünf Artikulationsorten: velar, palatal, retroflex, dental und labial. Bei den Plosiven (Verschlusslauten) kontrastieren stimmlose und stimmhafte Laute. Durch die zahlreichen Lehnwörter aus dem Sanskrit haben die aspirierten Plosive (sowohl stimmlose als stimmhafte) im Kannada Phonemstatus erlangt, so dass die Plosive wie in den indoarischen Sprachen in Viererreihen auftreten (z. B. k, kh, g, gh). In ererbten dravidischen Wörtern kommen keine aspirierten Konsonanten vor. Bei nachlässiger Aussprache und in bestimmten Dialekten können sie durch die entsprechenden unaspirierten Laute ersetzt werden. Auch die Konsonanten f und z kommen nur in Lehnwörtern vor.
vorne | zentral | hinten | ||||
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kurz | lang | kurz | lang | kurz | lang | |
geschlossen | i [i] | ī [iː] | u [u] | ū [uː] | ||
mittel | e [e] | ē [eː] | o [o] | ō [oː] | ||
fast offen | ǣ [æː] | |||||
offen | a [ʌ] | ā [aː] |
Im Kannada kommen elf Vokalphoneme vor. Die Vokale a, i, u, e und o kommen jeweils in Paaren von langem und kurzem Vokal vor. Der elfte Vokal ǣ ist auf englische Lehnwörter beschränkt (z. B. ಬ್ಯಾಂಕು /bǣnku/ von engl. bank). In bestimmten Dialekten kommt er aber auch in echten Kannada-Wörtern vor.
Fast alle Kannada-Wörter enden auf einen Vokal. Bei Lehnwörtern, die auf einen Konsonanten enden, wird oft ein sogenannter enunziatorischer Vokal u oder i angehängt (z. B. ಬಸ್ಸು bassu von engl. bus). Am Wortanfang können alle Konsonanten außer retroflexem ḷ und ṇ vorkommen. Konsonantencluster (Aufeinanderfolgen von zwei oder mehr Konsonanten) am Wortanfang kommen nur bei Lehnwörtern vor (z. B. ಪ್ರಿತಿ priti „Liebe“, aus dem Sanskrit). Vor allem ungebildete Sprecher fügen aber oft einen Sprossvokal ein und sprechen z. B. /piriti/.
Beim Auftreffen von Morphemen innerhalb eines Wortes oder Wörtern untereinander können Sandhi-Prozesse auftreten. So wird zwischen dem Wortstamm ಹುಲಿ huli „Tiger“ und dem Ablativsuffix -inda ein Gleitlaut y eingefügt: ಹುಲಿಯಿನ್ದ huliyinda „von dem Tiger“. Werden zwei Wörter aneinandergefügt, kann der stimmlose Anfangskonsonant des zweiten Worts stimmhaft werden: ಹೊಸ hosa „neu“ und ಕನ್ನಡ kannaḍa „Kannada“ verbinden sich zu ಹೊಸಗನ್ನಡ hosagannaḍa „modernes Kannada“. Auch Assimilationsprozesse können auftreten: ಹೆರ್ her „groß“ und ಕಾಡು kāḍu „Wald“ werden zu ಹೆಗ್ಗಾಡು heggāḍu „großer Wald“. Ein phonologischer Prozess, der in der Umgangssprache vorkommt, ist der Ausfall (Synkope) eines Vokals in der zweiten Silbe von drei- oder mehrsilbigen Wörtern (z. B. schriftsprachlich ಹೆಸರು hesaru, umgangssprachlich ಹೆಸ್ರು hesru „Name“).
Grammatik
Kannada ist eine stark flektierende Sprache. Es kennt drei grammatische Geschlechter (Maskulinum, Femininum, Neutrum), zwei Numeri (Singular, Plural) und sieben Fälle (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Lokativ, Ablativ, Vokativ). Verhältniswörter werden nicht, wie bei vielen indoeuropäischen Sprachen, vorangestellt (Präpositionen), sondern nachgestellt (Postpositionen).
Wortschatz
Die Einheimische Grammatik teilt die Kannada-Wörter in vier Kategorien ein:
- Als dēśya (ದೇಶ್ಯ „lokal“) bezeichnet man echte Kannada-Wörter ohne Entsprechung im Sanskrit. Zu dieser Kategorie gehören dravidische Erbwörter wie ತಾಯಿ tāyi „Mutter“ (vgl. Tamil தாய் tāy), ಕಾಲು kālu „Fuß“ (vgl. Tamil கால் kāl) oder ನಡೆ naḍe „gehen“ (vgl. Tamil நட naṭa).
- Als tatsama (ತತ್ಸಮ „dasselbe wie das [d. h. ein Sanskritwort]“) bezeichnet man Sanskrit-Wörter, die in unveränderter Form im Kannada vorhanden sind. Ein Großteil von ihnen wie ಚಂದ್ರ caṃdra „Mond“ (von चन्द्र candra), ಮುಖ mukha „Gesicht“ (von मुख mukha) oder ಗೃಹ gr̥ha „Haus“ (von गृह gr̥ha) ist aus dem Sanskrit ins Kannada übernommen worden. Bei einigen wenigen Wörtern ist die Richtung umgekehrt gewesen: ಬಲ bala „Stärke“ (Sanskrit वल bala), ಮಣಿ maṇi „Juwel“ (Sanskrit मणि maṇi) und ಮಾಲೆ māle (Sanskrit माला mālā) sind Kannada-Wörter, die ins Sanskrit entleht wurden.
- Als tadbhava (ತದ್ಭವ „daraus [d. h. aus einem Sanskritwort] entstanden“) bezeichnet man Wörter, die ursprünglich aus dem Sanskrit stammen, aber lautlichen Veränderungen unterlegen sind, z. B. ಅಕ್ಕರ akkara „Buchstabe“ (von akṣara), ಅಗಸ agasa (von akāśa) „Himmel“ oder ಕತಿ kati „Geschichte“ (von kathā).
- Als anyadēśya (ಅನ್ಯದೇಶ್ಯ „fremdländisch“) bezeichnet man Lehnwörter aus anderen Sprachen. Diese können ihren Ursprung in folgenden Sprachen haben:
- Hindustani (Hindi bzw. Urdu), z. B. ತಯಾರು tayāru „fertig“ (von तैयार taiyār), ಸರ್ಕಾರ sarkāra „Regierung“ (von सरकार sarkār), ಮಾಲೀಕ mālīka „Besitzer“ (von मालिक mālik). Diese Hindustani-Wörter können wiederum ursprünglich aus anderen Sprachen stammen. Teils sind sie auch über Vermittlung des Telugu oder Marathi ins Kannada gelangt.
- Englisch, z. B. ನಂಬರು naṃbaru „Nummer“ (von number), ಟಿಕೀಟು ṭikīṭu „Fahrkarte“ (von ticket), ಡಾಕ್ಟರು ḍākṭaru „Arzt“ (von doctor).
- Portugiesisch, z. B. ಮೇಜು mēju „Tisch“ (von mesa).
- Französisch, z. B. ಕುಸೀನಿ kusīni „Küche“ (von cuisine).
Quellen und weiterführende Informationen
Einzelnachweise
- ↑ Sanford B. Steever: Introduction to the Dravidian Languages. In: Sanford B. Steever: The Dravidian Languages, London 1998. Hier S. 7.
- ↑ Hochrechnung für 2007 unter Einbeziehung des Bevölkerungswachstums nach dem indischen Zensus von 1991 und Gordon, Raymond G., Jr. (ed.), 2005. Ethnologue: Languages of the World, Fifteenth edition. Dallas, Tex.: SIL International: Kannada.
- ↑ Indischer Zensus 1991, zitiert nach B. Mallikarjun: Language Policy for Education in Indian States: Karnataka.
- ↑ Sanford B. Steever: Kannada. In: Sanford B. Steever: The Dravidian Languages, London 1998. Hier S. 129.
Literatur
Allgemeine Beschreibungen
- Sanford B. Steever: Kannada. In: Sanford B. Steever (Hrsg.): The Dravidian Languages. London 1998, S. 129-157.
Grammatiken
- M. S. Andronov: The Kannada Language. Übers. V. Korotky. Moscow 1969.
- Hans Jensen: Grammatik der kanaresischen Schriftsprache. Leipzig 1969.
- Ferdinand Kittel: A Grammar of the Kannada Language in English. Mangalore 1900.
- Harold F. Schiffman: A Reference Grammar of Spoken Kannada. Washington D.C. 1979.
Lehrbücher
- L. Halemane & M.N. Leelavathi: An Intensive Course in Kannada. Mysore 1983.
- Bando Bhimaji Rajpurohit: An Intensive Course in Kannada. Rev. 2. ed. Thiruvananthapuram 2006.
- Harold Spencer, W. Perston (Bearb.): A Kanarese Grammar with Graduated Exercises. Mysore 1950.
Weblinks
- Kannada Learning Center (engl.)
- Learn Kannada (mit Audio) (engl.)