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Feminismus

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Der Begriff Feminismus wird gelegentlich bereits seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, häufig abwertend gemeint. Heute mit ihm vor allem die Neue Frauenbewegung bezeichnet (seit ca. 1968), und auch die Theorie der Neuen Frauenbewegung (wobei diese Theorie eigentlich aus vielen einander ergänzenden und einander auch widersprechenden theoretischen Ansätzen besteht).

Feminismus, bürgerliche Frauenbewegung, sozialistische Frauenbewegung

Während die bürgerliche Frauenbewegung die Rechte der Frauen im der kapitalistischen System stärken will und eine Gleichstellung mit den Männer anstrebt (Frauenwahlrecht, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Zugang für Frauen zu allen Berufen, inklusive Militär, Frauenquoten, etc.), sieht die sozialistische Frauenbewegung die Abschaffung des Kapitalismus als Voraussetzung für die Befreiung der Frauen. Die theoretischen Ansätze des Feminismus sehen dagegen die Unterdrückung der Frauen als direkt und nicht mittelbar systembedingt an. Dieses frauenunterdrückende System wird 'Patriachat' genannt. Die Einschätzungen, was das Patriachat ausmacht, ob es in gesellschaftlichen, ökonomischen oder psychologischen Kategorien zu fassen ist, wie die Wechselwirkungen zum Kapitalismus und anderen Gesellschafts- und Wirtschaftsformen sind, werden kontrovers diskutiert. Bis heute hat sich keine einheitliche feministische Theorie herausbilden können und es ist umstritten, ob dies möglich ist. Trotzdem versteht sich der Feminismus durchgehend als systemoppositionell und spielt daher vor allem in der Diskussion politisch links stehender Gruppen eine große Rolle. Eine wechselseitige Beeinflußung hat es immer gegeben. Aus bürgerlicher Sicht gibt es kaum Auseinandersetzungen mit dem (theoretischen) Feminismus, Kritik beschränkt sich auf die politische Praxis oder einzelne prominente Vertreterinnen. Die politische und soziale Bewegung des Feminismus geriet (wie andere Bewegungen auch) immer wieder in Krisen. Dem Rückzug ins Private folgte bei einigen Feministinnen die Hinwendung zum esoterischen, was heute teilweise als eigene Richtung des Feminismus angesehen wird. Der politische Feminismus bekämpft die Esoterik und neue Religiösität als reaktionär.

Strömungen innerhalb des Feminismus

Heutzutage stehen sich (unter anderem) folgende Grundströmungen des Feminismus gegenüber:

Universalismus

Universalisten/-innen gehen davon aus, dass es im Grunde keine (relevanten) Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt oder (in radikalen Ausprägungen des Feminismus ab etwa 1970), dass diese zu beseitigen seien.

Radikalfeminismus

Die so genannten Radikalfeministen/-innen gehen von einer grundsätzlichen Gleichheit der Geschlechter aus und begründen die zwischen den Geschlechtern existierenden Unterschiede hauptsächlich durch gesellschaftliche Machtstrukturen und die Sozialisation der Menschen. Nach dieser Philosophie gibt es kein "typisch männlich" und "typisch weiblich" sondern nur durch die geschlechtsspezifische Sozialisation und Arbeitsteilung begründete Verhaltensunterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Anhänger(innen) dieser Strömung kämpfen für die Aufhebung sämtlicher geschlechtsspezifischen gesellschaftlichen Unterschiede, um so den Menschen zu ermöglichen, nach ihren individuellen Fähigkeiten und Vorlieben zu leben, statt nach gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen.

Analytisch wird hier hauptsächlich das Gender-Konzept verwendet, wobei, vereinfacht ausgedrückt, das biologische Geschlecht und das soziale Geschlecht als unterschiedliche Konstrukte der gesellschaftlichen Realität aufgefasst werden.

Hauptwerk dieser Strömung ist Das andere Geschlecht von Simone de Beauvoir. Im deutschsprachigen Raum ist Der kleine Unterschied und seine großen Folgen von Alice Schwarzer eines der wichtigsten theoretischen Werke. Eine weitere Autorin ist Mary Daly

Psychoanalytisch orientierter Feminismus

Mit psychoanalytischen Kategorien wird nach den Ursachen der Unterdrückung des weiblichen Geschlechts gesucht. Julliet Mitchell entwickelte eine feministische Interpretation der Werke Sigmund Freuds. Sie interpretiert die Pyschoanalyse als theoretische Erklärung "der materiellen Realität von Vorstellungen im geschichtlichen Lebenszusammenhang des Menschen" (Juliet Mitchell in: 'Psychoanalyse und Feminismus') und sieht damit die Freud'sche Theorie als psychologisches Fundament des Feminismus.

Marxistischer Feminismus

Ein Teil der Feministen/-innen dieser Strömung steht dem Marxismus nahe und setzt sich vor allem für die gesamtgesellschaftlichen Rechte der Frau ein. Zu diesem Teil gehören auch viele im politischen Spektrum (extrem) links angesiedelte Gruppierungen. Der marxistische Feminismus sieht sich als mit der Arbeiterbewegung verbunden an und steht tradionell kommunistischen Parteien oder dem linken Flügel der Sozialdemokratie nahe. In der BRD war lange Zeit die Demokratische Fraueninitiative DFI ein wichtiger Vertreter des marxistisch orientierten Feminismus. Allerdings innerhalb der feministischen Bewegung die traditionell marxistische Unterordnung der "Frauenfrage" als Nebenwiderspruch unter den so genannten Hauptwiderspruch, nämlich jenen zwischen Besitzenden und Besitzlosen, immer wieder in Frage gestellt.

Freudomarxistischer Feminismus

Shulamith Firestones Manifest "The dialetic of sex" (deutsch: "Frauenbefreiung und sexuelle Revolution") knüpft bei einem Freudomarxismus Reich'scher Prägung an und geht über ihn hinaus zu einem Materialistischen Feminismus. Vor allem innerhalb der Studentenbewegung gab es auch an der Frankfurter Schule orientierte Ansätze, mit Nähe zum Freudomarxismus.

Materialistischer Feminismus

Die marxistische Analyse wird weitgehend geteilt, allerdings unterhalb der Klassenwidersprüche wird als Hauptwiderspruch der Geschlechtsunterschied angenommen und in eine materialistische Geschichtsinterpretation einbezogen. Die teilweise daraus resultierende Forderung nach Aufhebung der biologischen Unterschiede der Geschlechter wird als Kybernetischer Feminismus (auch: "Kybernetischer Kommunismus") bezeichnet. Shulamith Firestone und Marge Piercy fordern, dass die Gen-Technologie die Fortflanzung übernehmen solle und die Frauen von ihren biologischen Benachteiligungen befreit werden.

Autonome Feministen

Innerhalb der Autonomen Bewegung wird die Unterdrückung der Frauen in der Regel als ein von den Klassenwidersprüchen unabhängiger gesellschaftlicher Widerspruch gesehen. Damit unterscheiden sich die Autonomen von den meisten anderen radikalen linken Gruppen und geben feministischer Diskussion großen Raum.

Dekonstruktivistischer Feminismus

Judith Butler (Das Unbehagen der Geschlechter) und andere Vertreter(innen) des feministischen Dekonstruktivismus bauen auf dem Beauvoir'schen Radikalfeminismus auf und gehen einen Schritt weiter: Sowohl das biologische Geschlecht als auch das soziale Geschlecht seien gesellschaftliche Konstrukte und das Geschlecht muss deshalb als Klassifikationseinheit abgelehnt werden.

Ins Zentrum dieser Theorie tritt die Differenz unter Menschen, d.h. angenommene Gemeinsamkeiten/Geschlechtsidentitäten werden aufgelöst/dekonstruiert. Stattdessen wird davon ausgegangen, dass es so viele Identitäten gibt, wie es Menschen gibt. Auch die in den vorherigen Ansätzen angenommene Zweigeschlechtlichkeit wird aus dekonstruktivistischer Sicht bestritten und durch das Anerkennen von Vielgeschlechtlichkeit ersetzt.

Differenzialismus

Anhänger(innen) des differenzialistischen Feminismus gehen von einer grundsätzlichen Verschiedenheit der Geschlechter aus, d.h. zwischen Männern und Frauen gibt es einen zeitlosen naturgegebenen Unterschied, der ihr Leben von Anfang an bestimmt. Frauen werden naturgegebene Wesenszüge unterstellt, die sie unabhängig von Kultur und Geschichte gemeinsam haben.

Gynozentrischer Feminismus

Es geht um die Entdeckung und Anerkennung von Weiblichkeit, der Suche nach Wurzeln und Ursprüngen des Frauseins. Ziel ist nicht mehr die Aufhebung der Geschlechterungleichheit, sondern eine Rekonstruktion dieser Ungleichheit, die Männlichkeit ab- und Weiblichkeit aufwertet.

Zu dieser Strömung gehören auch die so genannten Ökofeministen/-innen (z.B.: Maria Mies), die biologistische Theorien von Weiblichkeit, mitunter vermischt mit esoterischen Anschauungen vertreten. So besteht auf dem heutigen Markt eine kontinuierliche Nachfrage nach Workshops zu Menstruations- und Mondzyklus, Tanz und Körper, Göttinnenkult, Matriarchatsforschung etc.

Magischer (esoterischer) Feminismus

Eine weitere Unterteilungsmöglichkeit stellt die Ausbildung eines magisch orientierten Feminismus neben dem rationalistischen, politisch-sozial bestimmten dar. Kritik an der Hexenjagd und Hexenverfolgung steht hier unter dem Aspekt, dass diese mit unvorstellbarer Grausamkeit das Wissen von Frauen im Zusammenhang mit einer in der Hand von Frauen befindlichen Frauenheilkunde zerstört hat. Gleichzeitige Selbstidentifikation als Hexe oder Magierin steht in Zusammenhang mit dem Versuch, sich derartiges Wissen wieder anzueignen. Frauen feiern die Walpurgisnacht mit Demonstrationen nach dem Motto: Wir sind Frauen, wir sind viele. Wir erreichen unsere Ziele! In Deutschland kann Luisa Francia als Antipode zu Alice Schwarzer betrachtet werden.

Individualfeminismus

Eine relativ junge Strömung vertritt libertären Theorien bis hin zum Objektivismus. Diese ist oft stärker an individuellen Berufschancen für Frauen interessiert. Das Ziel dieser Gruppe ist es, die Individualrechte der Frauen zu sichern respektive zu stärken. Theoretische Zusammenhänge mit dem Anarchismus werden herausgearbeitet. Wichtig ist die Verwirklichung des Individuums, deren Grenzen dort gezogen werden, wo ein anderes Individuum in seiner Entwicklung behindert wird.

„Individuelle Feministen/-innen“ können sowohl einen radikalen als auch einen differenzialistischen Ansatz vertreten.

Utopischer Feminismus

Valerie Solanas fordert in ihrem Manifest “SCUM" die Vernichtung der Männer. Teils als Satire verstanden, teils als Werk einer psychisch Kranken, wurde "SCUM" zum Thema zahlreicher Diskussionen innerhalb des Feminismus über dessen Grenzen.

Politische Strategie des Feminismus

(folgt demnächst)

Zentrale Themen

Unter anderem werden folgende Problemkreise immer wieder von Feministen/-innen aufgegriffen:

Kritik

Feministinnen und Frauenrechtlerinnen wurde seit dem Beginn der Frauenbewegung nicht nur von seiten der Männer Unweiblichkeit vorgeworfen. Einigen Strömungen des Feminismus werden heute Dogmenlastigkeit oder gar sexistische bzw. geschlechterrassistische Züge vorgeworfen (Biologismus). Der politische Einfluss des Feminismus teils als Frauenlobbying kritisiert.

Diskussionen innerhalb des Feminismus gibt es unter anderem über:

  • Androzentrismus-Vorwurf: Vor allem Differenzialfeministen/-innen werfen radikalen Feministen/-innen vor, sich an "männlichen" Idealen zu orientieren und dadurch patriarchale Strukturen zu reproduzieren.
  • Eurozentrismus-Vorwurf: Von Seiten von Frauenrechtlern/-innen aus Asien, Afrika, Südamerika und aus dem arabischen Raum wird den US-amerikanischen und europäischen feministischen Organisationen immer wieder vorgeworfen, auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen aus anderen Kulturräumen und insbesondere aus Entwicklungsländern, keine Rücksicht zu nehmen und mit ihrem eurozentrierten Diskurs die "Frauenrechtsfrage" für die spezifischen Bedürfnisse der Frauen aus dem europäisch-US-amerikanischen Kulturraum zu monopolisieren.

Desweiteren herrscht Uneinigkeit über die Frage, wie mit bestehenden Geschlechtsrollenstereotypen umzugehen sei, ohne diese festzuschreiben. Andererseits sollen eventuell bestehende wichtige Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht verleugnet werden. Die Konstruktion von Geschlecht selbst ist ebenfalls Thema der feministischen Diskussion.


Verwandte Themen

Frauenbewegung - Frauenforschung - Emanzipation - Gleichberechtigung - Diskriminierung - Maskulismus - Gender Studies - Soziale Bewegung

siehe auch: Riot grrrl

Literatur

  • Susan Arndt, Feminismus im Widerstreit. Afrikanischer Feminismus in Gesellschaft und Literatur, Münster: Unrast 2000
  • Andrea Trumann: Feministische Theorie. Schmetterling Verlag 2002. ISBN 3896575805
  • Regina Becker-Schmidt und Gudrun-Axeli Knapp: Feministische Theorien zur Einführung. Junius Verlag, 2003. ISBN 3885063875
  • Sabine Hark: Dis/Kontinuitäten: Feministische Theorie. Leske + Budrich Verlag, 2001, ISBN 3810028975
  • Herrad Schenk: Die feministische Herausforderung. 150 Jahre Frauenbewegung in Deutschland. ISBN 3406060137
  • Jutta Menschik: Feminismus: Geschichte, Theorie, Praxis. Pahl-Rugenstein Verlag 1977
  • Gerda Lerner, Die Entstehung des feministischen Bewusstseins. Vom Mittelalter bis zur Ersten Frauenbewegung. Dtv, 1998. ISBN 3423306424
  • Rosemarie Nave-Herz: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Leske + Budrich Verlag, 1994. ISBN 3810012505
  • Paul-Hermann Gruner: Frauen und Kinder zuerst - Denkblockade Feminismus. rororo-Sachbuch, 2000, ISBN 3-499-60946-0