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Horst Wessel

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Horst Ludwig Wessel (* 9. Oktober 1907 in Bielefeld; † 23. Februar 1930 in Berlin) war SA-Sturmführer und schrieb den Text zum Horst-Wessel-Lied, das kurz nach seiner Ermordung zunächst zur offiziellen Parteihymne der NSDAP, sodann zur zweiten deutschen Nationalhymne wurde, die von 1933 bis 1945 stets nach dem Deutschlandlied gesungen wurde.

Jugend und Werdegang

Horst Wessel war der Sohn des evangelischen Pastors Dr. Wilhelm Ludwig Georg Wessel, der von 1906 bis 1908 in der Bielefelder Pauluskirche und ab 1913 an der historisch wichtigen Berliner Nikolaikirche wirkte. Wessels Eltern blieben auch nach der Novemberrevolution 1918 stets kaiserlich gesinnt. Horst Wessel studierte zunächst vier Semester Jura und war Mitglied im Corps Normannia Berlin und Corps Alemannia Wien[1], gab das Studium dann jedoch auf und war nach 1928 Hilfsarbeiter. Er arbeitete unter anderem als Taxifahrer und als Schipper beim U-Bahnbau.

Eintritt in die NSDAP und in die SA

1926 trat Wessel in die NSDAP und die SA ein, ab 1929 war er außerdem SA-Sturmführer des SA-Sturms 5 in Berlin. Im selben Jahr hatte er in der nationalsozialistischen Zeitschrift Der Angriff erstmals sein Gedicht „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen!“ veröffentlicht, das später mit einer volkstümlichen Melodie unterlegt zum Horst-Wessel-Lied wurde.

Tod

Am 14. Januar 1930 wurde Wessel von Albrecht Höhler, einem aktiven Mitglied der KPD, und weiteren Kommunisten in seiner Wohnung aufgesucht, wobei Höhler Wessel beim Öffnen der Tür ins Gesicht schoss. Wessel wurde zwar sofort in ein Krankenhaus eingeliefert, verstarb aber dort am 23. Februar.

Schuldfrage

Die KPD wies jede Schuld an dem Verbrechen von sich und gab an, es handelte sich um einen privaten Streit zwischen der Vermieterin Salm und der Prostituieren Erna Jänicke, in deren Wohnung Wessel mit ihr zusammen lebte. Der verstorbene Gatte der Vermieterin Salm war aktives KPD-Mitglied gewesen und es war somit durchaus möglich, dass sich die Vermieterin mit der Bitte um handfeste Unterstützung im Streit mit der Freundin des bekennenden Nationalsozialisten Wessel an Parteifreunde ihres Gatten gewendet haben könnte.

Ebenso denkbar ist auch ein Racheakt einzelner Kommunisten an Wessel, denn am selben Tag war zuvor Camillo Ross, ein 17-jähriger Kommunist, von SA-Schlägern ermordet worden, wobei Wessel als SA-Führer in das Umfeld des Mordes verwickelt und eine der bekannteren Personen der örtlichen NSDAP war.

Der mehrfach vorbestrafte Albrecht Höhler und seine Mittäter wurden bereits kurz nach der Tat verhaftet. Höhler wurde für das Verbrechen zu sechs Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt. Weitere Beteiligte erhielten Bewährungsstrafen. Als die Nazis 1933 die Macht übernahmen, wurde Höhler im Gefängnis erschossen.

Stilisierung zum Märtyrer

Die NSDAP (damals noch in der Opposition) nutzte Wessels Tod propagandistisch: er wurde zum „Märtyrer der Bewegung“ verklärt. Nach der „Machtübernahme“ wurde der Berliner Bezirk Friedrichshain in „Horst-Wessel-Stadt“ umbenannt und trug diesen Namen bis 1945. Das Krankenhaus am Rande des Volksparks Friedrichshains, in dem Wessel verstorben war, erhielt den Namen "Horst-Wessel-Krankenhaus". Der damalige Bülowplatz (heute Rosa-Luxemburg-Platz) in Berlin-Mitte wurde in "Horst-Wessel-Platz", sowie die dortige U-Bahn-Station Rosa-Luxemburg-Platz, die Volksbühne und das heutige Karl-Liebknecht-Haus, umbenannt. Viele andere deutsche Plätze und Straßen wurden ebenfalls nach Wessel benannt. Selbst einer Division der Waffen-SS, nämlich der 18. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division, wurde der Beiname "Horst Wessel" verliehen. Am 17. September 1934 wurde in Dresden mit großem propagandistischen Aufwand des Nazi-Regimes die Knabenberufsschule Altstadt als "Horst-Wessel-Schule" eröffnet.[2][3]

Abgesehen davon, dass das von Goebbels geleitete Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda den Mord im Rahmen von NSDAP-Propaganda politisierte und aus Horst Wessel einen nationalsozialistischen Helden machte, wurde das Schicksal des ehemaligen Studenten von dem bekannten Schriftsteller Hanns Heinz Ewers in dem Roman Horst Wessel (Stuttgart: Cotta, 1932) aufgegriffen. Dieser wurde später (1933) verfilmt, wobei aus rechtlichen Gründen der Name des Protagonisten in Hans Westmar geändert wurde.

Grabschändung im Februar 2000

Eine Gruppe, die sich selbst die "Autonomen Totengräber" nannte, hatte anlässlich seines 70. Todestages im Jahre 2000 angeblich den Totenschädel Horst Wessels ausgegraben und diesen in die Spree geworfen. Laut Polizei wurde damals allerdings nur oberflächlich gegraben, so dass bis heute nicht geklärt ist, ob Horst Wessel nun mit oder ohne Kopf im Grab liegt oder ob eventuell stattdessen das Grab seines Vaters, in das er gebettet worden war, geschändet wurde.

Verwandte Themen

Literatur

  • Jay W. Baird: Goebbels, Horst Wessel, and the Myth of Ressurection and Return, in: Journal of Contemporary History 17 (1982), S. 633-650.
  • Jay W. Baird: To Die for Germany. Heroes in the Nazi Pantheon, Bloomington (Ind.) 1990 (ISBN 0-253-20757-6).
  • Sabine Behrenbeck: Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und Symbole 1923 bis 1945, Vierow b. Greifswald 1996 (ISBN 3-89498-006-0).
  • Manfred Gailus: Vom Feldgeistlichen des Ersten Weltkriegs zum politischen Prediger des Bürgerkriegs. Kontinuitäten in der Berliner Pfarrerfamilie Wessel, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 50 (2002), S. 773-803.
  • Manfred Gailus: Das Lied, das aus dem Pfarrhaus kam. "Die Fahne hoch!" 1933 wurde das Horst-Wessel-Lied zur zweiten Nationalhymne. Seine Geschichte verrät viel über die Verirrungen des deutschen Protestantismus, in: Die Zeit Nr. 39 v. 18. Sept. 2003, S. 86.
  • Heinz Knobloch: Der arme Epstein: Wie der Tod zu Horst Wessel kam, Berlin 1996 (ISBN 3-746-68021-2).
  • Imre Lazar: Der Fall Horst Wessel, Stuttgart 1980 (ISBN 3-7630-1194-3).
  • Thomas Oertel: Horst Wessel – Untersuchung einer Legende, Köln 1988 (ISBN 3-412-06487-4).
  • Ralf Georg Reuth (Hg.): Joseph Goebbels Tagebücher, Bd. 2: 1930-1934, München 1999 (ISBN 3-492-04115-9).

Einzelnachweise

  1. Horst Grimm/Leo Besser-Walzel, Die Corporationen, Frankfurt am Main, 1986
  2. Geschichte des BSZ für Agrarwirtschaft "Justus von Liebig"
  3. Geschichte des Beruflichen Schulzentrums für Technik "Gustav Anton Zeuner" Dresden