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Haussperling

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Haussperling
Haussperling (Passer domesticus), Männchen
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Ordo: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Vorlage:Subordo: Singvögel (Passeri)
Vorlage:Familia: Sperlinge (Passeridae)
Vorlage:Genus: Passer
Vorlage:Species: Haussperling
Wissenschaftlicher Name
Passer domesticus
(Linnaeus, 1758)

Der Haussperling (Passer domesticus) – auch Spatz genannt – ist eine Vogelart aus der Familie der Sperlinge (Passeridae). Der Haussperling ist einer der bekanntesten und weit verbreitesten Singvögel überhaupt und ist mit Ausnahme der Tropen fast überall anzutreffen, wo Menschen sich das ganze Jahr aufhalten. Der Spatz ist ein ausgesprochener Kulturfolger und hat sich bereits vor über 10.000 Jahren dem Menschen angeschlossen.

Aussehen und Merkmale

Der Haussperling ist ein kräftiger und etwas gedrungener Singvogel. Er wiegt ungefähr 30 Gramm, ist 14 bis 16 Zentimeter groß und damit etwas größer als der Feldsperling. Der Haussperling fällt besonders durch seinen großen Kopf und den kräftigen, konischen Schnabel auf. Die Länge der Flügel beträgt 71 bis 82 Millimeter. Männchen und Weibchen unterscheiden sich deutlich in ihrer Färbung und sind im Gegensatz zum Feldsperling leicht zu unterscheiden. [1] [2]

Männchen

Die Männchen sind deutlich kontrastreicher gezeichnet als die Weibchen, sie haben eine schwarze oder dunkelgraue Kehle und einen schwarzen Brustlatz, der aber im Herbst nach der Mauser von helleren Federrändern verdeckt sein kann. Der Scheitel ist bleigrau und durch ein kastanienbraunes Band vom Auge bis zum Nacken eingefasst, die Wangen sind hellgrau bis weißlich. Der Rücken ist braun mit schwarzen Längsstreifen. Die Flügel sind ebenso gefärbt, aber mit einer deutlichen weißen Flügelbinde, eine zweite ist angedeutet. Brust und Bauch sind aschgrau. In Stadtzentren und Industriegebieten ist das Gefieder infolge von Verschmutzung meist weit weniger kontrastreich. [1] [3]

Weiblicher Haussperling
Jungvogel

Weibchen und Jungvögel

Die Weibchen sind unscheinbarer als die Männchen und in einem matteren Braun gefärbt, aber sehr fein gezeichnet. Die Oberseite ist dabei hell graubraun, der Rücken schwarzbraun und gelbbraun gestreift. Der ebenfalls graubraune Kopf hat einen hellen Überaugenstreif, der vor allem hinter dem Auge deutlich ist.

Jungvögel sehen wie Weibchen aus, sind nur etwas heller und gelblicher gefärbt. Sie bleiben nachdem sie flügge geworden sind an den gelblichen Schnabelwülsten erkennbar. [1] [3]

Federkleid und Mauser

Die Jugendmauser ist eine Vollmauser und beginnt im Alter von sechs bis acht Wochen. Damit die Mauser vor Beginn der ungünstigeren Witterungsperiode abgeschlossen ist, kann sie je nach Zeitpunkt der Geburt von durchschnittlich 82 auf 64 Tage verringert sein. Die Jahresmauser der Altvögel ist ebenfalls eine Vollmauser. Sie findet in Mitteleuropa in den Monaten Juli oder August statt. Bei Gefahr oder Stress neigen Sperlinge auch zur Schockmauser. Das Sperlingsgefieder besteht vor der Mauser aus 3200 Federn, die insgesamt 1,4 Gramm wiegen. Nach der Mauser sind es ungefähr 3600 Federn mit einem Gewicht von 1,9 Gramm. Zur Pflege des Gefieders sind Staubbäder beliebt, um sich vor Federparasiten zu schützen.[4] [5]

Haussperling im Flug

Flug

Haussperlinge fliegen schnell und geradlinig, relativ niedrig und meist vom Nistplatz zu einem nahe gelegenen Baum oder Gebüsch. Dabei können sie Geschwindigkeiten von bis zu 60 Kilometern pro Stunde erreichen. Die Flügel schwingen in der Sekunde etwa 13 mal auf und ab, was den Eindruck eines Flügelschwirrens hinterlässt. Der Distanzflug ist leicht wellenförmig mit fallenden Gleitphasen mit angelegten Flügeln, die Flugbahn ist dabei aber im Vergleich zu den Finkenarten flacher gewellt. [1] [6]

Stimme

Der Gesang des Haussperlings wird nur vom Männchen vorgetragen und besteht aus einem monotonen, relativ lautem, rhythmischem „Tschilpen“ (meist einsilbig, auch „schielp“, „tschuip“, „tschirp“, manchmal auch zweisilbig wie „tschirrip“ oder „tschirrep“). Die Tonhöhe und die Anordnung der Elemente variieren von Vogel zu Vogel erheblich. Während des Singens vergrößert sich der Kehllatz. Analysen haben ergeben, dass diese Lautäußerungen komplex komponiert sind und sowohl individuelle Merkmale als auch Stimmungen darin codiert sein können. [7] [8]

Als gesellige Vögel verfügen Haussperlinge über viele Rufe. Die übliche Warnruf bei Luftfeinden ist strukturell abweichend gegenüber anderen Sperlingsvögeln ein weiches getrillertes „drüüü“, wobei dieser Ruf auch gelegentlich gegenüber größeren Nahrungskonkurrenten wie Möwen verwendet wird. Vor Bodenfeinden wird mit anhaltendem nasalen Rufen wie „kew kew“ oder auch „terrettett“ gewarnt. Zur Kopulation fordern Männchen und Weibchen mit leisen, gezogenen und nasalen Lauten auf, Weibchen verwenden dabei ein wiederholtes „djie“, der Kopulationsruf des Männchens ist ein wisperndes „iag iag“. Daneben gibt es einige weitere situationsabhängige Rufe, deren Dauer, Obertonstaffelung- und -modulation recht verschieden gestaltet sein können.[7][6]

Freilebende Haussperlinge sind auch in der Lage, Alarmrufe von Staren und Amseln zu kopieren. Zudem zeigen jüngere Forschungen, dass die Alarmrufe anderer Vogelarten durchaus verstanden werden. Heute ist relativ unbekannt, dass Haussperlinge auch sehr lernfähige „Gesangsschüler“ sind. Im 18. Jahrhundert war es ein beliebtes Spiel, aufgezogenen Vögeln Lieder beizubringen. Es gibt eine stattliche Anzahl von Berichten und Belegen dafür, dass Haussperlinge, die beispielsweise in Gesellschaft von Kanarienvögeln aufgezogen wurden, deren rollendes Geträller perfekt erlernen, auch wenn sie dies mit ihrer rauen und lauten Stimme imitieren. [8] [7]

Verbreitung und Lebensraum

Verbreitung

Das ursprüngliche paläarktische und orientalische Verbreitungsgebiet hat sich nach zahlreichen Einbürgerungen in anderen Kontinenten seit Mitte des 19. Jahrhunderts fast auf den gesamten Globus ausgedehnt. Heute fehlt der Haussperling nur in den Polargebieten, Teilen Nordsibiriens, Chinas, Japan und Südostasiens, in Westaustralien, dem tropischen Afrika und Südamerika und dem nördlichsten Teil Amerikas und ist damit eine der weitest verbreiteten Landvogelarten. Die nördliche Grenze des Verbreitungsgebiets schwankt ungefähr zwischen dem 60. und dem 70. Breitengrad. Auf der Südhalbkugel wurden die Landmassen mit Ausnahme der Antarktis bis zu den südlichsten Ausläufern besiedelt, nur in Westaustralien wird konsequent versucht eine Besiedlung zu unterbinden. [9] [3]

In Europa gibt es heute Gebiete, in denen der Haussperling durch einen nahen Verwandten vertreten wird. In Italien, Sizilien, Korsika und Kreta hat sich als Stellvertreter der ebenfalls die Nähe des Menschen suchende Italiensperling etabliert. Auf der iberischen Halbinsel, dem Balkan und Teilen Nordafrikas lebt der Haussperling gemeinsam mit dem nahe verwandten Weidensperling, der noch kein Kulturfolger ist. Beide Arten leben dabei weitgehend sympatrisch.[9]

Lebensraum

Als ursprüngliches Biotop vor dem Anschluss an den Menschen werden trockenwarme, lockere Baumsavannen vermutet, dies bleibt jedoch mangels jeglicher Daten spekulativ. Beim Vordringen nach Mitteleuropa war der Haussperling bereits Kulturfolger mit einer ausgeprägten Bindung an den Menschen.

Voraussetzung für Brutbiotope sind die ganzjährige Verfügbarkeit von Sämereien und Getreideprodukten und die Möglichkeit eines Nistplatzes. Optimal sind Dörfer mit Landwirtschaft, Vorstadtbezirke, Stadtzentren mit großen Parkanlagen, zoologische Gärten, Vieh- oder Geflügelfarmen. Aus den Kernzonen der Großstädte hat sich der Haussperling weitestgehend zurückgezogen, vor allem aufgrund von Gebäudesanierungen und des gestiegenen Anteils versiegelter Flächen. Es werden aber auch außergewöhnliche Lebensräume besiedelt, wie beispielsweise von der Außenwelt abgeschlossene klimatisierte Flughafengebäude. Das höchstgelegene Brutvorkommen findet sich bei ungefähr 4.500 m im Himalaya, das tiefste bei -86 m im Death-Valley in Nordamerika. [10] [11]

Wanderungen

In Europa ist der Haussperling fast ausschließlich Standvogel, in geringem Ausmaß auch Kurzstreckenzieher. Die asiatischen Unterart P. d. bactrianus wiederum ist ein Zugvogel und überwintert bei Zugdistanzen bis zu 2000 Kilometern in Pakistan und Indien. Die hauptsächlich im Himalaya beheimatete Form P. d. parkini ist Teilzieher. [12] [11]

Nach der ersten Brutansiedlung sind die Haussperlinge der Nominatform sind sehr ortstreu, der Aktionsradius während der Brutzeit kann bei Stadtpopulationen lediglich 50 Meter betragen. Jungvögel streuen ungerichtet und schließen sich zunächst im Spätsommer anwachsenden Schwärmen an. Auch ein Teil der Altvögel schließt sich diesen Herbstschwärmen an, die in die Umgebung der Brutplätze ausstrahlen, um das dortige Nahrungsangebot zu nutzen. Die Altvögel kehren meist nach Auflösung der Schwärme bereits im Frühherbst wieder an ihren ursprünglichen Brutplatz zurück. [12] [13]

Nahrung und Nahrungserwerb

Haussperling, Männchen

Der Haussperling ernährt sich vorwiegend von Körnern und Samen. In der Stadt passen sich die Spatzen an und werden zu Allesfressern. Besonders an den Imbissständen und Freiluftlokalen stellen sie das unter Beweis.[2]

Die Jungen allerdings füttert der Haussperling in den ersten Tagen fast ausschließlich mit Raupen und zerkleinerten Insekten. Stehen diese nicht zur Verfügung und wird beispielsweise Brot an die Jungen verfüttert, kann dies Verdauungsstörungen verursachen, die zum Tod führen können. Mit zunehmendem Alter der Jungen verfüttern die Eltern dann mehr und mehr auch Sämereien.[2][5]

Der Haussperling versucht sich gelegentlich auch als Luftjäger. Dabei startet er von einer Sitzwarte aus einen kurzen Jagdflug nach einem vorbeifliegenden Maikäfer oder Falter. Dies wirkt zwar mühsam und nicht so elegant wie beim Grauschnäpper, führt aber dennoch nicht selten zum Erfolg. [14]

Fortpflanzung

Haussperlinge bei der Kopulation

Die Geschlechtsreife tritt bei Haussperlingen am Ende des ersten Lebensjahres ein. Spatzen führen in der Regel eine lebenslange Dauerehe. Wenn ein Partner stirbt, finden Neuverpaarungen jedoch schnell statt. Vereinzelt kommt auch Bigynie (Polygynie) vor.

Die Brutzeit beginnt Mitte bis Ende April und reicht bis August. In diesem Zeitraum werden zwei bis drei, selten sogar vier Bruten aufgezogen. Von den Erst- und Zweitbruten werden nur rund ein Drittel der Vögel flügge, von den späteren Bruten noch weniger.[15] Viele Jungvögel gehen darüber hinaus vermutlich bis zum Ende des Winters zugrunde.[16]

Nestbau

Das Nest wird vom Männchen während der Balz begonnen und von beiden Partnern gemeinsam vollendet. Als typische Nistplätze dienen geschützte Hohlräume an oder in der Nähe von Gebäuden, sei es unter losen Dachpfannen oder in Mauerlöchern oder Nischen unter dem Vordach. Aber auch Nistkästen, Schwalbennester oder Spechthöhlen werden zur Brut ausgewählt. Gelegentlich kann man Sperlinge in Greifvogelhorsten oder Storchennestern finden, wobei diese dabei davon profitieren, dass sich ihre Luftfeinde nicht in die Nähe solcher Nester wagen. Besteht Nistplatzmangel, können auch Freinester in Bäumen oder Büschen angelegt werden, die mit einem Dach aus Halmen versehen werden.

Das Kugelnest mit seitlichem Eingang ist sehr locker und wird nicht besonders sorgfältig gebaut. Sperlinge verbauen dabei fast alles, beispielsweise Stroh, Gras, Wolle, Papier oder Lumpen. Das Material wird dabei weniger durch Auswahl als durch seine Verfügbarkeit im Umkreis von 20 bis 50 Metern bestimmt. Die Nestmulde wird zur Auspolsterung mit feinen Halmen und Federn ausgekleidet. Es wird auch kolonieweise gebrütet, wobei die Nester dabei meist einen Mindestabstand von 50 Zentimetern aufweisen.[13][5][2]

Balz und Paarung

Die Balz beginnt im Februar. Bei der Partnerwahl spielt für das Weibchen sowohl ein möglichst geschützter Nistplatz als auch der beim Singen anschwellende Brustlatz des Männchens eine Rolle. Ist ein Weibchen interessiert, so gerät das Männchen in höchste Erregung. Es hüpft mit gesträubtem Gefieder, hängenden Flügeln und aufgestelztem Schwanz hin und her. Treibt anfänglich das Männchen zur Paarung, so ist es später das Weibchen, das regelmäßig dazu auffordert. Es duckt sich dabei waagrecht mit leicht erhobenem Schwanz und vibrierenden Flügeln. Weibchen können dabei manchmal alle 15 Minuten zur Kopulation auffordern. Bei koloniebrütenden Paaren sind wiederum die Männchen an häufigerer Kopulation zur Sicherung der eigenen Vaterschaft interessiert.[6][5]

Gelege und Brut

Spatzenjunge kurz nach dem Schlüpfen

Das Gelege besteht aus vier bis sechs Eiern mit einer durchschnittlichen Größe von 15 x 22 Millimetern und einem Gewicht von etwa 3 Gramm. In Gestalt, Größe und Farbe sind die Eier sehr unterschiedlich. Sie sind weiß bis schwach grünlich oder gräulich und mit grauen oder braunen Flecken versehen.

Nach Ablage des letzten Eis beginnt die 11 bis 13 Tage andauernde Brutzeit. Beide Partner brüten abwechselnd, wobei das Weibchen meist die Nacht auf dem Gelegte verbringt. Während das Weibchen auf Nahrungssuche ist, hält das Männchen die Eier vermutlich nur warm, denn es hat keinen Brutfleck.[17]

Entwicklung der Jungen

Weibchen füttert ihr gerade flügge gewordenes Küken

Die geschlüpften Jungen werden gehudert und zu Beginn durch beide Eltern vor allem mit zerkleinerten Insekten, später zunehmend auch mit Sämereien gefüttert. In den ersten Tagen wird der Kot durch die Eltern verschluckt, später hinausgetragen. Die Nestlingszeit dauert etwa 17 Tage, nach dem fünften Tag sind die Augen der Jungen geöffnet.

Gehen beide Eltern verloren, so finden sich durch die intensiven Bettelrufe der Jungen animiert meistens Stellvertreter aus der Nachbarschaft, die die Jungen füttern, bis sie selbstständig sind.[5]

Die Jungvögel werden wohl zum Teil von den Altvögeln aus dem Nestbereich vertrieben und sammeln sich im Herbst in stetig anwachsenden Schwärmen.

Lebenserwartung und Feinde

Der Hausperling wird im Normalfall vier bis fünf Jahre alt. Es wurden allerdings schon beringte Exemplare beobachtet, die knapp 14 Jahre alt wurden. In Gefangenschaft erreichen Spatzen durchaus auch ein Alter von 15 Jahren und mehr.[5]

Gefahr droht ihnen vor allem durch Predation und besonders in großen Städten auch durch den Straßenverkehr. Die größten Verluste mit 45 bis 56 Prozent der Gesamtmortalität erleiden die Altvögel während der Brutzeit. Zu den Bodenfeinden zählen Steinmarder und vor allem Katzen. Die den Spatzen jagenden Luftfeinde sind vor allem Sperber, Schleiereulen und Turmfalken. Dabei sind ausgefärbte Männchen mit ausgeprägtem Kehlfleck häufiger das Oper von Greifvögeln. Haussperlinge sind vielerorts die Hauptbeute des Sperbers mit einem Anteil von bis über 50 Prozent. Aber auch für den Turmfalken stellen sie beispielsweise in Berlin die häufigste Vogelbeute dar. [18] [17]

Bestand

Männlicher Spatz als Gast im Kölner Zoo

Weltweit soll es etwa 250 Millionen Brutpaare des Haussperlings geben. Auch in Europa liegen nur recht ungenaue Schätzungen vor, laut Birdlife stellt sich der Bestand im deutschsprachigem Raum folgendermaßen dar:[19][2]

Land Anzahl Brutpaare Zeitraum Trend (%)
Deutschland   4.000.000 - 10.000.000 1995 - 1999 -20 bis -30
Liechtenstein 1.000 - 2.500 1998 - 2000   0 bis -20
Luxemburg 35.000 - 40.000 2002 - 2002 -20 bis -30
Österreich 350.000 - 700.000 1998 - 2002   0 bis -20
Schweiz 400.000 - 500.000 1998 - 2002   0 bis -20

Der Prozentangabe des Trends bezieht sich dabei auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Veränderungen kleiner als 20 Prozent werden dabei noch nicht als statistisch signifikant angesehen, da diese im Bereich natürlicher Schwankungen liegen. Ornithologen gehen davon aus, dass sich der Bestand seit Anfang der 1970er Jahre halbiert hat. Deshalb wurde der Haussperling auch auf die Vorwarnliste der gefährdeten Arten aufgenommen, obwohl der Bestand absolut gesehen noch sehr hoch ist. Ebenfalls aufgrund dieser Entwicklung war der Spatz vom NABU zum Vogel des Jahres 2002 gewählt worden.

Die Gründe für diesen Rückgang sind vielschichtig, folgendes wird als Ursache angesehen:

  • Moderne oder sanierte Gebäude bieten kaum noch Nischen oder Hohlräume, die als Brutplätze verwendet werden können.
  • Durch den Einsatz effizienterer Erntemaschinen verbleiben weniger Körner nach der Ernte auf den Feldern.
  • In der Landwirtschaft werden keine Pferde mehr eingesetzt, und die unverdauten Körner aus Pferdeäpfeln entfallen somit ebenfalls aus dem Nahrungsangebot. [2]
  • Vor allem im Bereich von Großstädten ist der Anteil der versiegelten Flächen gestiegen, was beispielsweise die Möglichkeiten für Staubbäder verringert.
  • Der vermehrte Einsatz von Insektiziden verringert das vor allem für die Jungtiere erforderliche Nahrungsangebot.

Die Situation hängt jedoch sehr von den lokalen Bedingungen ab. In verschiedenen europäischen Großstädten wie London, Paris, Warschau, Hamburg und München wurde in den letzten Jahren ein sehr starker Rückgang beobachtet. Eine besonders erschreckende Entwicklung wurde im Hamburger Stadtteil St. Georg festgestellt, wo zwischen 1983 und 1987 die Zahl der Haussperlinge von 490 auf 80 Vögel pro Quadratkilometer zurückging. Positiver ist die Entwicklung in Berlin, wo sich die Rückgänge erst lokal in den Sanierungsgebieten abzeichnen und der Bestand mit 280 Vögeln pro Quadratkilometer im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz einnimmt. [20] [21]

Systematik

Früher glaubte man, dass die Familie der Sperlinge eng mit den afrikanischen Webervögeln verwandt sei und ordnete demzufolge die Sperlinge als Unterfamilie (Passerinae) der Familie der Webervögel ein. Heute haben DNA-Untersuchungen ergeben, dass auch Verwandtschaftsbeziehungen zu Stelzen, Piepern und Braunellen bestehen, so dass man die Sperlinge heute als eigenständige Familie neben diese stellt (Passeridae).[22]

Bis vor kurzem wurden der Italiensperling und auch der Weidensperling als Unterart des Haussperlings angesehen. Heute sieht man diese als eigenständige Arten, wobei man davon ausgeht, dass der Italiensperling durch Hybridisierung von Haus- und Weidensperling entstanden ist.

Die Familie der Sperlinge wird heute in vier Gattungen und 36 Arten unterteilt, wobei von diesen neben dem Haussperling der Feld-, Weiden-, Italien- und Steinsperling sowie der Schneefink in Mitteleuropa vorkommen. [3] [23]

Haussperling und Mensch

Der die Nähe des Menschen suchende Haussperling ist für viele Menschen der Inbegriff des Vogels überhaupt, da es meist der erste Vogel ist, den man als Kind richtig zu Gesicht bekommt. Das Verhältnis des Menschen ist zwiegespalten, lange wurde der lästige Haussperling bekämpft. Andererseits liegt er den Menschen auch am Herzen, auch wenn oder weil er klein und unscheinbar ist, und man traut ihm eine gute Portion Raffinesse zu.

Etymologie und Benennung

Sowohl das Wort Sperling als auch die Koseform Spatz leiten sich vom althochdeutschen „sparo“ ab, und dieses hängt vermutlich wieder mit dem indogermanischen „spar“ wie „zappeln“ zusammen. Grund hierfür könnte das immer unruhig wirkende Verhalten des Haussperlings sein und auch sein beidbeiniges Umherhüpfen am Boden. Auch das englische „sparrow“ leitet sich auf die gleiche Weise her.[24]

Daneben besitzt der Spatz noch eine Reihe weiterer Namen, die teilweise nur lokale Bedeutung haben: Seine Vorliebe für Sämereien hat ihm die Namen Korndieb, Gerstendieb oder Speicherdieb eingetragen. In Norddeutschland wird er Lünig genannt, was soviel heißt wie „der Lärmende“. Wegen seiner Gewohnheit, in Misthaufen und Dung nach Körnern zu suchen, nennt man ihn auch Mistfink. Weitere Namen sind Leps und Mösche (von mussce, vulgärlateinisch von muscio = Spatz).[22]

Geschichte als Kulturfolger

Der Haussperling hat sich den Menschen mit seinen Siedlungen vor über 10.000 Jahren angeschlossen. Ursprünglich war er in den Steppengebieten Vorderasiens zu Hause und hat im Gefolge der nomadischen Reitervölker Europa erobert. Im Zuge der Entdeckung und Besiedlung der anderen Kontinente durch die Europäer wurde der Haussperling praktisch auf der ganzen Welt heimisch.[2] 1852 setzten europäische Auswanderer etwa 100 Vögel auf einem Friedhof in Brooklyn/New York aus und in nur 30 weiteren Jahren wurde das gesamte Gebiet der Vereinigten Staaten besiedeltet. Man nimmt an, dass diese rasche Ausbreitung auf die Schwarmbildung im Herbst und die Nutzung von Getreidezügen zurückzuführen ist.[15] [16]

Redewendungen und Legenden

Da Menschen und Haussperlinge derart lange eng aufeinander leben, ist es nicht verwunderlich, dass es zahlreiche Redewendungen und Legenden gibt. Auch hierbei überwiegt das negative Image des Spatzen. Die bekanntesten sind folgende:

  • Dreckspatz: Die Vorliebe für Staubbäder hat dieses Schimpfwort verursacht.
  • Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach: Dies soll ausdrücken, dass man sich lieber mit etwas kleinem und leicht erreichbarem zufrieden geben soll, als etwas größeres und wertvolleres zu begehren.
  • Mit Kanonen auf Spatzen schießen: Soll deutlich machen, dass man übertriebenen Aufwand betreibt, um etwas zu erreichen.
  • Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Ist ein Ausdruck für etwas, was längst kein Geheimnis mehr ist und sich überall herumgesprochen hat.
  • Ein Spatzenhirn haben: Für dieses Synonym für „dumm oder vergesslich sein“ musste der Spatz wohl als bekanntester kleiner Vogel Pate stehen. Indes sind Haussperlinge sogar relativ intelligente Vögel, denn sie waren beispielsweise die ersten Vögel, die in den 1930er Jahren in England den Kohlmeisen das Öffnen der Milchflaschen nachmachten.[25][2]
  • Der Ulmer Spatz: Hier soll der Spatz als Ideengeber beim Bau des Münsters fungiert haben, indem er einen Strohalm längs im Schnabel trug, nachdem die Ulmer vergeblich versucht hatten, einen großen Balken quer durch das Stadttor zu transportieren.

Der Spatz als Schädling

Der frühere Ruf des Haussperlings als Schädling ist vor allem auf seine Vorliebe für Körner zurückzuführen. Auch war der Spatz zu bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weit zahlreicher als heute. Dies führte beispielsweise dazu, dass König Friedrich der Große im 18. Jahrhundert ein Kopfgeld aussetzte, um die herrschaftlichen Felder vor den Spatzen zu schützen. Wegen der durch die Dezimierung der Sperlinge verursachten starken Ausbreitung der Insekten wurde diese Kopfgeld jedoch bald wieder abgeschafft.[23]

Aber die Zeit der Spatzenverfolgung reichte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Im Jahr 1965 wurden durch den DBV, der damaligen Vorläuferorganisation des NABU, spezielle Futterhäuschen mit den bemerkenswerten Namen „Kontraspatz“ oder „Spatznit“ vertrieben. Damit sollten die Haussperlinge von der Winterfütterung ausgeschlossen werden, da man die Spatzen als zu große Konkurrenz für die übrigen Singvögel ansah.[24]

Aber auch heute wird der Haussperling zumindest noch als sogenannter Hygieneschädling betrachtet und findet sich deshalb auch in einem „Lexikon für Schädlinge“ wieder.[26] Problematisch ist dabei insbesondere das Eindringen und Einnisten in Lebensmittelmärkten und Großküchen, da der Haussperling als potentieller Überträger von Krankheiten gilt. In Deutschland geraten hier das Bundesnaturschutzgesetz und die Lebensmittelhygieneverordnung in Konflikt, so dass die Rechtslage bei einer Bekämpfung der Sperlinge unklar ist.[27] Große Medienresonanz erlangte auch der Abschuss eines Spatzes, der bei den Vorbereitungen des Domino Day 2005, einer Fernsehsendung des Senders RTL, in die Halle geflogen war und vor Sendebeginn bereits etliche Steine umgeworfen hatte.

Symbol der Unkeuschheit

Auch wenn sich Haussperlinge keineswegs häufiger paaren als andere Vogelarten, brachte ihr Verhalten ihnen im Mittelalter den Ruf der Unkeuschheit ein. Dies lag wohl daran, dass die Paarung direkt vor den Augen der Menschen stattfand, und Spatzen dabei geräuschvoller zur Werke gehen als manch andere Vögel. Man glaubte damals auch, dass Spatzen bei so vielen Begattungen höchstens ein Jahr leben könnten.

Weit verbreitet war auch der Glaube, dass Spatzenfleisch den Liebesdrang steigere und zur Unzucht ansporne. Im alten Rom und noch früher, im Griechenland der Antike, wurden ähnliche Aberglauben beschrieben. Bei Aristophanes, einem griechischen Kommödiendichter, ritten die sehnsüchtigen Frauen auf Spatzen von der Akropolis zu ihren Männern herab.[15]

Einzelnachweise

  1. a b c d U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. d. domesticus; Feldkennzeichen, Beschreibung; Seite 51-60; siehe Literatur
  2. a b c d e f g h Vogelschutz-online e.V.: Haussperling
  3. a b c d Einhard Bezzel: Kompendium der Vögel Mitteleuropas; Band II; Seite 584-589; siehe Literatur
  4. U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. d. domesticus; Mauser; Seite 60f; siehe Literatur
  5. a b c d e f Manfred Giebing: Der Haussperling, Vogel des Jahres 2002
  6. a b c U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. d. domesticus; Verhalten; Seite 94-115; siehe Literatur
  7. a b c U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. d. domesticus; Stimme; Seite 61-67; siehe Literatur
  8. a b nature-rings.de: Der es von den Dächern pfeift
  9. a b U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. domesticus; Verbreitung der Art; Seite 46-48; siehe Literatur
  10. U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. d. domesticus; Biotop; Seite 75-78; siehe Literatur
  11. a b Jochen Hölzinger: Die Vögel Baden-Württembergs; Band 3/2; Seite 504-516; siehe Literatur
  12. a b U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. d. domesticus; Wanderungen; Seite 73-75; siehe Literatur
  13. a b U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. d. domesticus; Fortpflanzung; Seite 79-89; siehe Literatur
  14. Einhard Bezzel: Vögel beobachten; Seite 25f; BLV; München 2002; ISBN 3-405-16244-0
  15. a b c NABU Kreisverband Verden e.v.: Der Haussperling - Vogel des Jahres 2002
  16. a b Einhard Bezzel; Vögel; Seite 492f; BLV; München 2006; ISBN 3-8354-0022-3
  17. a b U. N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas; Band 14/1; P. d. domesticus; Bruterfolg, Sterblichkeit, Alter; Seite 89-94; siehe Literatur
  18. Sonja Kübler: Nahrungsökologie stadtlebender Vogelarten entlang eines Urbangradienten; Berlin 2005
  19. BirdLife International, Birds in Europe, Passer Domesticus
  20. NABU Deutschland: Der Allerweltsvogel Spatz - Weltbürger, Eroberer, Nachbar
  21. NABU Berlin: Berlin - Eldorado für Spatzen
  22. a b Hans-Jürgen Martin, Tier und Natur, Sperlinge
  23. a b NABU Deutschland: Der Haussperling - Vogel des Jahres 2002, Jahresvogelbroschüre, Seite 14, 20f
  24. a b NABU Deutschland: Der Haussperling, Vogel des Jahres 2002, Freund oder Feind
  25. Schweizerische Vogelwarte: Vögel der Schweiz; Kohlmeise
  26. Mult!Clean Umwelthygiene: Lexikon für Schädlinge, Haussperling
  27. M. Felke, B. Kleinlogel: Der Haussperling - in Lebensmittelbetrieben nicht tolerierbar; In: Der Lebensmittelbrief; 11/2005

Literatur

Commons: Haussperling – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien