Hermeneutischer Zirkel
Das Bild des Hermeneutischen Zirkels charakterisiert in der Sprachphilosophie die Interpretation eines Textes als fortschreitende Annäherung an dessen Sinn: Ausgangspunkt für das Verständnis von Texten ist das eigene (Vor-)Wissen. Der eigentliche Verstehensprozess führt zu einer Änderung des ursprünglichen Vorwissens. Mit diesem geänderten Vorwissen kann der Verstehensprozess erneut angestoßen werden. Im Prinzip kann diese Iteration endlos wiederholt werden.
In der Erkenntnistheorie liegt der Anfang des hermeneutischen Zirkels in einer ursprünglichen Grundevidenz der Wahrheit. Nur weil der Mensch "immer schon" in der Wahrheit seines Seins steht, kann er die Wahrheitsfrage über den Sinn seines Menschseins stellen und diese weiter ausbauen. Hier ist der Ort jener Urevidenz, in der das Wahre zugleich das Gute des Menschseins ist.
Der Hermeneutische Zirkel wird oft als Methode sui generis in den Geisteswissenschaften verstanden, durch die sich die Geisteswissenschaften von den Naturwissenschaften unterscheiden. Von Seiten der analytischen Wissenschaftsphilosophie wird in diesem Zusammenhang kritisiert, dass das Bild des Hermeneutischen Zirkels erstens kein Zirkel, zweitens keine Methode und drittens kein Unterscheidungsmerkmal zwischen geisteswissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Erkenntnis ist.
Siehe auch: Hermes (Mythologie), naturalistischer Zirkel (Fehlschluss), Analytische Wissenschaftsphilosophie, Hermeneutik