Galizien
Galizien ist eine Landschaft im Westen der Ukraine und im Süden Polens, die den größeren Teil des gleichnamigen österreichischen Kronlandes bildet. Die Namen Galizien und Lodomerien sind Verballhornungen von Halitsch und Wladimir. In dieser Form waren sie Teil der ungarischen Königstitulatur, da die Gegend im 14. Jahrhundert kurzzeitig unter ungarischer Oberhoheit war. Ursprünglich war Galitsch-Wolynien ein Fürstentum in der Kiewer Rus. Zur Zeit des Daniel Romanowicz vom Mongolensturm in Mitleidenschaft gezogen wurde die Gegend 1349 ein Teil des Königreiches Polen-Litauen (siehe auch Geschichte Litauens, Geschichte Polens).
Das Königreich Galizien und Lodomerien
Galizien kam mit der Ersten Teilung Polens 1772 zu Österreich. Das österreichische Galizien reichte viel weiter nach Westen über die heutige Ukraine hinaus und umfasste auch Krakau (ab 1846), Tarnów und Rzeszów. Das Königreich Galizien und Lodomerien hatte im Jahr 1900 78.496 km² und 7.470.000 Einwohner. Hauptstadt war Lemberg (ukrainisch Lwiw). Dieses Königreich war eine von verschiedensten Völkern und Konfessionen bewohnte mehrsprachige Region, so wohnten hier neben Ukrainern und Polen auch Juden, Deutsche, Ungarn und Armenier. Im Westen waren die Polen und im Osten die Ukrainer in der Mehrheit.
Die stärkste Minderheit waren die Juden, die fast überall eigene Stadtviertel hatten (Schtetl) und in einigen Kleinstädten des Ostens fast unter sich waren. In ihrer Sprache Jiddisch erschienen Bücher und Zeitungen. Die (assimilierten) Juden in den größeren Städten sprachen und schrieben allerdings Deutsch. Von den Juden Galiziens kamen herausragende intellektuelle Impulse, nicht nur im religiösen und philosophischen Bereich - z. B. Martin Buber - sondern auch in literarischer Hinsicht - z. B. Joseph Roth oder Paul Celan - sowie auf vielen anderen Gebieten (Naturwissenschaften, Film, Rechtswissenschaft usw.). Die Juden waren die einzige ethnische Gruppe, in der keine nationalistisch-partikulare Perspektive entwickelt wurde, sondern die die gesamte Monarchie als ihre Heimat betrachteten. Politisch und wirtschaftlich waren allerdings Polen seit dem Ausgleich von 1867 führend. Im östlichen Teil des Kronlandes herrschten polnische Großgrundbesitzer über ukrainische Bauern. Durch ein Kurienwahlrecht hatten Polen auch die absolute Mehrheit im galizischen Landtag. In der österreichischen Regierung gab es einen Minister für Galizien, der bis zum Ende der Doppelmonarchie stets polnischer Nationalität war. Auch andere wichtige Ministerposten hatten Polen inne.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert entstanden ukrainische Parteien, die für die Beseitigung der polnischen Vorherrschaft im größten Kronland Österreichs eintraten. Dadurch verschärften sich die Gegensätze zwischen Polen und Ukrainern. Zu Beginn des 20. Jahrhundert kam es zu umfangreichen Agrarstreiks in Ostgalizien, in dem sich polnische Großgrundbesitzer und ukrainische Bauern gegenüberstanden. Durch die Einführung des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts zum Österreichischen Abgeordnetenhaus im Jahre 1907 gelang es Ukrainern, ihren politischen Einfluss wesentlich zu vergrößern. Die Zentralregierung in Wien drängte deshalb auf einen Ausgleich zwischen Polen und Ukrainern. Dabei ging es vor allem um die Vergrößerung der ukrainischen Mandate im galizischen Landtag und die Errichtung einer ukrainischen Universität in Lemberg. Erst 1914 kam der Ausgleich teilweise zustande. Aufgrund der Tatsache, dass auch jenseits der Grenze Ukrainer und Polen wohnten, die von der russischen Regierung massiv unterdrückt wurden, entwickelte sich Galizien zu einem Krisenherd in den Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Russland, der in der neueren Forschungen als entscheidender für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges bezeichnet wird als die Zuspitzung der Gegensätze auf dem Balkan. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Galizien erneut polnisch. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde es nach sowjetischer und deutscher Besatzung (die zur Ermordung der meisten galizischen Juden führte) zwischen Polen und der Sowjetunion aufgeteilt (ukrainische Geschichte).
Die ukrainische Region Galizien
In Galizien befindet sich der ukrainische Anteil der Karpaten mit dem Howerla, dem mit 2.060 m höchsten Berg der Ukraine. Die heutige ukrainische Region Galizien teilt sich auf die Verwaltungseinheiten Oblast Lwiw, Oblast Iwano-Frankiwsk und Oblast Ternopil auf.
Größere Städte sind:
- Drohobytsch
- Iwano-Frankiwsk (Stanislawiw)
- Kalusch
- Kolomyja
- Lemberg (Lwiw)
- Stryj
- Ternopil
- Tscherwonohrad
Siehe auch
- Galicien für die gleichnamige, aber ansonsten "nicht verwandte und nicht verschwägerte" Region in Spanien
- Schtetl - (jiddisch für eine mehrheitlich jüdische Kleinstadt oder ein solches Stadtviertel)
- Galiziendeutsche
- Deutschsprachige Minderheiten