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Kriegsverrat im Nationalsozialismus

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Kriegsverrat gehörte wie "Volksverrat", "Wirtschaftsverrat" und "Rassenverrat" zum NS-Recht, das den Widerstand von Wehrmachtsangehörigen nach § 57 des Militärstrafgesetzbuches vom 23. November 1934 (RGBl. I S. 1165) mit der Todesstrafe bestrafen konnte. Die NS- Militärjustiz verhängt über 30 000 Todesurteile und zehntausende Zuchthausurteile.

Anwendung

Kriegsverrat stellte nach Ansicht des Militärhistorikers Wolfram Wette ein "radikalisiertes NS-Recht" da, das sich sowohl auf die "politischen Verratsdelikte" des deutschen Nationalstaats seit 1871 aufbaute, also auch auf die Praxis der radikalen Rechten in der Zwischenkriegszeit, die über 300 politische Morde gegen Parzifisten, Soldaten und Demokraten begingen, die "in den Augen der militaristischen Kräfte" als Verräter betrachtet wurden. Bereits 1933 forderte die NSDAP die Todesstrafe für Landesverrat. So sollte auch das Eintreten für friedliche Ziele mit der Todesstrafe bedroht werden. Kriegsverrat gehörte wie "Volksverrat", "Wirtschaftsverrat" und "Rassenverrat" zum NS-Recht. Der Gesetzestext wurde sehr unbestimmt formuliert. Verfolgt wurden Handlungen, die geeignet waren, dem kriegführenden Deutschen Reich "einen Nachteil zuzufügen" und den Feindmächten "Vorschub zu leisten", also einen Vorteil zu bringen. Tatsächlich verfolgte die NS- Militärjustiz damit abweichendes und widerständiges Handeln mit der Höchststrafe. [1]

Nach Untersuchungen von Wolfram Wette wurden als Kriegsverrat verfolgt:

  • 1. Politischer Widerstand,
  • 2. Widerständige politische Gesinnung,
  • 3. Solidarität mit verfolgten Juden,
  • 4. Hilfe für Kriegsgefangene,
  • 5. Kooperation mit einer Feindmacht,
  • 6. Überläufer zu Partisanen,
  • 7. Kontakte zu Partisanen,
  • 8. Schwarzmarktdelikte,
  • 9. der Widerstand bewaffneter Gruppen in Österreich.

Angewandt wurde das Kriegsrecht vorwiegen gegen einfache Soldaten. Militärischer Landesverrat der "traditionellen Eliten" wurde fast ausnahmslos nicht mit dem Kriegsverrat verfolgt:

NS-Justiz [hielt sich. Anm WP] in der Verfolgung von Angehörigen der traditionellen Eliten zurück: Die vielen - längst gut erforschten - landesverräterischen Auslandskontakte von Politikern, Diplomaten und Offizieren, die dem nationalkonservativen Widerstand angehörten, hätten eigentlich wegen Landes- und Kriegsverrats verfolgt werden müssen. Der rückblickende Betrachter registriert jedoch mit einigem Erstaunen, dass die nationalkonservativen Oppositionellen seinerzeit durchweg unentdeckt blieben, von der Gestapo und der Justiz nur mit geringem Nachdruck oder gar nicht verfolgt und daher auch nicht bestraft wurden. Im höheren Offizierskorps gehörte es zum guten Stil und zum viel beschworenen Korpsgeist, sich nicht gegenseitig "ans Messer" zu liefern. [2]

Rehabilitierung der Opfer

Bislang wurden die Opfer der NS- Militärjustiz nicht rehabilitiert. Der Bundestag berät seit 2007 über eine Rehabilitierung.

Aufarbeitung und Forschung

Die Ergebnisse zweijähriger Forschungsarbeit werden von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in einer Ausstellung »Was damals Recht war ... – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht« zusammengestellt. [3]

Quellen

  1. Wolfram Wette (2007): Wegen "Kriegsverrats" verurteilt. Männer, die während des Zweiten Weltkriegs wegen dieses Tatbestands vor die Nazi-Militärjustiz kamen, sind noch immer nicht rehabilitiert. Der Bundestag muss das regeln. FR Dokumentation v. 16.7.2007 ( Online [1] eingesehen am 16. Juni 2007)
  2. Wolfram Wette (2007): a.a.O. ( Online [2] eingesehen am 16. Juni 2007)
  3. h-soz-kult: Ankündigung: "Was damals Recht war ..." – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht 30.05.2007 Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas [3]

Literatur

  • Wolfram Wette (2007): Wegen "Kriegsverrats" verurteilt. Männer, die während des Zweiten Weltkriegs wegen dieses Tatbestands vor die Nazi-Militärjustiz kamen, sind noch immer nicht rehabilitiert. Der Bundestag muss das regeln. FR Dokumentation v. 16.7.2007 ( Online [4] eingesehen am 16. Juni 2007)