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Mobbing (Arbeitsrecht)

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Die Gesetzgebung in Bezug auf Mobbing am Arbeitsplatz in unterschiedlichen Ländern ist stark verschieden. In manchen Ländern (etwa Schweden, Frankreich oder Spanien) gibt es Gesetze gegen Mobbing am Arbeitsplatz. In anderen Ländern besteht kein Schutz gegen Mobbing, solange nicht einzelne Handlungen rechtliche Tatbestände erfüllen.

Europäische Union

Es gibt bereits Überlegungen der EU-Kommission, eine Richtlinie gegen Mobbing am Arbeitsplatz zu schaffen. Richtlinien gibt es diesbezüglich noch nicht. Die rechtliche Lage ist daher auch innerhalb der Europäischen Union recht unterschiedlich.

Deutschland

Mobbing am Arbeitsplatz ist in der Bundesrepublik Deutschland noch kein Straftatbestand. Einzelne Mobbinghandlungen sind jedoch strafbar und können auch zur Anzeige gebracht werden. Problematisch ist jedoch immer der konkrete Nachweis des Mobbings, da die Mobber versuchen, ihre Handlungen zu verschleiern. Im Falle eines Strafverfahrens werden viele Mobber daher nicht verurteilt und können danach ungestört weiter mobben.

Mobbing am Arbeitsplatz unterliegt einer besonderen gesetzlichen Kontrolle. Arbeitgeber stehen in der Pflicht, ihre Arbeitnehmer vor psychischer Belastung zu bewahren. Dies ergibt sich aus Vorlage:Zitat Art und Vorlage:Zitat Art des deutschen Grundgesetzes. Der Arbeitgeber ist verpflichtet das Persönlichkeitsrecht, die Gesundheit und die Ehre des Arbeitnehmers zu schützen. Anders als in Frankreich und Schweden gibt es in Deutschland zwar kein spezielles Mobbing-Schutzgesetz, aber aus den vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen, wie dem Arbeitsschutzgesetz, ergeben sich einige Schutz- und Handlungsmöglichkeiten.

In den letzten Jahren wurden durch mehrere Gerichtsurteile grundsätzlich die Rechte der gemobbten Arbeitnehmer verstärkt und die Pflichten der Arbeitgeber erhöht. Das Thüringer Landesarbeitsgericht in Erfurt hat entschieden, dass „der Arbeitgeber als Störer nicht nur dann in Anspruch genommen werden [kann], wenn er selbst den Eingriff begeht oder steuert, sondern auch dann, wenn er es unterläßt, Maßnahmen zu ergreifen oder seinen Betrieb so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen wird“ (Link unten).

Mobbing kann zur fristlosen (außerordentlichen) Kündigung des Mobbers führen. Man muss jedoch bedenken, dass Zeugen aus Angst, selbst Mobbingopfer zu werden, oft nicht bereit sind, vor Gericht auszusagen, insbesondere, wenn diese in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Mobber stehen. Überlange Verfahrensdauern von mehr als 12 Monaten sind bei einigen Arbeitsgerichten an der Tagesordnung und belasten die Opfer noch zusätzlich.

Für die Geltendmachung juristischer Ansprüche oder arbeitsrechtlicher Sanktionen sind drei Elemente erforderlich:

In diesem Sinne ist also der Begriff Mobbing auch juristisch notwendig, um die Bedeutung eines Sachverhalts richtig erfassen zu können. Eine klare, juristische Definition von Mobbing existiert bisher jedoch noch nicht.

Rechtlich relevante einzelne Handlungen sind:

Die Effizienz des Rechtsschutzes ist bei diesen Handlungen unterschiedlich ausgeprägt. Während die erfolgreiche Verteidigung gegen eine unberechtigte Kündigung, Versetzung, Abmahnung recht hoch ist, ist sie bei sexueller Belästigung, übler Nachrede und Beleidigung eher mühselig und praktisch schwer durchsetzbar.

Den genannten, für sich genommen juristisch relevanten Tatbeständen stehen solche gegenüber, die als einzelne Handlung betrachtet keine juristische Relevanz haben. Hierzu zählen:

In diesen Fällen ist jedoch zu beachten, dass eine bloße Strafanzeige nicht ausreicht sondern ein Strafantrag Prozessvoraussetzung ist und dieser muss innerhalb von drei Monaten gestellt werden. Der Staatsanwalt prüft dann, ob bei diesem Antragsdelikt ein öffentliches Interesse zur Verfolgung besteht und verweist gegebenenfalls auf den wenig aussichtsreichen Privatklageweg. Werden diese juristischen Einwände überwunden, ist es noch unklar, ob ein als Mobbing erlebtes Verhalten strafrechtliche Relevanz hat. Die soziale Ausgrenzung eines Kollegen kann dann als strafbar betrachtet werden, wenn das Verhalten der Täter über das sozial vertretbare Maß hinausgeht wie zum Beispiel das demonstrative Verlassen des Raumes oder das demonstrative Ignorieren.

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes

Nach der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichtes gilt eine wirksam vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist (z.B. im öffentlichen Dienst 6 Monate nach § 37 TVöD)zwar grundsätzlich auch für Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit für Ansprüche aus mobbingbedingten Verletzungshandlungen. Dabei sind aber die Besonderheiten bei Mobbing insofern zu beachten, als eine Gesamtschau vorzunehmen ist, ob einzelne Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein übergreifendes systematisches Vorgehen darstellen. Länger zurückliegende Vorfälle sind zu berücksichtigen, soweit sie in einem Zusammenhang mit den späteren "Mobbing"-Handlungen stehen (BAG, Urteil vom 16.05.2007 - Az.: 8 AZR 709/06).

Der Entscheidung lag zugrunde, dass ein Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber bzw. dessen Vorgänger seit 1987 beschäftigt war und vorgetragen hatte, er sei im Laufe seiner Beschäftigung in vielfältiger Weise systematischen "Mobbing"-Handlungen ausgesetzt gewesen und deswegen psychisch bedingt arbeitsunfähig erkrankt. Mit der Klage machte er Ansprüche auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Entschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung geltend. Das Landesarbeitsgericht hatte zuvor seine Entscheidung mit der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist durch den Arbeitnehmer begründet. Es berücksichtigte dabei nur Einzelakte, die innerhalb von sechs Monaten vor der erstmaligen Geltendmachung der Ansprüche lagen.


Ausgewählte Standardliteratur und Urteile

  • Handbuch Mobbing-Rechtsschutz, C.F. Müller Verlag, Heidelberg 2004; Herausgeber: Peter Wickler (Vizepräsident des Thüringer Landesarbeitgerichts, Autoren: Pablo Coseriu (seit 2007 Richter am Bundesozialgericht in Kassel), Beate Hänsch (Fachanwältin für Arbeitsrecht in Erfurt), Hartmut Schwan (Präsident des Thüringer Oberverwaltungsgerichts), Peter Wickler
  • Wertorientierungen in Unternehmen und arbeitsgerichtlicher Mobbigschutz, Peter Wickler in „Der Betrieb“ = DB Heft 9, 2002 S. 477 ff.
  • Ausgleich von immateriellen Scäden bei mobbingbedingten Persönlichkeits- und Gesundheitsverletzungen, Peter Wickler in: „Arbeit und Recht“ = AuR 2004 S. 87ff.
  • Urteilsdatenbank mit extrahierten Orientierungssätzen als Spiegel der Rechtsprechung,
  • Mobbing im Fokus der Rechtsprechung (Übersichtsartikel, M. Wolmerarh in Der Personalrat, 9/04) [2]

Österreich

In Österreich gibt es kein Gesetz, das Mobbing grundsätzlich verbietet. Mobbing per se ist kein Straftatbestand. Mobbingexperten und Betroffene fordern ein eigenes Mobbinggesetz zum Schutz von Arbeitnehmern.

Ein Schutz gegen Mobbing kann sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (ABGB §1157 und § 18 AngG) ergeben. Mobbingopfer können die Unterlassung des Arbeitgebers, den Fürsorgepflichen ihnen gegenüber nicht nachzukommen, einklagen. Kommt der Arbeitgeber seinen Pflichten gegenüber dem erfolgreichen Kläger nicht sofort nach, kann das Urteil exekutiert werden. Mobbing kann Tatbestände, die gegen das Gleichbehandlungsgesetz oder das Strafgesetz verstoßen, erfüllen. Daraus können sich in bestimmten Fällen Schadensersatzansprüche oder Strafen für die Täter ableiten.

Ausgewählte Gerichtsurteile

  • OGH vom 22. Dezember 2005 – GZ: 10ObS105/04w (Erkrankung in Folge von Mobbing am Arbeitsplatz gilt nicht als Berufskrankheit)
  • OGH vom 29. Juni 2005 – GZ: 9ObA94/05x (Behauptungslast)
  • OGH vom 26. August 2004 – GZ: 8ObA3/04f (Die den Arbeitgeber treffende Fürsorgepflicht erstreckt sich nicht nur auf den direkten Arbeitgeber, sondern zumindest in gewisser Weise auch auf den, in dessen Betrieb der Arbeitnehmer in abhängiger Weise eingegliedert ist)

Schweiz

Der betroffenen Person steht die Möglichkeit offen, ihren Arbeitgeber wegen Nichterfüllung des Arbeitsvertrages (Fürsorgepflicht) oder bei geschlechtsbezogenem Mobbing allenfalls wegen Verletzung des Gleichstellungsgesetzes zu verklagen. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, der zuständigen kantonalen Behörde für Industrie, Gewerbe und Arbeit eine Verletzung von gesundheitspolizeilichen Vorschriften anzuzeigen. Wenn notwendig erlässt diese Aufsichtsbehörde eine Verfügung zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes.

Literatur

  • Deutschland: Peter Wickler (Hrsg.): Handbuch Mobbing-Rechtsschutz. Müller, Heidelberg 2004, ISBN 3-8114-1856-4
  • Österreich: Marion Binder: Mobbing aus arbeitsrechtlicher Sicht. ÖGB-Verlag, Wien 1999 (Beiträge zu besonderen Problemen des Arbeitsrechts, 9) ISBN 3-7035-0774-8
  • Europäische Union:
    • Mitteilung der Europäischen Kommission – Anpassung an den Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft: eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2002-2006 (KOM/2002/0118 endg.)