Informelles Lernen
Informelles Lernen ist ein relativ neuer Begriff für ein Lernen, das außerhalb des formalen Bildungswesens (z.B. Volkshochschulen oder Schulen) stattfindet.
Beispiele für informelles Lernen
Obwohl etwa 70 Prozent der Lernprozesse Erwachsener außerhalb von Bildungsinstitutionen stattfinden (z. B. Livingstone 1999), hat das „informelle Lernen“ in Deutschland noch nicht die gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhalten, wie dies in vielen anderen Ländern der Fall ist (vgl. Dohmen 2001).
Wer im Rahmen seines Hobbies, seines Ehrenamts oder in seinem Alltag außerhalb von Bildungsinstitutionen lernt, lernt "informell". Zum Beispiel: Menschen gehen einem Problem nach und versuchen es zu lösen. Dabei lernen sie teils bewusst, teils unbewusst. Es wird in den jeweils bestehenden sozialen, familiären, kommunikativen oder auch Arbeitszusammenhängen gelernt. Informelles Lernen findet auch in familiären Gesprächen, beispielsweise beim Lernen einer Generation von einer anderen statt.
Konkurrierende Verständnisse und Definitionen des informellen Lernens
Bildungsforscher haben kein einheitliches Verständnis davon, was genau unter "informellem" Lernen zu verstehen ist. Es gibt unzählige Definitionen und Erörterungen, was genau unter „informellem Lernen“ zu verstehen ist (Garrick 1998). In der Praxis sind jedoch die teils feinsinnigen Unterscheidungen und schwierigen Abgrenzungen zwischen „einem mehr oder weniger geplanten, mehr oder weniger beabsichtigten oder bewussten nicht institutionalisierten Lernen“ zu vernachlässigen (Dohmen 2001, S. 25).
Dohmen (2001) plädiert daher für die Verwendung der von Small (1999) vorgeschlagenen Definition: Der „Begriff des informellen Lernens wird auf alles Selbstlernen bezogen, das sich in unmittelbaren Lebens- und Erfahrungszusammenhängen außerhalb des formalen Bildungswesens entwickelt“ (Dohmen 2001, S. 25).
Anerkennung und Zertifizierung des informellen Lernens
In Deutschland ist das "informelle Lernen" an sich und die Anerkennung und Zertifizierung informeller Lernleistungen erst in den letzten Jahren ins Blickfeld gerückt. So gibt es inzwischen einige Weiterbildungspässe als Instrumente zur Erkennung und Anerkennung informell erworbener Lerlneistungen (Bretschneider & Preißer, 2003). Der Europäische Computerführerschein (ECDL) ist ein Beispiel für ein Zertifizierungsverfahren, mit man sich informell erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten durch eine autorisierte Prüfungszentrale bestätigen und zertifizieren lassen kann.
Aus deutscher Sicht lohnt sich zur Beantwortung dieser Fragen der Blick in die Nachbarländer, in denen teils schon erprobte Verfahren der Erfassung informell erlangter Kompetenzen eingesetzt werden. In anderen Länder findet teils schon seit Jahrzehnten ein wissenschaftlicher Diskurs statt und nicht selten hat man auch langjährige Erfahrung mit der Erfassung der informellen Lernleistungen (Dohmen 2001). Im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland wurden vergleichsweise früh gesetzliche Regelungen zur Anerkennung des informellen Lernens verabschiedet, mit denen „bildungspolitisch auf ein stark zersplittertes Berufsbildungssystem reagiert wurde“ (Bretschneider & Preißer 2003, S. 4): 1989 wurde das System der „National Vocational Qualifications“ (NVQs) eingeführt, „das flexible, modularisierte output-orientierte Lernformen und Lernorte geöffnet und eine ausgebaute Alternative zur schulbezogenen Bildung und Ausbildung – mit besonderer Konzentration auf das Erfahrungslernen am Arbeitsplatz – geschaffen hat“ (Dohmen 2001, S. 78).
Quelle
unveröffentlichtes Manuskript von Sandra Schaffert
Literatur
- Bretschneider, Markus; Preißer, Rüdiger (2003). Weiterbildungspässe als Instrumente zur Erkennung und Anerkennung informell erworbener Lernleistungen in Deutschland. http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/details.asp?ID=674
- Dohmen Günter (2001). Das informelle Lernen – Die internationale Erschließung einer bisher vernachlässigten Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller. http://www.bmbf.de/pub/das_informelle_lernen.pdf
- Garrick, John (1998). Informal Learning in the Workplace. Unmasking Human Ressource Development. New York.
- Kirchhöfer, Dieter (2000). Informelles Lernen in alltäglichen Lebensführungen. Chance für berufliche Kompetenzentwicklung. QUEM-report, Schriften zur beruflichen Weiterbildung, Heft 66, Berlin. Online verfügbar unter http://www.abwf.de/content/main/publik/report/2000/Report-66.pdf
- Livingstone, David, W. (1999). Informelles Lernen in der Wissensgesellschaft. Erste kanadische Erhebung über informelles Lernverhalten. In: QUEM-Report Heft 60: Kompetenz für Europa. Wandel durch Lernen – Lernen durch Wandel. Referate auf dem internationalen Fachkongress 21.-23.4.1999 in Berlin, Berlin, S. 65-91.
Links
- Bibliographie mit Online-Literatur zum informellen Lernen http://wiki.pruefung.net/Wiki/InformellesLernen