Österreichisches Deutsch
Österreich gehört zum (ober-)deutschen Sprachraum. Deutsch ist in Österreich in der Verfassung als offizielle Staatssprache verankert und wird von 98 % der einheimischen Bevölkerung als Muttersprache gesprochen. Die moderne Sprachwissenschaft verwendet auch den Begriff "österreichisches Deutsch" und stellt ihm die Termini "deutsches Deutsch" und "schweizerisches Deutsch" gegenüber. In allen drei Fällen handelt es sich um gleichberechtigte Varianten der deutschen Sprache (plurizentrisches Konzept).
Die Bevölkerung Österreichs spricht oft einen der vielen Dialekte (in Vorarlberg ist der Dialekt alemannisch, sonst überall bairisch). Daneben werden Minderheitssprachen in Österreich gesprochen, die auch an einigen Schulen unterrichtet werden.
Auf Grund der langen Eigenstaatlichkeit Österreichs und der staatlichen Trennung gegenüber Deutschland hat sich teilweise eine eigene Verwaltungsterminologie herausgebildet, deren Begriffe auch gelegentlich umgangssprachlich verwendet werden. Dabei handelt es sich um mindestens 4000 Ausdrücke. Daneben weist das österreichische Deutsch zahlreiche Besonderheiten im Bereich der Fachsprachen auf (z. B. Küchensprache). Die Unterschiede zwischen dem österreichischen Deutsch und dem deutschen Deutsch umfassen daher nicht nur den dialektalen Sprachgebrauch und die Umgangssprache, sondern auch in einzelnen Fällen die Hochsprache/Schriftsprache.
Österreich teilt manche seiner sprachlichen Besonderheiten mit Bayern, manche mit der Schweiz und manche mit dem gesamten süddeutschen Raum. Die Unterschiede werden vor allem im Vergleich mit den mittel- und niederdeutschen Sprachgebieten deutlich.
Dialekt und Umgangssprache
Außer in Vorarlberg werden überall in Österreich mittel- und südbairische Mundarten gesprochen. Bairisch gehört zusammen mit Ostfränkisch, Schwäbisch und Alemannisch zu den oberdeutschen Dialekten des "Hochdeutschen". Wegen dieser Verwandtschaft mit dem Hochdeutschen spielt die Verwendung dialektaler Sprachformen im oberdeutschen und mitteldeutschen Sprachregionen eine deutlich größere Rolle als in den niederdeutschen Sprachregionen, wo mit dem Niederdeutschen (niedersächsische Sprache und niederfränkische/ niederländische Sprache) weitere Sprachen - und keine Dialekte - gesprochen werden. Insofern weist Österreich sehr starke Ähnlichkeiten mit den übrigen oberdeutschen Sprachregionen (Bayern, Baden-Württemberg und der Schweiz, ...) auf. Dialekt ist vor allem in ländlichen Regionen, aber auch in den Landeshauptstädten die tägliche Umgangssprache. Darüber hinaus ist der Gebrauch des Dialekts auf allen Gesellschaftsebenen üblich.
Die in Österreich gesprochenen örtlichen Dialekte gehören überwiegend den bairischen Mundarten an. Sprachwissenschaftler unterscheiden hier zwischen südbairischen Dialekten, die im größten Teil Tirols, in Kärnten, in großen Teilen der Steiermark und im südlichen Burgenland gesprochen werden, und mittelbairischen Dialekten in Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und im nördlichen Burgenland. Die Dialekte im Tiroler Unterland, im Land Salzburg und in der Obersteiermark weisen Übergangsmerkmale auf.
Weiters werden in Vorarlberg und in Teilen des Tiroler Außerfern alemannische Dialekte gesprochen.
Zusätzlich zu den vielen verschiedenen Ortsdialekten, die in reiner Form vor allem von älteren Personen in Dörfern gesprochen werden, haben sich in den einzelnen österreichischen Bundesländern als regionale Umgangssprachen "Landesdialekte" herausgebildet, die sich an der in den jeweiligen Landeshauptstädten gesprochenen Mundart orientieren. Die Umgangssprache in den Landeshauptstädten wiederum wird in jeweils unterschiedlich starkem Ausmaß von der Wiener Mundart beeinflusst. Auf diese Weise entsteht eine Vermischung von mittelbairischen und südbairischen Dialektformen mit speziellen wienerischen sowie hochsprachlichen Merkmalen.
Diese Entwicklungen weg von den Dialekten zu einer besonderen österreichischen Mundart des Hochdeutschen unterscheidet den Dialektgebrauch in Österreich - abgesehen von schon ursprünglich vorhandenen regionalen Unterschieden - von denen in Bayern, wo aus Wien kommende sprachliche Einflüsse keine Rolle spielen.
Die in Österreich gesprochene Variante der Hochsprache ist naturgemäß stark von den bairischen Dialekten beeinflusst. Festzustellen ist dies in der Aussprache. In Anlehnung an die im Mittelbairischen im Anlaut weitgehend fehlende Unterscheidung zwischen den Konsonanten "p" und "b", "t" und "d" sowie (in geringerem Maße und nur regional) "k" und "g", der sogenannten Lenisierung, hören sich diese Konsonanten bei vielen Sprechern gleich an.
Betonung und Aussprache vieler Lehnwörter unterscheiden sich von der in Deutschland üblichen, so etwa Balkon, Beton (keine Nasalisierung), Billiard, Chemie, China (Aussprache auf /k/), Mathematik.
Sprachliche Einflüsse aus den mitteldeutschen Dialektregionen und der niederdeutschen Sprachregion werden vor allem durch das Fernsehen vermittelt, spielen aber in Österreich ebenso wie in den übrigen oberdeutschen Sprachregionen (Bayern, Schweiz, Baden-Württemberg, ...) keine wesentliche Rolle.
Der spezielle Wortschatz in der österreichischen Mundart der Hochsprache ist zum Teil in den mittel- und südbairischen Dialekten verankert, wird aber auch in den übrigen bairischen Sprachgebieten in Altbayern verwendet. Andererseits gibt es einen speziellen Wortschatz, der nur in Österreich gebraucht wird - vergleichbar mit der Entstehung eines speziellen Wortschatzes in der früheren DDR. Dies ist ebenso mit einer staatlichen Existenz und den sprachprägenden Institutionen (Medien, Kanzleisprache) zu erklären. Außerdem wird die deutsche Umgangssprache in Österreich, wie übrigens alle grenznahen Sprachen, durch die Nachbarsprachen, in diesem Fall besonders Tschechisch, Ungarisch Slowenisch und Italienisch beeinflusst.
In den Beitrittsverträgen Österreichs mit der Europäischen Gemeinschaft (EU) wurden auch österreichspezifische Bezeichnungen für Lebensmittel festgeschrieben, die im übrigen deutschen Sprachraum nicht gebräuchlich sind.
Spezielle Wörter
Es gibt etwa 7000 Austriazismen, die auch innerhalb Österreichs zum Teil nur regional üblich sind. Hier, thematisch sortiert, einige speziell in Österreich einschließlich des früheren sudetendeutschen Sprachraums und teilweise auch in Bayern gebräuchliche Wörter und deren Bedeutung in der Hochsprache der Bundesrepublik Deutschland:
- Anrainer (auch in Bayern und der Schweiz) -> Anlieger
- Ansuchen -> Gesuch
- Bankomat -> Geldautomat
- Benützer (auch in Bayern) -> Benutzer
- Bezirksgericht -> Amtsgericht
- Bim (Wiener Umgangssprache) -> Straßenbahn (in manchen deutschen Städten: Tram)
- bin gestanden (auch in Schwaben, Bayern, Franken und der Schweiz) -> habe gestanden
- bin gesessen (auch in Bayern und der Schweiz) -> habe gesessen
- Bub (auch in Bayern und der Schweiz) -> Junge, Knabe
- då (auch in Bayern) -> hier (vgl. »dort«)
- dort (auch in Bayern) -> da
- eh (auch in der Schweiz) -> ohnedies
- Einsatz -> Pfand
- Erdapfel (auch in Bayern) -> Kartoffel
- Er(ge)tag (vor allem in Bayern) -> Dienstag
- Erlagschein -> Zahlkarte
- Faschiertes (regional auch in Bayern)-> Hackfleisch
- Fasching (auch in Bayern und Schwaben) -> Karneval (Schweizerisch: Fasnacht)
- Fassbinder -> Böttcher
- Fauteuil -> Lehnstuhl (schweizerisch: Sofa)
- Feber (nur in bestimmten Regionen) -> Februar
- Fleischlaibchen (auch in Bayern) -> Frikadelle
- Frankfurter (Würstel) -> Wiener Würstchen
- Gelse -> Mücke (vor allem Stechmücke)
- Grüß Gott (auch in Bayern) -> Guten Tag (auch in Kärnten)
- heuer (auch in Bayern, Franken und der Schweiz) -> in diesem Jahr (analog: Heuriger -> diesjähriger - zum Beispiel Wein, Kartoffeln)
- Heuriger (vor allem in NÖ+Wien)->Gaststube in der der heurige Wein und Brote mit Beilagen ausgegeben werden
- Jänner (auch in Bayern) -> Januar
- Jause kommt von slowen.: južina "Mittagessen"-> Brotzeit
- Journaldienst -> Bereitschaftsdienst
- Karfiol (auch in Bayern) -> Blumenkohl
- Kassa (auch in der Schweiz) -> Kasse
- Kasten (auch in der Schweiz) -> Schrank
- kehren (auch in der Schweiz) -> fegen
- Kletze -> Dörrbirne
- Kluppe, Klupperl -> Wäscheklammer
- Knödel (auch in Bayern) -> Kloß
- Kren (slawisches Lehnwort, auch in Bayern) -> Meerrettich
- Kundmachung -> Bekanntmachung
- Landeshauptmann -> Ministerpräsident
- Leiberl, Leibchen (auch in Bayern)-> Hemd, T-Shirt
- leiwand (Wienerisch, aber auch sonst recht verbreitet) -> gut, toll
- Marille (regional auch in Bayern) -> Aprikose
- Matura (auch in der Schweiz) -> Abitur
- Melanzani -> Aubergine
- Most (auch in Bayern, Schwaben und der Schweiz) -> je nach Region: Apfelwein, Traubenmost
- Nationalrat (auch in der Schweiz) -> Bundestag
- Obers (auch in Bayern), Rahm (auch in Bayern, Franken, der Schweiz) -> Sahne
- Ordination -> Arztpraxis, ärztliche Sprechstunde
- Palatschinke(n) (romanisches Lehnwort aus dem Rumänisch]]en) -> Pfannkuchen, Eierkuchen
- Paradeiser -> Tomate (auch in Kärnten, Vorarlberg, Tirol)
- Porree -> Lauch
- Rechen (auch in Bayern und der Schweiz )-> Harke
- Ribisel -> Johannisbeere (auch in Kärnten, Vorarlberg)
- (Zu weiteren regionalen Küchenbegriffen siehe entsprechenden Artikel)
- Sackerl (Sack) -> Tüte
- Samstag (auch in Bayern und der Schweiz)-> Sonnabend
- Schale -> Tasse
- Sessel (auch in Bayern)-> Stuhl
- Stelze oder Haxen (auch in Bayern) -> Beine
- Stiege (auch in Bayern) -> Treppe
- Strankerlsalat -> Grüne Bohnen-Salat
- Tasse -> Untertasse
- Topfen (auch in Bayern) -> Quark
- Trafik (eigentlich Tabaktrafik) -> Verkaufsstelle für Tabakwaren, Zeitungen und Magazine; vergleichbar einem Kiosk
- Tuchend (auch in Ostbayern) kommt von tschech.: Duchna -> Federbett
- Verkühlung (auch in Bayern) -> Erkältung
- Vogerl- (auch in Bayern), Rapunzelsalat -> Feldsalat, Rapunzelsalat
- sich ausrasten (auch in Bayern) -> ausruhen
Des weiteren wird nicht die Eins, sondern der Einser, der Zweier, ... gesagt. Man sagt auch nicht der Joghurt sondern das Joghurt.
Siehe auch: Bassena, Beuschel, Bummerl, Dreidl, Powidl, Mundart, Regionale Küchenbegriffe
Einige Wörter, die in Österreich und im übrigen oberdeutschen Sprachraum unüblich sind, oft auch nicht verstanden werden:
- Anlagenmechaniker = Installateur
- Apfelsine = Orange
- Berliner = Krapfen
- Blumenkohl (in der Schweiz üblich) = Karfiol
- Eisbein = Stelze, Haxe
- Klempner = Installateur
- Kloß = Knödel
- Knöllchen = Strafzettel
- Konfitüre (in der Schweiz üblich) = Marmelade
- Metzger (in der Schweiz üblich) = Fleischhauer
- Pampelmuse = Grapefruit
- Schreiner (in Bayern und der Schweiz üblich) = Tischler
- Schornsteinfeger = Rauchfangkehrer, Kaminkehrer
- Tiegel = Topf
- Tasche, Tüte = Wien: Sackerl ansonsten Sack
In Südtirol gibt es zudem ein paar Wörter, die sich durch die Zugehörigkeit zu Italien entwickelt haben. Hierzu zählen z.B. der Hydrauliker (Mechaniker) oder die Stammrolle (in Österreich Pragmatisierung). Ansonsten orientiert sich das Südtirolerische am österreichischen Hochdeutsch.
Perfekt
In Österreich (wie auch in der Deutschschweiz und im gesamten süddeutschen Sprachraum) muss für die Bildung des Perfekts von Verben, die die Körperhaltung ausdrücken, genauso wie für Verben der Bewegung generell als Hilfszeitwort "sein" verwendet werden. Zu den betroffenen Verben gehören zum Beispiel "sitzen", "stehen", "liegen".
Ebenso wie im gesamten Dialektgebiet südlich der Mainlinie ist das Imperfekt in der österreichischen Umgangssprache völlig ungebräuchlich. "Ich ging" oder "ich sah" wird als fremdartig empfunden. Normal ist zu sagen: "ich bin gegangen" oder "ich habe gesehen". Einzig beim Verb "sein" sind mit "war, waren" usw. auch Formen des Präteritums üblich.
Das Präteritum ist in den oberdeutschen Dialekten in frühneuhochdeutscher Zeit ausgestorben. Die gängigste Erklärung dafür ist, dass im Oberdeutschen generell das auslautende "-e" u.a. bei den Vergangenheitsformen auf "-te" ausgefallen war: "sagt-e" > "sagt", "kauft-e" > "kauft". Dadurch konnten von vielen Verben die Vergangenheits- und Gegenwartsformen lautlich nicht mehr unterschieden werden, was dazu geführt haben soll, dass das Präteritum insgesamt außer Gebrauch gekommen ist.
Literatur
- Robert Sedlaczek: Das österreichische Deutsch. Wien, Ueberreuter 2004. S. [1]
- Astrid Wintersberger: Österreichisch-Deutsch Wörterbuch, 1995 Residenz Verlag ISBN 3-7017-0963-7
Siehe auch
Weblinks
- Austriazismen
- http://members.chello.at/heinz.pohl/Sprachkontakt.htm
- Informationen zur Gegenwartssprache in Österreich
- Österreichisches Deutsch
- Lexikon Mundart der Österreicher 1811
- Das österreichische Deutsch: Website zum gleichnamigen Buch mit Posting-Möglichkeit
Zur Sprache der Küche http://members.chello.at/heinz.pohl/Kueche1.htm