Zum Inhalt springen

Faust. Der Tragödie zweiter Teil

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Juni 2007 um 18:31 Uhr durch Allander (Diskussion | Beiträge) (+ wikilink). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Faust. Der Tragödie zweyter Theil in fünf Acten- (vollendet im Sommer 1831), vulgo Faust II, ist die Fortsetzung von Johann Wolfgang von Goethes Faust I.

Im Jahr 1805, nach dem Tode Schillers, vollendete Goethe den Faust, veröffentlichte ihn 1808, kennzeichnete ihn intern als ersten Teil und arbeitete zwanzig Jahre nicht mehr am Stoff. Erst 1825 begann er am am Fauststoff weiterzuarbeiten. Faust II erschien posthum 1832.

Im Unterschied zum ersten Teil steht nicht mehr das Seelen- und Gefühlsleben des einzelnen Menschen im Mittelpunkt, sondern die Person Faust entwickelt sich weiter, wird zum sozial und geschichtlich Handelnden, scheitert auch in dieser Rolle, und vollendet sich in der politischen Vision einer freiheitlichen Weltordnung.

Titelblatt des Erstdruckes 1832

Inhalt

Das Stück besteht aus fünf Akten, die für sich abgeschlossene Inhalte haben. Erst der Bezug auf die gesamte Tragödie stellt den Sinnzusammenhang her.

Erster Akt

Datei:Paris und Helena.jpg
Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn, will Helena und Paris vor sich sehn; das Musterbild der Männer so der Frauen in deutlichen Gestalten will er schauen. Geschwind ans Werk! ich darf mein Wort nicht brechen. ....Erst haben wir ihn reich gemacht, nun sollen wir ihn amüsieren. Gemälde von Jacques-Louis David (1788).
Von allen Seiten hundert Quellen vereinen sich im reinlich hellen, zum Bade flach vertieften Raum. Gesunde junge Frauenglieder, vom feuchten Spiegel doppelt wieder ergetztem Auge zugebracht!..... Wundersam! auch Schwäne kommen aus den Buchten hergeschwommen, majestätisch rein bewegt. Ruhig schwebend, zart gesellig, aber stolz und selbstgefällig. Nymphen und Schwäne von J.H. Tischbein (1817/20).)
Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich ans Licht hervor! Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt. Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie. (Vers 8693) - Bühnenbild von Goethe (1810).
Gerettet ist das edle Glied der Geisterwelt vom Bösen, wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen. Und hat an ihm die Liebe gar von oben teilgenommen, begegnet ihm die selige Schar mit herzlichem Willkommen. Dantes Himmelsspirale von (W.Blake 1824/27)
  • Anfangsvers des Ariel:

Wenn der Blüten Frühlingsregen
über alle schwebend sinkt,
wenn der Felder grüner Segen
allen Erdgebornen blinkt,
kleiner Elfen Geistergröße
eilet, wo sie helfen kann,
ob er heilig, ob er böse,
jammert sie der Unglücksmann.

Faust erwacht in einer „anmutigen Gegend“ an einem Frühlingsmorgen. Die Elfen badeten ihn im Tau aus Lethes Flut nach dem furchtbaren Ende der Gretchen-Tragödie des ersten Teils. Am Hofe des deutschen Kaisers, auf der „kaiserlichen Pfalz“, agiert Faust mit Mephistopheles' Hilfe als Magier und rettet mittels Erfindung des Papiergelds für kurze Zeit die kaiserlichen Finanzen, um die es vorher alles andere als gut bestellt war. Nach dem illusionären Mummenschanz geht er zu den Urbildern des Lebens ins „Reich der Mütter“, bevor er vor dem Hof die Geister von Helena und Paris als Urbilder menschlicher Schönheit beschwört.

Zweiter Akt

Famulus Wagner hat ein künstliches Menschlein, den Homunculus, geschaffen, der die Protagonisten zur „klassischen Walpurgisnacht“ führt, in der verschiedenste mythologische Wesen und Götter der griechischen Antike auftreten.

Dritter Akt

Der dritte Akt beschreibt Fausts Beziehung zu Helena, mit der er einen Sohn, Euphorion, hat, der am Ende des Aktes zu Tode stürzt, woraufhin auch Helena verschwindet. Die Verbindung Fausts mit Helena symbolisiert die Verbindung von klassischer Antike und romantischen, germanischen Mittelalter.

Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta

Menelaos kehrte mit Helena aus dem Krieg um Troja zurück und schickte Helena voraus, um eine Opferzeremonie vorzubereiten. Er sagte jedoch nicht, was geopfert werden solle. Helena ahnt, dass sie das Opfer sein wird und beklagt ihr Schicksal, doch ein Chor von Trojanerinnen muntert sie wieder auf. Helena will nach der Rückkehr die Diener und den Palast inspizieren, trifft jedoch auf leere Gänge und auf Mephisto in Gestalt Phorkyas, der den Palast und Hof während ihrer Abwesenheit verwaltete. Dieser sagt Helena, dass sie das Opfer sein wird, da Menelaos fürchte, sie noch einmal zu verlieren oder nicht ganz besitzen zu können, und bietet ihr und dem Chor an, sie mit auf eine mittelalterliche und angeblich uneinnehmbare Burg zu nehmen, welche während der zehn Jahre des Krieges um Troja und der anschließenden Irrfahrten des Menelaos bis Ägypten nicht weit von Sparta errichtet wurde. Sie stimmen zu und flüchten, umhüllt von Nebel, vor dem anrückenden König.

Vierter Akt

Faust und Mephistopheles kehren zum Kaiser zurück, der sich inzwischen im Krieg mit einem Gegenkaiser befindet. Mit Hilfe von Mephistos Siebenmeilenstiefeln, Eilebeute und den drei Gewaltigen Raufebold, Habebald und Haltefest erringt Faust den Sieg über den Gegenkaiser. Faust bekommt als Dank den Strand des Reiches und will den Meeresboden entwässern und so urbar machen. Hier kommt es nun zu einer neuen Lebenssituation für Faust. Der mittelalterlich- frühneuzeitliche Wissenschaftler und Suchende, mit liebevoll- bewundernden Hang zur griechischen Phantasie und Schönheit, wird ins Staats- und Herrschaftsleben gesetzt und muss jetzt, zum Tatmensch gewandelt und zwischen Gemeinwohl und Eigennutz abwägend, handeln.

Fünfter Akt

Als Herrscher verursacht Faust im letzten Akt den Tod dreier Menschen, eines Wanderers und des friedlichen alten Ehepaars Philemon und Baucis. Mittlerweile hundert Jahre alt und blind, hält er die lärmenden Lemuren, die sein Grab schaufeln, für seine Arbeiter. Schließlich erfüllt sich Fausts Schicksal, erkennt er doch den Augenblick, zu dem er sagen könnte: „Verweile doch, Du bist so schön!“ Dies bezieht er nämlich nicht auf seine tatsächliche Situation, sondern vielmehr auf die Vision einer künftigen, freiheitlichen Gesellschaft: „Solch ein Gewimmel möcht ich sehn, Auf freiem Grund mit freiem Volke stehen“. Als er dies ausspricht, bricht er tot zusammen; seine Seele wird, trotz Teufelspackt, von Gottes Engeln - die sein ewig strebendes Bemühen verzeihen lässt- gerettet und in den Himmel geführt.


  • Schlussvers des Chorus Mysticus:

Alles Vergängliche
ist nur ein Gleichnis;
das Unzulängliche,
hier wird's Ereignis;
das Unbeschreibliche,
hier ist's getan;
das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.

Literatur

  • Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon. Stuttgart (Kröner) 1998, ISBN 3-520-40701-9)
  • Theodor W. Adorno: Zur Schlußszene des Faust. In: Noten zur Literatur. Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1974.
  • Bernhardt, Rüdiger: Johann Wolfgang von Goethe: Faust II. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 43). Hollfeld: Bange Verlag 2002. ISBN 978-3-8044-17274
  • Gerhard Kaiser, Ist der Mensch zu retten? Vision und Kritik der Moderne in Goethes Faust
  • Ulrich Gaier, Fausts Modernität
  • Ulrich Gaier, Faust-Dichtungen
  • Michael Jäger, Fausts Kolonie, Goethes kritische Phänomenlogie der Moderne
  • C. Eller u. T. Kaminski, Faust-Spektrum
  • Alexander Reck: Friedrich Theodor Vischer – Parodien auf Goethes Faust. Heidelberg 2007 (Beihefte zum Euphorion 53).

Bedeutende Inszenierungen

Vertonungen

Wikisource: Faust II – Quellen und Volltexte