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Reelle Zahl

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Zahlengerade

Eine Reelle Zahl ist eine Dezimalzahl. Der Gegenbegriff ist imaginäre Zahl.

Der Name „reelle Zahlen“ soll darauf hinweisen, dass durch sie messbare Größen beschrieben werden; die Bedeutung von „reell“ entspricht dem „real“ wie beim reellen Bild.

Für die Menge der reellen Zahlen wird das Symbol (auch ) verwendet. Sie werden unterschieden in:

Die Menge der reellen Zahlen ist heute der für Anwendungen der Mathematik wichtigste Zahlbereich: Einer Vielzahl von Messgrößen wie zum Beispiel Länge, Temperatur und Masse, kann eine reelle Zahl als Maßzahl zugeordnet werden.

Reelle Zahlen sind eine Erweiterung des Bereichs der rationalen Zahlen. Diese Erweiterung ist nötig, weil die rationalen Zahlen für manche Längen keine Maßzahl bereitstellen, zum Beispiel für die Diagonale eines Quadrates mit der Seitenlänge 1 oder für die Teilstrecken in einem Pentagramm mit der Seitenlänge 1. Schon die Pythagoräer erkannten deshalb die Notwendigkeit, den engen Zahlbegriff der Längenverhältnisse (wie er durch die rationalen Zahlen beschrieben wird) zu erweitern. Die moderne Mathematik hat dies mit der Erweiterung zum Bereich der reellen Zahlen geleistet, wodurch der Grenzwertbegriff und damit die Analysis ein festes Fundament erhalten haben.

Anschaulich entspricht die Menge der reellen Zahlen der Menge aller Punkte der Zahlengeraden. Man sagt: Die reellen Zahlen sind diesen Punkten eineindeutig (bijektiv) zugeordnet.

Die reellen Zahlen und Funktionen von nach sind der Untersuchungsgegenstand der reellen Analysis.

Einteilung der reellen Zahlen

Die Menge der reellen Zahlen besteht aus den rationalen Zahlen (ganze Zahlen wie −1, 0, 1, 2 und Bruchzahlen wie 3/4, −2/3 usw.) und den irrationalen Zahlen. Eine Zahl heißt irrational, wenn sie reell aber nicht rational ist. Die ersten Beweise, dass die Zahlengerade irrationale Zahlen enthält, wurden von den Pythagoräern geführt.

Irrationale Zahlen sind beispielsweise:

  • die Kreiszahl π (pi),
  • die Eulersche Zahl ,
  • die Wurzeln aus ganzen Zahlen, die nicht ganzzahlige Werte haben wie z. B. .

Eine die rationalen Zahlen umfassende Teilmenge der reellen Zahlen ist die Menge der reell-algebraischen Zahlen, d.h. der reellen Lösungen von Polynomgleichungen mit ganzzahligen Koeffizienten; diese Menge umfasst sämtliche reellen Wurzelausdrücke. Ihr Komplement ist die Menge der transzendenten Zahlen.

Konstruktion von R aus Q

Die Konstruktion der reellen Zahlen als Zahlbereichserweiterung der rationalen Zahlen war im 19. Jahrhundert ein wichtiger Schritt, um die Analysis auf ein solides mathematisches Fundament zu stellen. Die erste exakte Konstruktion geht wohl auf Karl Weierstraß zurück, der die reellen Zahlen über beschränkte Reihen mit positiven Gliedern definierte.[1]

Heute gebräuchliche Konstruktionen der reellen Zahlen:

  • Darstellung als Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen: Diese heute verbreitetste Konstruktion der reellen Zahlen geht wohl auf Georg Cantor [3] zurück, der die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen von rationalen Cauchy-Folgen definierte. Dabei sind zwei Cauchy-Folgen äquivalent, wenn ihre (punktweise) Differenz eine Nullfolge bildet. Wie man relativ leicht nachprüft, ist diese Relation tatsächlich reflexiv, transitiv und symmetrisch, also zur Bildung von Äquivalenzklassen geeignet.
Die durch die rationalen Zahlen induzierte Addition und Multiplikation ist wohldefiniert, das heißt unabhängig von der Auswahl des Repräsentanten. Mit diesen wohldefinierten Operationen bilden die reellen Zahlen einen Körper. Ebenfalls durch die rationalen Zahlen wird eine totale Ordnung induziert. Insgesamt sind die reellen Zahlen damit ein geordneter Körper.

Die drei genannten Konstruktionsmethoden führen zur (bis auf Isomorphie) gleichen Struktur, den reellen Zahlen. Jede der Methoden beleuchtet eine andere Eigenschaft der rationalen und reellen Zahlen und ihrer Beziehung zueinander:

  • Die Methode der Dedekindschen Schnitte vervollständigt die Ordnung auf den rationalen Zahlen zu einer ordnungsvollständigen Ordnung. Als Ergebnis liegen die rationalen Zahlen (im Sinne der Ordnung) dicht in den reellen Zahlen.
  • Die Methode der Cauchyfolgen vervollständigt die rationalen Zahlen als metrischer Raum zu einem vollständigen metrischen Raum im topologischen Sinn. Damit liegen die rationalen Zahlen im topologischen Sinn dicht in den reellen Zahlen.
  • Die Methode der Intervallschachtelungen reflektiert die numerische Berechnung von reellen Zahlen: Sie werden durch Näherungswerte mit einer gewissen Genauigkeit (Näherungsfehler) approximiert, also in ein Intervall um den Näherungswert eingeschlossen. Der Beweis, dass sich die Näherung (durch iterative oder rekursive Verfahren) beliebig verbessern lässt, ist dann ein Beweis für die „Existenz“ eines reellen Grenzwertes.

Axiomatische Einführung der reellen Zahlen

Die Konstruktion der reellen Zahlen als Zahlbereichserweiterung der rationalen Zahlen wird in der Literatur oft in vier Schritten vorgenommen: Von der Mengenlehre über die natürlichen, die ganzen, die rationalen schließlich zu den reellen Zahlen wie oben beschrieben. Eine direkte Möglichkeit, die reellen Zahlen mathematisch zu erfassen, ist, sie durch Axiome zu beschreiben. Dazu benötigt man drei Gruppen von Axiomen - die Körperaxiome, die Axiome der Ordnungsstruktur sowie ein Axiom, das die Vollständigkeit garantiert.

  1. Die reellen Zahlen sind ein Körper
  2. Die reellen Zahlen sind total geordnet (siehe auch geordneter Körper), d.h. für alle reellen Zahlen gilt:
    1. es gilt genau eine der Beziehungen (Trichotomie)
    2. aus und folgt (Transitivität)
    3. aus folgt (Verträglichkeit mit der Addition)
    4. aus und folgt (Verträglichkeit mit der Multiplikation)
  3. Die reellen Zahlen sind ordnungsvollständig, d.h. jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge von besitzt ein Supremum

Alternativ kann der Körper der reellen Zahlen auch charaktisiert werden als vollständiger, archimedisch geordneter Körper, d.h. als ein Körper der folgende Axiome erfüllt:

  • die Körperaxiome und Ordnungsaxiome
  • das Archimedische Axiom:
    Sind und positive reelle Zahlen, dann gibt es ein , so dass ist.
  • das Vollständigkeitsaxiom:
    Jede Cauchy-Folge in konvergiert oder anders ausgedrückt die reellen Zahlen sind bzgl. der vom Absolutbetrag induzierten Metrik ein vollständiger Raum.

Anstelle des Vollständigkeitsaxioms kann man auch das Intervallschachtelungsaxiom setzen:

  • das Intervallschachtelungsaxiom:
    Der Durchschnitt jeder monoton fallenden Folge abgeschlossener beschränkter Intervalle ist nichtleer.

Durch beide Axiomensysteme ist der Körper der reellen Zahlen (bis auf Isomorphie) eindeutig bestimmt.

Wenn man die reellen Zahlen axiomatisch einführt, dann ist die Konstruktion als Zahlbereichserweiterung ihr „Existenzbeweis“, genauer: Die Konstruktion in vier Schritten aus der Mengenlehre beweist, dass ein Modell für die durch die Axiome beschriebene Struktur in der Mengenlehre, von der die Konstruktion ausging, vorhanden ist.

Mächtigkeiten

Die Mächtigkeit von wird mit (Mächtigkeit des „Continuums“) oder mit (Aleph) (ohne Index!) bezeichnet. Sie ist größer als die Mächtigkeit der natürlichen Zahlen, die als kleinste unendliche Mächtigkeit heißt. Die Menge der reellen Zahlen heißt deshalb überabzählbar. Ein Beweis für ihre Überabzählbarkeit ist Cantors zweites Diagonalargument. Informell bedeutet „Überabzählbarkeit“, dass jede Liste reeller Zahlen unvollständig ist.

Übliche, weniger umfassende Erweiterungen der Menge der natürlichen Zahlen sind gleichmächtig mit den natürlichen Zahlen, also abzählbar: die Menge der ganzen Zahlen, der rationalen Zahlen und auch der algebraischen Zahlen. Einen Beweis ihrer Abzählbarkeit liefert Cantors erstes Diagonalargument. Die Überabzählbarkeit entsteht also erst durch die Hinzunahme der transzendenten Zahlen.

In der Mengenlehre wurde nach Cantors Entdeckungen die Frage untersucht: "Gibt es eine Mächtigkeit zwischen „abzählbar“ und der Mächtigkeit der reellen Zahlen, zwischen und ?" – Oder, für die reellen Zahlen formuliert: "Ist jede überabzählbare Teilmenge der reellen Zahlen gleich mächtig wie die Menge aller reellen Zahlen?", Die Vermutung, dass die Antwort auf die erste Frage „Nein!“ und auf die zweite Frage „Ja“ lautet, wird als Kontinuumshypothese (CH) bezeichnet, kurz formuliert als „“. Es konnte gezeigt werden, dass die Kontinuumshypothese unabhängig von den üblicherweise verwendeten Axiomensystemen wie der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit Auswahlaxiom (ZFC) ist, d.h. sie kann im Rahmen dieser Systeme weder bewiesen noch widerlegt werden..

Topologie, Kompaktheit, erweiterte reelle Zahlen

Die übliche Topologie, mit der die reellen Zahlen versehen werden, ist diejenige, die aus der Basis der offenen Kugeln erzeugt wird. Da die rationalen Zahlen in dieser Topologie dicht liegen, reicht es, sich auf rationale zu beschränken, die Topologie genügt daher beiden Abzählbarkeitsaxiomen. Äquivalent kann man die übliche Topologie der reellen Zahlen auch als die Topologie von als metrischen Raum mit der Metrik definieren.

Im Gegensatz zu den rationalen Zahlen sind die reellen Zahlen ein lokal kompakter Raum, zu jeder reellen Zahl lässt sich also ein offene Umgebung angeben, deren Abschluss kompakt ist. Solch eine offene Umgebung ist einfach zu finden; jede beschränkte, offene Menge mit , leistet das Gewünschte: nach dem Satz von Heine-Borel ist kompakt.

Die reellen Zahlen sind nur lokalkompakt, nicht aber kompakt. Eine verbreitete Kompaktifizierung sind die sogenannten erweiterten reellen Zahlen , wobei die Umgebungen von durch die Umgebungsbasis mit und die Umgebungen von durch die Umgebungsbasis mit definiert werden. Diese Topologie genügt weiterhin beiden Abzählbarkeitsaxiomen. ist homöomorph zum abgeschlossenen Intervall [0,1], beispielsweise ist die Abbildung ein Homöomorphismus , und alle kompakten Intervalle sind mittels affin-linearer Funktionen homöomorph. Bestimmt divergente Folgen sind in der Topologie der erweiterten reellen Zahlen konvergent, beispielsweise ist die Aussage

in dieser Topologie ein echter Grenzwert.

Mit für alle sind die erweiterten reellen Zahlen weiterhin total geordnet; es ist allerdings nicht möglich, die Körperstruktur der reellen Zahlen auf die erweiterten reellen Zahlen zu übertragen, beispielsweise hat die Gleichung keine eindeutige Lösung.

Verwandte Themen

  • Eine näherungsweise Darstellung reeller Zahlen im Computer erfolgt durch Gleitkommazahlen.
  • Berechnungen unter Berücksichtigung der Näherungsfehler ermöglicht die Intervallarithmetik.
  • Die Darstellung von Zahlen erfolgt in einem Zahlensystem.

Literatur

  • Oliver Deiser: Reelle Zahlen - Das klassische Kontinuum und die natürlichen Folgen. Springer-Verlag, 2007, ISBN 3-540-45387-3
  • Otto Forster: Analysis 1. Differential und Integralrechnung einer Veränderlichen. 4. Auflage. vieweg, 1983, ISBN 3-528-37224-9
  • Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis Teil 1. 5. Auflage. Teubner-Verlag, 1988, ISBN 3-519-42221-2

Quellen

  1. Georg Cantor. Grundlagen einer allgemeinen Mannigfaltigkeitslehre (1883), §9, zitiert nach Oskar Becker, Grundlagen der Mathematik in geschichtlicher Entwicklung, suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 1. Auflage 1995, ISBN 3518277146, S 245ff.
  2. Edmund Landau: Grundlagen der Analysis Chelsea Publ. New York 1948
  3. Georg Cantor. Grundlagen einer allgemeinen Mannigfaltigkeitslehre (1883), §9, zitiert nach Oskar Becker, Grundlagen der Mathematik in geschichtlicher Entwicklung, suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 1. Auflage 1995, ISBN 3518277146, S 248.
  4. Konrad Knopp. Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 5. Auflage, Springer Verlag 1964, ISBN 3-540-03138-3. §3 Die irrationalen Zahlen.

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