Severin von Noricum
Severin von Noricum (Severinus; * etwa um 410; † 8. Januar 482 in Favianis, vermutlich dem heutigen Mautern bei Krems) war ein Heiliger, der als Missionar und Klostergründer in Noricum wirkte. Über sein Leben berichtet die vita sancti Severini des Eugippius.
Leben
Über Severins Herkunft ist wenig bekannt. Man geht von einer italienischen Herkunft aus. Seine Ausbildung scheint er im Osten erhalten zu haben (Nahmer). Eine Identifikation des heiligen Severin mit dem römischen Konsul Flavius Severinus, die Lotter über den Umweg einer Gleichsetzung des inlustrissimus vir Severinus der vita Antoni des Ennodius mit Severin von Noricum erreichte, ist in der Forschung streitig (Wolff). Severin kam nach dem Tod des Hunnenkönigs Attila (453) von Pannonien nach Ufernoricum, der früheren römischen Provinz nördlich der Ostalpen, die zu jener Zeit bereits vom spätantiken Verfall des römischen Reiches bedroht war. Sein häufigster Aufenthalt war im Donauland zwischen Carnuntum und der Gegend bei Passau, wobei er von Asturis (Klosterneuburg) über Comagenis (Tulln), Favianis (Mautern), Cucullis (Kuchl) nach Iuvao (Salzburg) und von dort über Batavis (Passau) und Boiotro (Passau-Innstadt) nach Lauriacum (Lorch) und dann wieder nach Favianis gekommen zu sein scheint. In Favianis gründete er dann ein Kloster (Dickerhoff). Er selbst bekleidete kein Amt, sondern scheint auch nach der Konventsgründung weiter als Anachoret gelebt zu haben (vita 39,1).
Severin betätigte sich als Mahner, Helfer und Seelsorger. Er setzte sich für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein und organisierte Lebensmittel- und Kleiderlieferungen. In den Jahren 469/470 erlangte er die Freilassung von römischen Kriegsgefangen vom alemannischen König Gibuld im Ort Boiotro bei Passau. Er ließ die Städte der oberen Donau evakuieren, die von den Germanen bedrängt wurden. Den evakuierten Romanen empfahl er, sich um Favianis anzusiedeln, das im Einflussbereich der Rugier lag. Er hatte nämlich Verbindungen zum Königshaus der Rugier und betrieb, aufgrund der gefährdeten Situation, teils die Rückführung von Römern nach Italien.
Severin starb 482 in Favianis - und nicht, wie früher manchmal behauptet, in Wien. Eugippius nennt den 8. Januar als Todestag (vita 43,9). Den eigenen Tod wie auch den Anzug der Römer aus Ufernoricum soll er nach der legendarisch überformten Darstellung des Eugippius noch geahnt haben. Das von ihm gegründete Konvent schloss sich dann einem Zug über die Alpen an, den Hunwulf 488 im Auftrag seines Bruders Odoaker durchführte und siedelte samt der Gebeine Severins nach Italien über. Zu diesem Zweck wurden die Gebeine des Severin geborgen. Translation und Erkenntnis der Heiligkeit (Unverwestheit) fallen so in Eins (vita 44,5f.). Neuer Standort der Gemeischaft wurde Castellum Lucullanum bei Neapel. Der Konvent dürfte zu dieser Zeit von Lucillus geführt weorden sein (ibd.). Nach der Übersiedlung folgte ihm dann Marcianus (vita 37,1). Die Gebeine des Severin scheinen bis nach der Konventsgründung in Neapel gelagert worden zu sein. Nach Eugippius musste man erst einen Platz für die Bestattung finden. Boden und Grabbau wurden schließlich von einer frommen Dame namens Barbaria gestiftet, die die Witwe des Orestes und die Mutter des Romulus Augustulus gewesen sein könnte (Nüsslein). Die Translation von Neapel nach Lucullanum fand, wie Eugippius berichtet, mit Erlaubnis des Papstes Gelasius statt. Die Beisetzung wurde vom neapolitanischen Bischof Viktor (ca. 492–496) vollzogen (vita 46). Heute liegen die Gebeine des Severin in der Kirche von Frattamaggiore an der Adriaküste.
Das heutige Wissen über das Leben des Heiligen Severin, aber auch über die regionale Geschichte des 5. Jahrhunderts stammt von der Lebensbeschreibung eines Abtes eines seiner Klöster Eugippius. Er schrieb 511 die vita sancti Severini. Diese Heiligen-Biografie ist die einzige Quelle aus der Zeit der untergehenden Römerherrschaft in Österreich, wenn auch in der modernen Forschung teils Zweifel aufkommen, ob die Angaben über den Rückzug der Römer aus dem Noricum nicht übertrieben dargestellt sind (Herwig Wolfram).
Gedenktag
Severin gilt als Schutzpatron von Bayern, der Gefangenen, Winzer und Leineweber sowie für Fruchtbarkeit der Weinstöcke. Außerdem ist er Diözesanpatron von Linz.
Besonders gefeiert wird sein Gedenktag im Stadtteil Heiligenstadt im Wiener Bezirk Döbling.
Quellen
- Eugippius: Vita Sancti Severini. (Lateinisch/Deutsch); übers. u. hg. v. Theodor Nüsslein; Reclam: Stuttgart 1999, ISBN 3-15-008285-4
Literatur
- Harald Dickerhof: De institutio sancti Severini. Zur Genese der Klostergemeinschaft des Heiligen Severin; in: ZBLG 46 (1983), S. 3-36
- Peter Dörfler: Severin - der Seher von Norikum. Dichtung und Geschichte. Herder, Wien 1948
- Ida Friederike Görres: Der heilige Severin. Herder, Freiburg i. B. 1945
- Johanna Haberl: Wien ist älter. Der heilige Severin und die Frühgeschichte Wiens. Amalthea, Wien u. a. 1981, ISBN 3-85002-136-X
- Friedrich Lotter: Severinus und die Endzeit römischer Herrschaft an der oberen Donau; in: DA 24 (1968), S. 309-338
- ders.: Inlustrissimus vir Severinus; in: DA 26 (1970), S. 200-207
- ders.: Antonius von Lérins und der Untergang Ufernorikums'; in: HZ 212 (1970), S. 265-315
- ders.: Severinus von Noricum, Legende und historische Wirklichkeit: Untersuchungen zur Phase des Ubergangs von spatantiken zu mittelalterlichen Denk- und Lebensformen; (=Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 12); Stuttgart: Hiersemann 1976
- ders.: Die historischen Daten zur Endphase römischer Präsenz in Ufernorikum; in: J. Werner u. E. Ewig (Hg.), Von der Spätantike zum frühen Mittelalter, (= Vorträge und Forschungen, 25), Thorbecke: Sigmaringen 1979, S. 27-90
- ders.: Severin von Noricum, Staatsmann und Heiliger; in: ThPQ 130 (1982), S. 110-124
- ders.: Inlustrissimus vir oder einfacher Mönch? Zur Kontroverse um den heiligen Severin; in: Ostbairische Grenzmarken 25 (1983), S. 281-297
- ders.: Zur Interpretation hagiographischer Quellen. Das Beispiel der "vita Severini" des Eugippius; in: MJb. 19 (1984), S. 36-62
- Dieter von der Nahmer: Severin von Noricum; Art. in: LMA, Bd. VII (1995), Sp. 1805f. (mit Lit.)
- Walter Pohl (Hrsg.): Eugippius und Severin. Der Autor, der Text und der Heilige. Verl. d. Österr. Akad. d. Wiss., Wien 2001, ISBN 3-7001-3019-8
- Gerolamo Prigione u. a.: St. Severin heute. Ansprachen und Reden. Veritas, Linz-Wien 1982, ISBN 3-85329-303-4
- Dietmar Straub (Hrsg.): Severin - zwischen Römerzeit und Völkerwanderung. Amt d. Oberösterr. Landesregierung, Linz 1982
- Gertrud Thoma: Severin; Art. in: BBKL, Band IX (1995), Sp. 1504-1507 (mit Lit.)
- Hartmut Wolff: Kritische Bemerkungen zum säkularen Severin; in: Ostbairische Grenzmarken 24 (1982), S. 24-51
- ders.: Ein Konsular und hoher Reichsbeamter im Mönchsgewand? Nachtrag zu Friedrich Lotters Severinsbild; in: Ostbairische Grenzmarken 25 (1983), S. 298-318
- Rudolf Zinnhobler: Woher stammte der hleilige Severin?; in: Jb. Kollegium Petrinum 76 (1979/80), S. 29-36
- ders.: Sankt Severin in Lorch; in: ders. (Hg.), Lorch in der Geschichte, (=LPhThR, 15), Duschl: Linz 1981; S. 128-144
- ders. u. Erich Widder: Der heilige Severin, sein Leben und seine Verehrung; Duschl: Linz 1982 ISBN 3852143578
- ders.: Zum gegenwärtigen Stand der Severins-Forschung; in: Oberösterr. Heimatbll. 36 (1982), S. 5-15
- ders.: Der heilige Severin. Sein Leben und seine Verehrung. Duschl: Linz 2002, ISBN 3-933047-71-4