Homosexualität im Fernsehen
Die Darstellung von Homosexualität im deutschen Fernsehen war lange Zeit ein Tabuthema. Zwar wurden gelegentlich Filme, die Homosexualität thematisierten (vgl. Homosexualität im Film), ausgestrahlt, auch wurde in Talkshows darüber gesprochen, aber in Fernsehproduktionen, die sich an die breite Masse richteten, insbesondere TV-Serien, wurde das Thema lange totgeschwiegen oder es wurden Witze über "Homos" gemacht (z.B. in Ein Herz und eine Seele). Das änderte sich erst Mitte der 1990er Jahre
Die 70er Jahre
In den 70er Jahren strahlte die ARD zum ersten Mal Filme aus, die sich gezielt mit der Homosexualität auseinandersetzten. Im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks produzierte Rosa von Praunheim 1970 einen Film mit dem provokanten Titel: Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt. Nach vielen Rangeleien wurde der Film erstmals 1972 im 3. Programm des WDR ausgestrahlt. Diese Produktion machte über Nacht den homosexuellen Filmemacher zur Ikone der gerade erwachenden Schwulenbewegung. Bei der Erstausstrahlung des Films im gemeinsamen ARD-Programm am 15. Januar 1973 schaltete sich der Bayerische Rundfunk aus und produzierte damit ein riesiges Medienecho. Mit dem TV-Film Die Konsequenz aus dem Jahre 1977 erlebte die ARD einen weiteren Skandal, da sich bei der Erstaustrahlung dieses Films der Bayerische Rundfunk erneut aus dem Sendeverbund ausschaltete und ein Ersatzprogramm sendete.
Die 80er Jahre
Die 80er Jahre waren noch weitgehend von den öffentlich-rechtlichen Programmen geprägt. Homosexuelle Figuren in TV-Serien gab es in diesem Jahrzehnt nur selten; beispielsweise Steven, Sohn von Blake Carrington in der US-Seifenoper Denver Clan. In der ARD-Serie Lindenstraße gibt es mit Carsten Flöter (Georg Uecker) seit 1985 einen schwulen Charakter, und 1987 gab es den ersten Kuss zwischen zwei Männern in der Serie, es küßten sich Carsten Flöter und Gerd Weinbauer (Günter Barton).
In der ab 1989 im ZDF ausgestrahlten Serie Inspektor Hooperman erscheint mit der Nebenfigur des schwulen Polizisten Rick Silardi ein homosexueller Charakter, der ohne Klischees als ein freundlicher, hilfsbereiter Kollege gezeichnet wird.
Eine der sieben nicht ausgestrahlten Folgen der Erfolgsserie Dallas, die von der ARD dem Zuschauer bei der Erstausstrahlung ab 1981 vorenthalten und bis heute nicht im deutschen Fernsehen gezeigt wurden, behandelte das Thema Homosexualität. In dieser Episode (Nr. 26 mit dem Original-Titel Royal Marriage) will Lucy Ewing sich mit Kit Mainwaring verloben. JR weiß, dass Kit schwul ist, will ihn aber trotzdem in die Ehe drängen. Als Kit Lucy über seine Homosexualität informiert, teilt Lucy ihrer Familie mit, dass sie Kit nicht heiraten werde.
Bei der im ZDF laufenden Dallas-Konkurrenz Der Denver-Clan wurde bei der Erstausstrahlung in einer Episode eine Szene stark gekürzt, die den schwulen Sohn Steven beim Abschied von seinem sterbenden Freund Luke zeigt. Diese Szene wurde bei Wiederholungen im Privatfernsehen Ende der 1990er Jahre dann gesendet.
Die 90er Jahre
Auf den zweiten Kuss in der Lindenstraße 1990 zwischen Carsten Flöter und Robert Engel (Martin Armknecht) folgte in der Boulevard-Presse und vor allem im konservativen Bayern einen Aufschrei der Empörung. Uecker und Armknecht erhielten Morddrohungen, das Bayerische Fernsehen strahlte die Folge nicht aus. Daraufhin schickten die Drehbuchautoren die Figur Carsten für mehrere Jahre nach Australien in die Zwangspause, während die Figur Robert plötzlich heterosexuell wurde. Ab 1995 kehrte Carsten Flöter dann in die Serie zurück und hatte fortan in der Serie mehrere Partner, so Theo Klages (David Wilms), mit dem er die erste symbolische Homo-Ehe vollzog, lange bevor diese legalisiert wurde. Das erste Lesbenpaar der Serie waren Tanja Schildknecht (Sybille Waury) und ihre Geliebte Sonia Besirski (Nika von Altenstadt), die im Januar 1998 an einer Überdosis Heroin starb.
Während Anfang bis Mitte der 90er in den meisten Serien-Produktionen nur wenige Schwule und Lesben auftauchen und wenn, dann höchstens eine tolerierte Randgruppe darstellten, produzierte der Filmemacher Andreas Weiß bereits ab 1991 Fernseh-Serien, in denen das schwule und lesbische Leben in der Metropole Berlin bewusst in den Mittelpunkt gestellt wird. In Serien wie Montagskinder , Montagsgeschichten und Von Mann zu Mann dreht sich das Geschehen hauptsächlich um einen schwul-lesbischen Freundeskreis, und heterosexuelle Figuren werden zur Minderheit.
Von hoher Bedeutung war die Einführung des Privatfernsehens für die Sichtbarkeit homosexueller Charaktere im Fernsehen.
Lesbische Hauptfigur der RTL-Serie Hinter Gittern ist die inhaftierte Walter (Katy Karrenbauer). Katja Bellinghaus ist die lesbische Coco in der Serie Lukas, in der sie Affären mit diversen Frauen hat, unter anderem Andreja Fräulein Schneider.
International ist die berühmteste lesbische TV-Serien-Heldin Ellen DeGeneres in Ellen, die Ende der 1990er Jahre durch ein paralleles Coming-out der Darstellerin und der Rolle für Aufsehen sorgte. In der Kultserie Sex and the City hat Darstellerin Kim Cattrall als Samantha mehrere heterosexuelle und eine lesbische Beziehung mit Maria, die von Sonia Braga verkörpert wird. Eine der Vorreiterinnen im internationalen Fernsehen ist Sandra Bernhard, die diese Rolle auch in der Serie Roseanne verkörpert.
2000 bis heute
Der Dauerbrenner Lindenstraße präsentiert aktuell neben zahlreichen heterosexuellen Rollen drei schwule Figuren: Georg Uecker als Carsten Flöter, Claus Vinçon als Carstens Ehemann Georg "Käthe" Eschweiler und Gunnar Solka als Peter Lotti Lottmann. Vertreterinnen lesbischer Liebe in der Serie sind neben Tanja Schildknecht auch Susanne Evers als Tanjas Lebensgefährtin Suzanne Richter und Ines Lutz als Tanjas Ex-Freundin Franziska Brenner.
Die Schwulen sind ab Anfang 2000 vor allem in den amerikanischen Serien Queer as Folk und Six Feet Under – Gestorben wird immer vertreten, in der Michael C. Hall den schwulen Bestattungsunternehmer David Fisher spielt. Auch in der Sitcom Will & Grace wird Homosexualität thematisiert.
In der Serie Berlin Boheme stellen seit 2000 Tima die Göttliche, Rainer Hillebrecht und Volker Waldschmidt die drei schwulen Hauptcharaktere dar. Daneben gibt es lesbische Hauptfiguren, die von Yvonne Haß (Staffel 1) und Hannah Rubinroth (Staffel 2 - 4) gespielt werden. In der Serie Bewegte Männer sind Oliver Muth (als Norbert), Victor Schefé (als Waltraut), Ingo Naujoks als Frank seit 2004 auf deutschen Bildschirmen präsent.
Auch in täglichen Seifenopern wie Verbotene Liebe und Gute Zeiten – Schlechte Zeiten wird Homosexualität immer wieder thematisiert. In Marienhof gab es viele lesbische Beziehungen, wobei Leonore Capell als Andrea und Katja Keller als Billi im Zentrum standen. Aktuell gibt es das Lesbenpaar Carla von Lahnstein (Claudia Hiersche) und Susanne Brandner (Claudia Scarpatetti) in Verbotene Liebe.
Seit 2006 läuft auf Pro Sieben die deutsche Ausgabe der amerikanischen Serie The L Word.
Fördern gerade Serien die Akzeptanz Homosexueller in der Gesellschaft, so wird TV-Sendungen wie der Talkshow Arabella eine eher diskriminierende Wirkung zugeschrieben.
Neben Georg Uecker zählen Thomas Hermans, Dirk Bach und Hella von Sinnen zu den prominentesten Vertretern der Thematisierung von Homosexualität im deutschen Fernsehen.
Schwul-Lesbische TV-Magazine
Auch im Infotainment-Bereich hat die Homosexualität in der deutschen TV-Landschaft Einzug gehalten. Das u.a. von den Lindenstraßen-Darstellern David Wilms und Georg Uecker entwickelte Magazin Anders Trend beschäftigt sich hauptsächlich mit Homosexualität und informiert über Neuigkeiten aus der Szene.
Vorläufer für Anders Trend waren diverse schwule Magazin-Sendungen, die es seit den 90er Jahren gibt bzw. gab, diese wurden jedoch meist nur in regionalen Sendern und offenen Kanälen ausgestrahlt.
Beispiele sind:
- das in Berlin im Programm FAB gesendete schwule Magazin Schrill, schräg, schwul, welches später in Andersrum umbenannt und u.a. von David Wilms und Laurent Daniels moderiert wurde. (monatliche Ausstrahlung von ca. 1991 bis 1993)
- das im Berliner OKB gesendete Magazin DAVID von Andreas Weiß, das es 1996 auf sechs Folgen à 30 min brachte
- die Magazin-Sendungen Homo-viel und Schwul-das Magazin, die mehrere Jahre im Offenen Kanal Hamburg gesendet wurden. Homo-viel wurde von Mai 1994 bis zur Abwicklung des Offenen Kanals Hamburg im März 2003 gesendet.[1]Schwul - das Magazin läuft auch heute noch (2007) auf TIDE TV, dem Nachfolgesender des OK und wird seit Januar 2007 auch im Berliner Offenen Kanal ausgestrahlt [2].
- die Sendung Regenbogen-TV, die von 1997 bis 2005 im Offenen Kanal Münster gesendet wurde.[3]
- die Sendung Queer Funk im Offenen Kanal Kiel (ab Februar 1994 bis ca. 2003 mit weit über 100 Sendungen )
- die Sendung T3 - Typen-Themen-Toleranz war ein schwules Magazin mit Nachrichten, Reportagen und Interviews im Offenen Kanal Flensburg.
In Berlin und Hamburg gab es zudem lesbische TV-Magazine:
- Läsbisch-TV (ca. 1991–1993) im FAB (Berlin)
- Lesben in Sicht (1994–1998 mit 51 Ausgaben) im Offenen Kanal Hamburg[4]
Schwul-Lesbische TV-Sender (deutschsprachig)
Am 1. März 2005 ging der schwule Sender "4Gay.TV" auf Sendung. Im April 2005 hat er seinen Dienst schon wieder eingestellt. Dieser Sender war per Satelliten-TV, über Astra Digital 12460 MHz Transponder 103 zu empfangen. Das Programm bestand nur aus Schrifttafeln mit Informationen für Homosexuelle.
Für das Jahr 2006 plante GTV, ein weiterer schwul-lesbischer TV-Sender Deutschlands, die Verbreitung seines Programmes über DVB-T, DVB-S sowie DVB-C und das analoge Fernsehkabelnetz, diese Planungen wurden allerdings bisher nicht realisiert ( Stand: April 2007)
Serien
Englischsprachige Serien mit überwiegend homosexuellen Themen
- Queer as Folk (britische Serie)
- Queer as Folk (US-Serie: deutsche Erstausstrahlung seit Januar 2006)
- The L Word (Gruppe von Lesben in Los Angeles)
- Will & Grace
- Ellen
- Siehe auch: Homosexualität in den Vereinigten Staaten: Fernsehen.
Deutschsprachige Serien mit überwiegend homosexuellen Themen
(in der Reihenfolge der Entstehung)
- Licht und Schatten (Schwule Soap von 1991-1993)
- Traumtänzer - Das Kulturbüro (1994)
- Montagskinder (1995)
- Montagsgeschichten (30-teilige schwule Seifenoper von Andreas Weiß, 1997)
- Von Mann zu Mann (1. schwule Erotik-Serie im deutschen TV, 1998)
- Berlin Bohème (1999-2006)
- Trautes Heim - Mein Vater, sein Freund, sein(e) Ex und ich (2002-2004)
- Bewegte Männer (2003-2006)
Serien, die Homosexualität oft thematisieren
- Alphateam - die Lebensretter im OP (Schwule Hauptfigur Dr. Eberhard Scheu, gemeinsam mit seinem Lebensgefährten Erich Buresch und seinem (Pflege)Sohn Jonas)
- Berlin, Berlin (lesbische Hauptfigur Rosalie in Staffel 1)
- Buffy – Im Bann der Dämonen [1] (Willow und Tara ab der 4. Staffel, Kennedy in der 7. Staffel, Larry Blaisdell)
- Chaos City [1] (Schwule Figur Gordon Heywood)
- Dawson's Creek [1] (Hauptfigur Jack McPhee - ab Staffel 2 und einige andere Charaktere)
- Der Denver-Clan [2] (schwule/bisexuelle Hauptfigur Steven Carrington und einige Nebencharaktere)
- Desperate Housewives [3] (Andrew, der Sohn der Hauptfigur Bree, ist schwul)
- Drawn Together (Zeichentrickserie)
- Emergency Room (Dr. Kerry Weaver ab der 7. Staffel)
- Für alle Fälle Amy (Maxine nimmt Eric Black auf, einen minderjährigen homosexuellen Jungen, der mehrmals missbraucht wurde)
- Friends (Ross' Ex-Frau Carol und ihre Lebensgefährtin Susan)
- Golden Girls - (Blanche Devereaux's Bruder Clayton ist schwul)
- Hinter Gittern (lesbische Liebesbeziehungen)
- Inspektor Hooperman [2] (durchgehende Nebenfigur des schwulen Polizisten Rick Silardi, ein frühes Beispiel für eine wenig klischeebehaftete Darstellung eines homosexuellen Charakters)
- Lindenstraße (schwule Figur Carsten Flöter und dessen Beziehungen, lesbische Figur Tanja Schildknecht und deren Beziehungen)
- Lukas [4] (Lesbische Figur Coco Weber, Lukas' beste Freundin)
- Lüthi und Blanc
- Marienhof (viele lesbische Beziehungen)
- Melrose Place [1] (Schwule Hauptfigur Matt Fielding und andere)
- Mit Herz und Handschellen (Schwule Hauptfigur Leo Kraft)
- O. C. California [5] (Alex & Marissa, 8 Folgen)
- Roseanne [2][6] (Lesbische Nebenfigur Nancy und andere)
- Sailor Moon (Im japanischen Original sind Haruka und Michiru ein lesbisches Paar; Zoisite [der im Original ein Mann ist] und Kunzite in Staffel 1)
- Sex and the City [1]
- Die Simpsons [1] [7] (Waylon Smithers, ab 2006 auch Patty Bouvier, immer wieder Anspieleungen bei Rod und Milhouse, und auch sonst wird das Thema immer wieder angesprochen)
- Six Feet Under – Gestorben wird immer (Hauptfigur David mit Lebensgefährte Keith)
- SK Kölsch (heterosexueller „Macho-Kommissar“ kommt mit schwulem Berufspartner aus)
- Verbotene Liebe
- Xena (keine offene Darstellung, aber teilweise extrem deutlicher Subtext)
Siehe auch
Weiterführende Links
- queer.de: US-TV: Nur 1,3 Prozent Homos, 22. August 2006
- David A. Wyatt: Gay/Lesbian/Bisexual Television Characters - Verzeichnis englischer Serien
Deutschland
- GayWatch Schwul-lesbische Programmvorschau
- Schwulfernsehen Die ersten schwul-lesbischen Soaps in Deutschland
- cootv.de Lesbische Programmvorschau (einschl. Schweiz und Österreich) und Filmtips
Österreich
- common!motion! LesBiSchwulTransgendermagazin
Internationale Vollprogramme für Schwule und Lesben
- Pink TV Vollprogramm mit Diskussionsrunden, Spielfilmen, Serien und Pornos (Cadinot uä.), Französisch, aber auch Englisch und gelegentlich Deutsch mit Untertiteln
- Pride Vision Kanadisches TV-Programm
- Gay.TV Italienisches Programm, Musik, Shows, Spielfilme in italienischer, englischer, deutscher, japanischer und französischer Sprache (mit italienischen Untertiteln)
Quellen
- ↑ a b c d e f David A. Wyatt: Gay/Lesbian/Bisexual Television Characters - 1990er, Version vom 2. Jänner 2007
Chaos City = Spin City - ↑ a b c David A. Wyatt: Gay/Lesbian/Bisexual Television Characters - 1980er, Version vom 31. Oktober 2002
Der Denver Clan = Dynasty - ↑ David A. Wyatt: Gay/Lesbian/Bisexual Television Characters - 2000er, Version vom 13 April 2007
- ↑ Mario Fuchs: Lukas Episodenführer, epiguides.de, Version vom 18. November 2001
- ↑ LeMeep: Ein Schritt vor, 2 zurück, Dykesvision.com
- ↑ Comong Out of TV: Roseanne - USA , 1988-1997, gesehen am 1. Mai 2007
- ↑ Wikipedia: Die Simpsons (Figuren) in der Version vom 29. April 2007