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Brody (Ukraine)

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Wappen Lagekarte
Wappen fehlt Lage in der Oblast Lemberg
Basisdaten
Oblast: Lemberg
Rajon: Brodiwskyj Rajon (Region Brody)
Geografische Lage: 50.08°N 25.15°O
Einwohner: 23.239 (2001)1
1 offizielle Volkszählung
Woiwodschaft Tarnopol bis 1939, Lage der Stadt

Brody (ukrainisch Броди/Brody; polnisch Brody; russisch Броды/Brody; jiddisch בראָד/Brod) ist eine ukrainische Kleinstadt mit 23.239 Einwohnern (2001); sie liegt 90 km nordöstlich von Lemberg und gehört der Oblast Lwiw (Lemberg) an.

Geschichte

Archäologische Funde deuten darauf hin, dass sich in der Nähe des heutigen Stadtgebiets bereits um 12.000 v. Chr. menschliche Ansiedlungen befanden. Brody wurde 1084 das erste Mal urkundlich erwähnt, es gehörte damals zur Kiewer Rus. Später gelangte sie zum polnisch-litauischen Staatswesen und wurde vom polnischen Adel als "ideale" Stadt konzipiert und neu angelegt und bekam 1584 das Magdeburger Stadtrecht. Im 17. Jh. nahm die Stadt durch den Zuzug von Armeniern, Schotten und Griechen einen rasanten Aufschwung, den größten Bevölkerungsteil stellten aber bereits damals Juden. Besonders ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte die jüdische Bevölkerung den lukrativen Fernhandel. Brody wurde Umschlagplatz für Waren aus Westeuropa im Austausch gegen Rohstoffe aus Polen-Litauen, Russland und dem Osmanischen Reich. Brody gehörte in jener Zeit zu den reichsten und bedeutendsten Städten Polens. In der Mitte des 18. Jh. machte Brody noch als Versammlungsort des Vier-Länder-Waads, das war der Gerichts- und Verwaltungsrat der Juden aus Groß- und Kleinpolen, Litauen und Reußen, von sich Reden. Die Bedeutung der Stadt für die jüdische Geistesgeschichte als Zentrum der Orthodoxie ist besonders hervorzuheben und, in Zusammenhang damit die Ablehnung des Chassidismus und Frankismus.

Brody in österreichischer Zeit

Infolge der Ersten Teilung Polens 1772 fiel Brody im Rahmen des neugeschaffenen Kronlands Galizien an die Habsburgermonarchie und teilte im Wesentlichen bis 1918/1919 die Geschichte (Ost-)Galiziens. Um Brodys Stellung im internationalen Warenverkehr nicht zu schädigen wurde die Stadt nach dem Vorbild der Adriahäfen Triest und Fiume mit einem Umland von 264 Quadratkilometer 1779 von Maria Theresia zur Freihandelszone erklärt. Nun nahm die Stadt einen unerhörten Aufschwung und wurde bald zu einem der wichtigsten Handelsplätze in Mittel- und Osteuropa. Zehn Jahre lang erließ der Staat den Bürgern von Brody die Steuern, damit sie ihre Häuser erneuern und neue Unternehmungen gründen konnten. Galizische und polnisch-litauische Rauchwaren, Wachs und Honig, Hanf und Leinen wurden von nach Brody gebracht, wo sie gegen auf den Breslauer, Frankfurter vor allem aber auf der Leipziger Messe gekaufte Baumwollgewebe, edle Stoffe wie französische Seide sowie englische Industrieprodukte getauscht wurden. Aus Italien kamen Seidenstoffe, Schmuck und Korallen; aus der Steiermark und Oberösterreich wurden Sensen für Osteuropa geliefert; Gewürze, Perlen und Juwelen wurden aus dem Fernen Osten eingeführt. Russland lieferte Tee, Zucker, Wolle, Borsten, Federn, Pelzwaren und Pferde, die zweimal im Jahr auf einem großen Pferdemarkt angeboten wurden. Den Höhepunkt erlebte die Stadt während der Napoleonischen Kriege. Als das Kaisertum Österreich im Zuge des Schönbrunner Friedens 1809 alle Küstengebiete an Frankreich abtreten musste war Brody der wichtigste Punkt für die Einfuhr von Kolonialwaren. Da für diese Güter ja auf Grund der Kontinentalsperre ein Importverbot bestand, wurde ein großer Teil dieser Waren über die Grenze geschmuggelt. Den Ruf als Schmugglerparadies sollte Brody bis 1918 nicht mehr loswerden. Nach dem Wiener Kongress flachte der Wirtschaftsaufschwung in Brody merklich ab. Zwar ging immer noch der Großteil des österreichisch-russischen Handels über die Stadt, da jedoch generell der Warenverkehr zwischen diesen beiden Staaten im 19. Jahrhundert an Bedeutung verlor, nahm auch das Ansehen Brodys merklich ab. Zwar war Brody 1866 Sitz eines gleichnamigen Bezirks geworden, doch der späte Anschluss ans österreichische Eisenbahnnetz war ein großes Problem für die Stadt. Dieser erfolgte erst 1869 und die grenzüberschreitende Verbindung zum Nachbarort Radsiwilow im Zarenreich wurde überhaupt erst 1873 hergestellt. Zu diesem Zeitpunkt war etwas weiter im Süden, bei Pidwolotschysk ebenfalls eine Verbindungsstrecke erbaut worden, die Brody starke Konkurrenz machte. Nach der Aufhebung des Freihandelspatents Ende 1879 schlitterte Brody endgültig in die Krise, vor allem deshalb weil sich in der Stadt kaum Industrie entwickelt hatte. Die Stagnation bzw. den Niedergang nach 1880 kann man gut an den Einwohnerzahlen ablesen: 1820: 18.000 Einwohner; 1880: 20.000 Einwohner; 1900: 18.000 Einwohner. Bis in die 1860er war Brody nach Lemberg und Krakau die drittgrößte Stadt Galiziens, 1910 belegte sie nur mehr den zehnten Rang.

Neben der Bedeutung als Handelsstadt ist Brodys Rolle als Bildungszentrum hervorzuheben, insbesondere die deutsch-jüdische Realschule, die 1815/16 als eine der Haskala (jüdische Aufklärung) verbundene israelitische Privatschule gegründet wurde. 1854 wurde sie eine öffentliche überkonfessionelle Schule, die schließlich ab den 1860ern sukzessive in ein vollständiges Staatsgymnasium umgewandelt wurde. Bemerkenswert ist, dass die Unterrichtssprache bis 1906 deutsch war, während es im restlichen Galizien, abgesehen von Lemberg, nur mehr polnische und (wenige) ukrainische Gymnasien gab.

Brody im 20. Jahrhundert

Nach dem Zerfall des Zarenreiches im Ersten Weltkrieg und den resultierenden Auseinandersetzungen zwischen Russen, Polen und Ukrainern fiel Brody 1919 an den wiedererstandenen polnischen Staat. siehe Hauptartikel: Geschichte Polens, Zweite Republik

1939 besetzte die Rote Armee, wie im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes vereinbart, die Stadt. 1941 marschierte die deutsche Wehrmacht nach dem Überfall auf die Sowjetunion ein und befahl der jüdischen Bevölkerung, in das in der Stadt abgegrenzte Ghetto zu ziehen. In den folgenden drei Jahren wurden praktisch alle jüdischen Einwohner Brodys ermordet, wobei nur der kleinere Teil in Vernichtungslager deportiert wurde. Der weitaus größere Teil wurde am Waldrand hinter dem jüdischen Friedhof oder am Schlossplatz erschossen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Brody stark zerstört, besonders als die Deutsche Wehrmacht unter Generalfeldmarschall von Kleist gemeinsam mit der SS-Halytschna die Stadt zu halten versuchte. (Brodyer Kesselschlacht Juni-Juli 1944) Fast zweitausend Häuser wurden völlig vernichtet, insbesondere das Stadtzentrum um den Ringplatz.

1945 wurde die Ostgrenze Polens durch die Alliierten neu festgelegt und verlief weitgehend entlang der Demarkationslinie des Hitler-Stalin-Paktes. Das Gebiet um Lemberg fiel nun endgültig an die Sowjetunion und wurde in die Ukrainische SSR eingegliedert. siehe auch Artikel: Geschichte der Ukraine

Die nach dem Zweiten Weltkrieg großteils entvölkerte Stadt wurde mit ukrainischen Bauern aus der Umgebung wieder besiedelt. Große Teile der Stadt mussten neu aufgebaut werden, und Ende der 1970er Jahre begann man mit der Trockenlegung der die Stadt umgebenden Sümpfe.

Als Rajonsstadt hat Brody heute nur eine untergeordnete administrative Rolle. Der wichtigste Arbeitgeber der Stadt sind die Pipelines Druschba und Odessa-Brody, die in Brody ihre Schnittstelle haben.

Brody als literarischer Ort

Das Leben in der Grenzstadt wird in mehreren Werken des in Brody geborenen Joseph Roth behandelt, der die Welt der meist jüdischen Händler schilderte und Soldaten, Zöllner und Schmuggler portraitierte. Zu nennen ist etwa Das falsche Gewicht, aber auch die Erzählung Der Leviathan, für deren fiktiven Schauplatz Progody Brody erkennbar lautlich Pate gestanden hat. Auch im Radetzkymarsch gibt Brody die trostlose Kulisse für den Dienstort des Carl Joseph Trotta von Sipolje am äußersten Ende der Donaumonarchie. In seinem Essayband „Juden auf Wanderschaft“ beschreibt Roth ein namenloses „Jüdisches Städtchen“, das nach seiner Beschreibung ganz und gar auf Brody passt.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Brody von der polnischen Armee, Weißgardisten, ukrainischen Nationalisten und der sowjetischen Reiterarmee unter General Budjonny hart umkämpft. In Budjonnys Memoiren beschreibt er die völlig zerstörte Stadt.


Söhne und Töchter der Stadt

Literatur

  • Barącz, Sandok: Wolne miasto handlowe Brody (Lwów 1865)
  • Chonigsman, Jakov: Evrei goroda Brody (1584 - 1944) (L'vov 2001)
  • Friedländer Moriz: Fünf Wochen in Brody unter jüdisch-russischen Emigranten (Wien 1882)
  • Gelber, Nathan Michael: Toledot jehudej Brody 1584-1943 (Jeruschalajim 1955)
  • Kościów, Zbigniew: Brody. Przypomnienie kresowego miasta (Opole 1993)
  • Lutman, Tadeusz: Studja nad dziejami handlu Brodów w latach 1773-1880 (Lwów 1937)
  • Wischnitzer, Mark: Die Stellung der Brodyer Juden im internationalen Handel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Wischnitzer, M. (Hg.): Festschrift zu S. Dubnows 70. Geburtstag (Berlin 1930), 113-123
  • Zrobek, Bohdan: Brody i Bridščyna. Istoryčno-memuarnyj zbirnyk. Kniha II (Brody 1998)



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