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Heterophorie

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Unter Heterophorie versteht man ein latentes (verstecktes) Schielen, das nur unter Aufhebung des beidäugigen Sehens auftritt und in der Regel durch motorische und sensorische Fusion, einen Mechanismus des Binokularsehens, beschwerdefrei kompensiert und ausgeglichen werden kann. Man bezeichnet diesen Zustand auch als Normophorie. Im Gegensatz hierzu spricht man von Orthophorie, wenn nach Aufhebung der Fusion keine Abweichung von einer gemeinsamen Blickrichtung beider Augen erfolgt.

Wenn das beidäugige Einfachsehen nicht mehr aufrechterhalten werden kann, spricht man von einer dekompensierten Heterophorie, die nun jedoch einen manifesten Schielwinkel aufweist. Wenn dies auch für den Laien verwirrend klingen mag, so gehört sie gleichwohl zum Krankheitsbild des "latenten" Strabismus.

Klassifikationen

Als Esophorie bezeichnet man eine Abweichung nach innen, also zur Nase hin, als Exophorie eine solche nach aussen zur Schläfe. Man nennt diese Formen Horizontalphorien. Das Ausmaß beider Formen kann bei Nah- und Fernblick unterschiedlich sein.

Latente Abweichungen in der Höhe (Vertikalphorien) unterscheidet man nach Hyper- und Hypophorien. Bei einer Hyperphorie steht das abweichende Auge höher, bei einer Hypophorie tiefer.

Es gibt zudem Abweichungen, die sich um die Sagittalachse des Auges vollziehen, also Verrollungen oder Zyklophorien. Man unterscheidet Inzyklophorie (Verrollung nach innen) und Exzyklophorie (Verrollung nach aussen).

Diese Art der Klassifikation umfasst gleichwohl lediglich die motorischen Störungen der Heterophorien und lässt die möglichen Beschwerden und Anomalien des beidäugigen Sehens unberücksichtigt. Aus diesem Grund wurden die Begriffe Normophorie (= Heterophorie ohne Beschwerden, asymptomatische Heterophorie) und Pathophorie (= Heterophorie mit Beschwerden, symptomatische Heterophorie) vorgeschlagen.

Ätiologie

In der Literatur sind im Wesentlichen drei Grundkonzepte diskutiert worden, nämlich die statische, die akkommodative und die neurogene Heterophorie. Zur ersten Gruppe der statischen Heterophorie gehören mechanische und anatomische Komponenten, wie bspw. Bau und Lage der Orbita oder des Halte- und Bewegungsapparates der Augen. Akkommodative Heterophorien sollen durch nicht oder falsch korrigierte Refraktionsfehler oder durch eine Störung des Verhältnisses von akkommodativer Konvergenz zu geleisteter Akkommodation (AC/A-Quotient) verursacht werden. In diesem Sinne können auch unkorrigierte Hyperopien eine Esophorie auslösen. Unter der Gruppe der neurogenen Heterophorien werden schliesslich die zentralnervösen Ursachen zusammengefasst, wie Störungen der sensorischen Fusion (Bildverschmelzung) oder Hirnstammstörungen.

Therapie

Eine Therapie ist dann nicht erforderlich, wenn keine oder evtl. nur geringfügige Beschwerden vorliegen. Dies ist bei den meisten Personen der Fall. Bereitet der Ausgleich solcher Heterophorien jedoch Beschwerden (Asthenopie), bspw. in Form von hin und wieder auftretenden Doppelbildern, Kopfschmerzen, Augenbrennen o. ä., sollte eine genaue Untersuchung und ggf. Behandlung in einer augenärztlichen Praxis mit angeschlossener Abteilung für Orthoptik (Sehschule) erfolgen. Eine Beurteilung orientiert sich an vielen unterschiedlichen Faktoren und Untersuchungsergebnissen. Das Resultat kann die simple Verordnung einer geeigneten Brille zur Korrektur einer bestehenden Fehlsichtigkeit sein. Oder es ist die Anpassung von Spezialgläsern mit einer sog. prismatischen Wirkung, die der Korrektur des latenten Schielens selbst dienen, erforderlich. Auch orthoptische Übungsbehandlungen oder eine Schieloperation können als Teil einer Behandlung in Frage kommen. Nicht selten besteht eine notwendige Therapie auch aus einer Kombination der vorgenannten Maßnahmen.

Differentialdiagnostik

Zur exakten Beurteilung und einer dementsprechend korrekten Behandlung von Heterophorien ist immer ein differentialdiagnostischer Ausschluß ähnlich erscheinender Schielformen und Störungen der Sensorik unerlässlich, da sich hier Symptomkomplexe verschiedener Krankheitsbilder sehr stark ähneln können, jedoch unterschiedliche Therapieansätze verlangen. Eine gezielte Diagnostik bedient sich dabei einer ganzen Reihe komplexer Verfahren und Methoden, bis hin zur Verwendung komplizierter Apparaturen, sog. Haploskope, wie Synoptophor oder Phasendifferenzhaploskop.

Abgrenzung

Eine Heterophorie ist nicht zu verwechseln mit einer sog. "Winkelfehlsichtigkeit", einem Kunstbegriff, der von einigen Optikern benutzt wird, um Prismenbehandlungen durchzuführen.

Literatur

  • Herbert Kaufmann: Strabismus. Unter Mitarbeit von W. de Decker u. a., Stuttgart: Enke, 1986, ISBN 3-432-95391-7