Emissionsrechtehandel
Der Emissionsrechtehandel ist ein Instrument der Umweltpolitik mit dem Ziel des Klimaschutzes. Er stützt sich auf das Coase-Theorem und wurde von Harold Demsetz beschrieben.
Grundgedanke
Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass viele Schadstoffe nicht nur lokal wirken, sondern großräumig, so dass die Minderung von Emissionen nur über große geografische Räume betrachtet und bewertet werden kann.
Die anthropogene - vom Menschen verursachte - Emission von Treibhausgasen, also Gasen, die zu einer Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen, soll weltweit reduziert werden, um eine drohende Klimaveränderung noch abwenden zu können bzw. die deren Fortschreiten auszubremsen.
Der "prominenteste" Vertreter der Treibhausgase und gleichzeitig dasjenige mit dem mengenmäßig größten Ausstoß ist Kohlendioxid (CO2). Im Hinblick auf die Klimaveränderung sind weitere Gase von Bedeutung, wobei manche trotz geringer Mengen einen großen Anteil am Treibhauseffekt haben. Methan beispielsweise hat ein 21 mal höheres Treibhauspotential als CO2.
verursachten Treibhauseffekt | ||
Kohlendioxid | CO2 | |
Methan | CH4 | |
Distickstoffoxid | N2O | |
Schwefelhexafluorid Fluorkohlenwasserstoffe Perfluorierte Kohlenwasserstoffe u.a. |
SF6 diverse |
Deswegen ist im Kyoto-Protokoll, das die Bestimmungen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen konkretisiert, vereinbart worden, wie viele dieser klimawirksamen Gase einzelne Länder bzw. Ländergruppen emittieren dürfen und zu welchen Minderungsschritten innerhalb eines bestimmten Zeitplanes sie sich verpflichten.
Im Kyoto-Protokoll haben sich die Industrieländer auf eine weltweite Reduzierung der Emissionen an Treibhausgasen um 5,2% gegenüber 1990 verständigt. Europa hat sich bereit erklärt, seine Emissionen an Treibhausgasen um 8% (ca. 0,35 Mrd. Tonnen) gegenüber 1990 zu verringern. Dieses Reduzierungsziel wird auf die einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft unterschiedlich verteilt (burden sharing). Deutschland trägt mit etwa 75% des europäischen Minderungsziels die Hauptlast und muss seine Treibhausgasemissionen um 21% gegenüber 1990 reduzieren.
Ausgangslage
Mit dem herkömmlichen Instrumentarium (in Deutschland das Bundes-Immissionsschutzgesetz) wären solche mengenmäßigen Ziele kaum oder nur unter großen Schwierigkeiten zu erreichen. Theoretisch könnten die Verwaltungsbehörden jedem Unternehmen auf Antrag eine Erlaubnis für die Emission bestimmter Mengen klimawirksamer Gase erteilen. Neben rechtlichen Problemen, die eine solche Vorgehensweise hätte, spricht vor allem die Überlegung dagegen, dass die Minderung von Emissionen klimawirksamer Gase je nach Branche bzw. je nach industrieller Technik sehr unterschiedliche Kosten verursacht. Wer zu welchen Kosten wieviel Emissionen vermeiden kann, wissen jedoch die Unternehmen selbst sehr viel besser, weil sie ihre eigene Technik, ihre eigenen Prozesse und deren Weiterentwicklungsmöglichkeiten kennen.
Effiziente Ausgestaltung
Da es also nur um die möglichst effiziente Verteilung einer mengenmäßig feststehenden Reduktion klimawirksamer Gase geht, wird die einem Land zugeteilte Berechtigung zur gesamten Emission – ähnlich wie die Stückelung von Unternehmenskapital in Aktien – aufgeteilt in so genannte Emissionszertifikate, die die Emission bestimmter Mengen klimarelevanter Gase gestatten. Diese werden nach Maßstab der bisherigen Emissionen an die Unternehmen vergeben (so genannter „nationaler Allokationsplan“). Unternehmen, die mehr Zertifikate benötigen, müssen sie von anderen Unternehmen kaufen, die weniger benötigen, weil sie ihre Reduktionsverpflichtung schon weitergehend erfüllt haben. Es ist also den Unternehmen freigestellt, wie schnell oder langsam sie ihre Reduktionsverpflichtungen erfüllen wollen und die damit verbundenen technischen Umstellungen in ihre sonstigen Innovationspläne einpassen. Diese Frage wird marktwirtschaftlich anhand der sich herausbildenden Marktpreise für die Zertifikate entschieden werden.
Jedem Marktteilnehmer ist es nun freigestellt, eine Emissionszertifikat zu erwerben oder aber umweltfreundlichere Technologien einzusetzen.
Der Emmissionsrechtehandel stellt also ein effizientes Mittel dar, die negativen externen Effekte von Gütern, die nicht der Ausschließbarkeit unterliegen, zu internalisieren, indem man sich der effizienten Verteilung unter Ausnutzung der Effekte des Marktes bedient.
Die Internalisierung von externen Effekten wurde von Ronald Coase untersucht. Für diese und andere Leistungen wurde er 1991 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.
Probleme
Ein Problem bei der Ausgestaltung des Emissionsrechtehandels besteht in Umweltverschmutzungen, die erst bei lokaler Konzentration ihre Wirkung entfalten. Eine lokale Ausgestaltung des Emissionshandels ist aber erschwert, insbesondere wenn man lokal unabhängige Emissionsträger wie Fahrzeuge betrachtet.
Auch wird der Aufwand zur Kontrolle tatsächlich freigesetzer Umweltverschmutzung oft vernachlässigt.
Eine Alternative zum Emissionsrechtehandel stellt die Pigou-Steuer dar.
Der Ausgabemodus der Zertifikate entscheidet darüber, ob ein Emissionshandel möglich wird, ob die Marktzutrittsschwelle für Unternehmensneugründungen erhöht wird, oder ob Konzerne von der Verzögerung anstehender Investitionsentscheidungen profitieren werden. Die Emissionsreduktion beginnt bei kontinuierlicher Abwertung der Emissionszertifikate. Der verstärkte Handel wird erst bei der Abwertung der Zertifikate einsetzen.
Rechtlicher Grundlagen
Rechtliche Grundlage für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in Europa ist die sog. Emissionshandels-Richtlinie 2003/87/EG, die, zusammen mit ergänzenden Vorgaben, von den europäischen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden musste. Artikel 9 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 31. März 2004 Nationale Zuteilungspläne (Allokationspläne) zu veröffentlichen und der EU-Kommission sowie den übrigen Mitgliedstaaten zu übermitteln. Aus dem Nationalen Allokationsplan (NAP) muss hervorgehen, wie viele Emissionszertifikate der Mitgliedstaat im Dreijahreszeitraum 2005 – 2007 (erste Handelsperiode) insgesamt zuzuteilen beabsichtigt und wie diese Zertifikate auf die betroffenen Anlagen verteilt werden sollen. Betroffene Anlagen sind in erster Linie Anlagen zur Energieerzeugung und ausgewählte industrielle Bereiche (u.a. Stahlerzeugung, Zementherstellung, Papierindustrie).
Die Bundesrepublik Deutschland hat am 31. März 2004 ihren Nationalen Allokationsplan bei der Europäischen Kommission eingereicht. Für die zwei Handelsperioden (2005 – 2007 und 2008 – 2012) wurden jährliche CO2-Emissionsziele von 859 Mio. Tonnen CO2 für die erste und 846 Mio. Tonnen CO2 für die zweite Handelsperiode festgelegt. Im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2000-2002 bedeutet das einen zusätzlichen Minderungsbedarf um rund 17 Mio. t bzw. 2 %.
Die rechtliche Grundlage für den deutschen Emissionsrechtehandel bildet das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG). Dieses wurde am 12. März 2004 vom Bundestag angenommen und, nach einer ersten Ablehnung im Bundesrat (2. April 2004), am 11. Juni 2004 vom Bundesrat verabschiedet. Das TEHG trat am 15. Juli 2004 in Kraft. Nach §4 TEHG bedarf die Freisetzung von Treibhausgasemissionen einer Genehmigung. Des Weiteren muss für jede emittierte Tonne CO2 eine Berechtigung in Form eines Emissionszertifikates vorliegen bzw. spätestens am 30. April des Folgejahres, also erstmals 2006, an die zuständige Behörde abgeben werden (TEHG §6 Abs. 1). Die Zertifikate konnten von den am Emissionshandel teilnehmenden Betrieben bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) in elektronischer Form mittels einer von der DEHSt zur Verfügung gestellten Software (RISA-GEN) beantragt werden. Spätestens mit dem Zuteilungsantrag muss auch der Genehmigungsantrag bei der jeweils zuständigen Landesbehörde gestellt worden sein. Nach § 4 Abs. 7 TEHG reicht es für Betreiber von Anlagen, die vor dem Inkrafttreten des TEHG, also vor dem 15. Juli 2004, nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) genehmigt wurden, innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des TEHG diese Anlagen der zuständigen Behörde anzuzeigen. Die §§5 und 6 Abs. 1 sind hier als Bestandteil der bestehenden Genehmigung anzusehen. In diesen Paragraphen sind Regelungen zur Ermittlung von Emissionen, Pflichten zur Verfassung von Emissionsberichten und zur Rückgabe von Zertifikaten in Höhe der emittierten Treibhausgasmengen enthalten. Die DEHSt teilt dann entsprechend den zur Verfügung stehenden gesamten CO2-Emissionsmengen anteilig CO2-Emissionszertifikate (Rechte zur Emission von CO2) für die erste Handelsperiode, also 2005 bis 2007, zu.
Die Zuteilung der Emissionszertifikate ist im Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG), welches am 31. August 2004 in Kraft getreten ist, und der Zuteilungsverordnung (ZuV) - am 01.09.2004 inkraftgetreten - geregelt.
Politische Diskussion
In Deutschland ist die konkrete Ausgestaltung des Emissionsrechtehandels Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen, angestoßen von der Kritik mancher Wirtschaftsverbände. Der Streit ist ein Beispiel für den in der Umweltpolitik häufig anzutreffenden Konflikt zwischen kurzfristigen Interessen (Umsatz, Kostenstabilität) und langfristigen Zielen wie der Verlangsamung des Klimawandels, die notwendig ist, um sich auf dessen Folgen einstellen zu können und Katastrophen infolge eines zu schnellen Klimawandels zu vermeiden.
Nach einen langen und medienwirksamen Konflikt zwischen dem deutschen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und dem Bundesumweltminister Jürgen Trittin haben sich die Minister darauf in einer Koalitionsvereinbarung am 30. März 2004 geeinigt, die Kohlendioxidemissionen für Industrie und Energiewirtschaft bis 2007 auf 503 Millionen Tonnen pro Jahr zu begrenzen, bis 2012 auf 495 Millionen Tonnen. Das Umweltministerium hatte ursprünglich eine Begrenzung auf 488 beziehungsweise 480 Millionen Tonnen gefordert.
Gesetzgebungsverfahren
Der Deutsche Bundestag hat das "Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen" (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz) am 12. März 2004 verabschiedet. Der Bundesrat hat am 2. April 2004 den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes angerufen.
Mechanismen und Märkte des Emissionsrechtehandels
Emissionsrechte werden über verschiedene Systeme gehandelt:
- Der Clean Development Mechanism (CDM), in Zusammenhang mit dem Kyoto-Protokoll
- Das EU Emission Trading Scheme (ETS)
- Der Voluntary Market, der vor allem in den USA und Kanada verbreitet ist, aber mit zunehmend klarer Definition des CDM an Bedeutung verliert
- Chicago Climate Exchange, hierüber handeln insbesondere große Unternehmen, die kommerzielle Plantagen anlegen.
Literatur
- Uwe Lahl, Norbert Salomon, Camilla Rausch, Christine Lucha: Datengrundlage Emissionshandel in Deutschland. Wasser, Luft, Boden 48(3-4), S. 16 - 17 (2004), ISSN 0938-8303
- Bernhard Kirchartz: Emissionshandel - Marktwirtschaft oder Ordnungsrecht?. Wasser, Luft, Boden 48(6), S. 32 - 35 (2004), ISSN 0938-8303