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Tasmanien

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Flagge Tasmaniens
Flagge Tasmaniens
Tasmanien
Tasmania
Karte
Datei:Tasmanien in Australien.png
Basisdaten
Hauptstadt: Hobart
Größte Stadt: Hobart
ISO 3166-2: AU-SA
Fläche: 68.330 km²
Einwohner: 478.400 (2003)
Bevölkerungsdichte: 7 Einwohner/km²

Tasmanien (früher Vandiemensland) ist eine dem Kontinent Australien südöstlich vorgelagerte Insel. Sie ist Teil des Australischen Bundes. Die Hauptstadt ist Hobart. Die geografische Position ist 43° Süd, 147° Ost.

Geographie

Tasmanien umfasst mit 68.330 km² (296 km Nord-Süd-Ausdehnung und 315 km von Ost nach West) 0,88 % der Gesamtfläche Australiens. Die Bass-Straße, welche die Insel vom australischen Festland trennt, wird im Nordwesten durch King Island, an der Nordostspitze von Flinders Island flankiert. Landschaftlich dominieren Gebirge und Hochebenen bis cirka 1.600 m Höhe die Insel. Die höchste Erhebung ist der Mount Ossa (1.617 m).

Es gibt noch relativ viele natürliche Landschaftstypen. Etwa ein Viertel der Insel sind als UNESCO-Weltnaturerbe ausgewiesen. Besonders eindrucksvoll ist die Landschaft am Cradle Mountain sowie die Wildnis des Südwestens.

Geographie und Geologie

Die Südostaustralien vorgelagerte Insel Tasmanien liegt zwischen 40° - 44° (Süd) geographischer Breite und 144° - 149° (Ost) geographischer Länge (Abb. 1). Die auf dem australischen Kontinentalschelf gelegene Insel ist annähernd so groß wie Irland. Mit einer Größe von rund 67.500 Quadratkilometern stellt sie die weitaus größte der über hundert Inseln des Bass-Archipels.

Geologisch betrachtet bildet Tasmanien den südlichsten Ausläufer des ostaustralischen Randgebirges. Im Zuge der rückläufigen Eiszeit und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels wurde Tasmanien vor 8.000 bis 12.000 Jahren vom Festland abgetrennt. Die durch diesen Prozess entstandene 250 Kilometer breite und meist sehr stürmische Meeresstraße (Bass-Strait) isolierte Tasmanien vollständig von Australien. Als Rudimente dieser ehemaligen Verbindung blieben nur die Inseln der Bass-Strait erhalten.

Tasmanien ist von zahlreichen, stark zerklüfteten Gebirgen durchzogen, die teilweise bis auf über 1.500 Höhenmeter ansteigen. Die Gebirgsketten verlaufen in der Regel von Nordwesten nach Südosten und enden häufig am Rand der Insel als Steilküste. Überhaupt liegt der Großteil der Landmasse im Gegensatz zum australischen Festland weit über Meeresniveau. Die geologisch älteren Gebirge des Westteils der Insel sind an ihren steilen Hängen und Graten stark zerklüftet, während die Gebirge Mittel- und Osttasmaniens leichter zugänglich sind und oft in Hochebenen (Plateaus) gipfeln. Abgesehen von diesen Plateaus sind Ebenen selten.

Die Unzugänglichkeit der Landschaft wird durch zahlreiche ausgedehnte Flusssysteme und einer Vielzahl von Seen verstärkt. Allein im Nordosten eines im Zentrum der Insel gelegenen Hochebenen gibt es über 4.000 Seen. Gleichzeitig ist diese größte Ebene der Insel von den drei bedeutendsten Flusssystemen (Gordon, Tamar, Derwent) umschlossen, die nach allen Himmelsrichtungen hin entwässern.

Das Hauptgestein Tasmaniens ist ein grobkörniger Basalt (Dolerit). Häufig anzutreffen sind sehr alte Sandsteinformationen aus dem Ordovizium, sowie Formationen aus Kalkstein, Quarzit oder Konglomeraten, die im Silur entstanden. Während des Tertiärs kam es zu starker vulkanischer Tätigkeit.

Klima

Das tasmanische Klima ist ozeanisch. Die Winter fallen dadurch relativ milde aus. Andererseits ist die Insel eine der wenigen Landmassen im Bereich der so genannten "Donnernden Vierziger" (Roaring Forties). Daher ist das Klima meist windig bis stürmisch, regnerisch und unbeständig. Alle Jahreszeiten lassen sich, besonders auf den Hochebenen, an einem Tag durchleben. Obwohl Tasmanien auf dem selben Breitengrad liegt wie Istanbul, Rom und Barcelona auf der Nordhalbkugel, ist das Klima kühler als auf dem Festland.

Bezüglich seiner geographischen Breite fände Tasmanien seine Entsprechung auf der Nordhalbkugel in einem Gebiet, das zwischen Südfrankreich (Nizza) und Zentralspanien (Madrid) anzusiedeln wäre. Häufig wird Tasmaniens warm-gemäßigtes Klima in der Literatur mit dem Klima Südfrankreichs in Verbindung gebracht. Dennoch gibt es einige bedeutende Unterschiede zum europäischen Klima der Nordhalbkugel.

Als Insel steht Tasmanien unter maritimem Einfluß, daher ist das Kleinklima regional stärker ausdifferenziert. Die um sechs Monate verschobenen Jahreszeiten sind weit weniger ausgeprägt. Die Winter sind mit Durchschittstemperaturen von 0,5 °C - 10,5 °C mild und die Sommer mit 9 °C - 19 °C eher kühl. Dennoch kann es fast überall auf der Insel im Winter zu Nachtfrösten kommen und zu jeder Jahreszeit in den Höhenlagen Schnee fallen. Selbst im Sommer können die Bergkuppen oberhalb 1.200 Meter, im Winter oberhalb 600 Meter schneebedeckt sein. In solchen Hochlagen kann die Temperatur auf Extremwerte bis -10 °C und im Januar bis -1 °C absinken. Das relativ milde Klima wird jedoch geprägt durch abrupte Wetterwechsel, den häufig starken Wind und die hohe Luftfeuchtigkeit.

Auch die Niederschlagsverteilung Tasmaniens ist weniger von jahreszeitlichen Schwankungen als durch die vorherrschende Windrichtung geprägt. Im Gegensatz zum australischen Festland, wo der Südostpassat seinen Einfluss geltend macht, ist die Insel ganzjährig zum Teil heftigen Westwinden ausgesetzt. Diese Donnernden Vierziger herrschen auf diesem Breitengrad auf der gesamten südlichen Erdhalbkugel und treffen hier ungebremst von Landmassen (die nächste ist Patagonien) auf Tasmanien. So ist der Westteil der Insel sowohl feuchter als auch kühler und hat darüber hinaus weniger Sonnenstunden pro Jahr als der Osten. Diese Temperaturunterschiede werden verstärkt durch den Einfluss einer warmen Meeresströmung im Osten und einer kalten, von der Arktis kommenden, im Westen Tasmaniens.

Der feuchte Wind sorgt im Westen für jährliche Niederschläge von über 1.500 mm mit Spitzenwerten bis zu 3.800 mm. Im Osten sind Werte um 1.500 mm jährlich die Ausnahme, zum Teil werden hier nur Werte um 400 mm erreicht. Vereinfacht dargestellt kann man sagen, dass die jährlichen Niederschläge Tasmaniens in West - Ostrichtung kontinuierlich abnehmen. Verglichen mit dem aridesten Kontinent der Erde - Australien - sind selbst diese Werte im Osten der Insel noch hoch.

Pflanzen- und Tierwelt

Die Flora und Fauna Tasmaniens ähnelt der Australiens. Die Vegetation wird im Nordwesten bestimmt von Regenwäldern. Im Südwesten und Norden finden sich aber auch Buttongras- und Moorlandschaften. Auf den weitläufigen Hochebenen begegnen uns alpine Moose und Blumen. Durch die isolierte Lage vom Festland sind etwa 20 % von den gut 1.500 vorkommenden höheren Pflanzenarten endemisch. Es gibt allerdings auch einen erheblichen Anteil an landwirtschaftlichen Nutzflächen. Der Granny-Smith-Apfel wurde in Tasmanien gezüchtet.

Beuteltiere sind die dominanten Landlebewesen, von denen der Beutelwolf (oder Beuteltiger, Tasmanischer Tiger, Tylacine) ein bekanntes ausgestorbenes Beispiel ist. Der Wombat (ein Beutelbär), ist ebenso vertreten wie zahlreiche Känguru-Arten.

Da viele der nach Australien eingeschleppten europäischen Tierarten (hauptsächliche der Fuchs) und auch der selbst eingewanderte Dingo es aber nie bis nach Tasmanien geschafft haben, sind hier viele Tierarten erhalten geblieben, die auf dem Festland ausgestorben sind: Bandicoots oder kleine Wallaby-Arten.

Ein ebenfalls sehr bekanntes Beispiel einer für Tasmanien endemischen Tierart ist der Tasmanische Teufel.

Die tasmanische Pflanzen- und Tierwelt ist eng mit der geologischen Vergangenheit Australiens verknüpft. Erdgeschichtlich betrachtet nimmt der australische Kontinent, bedingt durch seine frühzeitige und lang andauernde Isolierung, eine Sonderstellung ein, die sich nachhaltig auf seine Biozönose ausgewirkt hat. Diese Abtrennung ist verantwortlich für die Vielzahl der endemischen Arten, die häufig ein hohes stammesgeschichtliches Alter aufweisen.

In Tasmanien wird dieser Aspekt durch die seinerseits lange Isolierung vom australischen Festland noch potenziert. Die Zeitspanne dieser Isolierung war zwar für eine grundlegend eigenständige evolutionäre Anpassung zu kurz, jedoch kamen außeraustralische Einflüsse hier noch seltener zum Tragen. Die Flora und Fauna Tasmaniens geht in ihren Grundzügen auf den Superkontinent Gondwana zurück. Gondwana erreichte zu Beginn des Perm seine größte Ausdehnung und begann im Jura in die gegenwärtigen Kontinente der Südhalbkugel zu zerbrechen. Gerade die Reihenfolge dieser Teilung hat die Stellung der Biosphäre Australiens im ökologischen Weltgefüge maßgeblich geprägt. Nacheinander wurde die australische Landmasse vom späteren Afrika, Indien, Neuseeland, aber erst im Eozän von Antarktika getrennt. Darin liegt der Umstand begründet, dass die australische Biosphäre am ehesten Ähnlichkeit mit Teilen der neuseeländischen und südamerikanischen aufweist. Denn während des Eozäns waren Südamerika und Australien noch durch die Landmasse Antarktika verbunden. Diese Theorie wird sowohl durch Untersuchungen an der rezenten Pflanzen- und Tierwelt als auch durch fossile Befunde gestützt. Seit der Trennung von Antarktika war Australien mehr als 50 Millionen Jahren von den anderen Kontinenten isoliert. Selbstverständlich hat sich auch die australische Biosphäre seither den ökologischen Bedingungen und Veränderungen im Laufe der Jahrmillionen angepasst und dennoch ähnelt sie noch deutlich der ehemaligen Flora und Fauna Gondwanas.

Wie auf dem Australischen Festland sind auch hier verschiedene Arten von Possums zu finden. Possums sind wie Koalas oder Kangurus Beuteltiere und gehören seit eh und je zur Ur-Fauna Australiens. Sie wurden aber unter anderem von Siedlern anch Neuseeland geschleppt und sind dort für die Ausrottung mehrerer endemischer Vogelarten verantwortlich.


Flora

Auf Grund der unterschiedlichen klimatischen und geographischen Verhältnisse differiert auch im Bezug auf die Flora die Westhälfte der Insel stark vom Osten. Im Westteil finden sich vorwiegend Regenwälder und Vegetationsformen, die Teilen derer von Südamerika und Neuseeland ähneln. Im Osten Tasmaniens herrschen trockene und lichte Wälder australischer Prägung vor. Letztere sind gekennzeichnet durch hunderte verschiedener Akazien- und Eukalyptusarten, die wie in Teilen Australiens die gesamte Restfauna dominieren. Wie die gesamte australische Flora weisen auch sie eine Vielzahl unterschiedlicher evolutionärer Anpassung auf. Der Wald australischer Prägung lichtet in den Höhenlagen zunehmend aus. Oberhalb 900 Meter im Norden und 600 Meter im Süden gehen die Wälder häufig in ausgedehnte Moorlandschaften über.

Im kühl temperierten feuchten Regenwald Westtasmaniens bestimmt die Südbuche (Nothofagus) - eine der vielen endemischen Pflanzen - die bis zu 40 Meter Höhe erreichen kann, das Bild. Wie annähernd alle Baumarten Tasmaniens ist auch sie immergrün. Der ausgeprägte Stockwerkbau dieses Waldes und sein dichtes Unterholz machen ihn häufig undurchdringlich.

In den ausgedehnten Dünenlandschaften der wenigen Sandstrände, herrschen hitze- und trockenheitsresistente Büsche, Sträucher und Gräser vor.

Diese stark vereinfachte schematische Art der Darstellung ist der tasmanischen Fauna insofern nicht angemessen, als sie dem stark ausdifferenzierten Kleinklima Tasmaniens nicht Rechnung trägt. Bereits geringe Abweichungen klimatischer und geographischer Faktoren können auf kleinem Areal völlig unterschiedliche Landschaftsformen hervorrufen.

Bereits vor der Ankunft der Europäer waren weite Landstriche Tasmaniens durch die Einwirkung der einheimischen Inselbevölkerung geprägt. Auf diese Weise entstanden beispielsweise die feuchten Riedlandschaften mit ihrem Schilf-, Gras-und Heckenbewuchs, die den Regenwald durchsetzen und der zum Teil parkähnliche Charakter mancher Eucalyptus- und Akazienwälder.

Fauna

Beuteltier (Koala)
Datei:Emu big 500px.jpg
Großer Emu
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Dingo

Die Tierwelt Tasmaniens ist in noch stärkerem Ausmaß mit der australischen verwandt. Letztere ist, ebenso wie die Vegetation, geprägt von Endemismen. Die vorherrschenden Beuteltiere gehen ebenfalls auf Gondwana zurück. So hat sich beispielsweise die Beutelratte seit 65 Millionen Jahren kaum verändert. Auch der australische flugunfähige Straußenvogel, der Große Emu, stammt aus dieser Epoche. Die Hauptvertreter der Tierwelt Australiens, die Beuteltiere, haben, mit Ausnahme des Ökosystems Wasser, alle ökologischen Nischen besetzt. Aquatische Beuteltiere wurden bis auf eine südamerikanische Spezies weltweit aus diesem Lebensraum verdrängt. So unterscheidet sich die Meeresfauna Tasmaniens nur unwesentlich von der anderer Regionen dieses Breitengrades.

Auf dem Land blieben die Beuteltiere (Marsupiala) jedoch von außeraustralischen Einflüssen weitestgehend verschont (Abb. 3). Selbst die extrem artenreiche Vogelfauna - obwohl weniger an Grenzen gebunden - setzt sich aus Gattungen zusammen, die zu neunzig Prozent endemisch sind. Betrachtet man nur die Vogelarten, sind dies sogar fünfundneunzig Prozent. Die Auswahl an höheren Säugetieren (Plazentatieren) beschränkte sich in voreuropäischer Zeit in Australien auf Nage- und Flattertiere (Flughörnchen, Fledermäuse und fliegende Hunde). Sie kamen vermutlich während des Miozäns aus dem Norden. Seit etwa 4.000 Jahren ist der Dingo in Australien belegt. Die genauen Umstände seiner Ankunft und deren Zeitpunkt, sind ebenso wie seine Herkunft und Abstammung noch immer umstritten. Breite Zustimmung findet die Theorie, es handele sich um einen verwilderten Haushund (z. B. den indischen Paria), der ehemals in Südostasien beheimatet war und vom indischen Wolf (Lourandos 1997 : 295; vgl. Flood 1995 : 230f; Scarre 1990 : 96) abstammt. Andere Autoren halten ihn für einen ausgewilderten Hund mit indonesischem Stammbaum (Fagan 1991 : 147). Der Dingo ist von großem archäologischem Interesse, da er mit der letzten vorgeschichtlichen Einwanderungswelle des Menschen in Zusammenhang gebracht wird.

Während die meisten anderen, häufig während der Eiszeit über Neuguinea eingewanderten Tierarten auf die Regenwälder Queenslands beschränkt blieben, verbreitete sich der Dingo rasch. Das Aussterben der Beutelraubtiere auf dem australischen Kontinent ist vermutlich die Folge des Auftretens dieses Echtsäugers.

Alle anderen der heute in Australien verbreiteten höheren Säuger wurden erst während der Kolonialzeit eingeführt und verursachten zum Teil große Schäden in der australischen Biosphäre. Sie verdrängten die angestammte Fauna und vermehrten sich meist explosionsartig in den ökologischen Nischen. Das gilt nicht nur für Kaninchen, Hauskatzen und Füchse, sondern auch für Rinder, Kamele, Schweine, Esel und Pferde. Oder die Tierplagen wurden auf Umwegen ausgelöst, wie die starke Verbreitung der Buschfliege, die im Kuhdung eine ideale Brutstätte gefunden hat. Diese Beispiele bezeugen nicht nur die Sonderstellung der australischen Fauna, sondern belegen darüber hinaus, wie die europäische Expansion sich über den Umweg der Nahrungsressourcen nachteilig auf die Lebensgrundlage der voreuropäischen Bevölkerung ausgewirkt hat.

Die Fauna Tasmaniens ist noch um einiges artenärmer als die australische. So kommen dort nur etwa ein Fünftel der Beuteltier-, ein Zehntel der Nager- und ein Siebtel der Fledermausarten Australiens vor. Flughunde und Flughörnchen sind ebenfalls nicht bis nach Tasmanien vorgedrungen. Diese Artenarmut darf jedoch nicht über die hohe Populationsdichte der Landtiere in Tasmanien hinwegtäuschen, die durch die vielseitige Küsten- und Meeresfauna noch ergänzt wird.

Die Beutelraubtiere, der tasmanische Teufel und der tasmanische Beutelwolf konnten - vermutlich bedingt durch das Fehlen des Dingo in Tasmanien - bis in rezente Zeit überleben. Der tasmanische Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus) wird häufig auf Grund seines dunkelbraun-gelblich gestreiften Felles tasmanischer Tiger genannt. Sein lateinischer Name bedeutet ‘Beutelhund mit Wolfskopf’, was seinem Aussehen schon ziemlich nahe kommt. Mit einer Rückenlänge von zirka 1,20 Metern hatte er in etwa die gleiche Größe wie unser europäischer Wolf und war in der Lage auch größere Beutetiere zu reißen. Er jagte meist im Dunkeln oder zumindest in der Dämmerung und galt als langsam und etwas unbeholfen. Wahrscheinlich wurden ihm die ausgewilderten Hunde der frühen Kolonialzeit zum Verhängnis. Aber auch die Schafhirten stellten ihm nach, so dass er schon in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sehr selten war. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war er bereits eine außerordentlich begehrte Jagdtrophäe. Wann genau er ausgestorben ist, ist unsicher und in regelmäßigen Abständen tauchen immer wieder Augenzeugen auf, die einzelne Exemplare gesehen haben wollen. Obwohl gegenwärtig Tasmaniens Wildhüter mit der Suche nach Spuren betraut sind, blieben diese Gerüchte bislang unbestätigt.

Datei:Beutelteufel.jpg
Tasmanischer Teufel (Beutelteufel)

Tasmanischer Teufel

Der Tasmanische Teufel hingegen ist auch heute noch recht zahlreich vertreten. Er hat ein schwarzes Fell und ist nur etwa fünfundzwanzig Zentimeter hoch. Sein im Vergleich zum Körper viel zu großer Kopf weist gewaltige Kiefer mit beachtlichen Zähnen auf. Seinen Namen trägt er, weil er ebenso bissig wie gefräßig ist. In voreuropäischer Zeit jagte er kleinere Beuteltiere und Jungtiere oder begnügte sich mit dem, was der Beutelwolf übrigließ. Heute fängt er unter anderem Hühner und kleine Haustiere oder sucht seine Nahrung im Müll. In Victoria wurde eine Grabbeigabe in Form einer Halskette bestehend aus Sarcophilus-Zähnen gefunden, die auf 3.000 Jahre datiert ist (Wopfner 1997 : 179). Ein Grab in Neusüdwales enthielt 178 gelochte Zähne mit einem Alter von 7.000 Jahren (Blainley 1976 : 64; vgl. Flood 1995 : 61f).

Das Schnabeltier und der Ameisenigel aus der Unterklasse der Prototheria, deren phylogenetische Stellung noch bis heute unklar ist, zählen zu den skurrilsten Vertretern der australischen beziehungsweise tasmanischen Fauna. Beide, wenngleich Säugetiere, zählen aufgrund fehlender spezifischer Geschlechtsorgane genau wie etwa die Vögel oder Reptilien zu den Kloakentieren. Das bis zu sechzig Zentimeter lange Schnabeltier (Ornithorhynchus anatinus) lebt in an Süßwasser angrenzenden Höhlen. Mit Schwimmhäuten ausgestattet, jagt es unter Wasser Weichtiere, Insekten und Krebse. Obwohl Säugetier, legt das Weibchen pro Saison zwei bis drei Eier. Die frisch geschlüpften Jungen sind kaum zwei Zentimeter groß und lecken bei der Mutter die Milch mangels Zitzen direkt vom Fell, die aus darunterliegenden Hautdrüsen abgesondert wird.

Der etwa fünfzig Zentimeter lange, stachelbewehrte Ameisenigel ist in Neuguinea und Australien sowie auf Tasmanien beheimatet. Dieses ebenfalls eierlegende Säugetier ernährt sich von Ameisen. Die geschlüpften Jungen wachsen hier jedoch im Brutbeutel heran und werden auch dort gesäugt.

Datei:Känguru.jpg
Graues Riesenkänguru

Känguru und Wombat Das wichtigste Jagdwild der voreuropäischen Bevölkerung waren das Känguru, der Wombat und das Oppossum. Von den im Vergleich zu Australien wenigen Känguruarten war das graubraune Waldkänguru (Macropus major) die beliebteste Jagdbeute. Es wird bis zu eineinhalb Meter groß und trat in großen Herden auf. Bei den kleineren Känguruharten war vor allem das ‘Wallaby’ als Beute von Bedeutung. Der Wombat (Vombatidae), der auf Tasmanien mit mehreren Arten vertreten ist, lebt in unterirdischen Höhlensystemen und wurde als ergiebiger Fleischlieferant genutzt. Das schwere, aufgrund seiner kurzen Beine plump wirkende Beuteltier, erreicht eine Länge von 1,20 Metern und ein Gewicht von 30 Kilogramm. Die Jagd nach dem Oppossum war weit verbreitet aber sehr beschwerlich, da es sich meist in hohen Baumwipfeln aufhält. In Statur und Größe ähnelt dieser geschickte Kletterer am ehesten einem Marder.

Neben dem Emu wurde ein weiterer flugunfähiger Laufvogel gejagt. Der Tribonyx mostierii entspricht in seiner Gestalt unserem Rebhuhn. Ansonsten war die äußerst vielfältige Vogelfauna des tasmanischen Inlandes als Beute nicht von Bedeutung. Von den Reptilien, die in Australien neben den Beuteltieren die erfolgreichste Tiergruppe stellen, wurden in Tasmanien nur die größeren Arten verzehrt.

Nur drei der 140 australischen Schlangenarten sind auf der Insel heimisch. Alle drei gehören zur Gruppe der Elapiden und sind ausnahmslos giftig. Die Aborigines begegneten ihnen mit großem Respekt (Robinson 1966 : 852). Die australischen Spinnen, Skorpione, Termiten und Schnecken sind ebenso wie die Süßwassermollusken und Süßwasserfische endemisch und haben ihre nächsten Verwandten in Südamerika. In Tasmanien spielen Schnecken und Egel eine größere Rolle als auf dem trockenen Kontinent.

Von entscheidender Bedeutung war in Tasmanien die Küsten- und Meeresfauna. Wie bereits angedeutet, unterscheidet sie sich nicht wesentlich von der Fauna anderer Erdteile. In dem fischreichen Meer gab es auch eine Vielzahl Meeressäuger: Delfine, Wale, See-Elefanten, Robben und Seehunde. Die große Anzahl von Muscheln, Krebsen, Krabben und Hummer waren ein begehrtes Nahrungsmittel. An den Küsten nisteten Seevögel in großer Zahl, die jedoch teilweise als Zugvögel nur saisonal anzutreffen waren: Kormorane, Enten, Gänse, Schwarze Schwäne, verschiedene Wasserhuhnarten, Albatrosse, Reiher, Tölpel und der ‘mutton bird’ (Puffinus tenuirostris), ein Sturmvogel, der eine zentrale Rolle in der Nahrungsversorgung der Küstenbevölkerung spielte.

In diesem Zusammenhang noch von Interesse ist die am Ende der Eiszeit vor ca. 25.000 bis 15.000 Jahren (Flood 1995 : 192; vgl. Scarre 1990 : 68) ausgestorbene Megafauna (Abb. 5). Diese beinhaltete auch größere Formen der rezenten Tierarten. Andere Gattungen sind mit ihrem Aussterben für immer verschwunden; so etwa das Diprotodon, das die Größe eines Nashorns erreichte. Die damaligen Formen des Tasmanischen Teufels und des Emus waren beträchtlich größer. Manche Känguruarten erreichten eine Höhe von drei Metern und auch Wombats von der Größe eines Esels sind belegt.

Die Gründe des Aussterbens sind noch nicht eindeutig geklärt; dennoch deutet einiges darauf hin, dass die voreuropäische Bevölkerung daran nicht unbeteiligt war (Flood 1995 : 136f, 281; Lourandos 1997 : 98-111; Wilpert 1987 : 21). Entgegen anders lautender Behauptungen haben auch die Aborigines in ihrem Lebensraum Spuren hinterlassen. Ein Phänomen, das - lange verleugnet - auch bei Wildbeuterpopulationen anderer Erdteile zunehmend Bestätigung findet. Geringe Naturbeherrschung darf in diesem Zusammenhang nicht gleichgesetzt werden mit nicht vorhandener nachhaltiger Beeinflussung.

Natürlich war ihnen bewusst, dass der Raubbau an der Natur sie ihrer Lebensgrundlage entzieht. Diese Zusammenhänge hatten sie täglich vor Augen. Deshalb waren sie bemüht, ihre Ressourcen nicht über die Maßen zu strapazieren, was ihnen jedoch nicht immer gelang. Ein anderes Beispiel hierfür könnte die Ausrottung einer See - Elefantenart (Mirounga leonina) auf Tasmanien sein, für die Rhys Jones die prähistorische Bevölkerung verantwortlich macht (Jones 1966/67; vgl. Mulvaney und Golson 1987 : 90).

Bevölkerung

Die indigene Bevölkerung Tasmaniens, die Tasmanier, verfügten nicht über die Technik der Ozean-Schiffahrt und entwickelten sich daher selbstständig von den Aborigines auf dem Festland. Man schätzt, das nie mehr als 5.000 bis 20.000 Ureinwohner hier lebten. Die Tasmanier wurden bis 1865 völlig ausgerottet.

Weitere Informationen über die Aborigines Tasmaniens finden Sie unter: http://home.t-online.de/home/310053825467


2001 lebten auf Tasmanien laut amtlicher Statistik 472.931 Einwohner. Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von 6,9 Einwohnern pro km².

Entdeckungsgeschichte

  • 1642 entdeckte der niederländische Seefahrer Abel Tasman die Insel für die Europäer. Er segelte im Auftrag des Generalgouverneur von Niederländisch-Ostindien Anton van Diemen, weshalb er die Insel auch Van-Diemens-Land nannte.
  • 1798 umrundete Kapitän Matthew Flinders das Eiland und belegte damit Tasmaniens Inselcharakter, während Tasman noch von einer Halbinsel ausgegangen war.
  • 1803 Tasmanien wurde britisch. Die Briten machten daraus eine Strafkolonie. Es wurden die schwereren Fälle nach Tasmanien gebracht, da die Insel durch ihre geringere Größe leichter zu überwachen war.
  • 1836-1843 Der berühmte britische Seefahrer und Nordpolarforscher Sir John Franklin war Gouverneur der Insel.
  • 1853 erhielt die Insel ihren heutigen Namen zu Ehren des Entdeckers.
  • 1856 erlangte Tasmanien eine eigene Verfassung und Regierung.
  • Seit 1901 gehört die Insel zum Australischen Bund


ENTDECKUNGSGESCHICHTE - AUF DER SUCHE NACH TERRA AUSTRALIS INCOGNITA

Europäische Historiker geben meist als offiziellen Entdecker Australiens den Holländer Willem Jansz an. Im Zuge der Kolonialisierung von Indonesien passierten zur damaligen Zeit viele holländische Frachtschiffe den indischen Ozean. Jansz machte 1606 den Versuch, an der Westküste der australischen Yorkhalbinsel bei Mapoom zu landen, wurde jedoch von den Aborigines in die Flucht geschlagen. 200 Meilen weiter südlich erlaubten ihm die Mitglieder der Aurukum an Land zu gehen. Umgehend begannen sie eine Siedlung zu errichten. Anfangs war das Verhältnis zu den Einheimischen entspannt; als aber die Siedler eine Aboriginal entführten, kam es zu blutigen Auseinandersetzungen. Die Hälfte der Holländer kam dabei ums Leben und die Siedlung wurde aufgegeben.

Bis zu diesem Zeitpunkt war Australien - beziehungsweise ‘Neuholland’, wie es im 17. und 18. Jahrhundert genannt wurde - auf keiner Weltkarte erfaßt; dennoch kursierten bereits viel früher Gerüchte über die Existenz eines Südkontinentes (terra australis). In Europa war man überzeugt, daß im Süden der Erdhalbkugel noch eine weitere größere Landmasse existieren müsse, da es sonst unmöglich sei, daß die Erde in ihrer Achse die Balance halten könne.

Aber bereits Anfang des 16. Jahrhunderts bereisten Schiffe der Portugiesen den Westpazifik. Neuguinea wurde 1525 von den Spaniern und Portugiesen entdeckt. Vermutlich ist es den Portugiesen zu verdanken, daß bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert, circa zehn Jahre vor der Landung von Jansz, in England eine, wenn auch sehr grobe Karte von Australien existierte (Przemyslaw 1990 : 89f). Selten findet dieser Umstand in der Entdeckungsgeschichte Australiens Erwähnung. Dabei war der Gelehrte Richard Henry Major bereits Mitte des letzten Jahrhunderts aufgrund einer (anderen) Karte von der Entdeckung des australischen Kontinents durch die Portugiesen überzeugt: „The facts which I have been able to bring together lead me to the conclusion that the land described as Java - la - Grande on the French maps to which I have reffered can be no other than Australia, and that it was discovered before 1542 may be almost accepted as demonstrable certainity. [...] We must therefore come to the conclusion [...] that the dicovery of the continent New Holland belongs to the Portuguese“ (Mc Intyre 1977 : 200). Kenneth Mc Intyre hat diese Theorie 1977 wieder aufgegriffen und kommt zu dem Ergebnis, daß die Portugiesen bereits in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts Australien betreten hatten. Im selben Jahr führte Mc Kiggan seine Recherche zum gleichen Resultat. Er datiert die Entdeckung von Australien durch Europäer (Portugiesen) auf das Jahr 1522 (Mc Intyre 1977 : 200; Mc Kiggan 1977). Es gibt sogar Hinweise, daß die Portugiesen bereits in Tasmanien landeten (Robson 1983 : 3). Wie dem auch sei; Logbücher oder andere schriftliche Quellen aus dieser Zeit liegen nicht vor, weshalb diese Epoche in diesem Zusammenhang nur von sekundärer Bedeutung ist.

Ebenfalls selten Erwähnung in der Geschichtsliteratur finden nichteuropäische Meeresexpeditionen in der australischen Entdeckungsgeschichte. Die Nordküste Australiens war den Seefahrern des malaiischen Archipels bereits lange vor Ankunft der Europäer bekannt (Wopfner 1997 : 1). Spätestens seit dem 15. Jahrhundert waren Handelsreisende aus Neuguinea in den Inseln der Torresstraße und der Halbinsel York präsent (Przemyslaw 1990 : 91f). Auch zwischen den Bugis aus Sulawesi und den Aborigines Nord- und Westaustraliens herrschten langjährige Handelsbeziehungen (Przemyslaw 1990 : 91ff). Ihr Hauptinteresse galt der Seegurke (holoturia nobilis), die damals wie heute in Asien und dort vor allem in China als Delikatesse gehandelt wurde. Der Seegurke, bekannter unter dem Namen Trepang, wurden große Heilwirkung und magische Eigenschaften (Aphrodisiakum) zugeschrieben. In Australien wurde sie gefischt und konserviert. Eine Saison dauerte vier bis fünf Monate. Zwischen dem 15. Jahrhundert bis ins ausgehende 18. Jahrhundert, beeinflußten diese Handelsbeziehungen die betroffenen Aboriginekulturen Nord- beziehungsweise Nordwestaustraliens und der Torresstraße nachhaltig (Przemyslaw 1990 : 92; Wilpert 1987 : 128ff). Im Tauschhandel erwarben sie metallene Äxte, Messer und Speerspitzen. Sie erlernten den Bau von Booten mit Auslegern, übernahmen Melodien, Musikinstrumente und sogar ein chinesisches Kartenspiel. In Sprachen und Bräuchen machten sich diese Einflüsse ebenfalls geltend. Es kam zu einer ausgeprägteren Seßhaftigkeit und einer strafferen, politischen Organisation. Diese Adaptionen blieben dennoch größtenteils auf die betroffene Küstenbevölkerung Australiens beschränkt.

Dessen ungeachtet waren es aber die Holländer, die neue Kunde über den Südkontinent nach Europa brachten und damit eine neue Ära einläuteten. Nach Willem Jansz, dem ‘Entdecker’ Australiens, kamen noch Jan Carstenz, Dirk Hartog, Pieter Nuysz, Liewen und viele andere Holländer, die meist in Handelsschiffen unterwegs waren, um Gewürze, Gold und andere Güter aufzunehmen. Der ruhmreichste unter ihnen war Abel Janszon Tasman, der als Entdecker Tasmaniens gilt. Tasman erreichte Tasmanien am 24. November 1642 und nannte es zu Ehren des damaligen Gouverneurs der ostindischen Kompanie, Antony van Diemen, ‘Van Diemen’s Land’. Er war von Batavia aus aufgebrochen und erreichte mit der ‘Heemskerck’ und der ‘Zeahaen’ nach 72 Tagen die Insel. Er war ein erfahrener Navigator und hatte den Auftrag, den Südkontinent aufzusuchen und dort die Gegend zu erkunden. Außerdem sollte er eine Seeroute durch den Pazifik nach Südamerika suchen, um neue Märkte und Ressourcen zu erschließen, was ihm auch beides gelang. Überhaupt müßte Abel Tasman aufgrund seiner geographischen Entdeckungen in einem Zuge mit den ganz großen Entdeckern und frühen Seefahrern genannt werden: Er entdeckte Tasmanien, Neuseeland und die Route südlich an Australien (Tasmanien) vorbei durch den Pazifik nach Südamerika. Er war auch der Erste, der das ganze Ausmaß Neuhollands (Australiens) erkannte. Tasman erforschte die Nordküste Australiens (1644) vom heutigen Staat Western Australia, den er ‘Eendrachtland’ nannte, bis nach Queensland (‘Carpentaria’). Bei dieser Gelegenheit stellte er fest, daß Neuguinea durch eine Meerenge (Torresstraße) von Australien getrennt war. Eine beeindruckende Leistung, die ihm jedoch nie wirklich zu Ruhm und Ansehen verhalf. Das hatte einen einfachen Grund: Tasman war zwar der Entdecker Tasmaniens, aber er war nicht der Entdecker der Einwohner der Insel, wie manchmal behauptet wird. Er erkannte zwar, daß die Insel bewohnt war, bekam aber deren Bewohner nie zu Gesicht. Auf all seinen Reisen ließ er, obwohl kühner Seefahrer, beim Kontakt mit ‘Wilden’ äußerste Vorsicht walten, und wenn es sich vermeiden ließ, verzichtete er ganz darauf. Diese Behutsamkeit wurde ihm bereits zu Lebzeiten von offizieller Seite vorgeworfen (Larson 1982 : 179f, 189), verhinderte seinen Ruhm, begünstigte aber gleichzeitig sein Privileg, als Entdecker eines natürlichen Todes zu sterben. Er ging 1642 an der Ostküste Tasmaniens vor Anker und war genötigt, seine Wasservorräte aufzufrischen. Ihm klangen noch die damals gängigen Gerüchte in den Ohren die besagten, diese entlegene Weltgegend sei die Heimat von Monstern und Riesen (Lord 1924a : 457; Ryan 1981 : 47). Deshalb beschränkte er die Landgänge auf das Allernötigste. Einer seiner Leute entdeckte zwei 18 bis 20 Meter hohe Bäume mit einem Umfang von circa vier Metern, in die Kerben eingeschlagen waren. Sie deuteten diese Kerben richtig als Kletterhilfe der einheimischen Bevölkerung, aber dachten damals diese dienten dem Ausnehmen von Vogelnestern. Tatsächlich waren sie für die Oppossumjagd geschlagen worden. Der Abstand der in gerader Linie nach oben verlaufenden Kerben schien Tasmans Befürchtungen zu bestätigen. Die Distanz zwischen den Kerben betrug circa eineinhalb Meter woraus er schloß „that either these people are of prodigius size, or that they have some way of climbing trees that we are not used to“ (Bonwick 1870b : 2; vgl. Ryan 1981 : 47). Obwohl letzteres zutraf, ging Tasman von einer riesenhaften Bevölkerung aus und gab somit den in Europa bestehenden Gerüchten neue Nahrung. Nach dieser Beobachtung näherte er sich nur noch einmal vorsichtig dem Ufer, ließ einen seiner Leute an Land schwimmen, der dort die holländische Flagge hißte, und verließ die Insel mit dem Hinweis, daß eine plötzliche Wetteränderung eine weitere Landung unmöglich mache (Larson 1982 : 168).

Für die folgenden 130 Jahre sind keine weiteren Landungen in Tasmanien belegt. Über 200 Jahre trug die Insel den Namen ‘Van Diemen’s Land’ und wurde erst 1853 in Tasmanien umbenannt.

Demnach war der Franzose Captain Nicholas Marion du Fresne, der Leiter der zweiten europäischen Expedition der Erste, der Kontakt zu den tasmanischen Aborigines hatte. Er legte unweit Tasmans Landeplatz an der Ostküste der Insel an, um ebenfalls frische Holz- und Wasservorräte aufzunehmen. Du Fresne hatte den Auftrag, mit seinen Schiffen ‘Le Mascarin’ und ‘Le Marquis de Castries’ neue Handelsrouten ausfindig zu machen und eine kürzere Route nach China zu suchen. Auch Du Fresne und seine Begleiter Crozet und St. Allouarn waren in erster Linie Seefahrer und verfügten über keinerlei wissenschaftliche Kenntnisse. Ihr Weltbild aber war geprägt von der bahnbrechenden Arbeit Rousseaus, weshalb Fresne im Gegensatz zu Tasman keine Monster, sondern edle Wilde (noble savages) anzutreffen erwartete: Nackte, glückliche Menschen in ihrem Urzustand, eingebettet in einen Garten Eden (Robson 1983 : 6; Bonwick 1870b : 2). Konsequenterweise waren die Europäer beim Erstkontakt ebenfalls unbekleidet (Ryan 1981 : 50), um Barrieren abzubauen und eventuelles Mißtrauen bereits im Keim zu ersticken. Am Morgen des 07. März 1772 näherten sie sich mit zwei Booten der Küste von North Bay. Eine dreißigköpfige Gruppe Aborigines lief ihnen am Strand entgegen. Deren Frauen und Kinder suchten jedoch Zuflucht in den angrenzenden Wäldern. Einer der Männer löste sich von der Gruppe und kam auf sie zu, blieb dann im Wasser stehen und machte den Franzosen Zeichen näherzukommen. Zwei Besatzungsmitglieder schwammen auf Du Fresne’s Zeichen nackt zum Strand. Dort angekommen wurde ihnen von einem älteren Aboriginal eine Fackel überreicht. Diese Geste werteten die zwei Franzosen als Zeichen des Friedens und quittierten sie, indem sie dem Mann einen Spiegel aushändigten. Dieser wurde reihum gereicht und löste, ebenso wie die Hautfarbe der Neuankömmlinge großes Erstaunen aus. Nach einer eingehenden Untersuchung der beiden Seeleute legten die Einheimischen die Speere beiseite und begannen vor ihnen zu tanzen. Zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Kontaktes legten die Europäer mit zwei Booten an und bekamen ebenfalls Fackeln überreicht. Im Gegenzug übergaben sie einige Stoffreste und Messer. Die harmonische Stimmung schlug um in helle Aufregung, als sich ein drittes Boot der Franzosen dem Ufer näherte. Aufs Äußerste erregt versuchten die Einheimischen, diese Landung mit Gesten und Rufen zu verhindern. Du Fresne gab der Mannschaft des Bootes Signal zum Umkehren. Das Boot wurde jedoch von der Brandung ans Ufer getragen. Daraufhin ging ein Hagel von Speeren und Steinen auf die Franzosen nieder. Du Fresne und einige seiner Männer wurden von den Steinen verletzt und eröffneten das Feuer. Ein Aborigine kam dabei ums Leben und mehrere wurden verletzt. Der Rest ergriff panisch schreiend die Flucht. Die Franzosen verließen die Insel und segelten weiter nach Neuseeland. Der Kontakt mit den Maori auf Neuseeland kostete Marion du Fresne das Leben. Er und einige Mitglieder der Mannschaft wurden von den Maori in einen Hinterhalt gelockt, getötet und angeblich ‘verspeist’ (Robson 1983 : 6). Als der bedeutendste Chronist dieser Expedition, Crozet, nach seiner Heimkehr Rousseau diese Ereignisse schilderte, entgegnete dieser zutiefst bestürzt: „Is it possible that the good Children of Nature can really be so wicked“ (nach Ryan 1981 : 50).

Ein Jahr darauf war Captain James Cook in den Gewässern südlich von Tasmanien unterwegs. Nachdem er dort auf der Suche nach Land gekreuzt war, wollte er Tasmanien anlaufen. Dieser Plan wurde durch die Wetterverhältnisse vereitelt und er segelte weiter nach Neuseeland. Den Kontakt zu seinem Begleitschiff ‘Adventure’ unter dem Kommando von Tobias Furneaux hatte er jedoch aufgrund dichten Nebels verloren. Furneaux warf am verabredeten Treffpunkt vor Tasmanien Anker und unternahm mehrere Landexpeditionen. Bei seinem fünftägigen Aufenthalt in der nach seinem Schiff benannten Adventure Bay östlich von Bruni Island kam es zu keinem Kontakt mit der tasmanischen Bevölkerung. Anhand seiner Beobachtungen schloß er, daß sie weder feste Siedlungen noch Boote kannten und bezeichnete sie als elende, ignorante Rasse, die völlig außerstande sei, die Privilegien des guten Klimas und der üppigen, fruchtbaren Landschaft zu nutzen (Völger 1971 : 24; Robson 1983 : 27).

Nach dem Ausbleiben von Cook machte sich Furneaux auf den Weg nach Neuseeland, wo dieser dann ebenfalls eintraf. Cook sollte erst auf seiner dritten Reise Tasmanien zu Gesicht bekommen. Er landete am 26. Januar 1777 ebenfalls in der Adventure Bay und blieb vier Tage. Cook, der bereits seit langem von Tasmanien fasziniert war, äußerte als Erster den Verdacht, Tasmanien könnte eine Insel sein. Bisher war man der Auffassung, daß Tasmanien den südlichsten Ausläufer Australiens bilde. Dieser Gedanke beschäftigte ihn bereits 1773 auf seiner zweiten Reise . Aus Zeitgründen war er gezwungen, diese Frage auf sich beruhen zu lassen. Denn sein eigentlicher Auftrag lautete, eine geeignete Seeroute zwischen Pazifik und Atlantik zu suchen. Cooks Entdeckerdrang erschöpfte sich glücklicherweise nicht in geographischen Fragestellungen. Er war ebenfalls von Rousseaus Thesen fasziniert und auf der Suche nach ‘Wilden’ in ihrem vermeintlichen Urzustand. So war er beeindruckt von der Kultur der australischen Aborigines: „Nach dem, was ich über die Eingeborenen von Neuholland gesagt habe, könnten sie Einigen als das armseligste Volk auf der Welt erscheinen, doch in Wirklichkeit sind sie viel glücklicher als wir Europäer; ohne jede Kenntnis nicht nur der überflüssigen, sondern auch der notwendigen Bequemlichkeiten, die man in Europa so sehr sucht, sind sie eben darin glücklich, nicht zu wissen, wozu diese dienen. Sie leben in einer Ruhe, die nicht durch soziale Ungleichheit der Lebensbedingungen gestört wird“ (Heintze 1987 : 70). Diese ihm eigene Mischung aus Neugier und Toleranz führte dazu, daß sein Aufenthalt des öfteren als der erste von ethnologischem Wert bezeichnet wird (Ryan 1981 : 51). Cook kam von dieser dritten Reise nicht nach Europa zurück. Er wurde 1779 auf Hawaii getötet. Um so einflußreicher waren die Aussagen von Cook’s Offizier William Anderson, der das Bild der tasmanischen Aborigines in England entscheidend beeinflußte.

Während Cooks Aufzeichnungen viele wertvolle Details über Aussehen, Schmuck, Frisur und Verhaltensweisen lieferten, war Anderson voller Abscheu gegenüber der angetroffenen Bevölkerung: Es war ihre Schamlosigkeit, die ihn überforderte. Bereits die Franzosen amüsierten sich über die Angewohnheit der Aborigines, in aller Öffentlichkeit mit dem Penis zu spielen. Ebenso kam es vor, daß sie im Stehen, ohne im geringsten ihre Stellung zu verändern - teilweise sogar während einer Unterhaltung - Wasser abschlugen, so daß der Urin ihre Beine hinunter lief. Dazu kam, daß beiderlei Geschlechter in der Regel völlig nackt waren (Robson 1983 : 27). Anderson und die meisten seiner Landsleute waren darüber derart entsetzt, daß sich in England Unmut und Abscheu gegenüber den Aborigines breitzumachen begann. In dieser intoleranten Haltung unterschieden sich die englischen Entdecker generell von den französischen. Das ist einer der Gründe, warum die wertvollsten ethnographischen Daten dieser Epoche auf die Franzosen zurückgehen. Ihre Motivation war auch weitaus weniger von Besitzansprüchen , strategischen Überlegungen, Handels- und Wirtschaftsinteressen geprägt als die der Briten. Die Franzosen standen unter dem Einfluß Rousseaus, Lafiteaus und anderen und waren geprägt von ihrer Revolution. Cooks Beschreibungen seiner Kontakte zu den Einheimischen müssen, obwohl reich an Details, wegen der Kürze seines Aufenthaltes viele Fragen offen lassen.


1775 bis 1783 kämpfte England im Nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Am 04. Juli 1776 erklärten die dreizehn vereinigten amerikanischen Staaten ihre Unabhängigkeit von England und 1783 mußte diese Unabhängigkeit von den Engländern anerkannt werden (Friede von Versailles). Dies war die bedeutendste Niederlage der Kolonialmacht England. Aufgrund dieser Niederlage verstärkte England seine imperialistischen Bestrebungen noch weiter.

Im Mai 1787 brach Gouverneur Arthur Phillip mit elf bewaffneten Schiffen von England aus in Richtung Australien auf. Sein Ziel war die Botany Bay an der Ostküste Australiens, die von dem deutschen Geographen und Naturforscher Johann Reinhold Forster und seinem Sohn Georg Forster als Land Eden beschrieben wurde . Nach siebenmonatiger Überfahrt ging die Flotte vor Botany Bay vor Anker. Bei näherer Erkundung stellte sich die Bucht als völlig ungeeignet zur Besiedlung heraus. Sie segelten weiter, entdeckten den Naturhafen des heutigen Sydney und gründeten 1788 die erste australische Siedlung Port Jackson. Bis Ende des 18. Jahrhunderts blieb dies die einzige größere Ansiedlung in Australien. Erst 1803 folgte eine zweite auf Tasmanien. Port Jacksons Bevölkerung bestand aus den insgesamt 1.500 Passagieren, die Gouverneur Arthur Phillip begleiteten. Dies waren Staatsbeamte, Soldaten und 757 deportierte Strafgefangene, darunter 192 Frauen und 18 Kinder (Przemyslaw 1990 : 95). Den europäischen Geschichtsschreibern zufolge gaben die ersten Siedler Geschenke im Tausch gegen das Land. Dennoch mußte die Siedlung, die bis 1816 ausschließlich aus Holzhäusern bestand, mit starken Palisaden umgeben und bis 1840 ständig militärisch bewacht werden. Immer wieder kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit australischen Aborigines.

Die Gründung der Siedlung Port Jackson in Ostaustralien ist für die Entdeckungsgeschichte (vgl. Appendix A) Tasmaniens von zentraler Bedeutung. Da man immer noch überzeugt war, daß Tasmanien eine Halbinsel des australischen Kontinents sei, nahmen alle von Europa kommenden Schiffe auf dem Weg nach Port Jackson zunächst Kurs auf die Südspitze Tasmaniens und gingen häufig an der tasmanischen Ostküste kurz vor Anker. Ab diesem Zeitpunkt war der Anblick von Europäern für die Ostküstenbevölkerung Tasmaniens keine Seltenheit mehr.

Der nächste nachgewiesene Kontakt fand im August 1788 statt. Der Engländer William Bligh ging mit der ‘Bounty’ in der Adventure Bay vor Anker. Er war auf dem Weg von Tahiti zu den Westindischen Inseln und hatte Setzlinge des Brotfruchtbaumes geladen. Bligh wußte, was ihn erwartete, denn er war bereits elf Jahre zuvor als Navigator auf Cooks dritter Reise hier gewesen. Tasmanien lag für die Engländer strategisch so günstig, daß Blighs Besatzung in der Adventure Bay nahe einer Quelle eine Reihe von Obstbäumen pflanzte, um nachfolgenden Reisenden die Proviantaufnahme zu erleichtern. Die Kontakte mit der Bevölkerung von Bruni Island verliefen friedlich: Als sie die Landungsboote entdeckten, reckten sie die Arme über den Kopf und verfielen Bligh zufolge in ein aufgeregtes ‘Geschnatter’, das ihn an Gänse erinnerte. Alle dargereichten Geschenke legten sie sich nach kurzer Prüfung auf den Kopf (Gould 1980 : 9; Turnbull 1963 : 35). Die Bandbreite des Umgangs mit Geschenken der europäischen Entdecker reichte von völliger Ablehnung bis zur totalen Verzückung. Wobei die Engländer eine Ablehnung meist als persönliche Beleidigung empfanden; die Franzosen wiederum sahen diese ablehnende Haltung mit Wohlwollen (Robson 1983 : 26f), da sie ihr Bild der Vollkommenheit des paradiesischen Urzustandes bestätigt sahen. Möglicherweise handelt es sich bei Bligh’s Kontakt um die selben Familien, die bereits Cook elf Jahre zuvor aufsuchte (vgl. Völger 1971 : 26). Sein kurzer Bericht enthält jedenfalls keine wichtigen Neuerungen. Erst kurze Zeit später wurde entdeckt, daß die Adventure Bay (Abb. 8) nicht an der Küste Tasmaniens - sondern an einer ihr vorgelagerten bewohnten Insel lag. Bligh’s eigentliche Mission, der Transport der Brotfruchtbäume zu den Westindischen Inseln, schlug wegen der berühmt gewordenen Meuterei auf der ‘Bounty’ fehl. Dennoch wurde er vier Jahre später noch einmal mit dem gleichen Auftrag betraut, und ankerte auch diesmal am 08. Februar 1792 in der Adventure Bay vor Bruni Island. Nur eine einzige seiner Pflanzen, ein Apfelbaum, hatte überlebt. Bei diesem zweiwöchigen Aufenthalt (seinem dritten und letzten) machte er eine Vielzahl interessanter Beobachtungen und spekulierte bereits über ethnologische Problemstellungen, die bis heute nicht zufriedenstellend geklärt werden konnten (vgl. Völger 1971 : 26).

Zwischen Bligh’s Besuchen machte sich Captain John Henry Cox auf den Weg nach Tasmanien (Robson 1983 : 8). Er lief am 28. Februar 1789 in England aus und traf bereits am 03. Juli an der Südwestspitze Tasmaniens ein. Cox läutete die in ethnologischer Hinsicht so bedeutende Epoche der Robben- und Walfänger ein, indem er England Kunde brachte von der reichhaltigen Meeressäugerfauna in diesem Teil der Erde. Daß er damit zu einem der Vorboten des Niedergangs der tasmanischen Kultur wurde, war ihm vermutlich nicht bewußt, denn er pflegte freundschaftlichen Umgang zur Inselbevölkerung. Während seines Aufenthalts auf Maria Island, wo eine kurze Begegnung mit den tasmanischen Aborigines stattfand, gab er der Oyster Bay ihren Namen. Er beschrieb sie als glücklich, harmlos und völlig unkultiviert. Obwohl eher befangen, fanden sie großen Spaß daran, die Bewegung und Mimik der Europäer nachzuahmen. Ethnographisch bedeutsamer als das Treffen selbst, bei dem wieder ausgetauschte Geschenke abgelehnt wurden, waren seine Beobachtungen in den Tagen vor dem kurzen Kontakt. Wie schon so oft in dieser Ära der Entdecker fand er mehrere Lagerplätze, die kurz zuvor fluchtartig verlassen worden waren. Deren Inventar unterzog er genaueren Untersuchungen.

Bligh hatte gerade seinen dritten Aufenthalt auf Van Diemen’s Land beziehungsweise Bruni Island beendet, als wieder Schiffe vor der Küste Tasmaniens auftauchten. Es waren Franzosen, die mit dieser Expedition einen Meilenstein in der Entdeckungsgeschichte Tasmaniens setzten. Erstmals wurde die Insel von hochkarätigen Wissenschaftlern betreten und erforscht. Sie waren von Frankreich ausgesandt, um nach Lebenszeichen einer früheren französischen Expedition zu suchen: 1785 war Jean Francois Galoup de la Pérouse mit zwei Forschungsschiffen entsandt worden und nie zurückgekehrt. Bruny d’Entrecasteaux hatte den Auftrag, den Verbleib dieser beiden verschollenen Schiffe zu klären und die Südsee nebst ihren Ressourcen zu erkunden. Er ging am 21. April 1792 vor der Küste Tasmaniens vor Anker (Robson 1983 : 8; Ryan 1981 : 53). An Bord befanden sich Wissenschaftler aller Couleur: Naturforscher, Botaniker, Zeichner, Kartographen, Ärzte und Astronomen, darunter einige der meisttalentiertesten Forscher, die Frankreich damals zu bieten hatte (Ryan 1981 : 53). Der Leiter der Expedition d’Entrecasteaux kehrte nicht mehr nach Frankreich zurück. Er starb auf dieser Reise an Skorbut. Neben Captain Huon de Kermadec machten vor allem zwei Besatzungsmitglieder von sich reden: E.P.E Rossel, der erste Offizier der ‘Recherche’, der 1808 in Paris über diese Expedition publizierte. Seinem Bericht liegt unter anderem das Tagebuch von d’Entrecasteaux zugrunde. Der ergiebigste Reisebericht stammt aus der Feder des 34-jährigen Naturforschers Jaques-Julien Houton de Labillardière, der auch detaillierte Beschreibungen der Lebensweise der Insulaner beinhaltet . D’Entrecasteaux ließ auf dieser Reise zweimal die Südostküste Tasmaniens anlaufen. Die erste Untersuchung dauerte vom 21. April bis Ende Mai 1792. Im Januar 1793 kehrten sie zurück und blieben bis Februar. Insgesamt dauerte ihr Aufenthalt in Tasmanien circa zehn Wochen (Plomley 1966c : 3). In dieser Zeit kam es zu zahlreichen, harmonisch verlaufenden Begegnungen mit der einheimischen Bevölkerung. Die Franzosen näherten sich der tasmanischen Bevölkerung sehr gefühlvoll. Sie ließen sich geduldig von Kopf bis Fuß mustern und sich von den Frauen die Gesichter schwärzen. Sie aßen, sangen und lachten zusammen, spielten mit den Kindern und es kam zu vielen, wechselseitigen Einladungen. Es fanden freundschaftliche Ringkämpfe am Strand statt; abends wurden die Franzosen zu ihren Booten geleitet und am Morgen wieder enthusiastisch begrüßt (Broome 1982 : 23; Ryan 1981 : 54; Robson 1983 : 26). Darüber hinaus machten sie noch eine Reihe geographischer Entdeckungen. D’Entrecasteaux erkannte als Erster, daß Bruni Island, der bevorzugte Landeplatz der Engländer, eine Insel ist. Die trennende Wasserstraße wurde nach ihm benannt. Er entdeckte die Mündungen der Flüsse Huon und Derwent. Er segelte den Derwent hinauf und kartierte die Norfolk Bay.

Zwischen den beiden Besuchen von d’Entrecasteaux sind keine weiteren Landungen durch Europäer belegt. Aber zwei Monate nach Beendigung seiner zweiten Landerkundung traf der junge, ehrgeizige Engländer John Hayes auf der Insel ein. Sein Aufenthalt im d’Entrecasteaux-Channel dauerte vom 26. April bis zum 09. Juni 1794 (Plomley 1993 : 18). Hayes erkundete in dieser Zeit die Gegend gründlich; unwissend, daß ihm die Franzosen bereits zuvor gekommen waren. Es ist völlig unklar, warum sich Hayes so lange in Tasmanien aufhielt, denn er war eigentlich auf dem Weg nach Neuguinea. Nur durch Zufall nahm er witterungsbedingt den Umweg um den Sahulschelf. Sein Tagebuch, das über die genaueren Umstände seines Aufenthaltes Aufschluß geben könnte, ging leider verloren. Das Schiff, mit dem er es Richtung England sandte, wurde von den Franzosen gekapert (Völger 1972 : 29).

Zu diesem Zeitpunkt war man immer noch der Meinung, Van Diemen’s Land (Tasmanien) sei der Südausläufer Neuhollands (Australiens). Obwohl sich seit Cooks Verdacht die Hinweise und Gerüchte häuften, wurde erst im Oktober 1798 eine Expedition ausgerüstet, um diese Frage endgültig zu klären. George Bass und Matthew Flinders wurden beauftragt, Tasmanien wenn möglich zu umsegeln, um somit den Beweis zu erbringen, daß es eine Insel sei. Es war möglich und somit wurde die für die Entdeckungsgeschichte Tasmaniens so bedeutsame Route um die tasmanische Südküste als Umweg erkannt. Bass und Flinders benötigten für die Umsegelung (07. Oktober 1798 bis 12. Juni 1799) fast ein dreiviertel Jahr (Robson 1983 : 9). Dabei entdeckten und kartierten sie nicht nur die bis dahin unbekannte Nordküste, sondern auch Teile der wenig bekannten Westküste (Abb. 9). Sie kartierten die Furneaux Inseln und andere Inseln der Bass-Straße. Aus deren Unberührtheit schlossen sie zurecht, daß die Bewohner von Van Diemen’s Land der Seefahrt im offenen Meer unkundig waren. Mit der Bevölkerung entstanden lediglich kurze und oberflächliche Kontakte, die nur dürftig beschrieben wurden. Diese Kontakte fanden ebenfalls an der Südostküste Tasmaniens statt, die Flinders bereits als Besatzungsmitglied auf Bligh’s zweiter Reise kennengelernt hatte (Völger 1971 : 30). Flinders war von ihrem offenen, freundlichen Wesen beeindruckt und stellte die Ähnlichkeit zur Bevölkerung von Neusüdwales fest (Ryan 1981 : 57f). Flinders war auch der Erste, der später Neuholland umsegelte und den Namen ‘Australia’ vorschlug (Przemyslaw 1990 : 7, 98). King Island, das Flinders übersehen hatte, wurde noch im gleichen Jahr von Reed kartiert. Macquarie Harbour und Port Davey an der Westküste wurden erst 1815 von Kelly und Birch entdeckt, die ebenfalls die Insel umschifften (Bryden 1965 : 38).

Zehn Jahre nach dem Besuch von Labillardière - kurz bevor Tasmanien von England beziehungsweise Australien aus kolonialisiert wurde - traf eine zweite französische wissenschaftliche Expedition unter der Leitung von Nicolas Baudin auf der Insel ein. Deren zweiundzwanzigköpfige wissenschaftliche Crew mit einem Durchschnittsalter von siebenundzwanzig Jahren setzte sich zusammen aus drei Botanikern, fünf Zoologen und jeweils zwei Gärtnern, Mineralogen, Astronomen, Kartographen und Künstlern (Plomley 1966c : 3). Letztere, Petit und Lesuer, fertigten eine Vielzahl von Portraits, aber auch eine Reihe von Zeichnungen, die Alltagsszenen, Grabstätten, Gegenstände des täglichen Gebrauchs und Waffen darstellten. Vor allem die Arbeiten von Petit werden meist gelobt. Seine Portraits waren zwar noch stark von Zeitgeist und Ästhetikempfinden der damaligen Epoche geprägt, stellten aber dennoch alle bisherigen Darstellungen in den Schatten (Abb. 44).

Die Ergebnisse dieser Reise wurden verfaßt und editiert von einem Mitglied der Crew, dem Naturforscher, Anthropologen und Mediziner (Triebel 1947 : 64) François Péron. Nach Pérons Tod wurde die Arbeit von Louis Freycinet fertiggestellt. Diese Arbeit stellt die beste ethnographische Quelle dar, die wir aus ‘voreuropäischer’ Zeit von den Einwohnern Tasmaniens besitzen . Am 14. Januar 1802 erreichte Commander Baudin tasmanische Gewässer. Auch diese Expedition hielt sich im Osten Tasmaniens auf. Sie erkundete unter anderem den Huon River, die Oyster Bay und die östlich vorgelagerte Insel Maria Island. Sie blieben insgesamt 43 Tage . Ähnlich wir vorher bei d’Entrecasteaux kam es zu zahlreichen herzlichen Begegnungen in denen sich vor allem Péron als wichtiger Beobachter hervortat. James Bonwick beschreibt ihn als „agreeable sentimentalist, who had deeply drunk of the romantic school of Rousseau“ (Bonwick 1870a : 92). An der Mündung des Huon Rivers trafen sie einen circa dreiundzwanzig Jahre alten Aboriginal. Wie bereits bei früheren Begegnungen war auch dieser am meisten erstaunt über die Hautfarbe der Besucher. Furchtlos ging er zu ihnen und öffnete die Jacken und Hemden der Franzosen; zweifellos um sich zu vergewissern, ob die Farbe am Körper die gleiche wie im Gesicht sei. Nachdem er diese Leibesvisitation beendet hatte, begann er in heller Aufregung zu schreien und schnell mit den Füßen zu stampfen. Einer jungen Frau überreichten sie ein Beil, ein Taschentuch und eine rote Feder. „Sie schrie, sie lachte, sie schien berauscht vor Glück und als wir uns vom Ufer abstießen, war ihr Schmerz ergreifend“ (Péron nach Turnbull 1963 : 38f). Am 22. Februar trafen sie auf eine Gruppe von vierzehn Männern und wurden sofort freundlich eingeladen (Ryan 1981 : 63). Sie aßen zusammen und die Franzosen sangen ihnen die Marseillaise vor, was große Heiterkeit auslöste (Péron 1809 : 173ff). Péron überprüfte ihre Körperkraft anhand eines Trainingsgerätes (Regnier Dynameter) und stellte entgegen seinen Erwartungen fest, daß sie weitaus weniger Kraft hatten als er oder einer seiner Offiziere, worüber die Aborigines zum Teil sehr verärgert waren (Péron 1809 : 222, 313f).

Aber nicht alle der Treffen verliefen so harmonisch und friedlich. Bei einem Ausflug nach Bruni Island schlug nach einer freundlichen Begegnung die Stimmung aus ungeklärter Ursache um und beim Besteigen der Boote wurde ein Matrose durch einen Speer an der Schulter verletzt (Péron 1808 : 192; Völger 1971 : 32). Auch bei einer anderen Gelegenheit wurden sie mit Steinen beworfen und traten den Rückzug an (Péron 1808 : 197; Völger 1971 : 32). Aggressionen weckte bei der vierten Begegnung der Maler Petit. Er hatte bereits einige Zeichnungen angefertigt, was jedoch mit einem Mal nicht weiter geduldet wurde. Nur mit Mühe konnte er einem Keulenschlag entgehen. Zunächst konnten die Franzosen die Situation entschärfen, aber als sie in die Boote stiegen, ging wieder ein Steinhagel auf sie nieder. Auf Maria Island kam es ebenfalls nach anfänglicher Harmonie zu Auseinandersetzungen, die die Franzosen zum Rückzug veranlaßten. Es ist den Leitern dieser Expedition hoch anzurechnen, daß sie bei diesen Vorfällen auf den Gebrauch von Schußwaffen verzichteten. Péron war derartig beeindruckt von den tasmanischen Aborigines, daß er keiner Mühe oder Gefahr aus dem Wege ging und unermüdlich neue Begegnungen herbeiführte. Aufgrund seines Interesses wurden uns viele Details der Kultur überliefert. Nebst Angaben über Aussehen, Schmuck, Eßgewohnheiten, soziale Organisation und Beschreibung der Siedlungen einschließlich des Inventars war seine Entdeckung der Grabstätten der Aborigines von besonderer Bedeutung. Seine Beobachtungsgabe war bemerkenswert und seine Angaben zeichnen sich aus durch Genauigkeit, Einfühlungsvermögen und Glaubwürdigkeit. Jedoch war seine Behauptung, die Bewohner Tasmaniens seien die unzivilisiertesten der ganzen Welt, Wasser auf die Mühlen des gerade aufkeimenden Sozialdarwinismus, deren Vertreter sich bald auf die Suche nach dem Bindeglied zwischen Mensch und Affe begaben (Ryan 1981 : 63). Nach dieser Expedition erholte sich die Crew fünf Monate lang in Sydney. Während dieses Aufenthaltes kam dem damaligen Gouverneur King ein folgenschweres Gerücht zu Ohren: Demnach hätte einer der französischen Offiziere verlauten lassen, es sei die Absicht Frankreichs, in Tasmanien eine Kolonie zu gründen. Die Tatsache, daß Tasmanien kein Teil Neuhollands war verlieh der Insel damals den Status eines Niemandslandes. King war entschlossen, den Franzosen zuvorzukommen. In einer überstürzten Aktion schickte er einen Abgesandten, Leutnant Robbins, der die Insel offiziell in den Besitz der englischen Krone bringen sollte. Sein Auftrag lautete, die Franzosen, die sich bereits auf der Heimreise befanden einzuholen und ihnen unmißverständlich klar zu machen, daß Tasmanien bereits annektiert sei. „Zum großen Vergnügen der Franzosen entledigte sich Robbins seiner Aufgabe auf eine etwas lächerliche Weise: kaum war der kleine Schoner vor der King Insel vor Anker gegangen, landete er mit einer kleinen Gruppe seiner Leute, die sich eilenden Schrittes zu den Zelten der Franzosen begaben. Dort hißten sie die englische Flagge, feuerten einige Salven ab, schrien dreimal Hurra und erklärten die Insel zum Besitz ihres Königs“ (Völger 1971 : 34). Baudin, der Leiter der französischen Expedition verurteilte diese Maßnahme des Gouverneurs. In Sydney hatte er die Folgen der Kolonisation für die Aborigines hautnah miterlebt. In einem Brief an King schrieb er: „It would be infinetely more glorious to mould for society the inhabitants of the various countries over which we have rights, instead of wishing to dispossess those who are so far removed by immediatly seizing the soil which they own and which has given them birth“ (Ryan 1981 : 64). King zeigte sich wenig beeindruckt von der liberalen Haltung des Franzosen und um jegliches Risiko zu vermeiden, gründete er kurz darauf, ausgehend von Sydney, die erste Siedlung auf tasmanischem Boden. Zu diesem Zeitpunkt war von Van Diemen’s Land nicht viel mehr als seine groben Umrisse bekannt. Die Erkundungsexpeditionen wurde auch von französischer Seite fortgesetzt (Plomley 1966c : 4; Marchant 1969 : 3). Selbst noch in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts waren weite Landstriche Tasmaniens nur unzulänglich kartiert (Bryden 1960 : 39).


Die Aufzeichnungen der Forschungsreisenden dieser Epoche sind von besonderer Bedeutung, da sie die tasmanische Kultur in ihrer unverfälschten Form beschreiben. Dennoch gilt es zu berücksichtigen, daß zur damaligen Zeit Völkerkunde als Wissenschaft noch nicht etabliert war. Viele Beobachtungen wurden fehlinterpretiert.

Die Auswirkungen dieser Forschungsreisen erscheinen im Vergleich zur Kolonialgeschichte nahezu bedeutungslos. Und dennoch hatte bereits die Epoche der Entdeckungsreisen in der tasmanischen Kultur ihre Spuren hinterlassen. Der ethnologischen Forschung bleibt das Ausmaß und die Art dieser Spuren - in Tasmanien ebenso wie in anderen Regionen der Welt - größtenteils verschlossen. Diese fast zwangsläufige Lücke des vorkolonialen Kulturwandels kann zu Fehleinschätzungen führen. Es ist leicht vorstellbar, daß diese Epoche vor allem im Osten der Insel (Mulvaney u. White 1987 : 314) nicht ohne Folgen blieb. Über die Art der Folgen können wir indes nur spekulieren.

Spätere diesbezüglichen Entwicklungen der Kolonialzeit lassen vermuten, daß bereits von den Reisenden Krankheiten mit epidemischer Wirkung eingeschleppt wurden (vgl: Plomley 1966c : 3), die einerseits zu Todesfällen, andererseits auch zur partiellen Immunität der Bewohner gegenüber späteren Ansteckungen hätten führen können, wie man sie zum Beispiel bei den Trepangfischern Nordaustraliens beobachten konnte (Przemyslaw 1990 : 98). Ein anderer Aspekt, dessen Auswirkung man nur erahnen kann, sind die unzähligen Geschenke, die die Seefahrer unter der ‘voreuropäischen’ Bevölkerung verteilten. Ebenso unklar bleiben die Motive der Reaktionen über solche Gastgeschenke, die von totaler Verzückung über (gespielte ?) Gleichgültigkeit bis hin zu offener Aggression reichten. Der Hochmut der Besitzenden und der Neid der Leerausgegangenen haben möglicherweise zu sozialen Spannungen geführt. Speziell bei den Geschenken in Form von Kleidungsstücken kann ein Zusammenhang zu auftretenden Krankheiten nicht ausgeschlossen werden.

Sowohl die Matrosen als auch die seit Cox auftretenden Robbenfänger hatten bereits sexuelle Kontakte (Robson 1983 : 27, 29; Turnbull 1963 : 35) zu den Aborigines, die häufig nicht ohne Konsequenzen blieben. Mit Sicherheit führte diese bereits in vorkolonialer Zeit eingetretene Hybridisation der tasmanischen Bevölkerung zu gesellschaftlichen Konflikten.

Daß für derartige Besuche im Weltbild der ‘Tasmanier’ kein Platz war, und sie deshalb gezwungen waren, es entsprechend zu modifizieren, scheint mir hierbei der wichtigste Aspekt zu sein. Macht man sich über die Auswirkungen dieser Epoche Gedanken, ist man gezwungen sich auf Mutmaßungen einzulasssen. Dennoch bin ich der Ansicht, ein möglichst objektives Bild der folgenden Entwicklungen einschließlich der Handlungsmotive der tasmanischen Aborigines kann ohne eine solche Auseinandersetzung, mit zugegeben spekulativem Charakter, nur bedingt nachvollzogen werden. Ebenso müssen wir uns im klaren sein, daß es aufgrund der Sozialstruktur der Aborigines in Verbindung mit der begrenzten Ausdehnung ihres Lebensraumes spätestens seit d’Entrecasteaux’ Besuch abwegig ist, von einer ‘voreuropäischen’ Bevölkerung zu sprechen. Meines Erachtens muß davon ausgegangen werden, daß sowohl jede Landung von den Einheimischen ebenso registriert wurde, wie die vorbeiziehenden Schiffe, die sich zum Teil auch inoffiziell und von der Geschichtsschreibung übergangen in diesen Gewässern aufhielten. Auch muß man annehmen, daß sie sich wechselseitig, möglicherweise über große Entfernungen hinweg, über derartig exotische Begegnungen informierten und den Versuch unternahmen, diese zu interpretieren. Selbst ein harmonisch verlaufendes Treffen mußte bei ihnen starke Verunsicherung auslösen. Darüber hinaus ist zu Vermuten, daß die Aborigines von der Technologie der Europäer - entgegen der Behauptungen der Anhänger Rousseaus - ebenso beeindruckt wie eingeschüchtert waren.

Alle diese äußeren Einwirkungen der Entdeckerepoche waren jedoch nur eine zarte Vorahnung dessen, was ihnen während der Kolonialzeit noch bevorstand.


Kolonialgeschichte

Um jeglichen anderweitigen Besitzansprüchen zuvorzukommen, gründeten die Engländer im September 1803 ihre erste Siedlung auf Tasmanien, der im Laufe eines Jahres noch zwei weitere folgen sollten.

Chronologisch überlappend fand neben der Kolonialisierung eine weitere Entwicklung statt, deren Anfänge in die neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts zurückreichen (Robson 1983 : 230). Diese Entwicklung - die Etablierung des Robbenfangs und die Jagd nach anderen Meeressäugern in der Bass-Straße und der Westküste Tasmaniens - hatte bereits in vorkolonialer Zeit die Einstellung der Insulaner gegenüber den Europäern stark getrübt. Anfänglich wurden die Robbenfänger nur saisonal auf den Inseln abgesetzt und am Ende der Fangzeit wieder abgeholt. Nachdem die Nachfrage nach Tran, Fleisch, Haut und Haaren der Meeressäuger angestiegen war, etablierten sich zunehmend feste, ganzjährig bewirtschaftete Fangstationen. Der Handel blühte, und die Jagd nach Meeressäugern aller Art wurde zum expandierenden Wirtschaftsfaktor. Im Zuge dieser Entwicklung steigerte sich das Interesse der Robbenfänger an tasmanischen Frauen. Anfänglich brachten sie die Frauen am Ende der Saison wieder aufs Festland zurück und begnügten sich mit jeweils einer Aboriginal. Nachdem man jedoch die Effizienz ihrer Arbeitskraft sowohl bei der Robbenjagd, als auch bei der täglichen Nahrungsbeschaffung -inklusive der traditionell deren Männern vorbehalteten Känguruhjagd- erkannt hatte, nahmen die Entführungen ein verheerendes Ausmaß an. Zunehmend wurden die Frauen unter Zuhilfenahme von Gewalt verschleppt und auf die für die Aborigines unerreichbaren Inseln deportiert. Die Tragödien, die sich dort abspielten, sind uns aus der Anfangszeit gar nicht und mit beginnender Kolonialzeit nur rudimentär überliefert. Zu Beginn der Robbenfängerepoche hatte man Aboriginefrauen im Tauschhandel erworben. In der Regel waren diese nicht, wie teilweise behauptet wird (vgl. Ryan 1981 : 67) Frauen der eigenen Lokalgruppe, sondern solche, die sie ihrerseits von den Nachbargruppen geraubt hatten (Gerland 1872 : 813). Nach den ersten gewaltsamen Entführungen war der Weg des friedlichen Tauschhandels versperrt. Die Robbenfänger überfielen die Bewohner der Nord- und Ostküsten, töteten die Männer und verschleppten deren Frauen. So fand ein früher Siedler an der Nordküste noch Jahre später viele Skelette ( Robinson 1966 : 202f, 412; Robson 1983 : 210) - stumme Zeugen derartiger Übergriffe. An der Ostküste, die zum betreffenden Zeitpunkt von der Kolonisation noch weitgehend unberührt war, wurde eine Gruppe von achtzig bis neunzig Aborigines angetroffen, darunter waren nur zwei Frauen ( Campbell 1987 :43; Ryan 1981 : 71). Bereits in ‘vorkolonialer’ Zeit war somit der Grundstock gelegt, für das was später als ‘Black War’ (Schwarzer Krieg) in die Geschichte Tasmaniens einging (vgl. Plomley 1993 : 24).


Die erste Besiedlung (‘Risdon Cove’) wurde ausgehend von Sydney unter der Leitung von Lieutnant John Bowen in die Tat umgesetzt. Bowen, der zuvor noch nie einem tasmanischen Aborigine begegnet war, hatte sich bereits vor der Landung seine Meinung gebildet: Er bezeichnet die Ureinwohner als ohne jeglichen Wert für England und hoffte, nie einen von ihnen zu Gesicht zu bekommen ( Bonwick 1870b : 299). Er traf im September 1803 ein und gründete - in einem von George Bass vorgeschlagenen Gebiet ( Morgan 1992 : 5) im Südosten der Insel - an einem Seitenarm des Derwent die erste Siedlung . In seiner Begleitung befanden sich vierundneunzig Strafgefangene und Soldaten aus Sydney (Ryan 1981 : 73). Im darauffolgenden Februar kamen nochmals über zweihundert (Morgan 1992 : 5) Gefangene und Militärs unter der Leitung von Colonel David Collins. Diesmal direkt von England ausgesandt, errichteten sie nach einer Besichtigung von Port Phillip und Risdon Cove am gegenüberliegenden Ufer des Derwent die Siedlung Sullivan`s Cove, das spätere Hobart.

Im November kam es zur zweiten, von Sydney ausgehenden Okkupationswelle. Gouverneur Philip G. King teilte die Insel in zwei Regierungsbezirke: Südlich des 42. Breitengrades in den Bezirk ‘Buckingham’ mit den beiden bereits bestehenden Siedlungen. Im nördlichen Bezirk ‘Cornwall’ ließ er eine dritte Siedlung gründen. Unter dem Kommando von Leutnant - Gouverneur Willem Patterson wurde bei Port Dalrymple an der Mündung des Flusses ‘Tamar’ York Town gegründet.

Keine der drei Siedlungen war anfangs autark. Sie hatten auch nicht, wie zum Teil behauptet wird, den Zweck, sich der aus England deportierten Strafgefangenen zu entledigen. Dazu wäre auf dem australischen Festland Raum genug vorhanden gewesen. Die Motivation der englischen Regierung bestand darin, sich mit Hilfe der Sträflinge den Besitz Tasmaniens zu sichern, in der Gewißheit, daß sich die Kolonie in absehbarer Zeit selbst tragen und darüber hinaus noch Rendite abwerfen würde. Doch wie jede Investition in die Zukunft waren auch die neuen Siedlungen zunächst ein Zuschußbetrieb, der auf die Unterstützung von Sydney und England angewiesen war. Nachdem die Besitzansprüche Englands an Tasmanien geklärt waren, hielten sich die beiden Regierungen mit Subventionen bedeckt, so daß die Kolonialisierung Tasmaniens nur sehr langsam voranschritt :

Zwanzig Jahre nach der Erstbesiedlung erreichte die europäische Bevölkerung Tasmaniens erstmals eine Einwohnerzahl von 10.000. Selbst 1923 waren weite Teile der Insel noch unerforscht (Morgan 1992 : 19, 22; vgl. Mulvaney und Golson 1971 : 284). Neben den ersten drei Siedlungen entwickelten sich in deren Umgebung einige weitere entlang der Flußläufe - dem Tamar im Norden und dem Derwent im Süden - oder der Küstenlinie (Abb. 22). Aber selbst nach dreißigjähriger Besiedlungdauer war die Straße zwischen der Inselhauptstadt Hobart und der Hauptstadt des Nordbezirkes Launceston nur unzulänglich ausgebaut (Morgan 1992 : 22).


Anfangs war die Kolonie für freie Siedler wenig reizvoll. Das Brachland der wenigen Ebenen mußte unter Strapazen erst urbar gemacht werden. In England kursierte darüber hinaus die Auffassung, die Ureinwohner seien gefährliche Wilde (Morgan 1992 : 143, 146ff; vgl. Bonwick 1870a : B2). Auch der hohe Anteil an Strafgefangenen unter der europäischen Bevölkerung wurde mit Mißtrauen beobachtet. 1804 kamen auf einen freien Siedler mehr als vier Häftlinge (Turnbull 1963 : 56; vgl. Rowse 1974 : 44), wobei es zu bedenken gilt, daß diese ‘freien’ Siedler meist keinesfalls freiwillig dort ansässig wurden. Streng genommen waren es keine Siedler, sondern Soldaten, Beamte und Handwerker, die nach Van Diemen’s Land abkommandiert waren. In keine andere australische Kolonie wurden so viele Strafgefangene deportiert wie nach Tasmanien (Ryan 1981 : 259). Insgesamt wurden 74.000 auf die Insel verbannt, darunter 12 bis 13.000 Frauen (Eldershaw 1968 : 130). Erst 1825 war das Verhältnis zwischen freien und deportierten Europäern ausgeglichen: Von den circa dreizehntausend Einwohnern waren erstmals nur noch die Hälfte Strafgefangene. In den darauf folgenden Jahren verbesserte sich das Verhältnis noch etwas zugunsten der freien Siedler. Aber Mitte der dreißiger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Abschiebung von Häftlingen noch verstärkt und erreichte in den vierziger Jahren ihren Höhepunkt, als die Deportation nach Neusüdwales eingestellt wurde (Vampley 1987 : 114). Die Bevölkerungsentwicklung der freien Siedler muß ähnlich verlaufen sein, denn 1844 kamen auf insgesamt 60.000 Europäer immer noch 30.000 Strafgefangene (Turnbull 1963 : 56). Ein anderes Ungleichgewicht begünstigte ebenfalls die zauderhafte Entwicklung der Kolonie. In den Anfangsjahren gab es auf Tasmanien kaum Frauen - zumindest keine europäischen. 1828 kamen auf vier Männer nur eine Frau. Noch 1840 gab es nicht einmal halb so viele Frauen wie Männer. Die Diskrepanz des Geschlechterverhältnisses nahm über die Jahre nur sehr langsam ab, so daß Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts noch immer kein Gleichgewicht hergestellt war (Vampley 1987 : 27, 28). Wohl gab es zahlreiche Gesuche, alleinstehende Frauen in die Kolonie zu entsenden; eine dahingehende Maßnahme wurde jedoch von der gutbürgerlichen Gesellschaft der jungen Städte angegangen, da sie befürchtete, daß die ohnehin schon stark grassierende Prostitution dadurch noch verschärft werden könnte. Diese durchaus streitbare Argumentation nährte sich aus der damalig vorherrschenden Einstellung; eine ehrbare Frau würde eine solche Reise niemals alleine antreten (Atkinson u. Aveling 1987 : 70).

Ein weiteres Hemmnis war die Tatsache, daß viele Sträflinge bereits zu Beginn der Kolonisation entflohen waren. Diese schlossen sich zum Teil den Robbenfängern der umgebenden Inseln an oder durchstreiften in Banden raubend, plündernd und mordend das Land (Morgan 1992 : 3). Um einer drohenden Hungersnot in der jungen Kolonie zu entgehen, erlaubte man ihnen 1805, sich ihre Nahrung durch Jagd selbst anzueignen (Bonwick 1870b : 66). Viele kehrten aus den Wäldern nicht wieder zurück. Diese Banden (‘bushrangers’) wurden von den frühen Siedlern als noch größere Bedrohung empfunden als die Urbevölkerung selbst (Ryan 1981 : 78). Erst 1817 unter Gouverneur Sorell (Appendix B) wurde dieses Problem endgültig gelöst (Turnbull 1963 : 79; vgl. Ryan 1981 :73; Campbell 1987 : 19; Morgan 1992 : 3).

Trotz all dieser Widrigkeiten nahm die europäische Bevölkerung langsam, aber kontinuierlich zu (Abb. 23 u. 24) Mit dem Bevölkerungszuwachs verstärkte sich zunehmend der Druck auf die voreuropäische Bevölkerung. Im Mai 1804 töteten die Royal Marines in der Nähe von Risdon um die vierzig tasmanische Aborigines (Rowse 1974 : 45; vgl. Völger 1971 : 37). Ab diesem Zeitpunkt stieg die Gewaltbereitschaft sowie das Konfliktpotential ständig an. Die Militärs (Robson 1991 : 217) gingen immer entschlossener vor, wurden aber von den zivilen Siedlern noch übertroffen, die eine Unzahl von Verbrechen an der vorkolonialen Bevölkerung verübten. Meist werden in diesem Zusammenhang die zivilen Siedler nach Berufsgruppen unterteilt, da alle diese Gruppen bei der beginnenden Eskalation verschiedene Rollen einnahmen. Neben Soldaten, Polizisten und Beamten, die meist im Auftrag der Regierung handelten, werden fünf Hauptgruppen unterschieden:

· Die Bürger der aufkeimenden Städte, die die Ereignisse meist nur vom Hörensagen kannten, spielten nur eine untergeordnete Rolle. Sie machten jedoch als Vertreter der öffentlichen Meinung ihren Einfluß bei der Regierung geltend.

· Die bereits erwähnten Robbenfänger, die den Aborigines zwar kein Land, aber deren Frauen raubten. Durch diese Gruppe wurden wohl die meisten und grausamsten Verbrechen verübt, die häufig an Perversion kaum zu überbieten sind. Sie störten empfindlich das Geschlechterverhältnis und provozierten Fehden unter den Stämmen, die sich ihrerseits der Frauen wegen bekriegten.

· Die Bauern, die ihr in der Nähe der Siedlungen gelegenes, günstig erworbenes Land bestellten. Wie bei allen anderen Gruppen gab es auch hier individuelle Unterschiede und meist wird in den Quellen ein neutrales Bild der Bauern gezeichnet. Aber auch einige von ihnen machten sich einen Spaß daraus, Schwarzen (‘black crows’) aufzulauern und sie zu töten. Ihr größter Negativeinfluß lag wohl in der Landnahme, die im Laufe der Jahre zunehmend abwanderungsbedingten Bevölkerungsdruck bei den Aborigines auslöste (Abb. 26 bis 29). Allein im Zeitraum von 1811 bis 1814 stieg die Anbaufläche von rund 3.000 auf rund 12.000 Hektar an (Ryan 1981 : 78).

· Die bekanntgewordenen, von den Strafgefangenen an den Aborigines verübten Verbrechen bildeten nur die Spitze eines Eisberges. Sie bekriegten sich sogar untereinander und machten auch den weißen Siedlern das Leben schwer. Allerdings waren sie, ebenso wie die Robbenjäger, nicht an der Landnahme beteiligt.

· Die Viehzüchter und Schafhirten, deren Stationen meist am Rande der besiedelten Gebiete und somit außer Reichweite des Gesetzes lagen, standen den Robbenfängern und Strafgefangenen in nichts nach. Diesen drei Gruppen ist gemeinsam, daß, obwohl deren Handeln weitgehend der Öffentlichkeit entzogen war, trotzdem unzählige ihrer Grausamkeiten überliefert wurden. Zwischen 1811 und 1814 stieg die Anzahl der Schafe in Tasmanien von 3.500 auf 38.000, so daß auch der Anteil der Viehzüchter am Landraub gewaltig war (Ryan 1981 : 78), zumal sie ihre Tiere häufig auch illegal zum Weiden in die Wildnis trieben (Morgan 1992 : 2).

Diese sehr schematische Einteilung kann weder der Realität und schon gar nicht dem Individuum gerecht werden. Dennoch scheinen hier tatsächlich derartige Tendenzen bestanden zu haben, denn in nahezu allen Quellen werden die Gruppen in dieser Art unterschieden, wobei die Auswirkungen genannter Gruppen auf die Aborigines von Quelle zu Quelle leicht unterschiedlich gewertet werden können.

Die tasmanischen Aborigines wurden geschändet (Turnbull 1963 : 29, 174; Robson 1983 : 246; Bonwick 1870b : 67; Muller 1973 : 40), kastriert (Robson 1983 : 246; Bonwick 1870b : 67), gefoltert (Robson 1983 : 230ff; Turnbull 1963 : 270; Wopfner 1997 : 61; Bonwick 1870b :68, 304; Robson 1983 : 50; Andree 1869 :291), versklavt (Robson 1983 : 226, 230; Rae-Ellis 1988 : 32), verstümmelt (Flood 1980 : 61; Rae-Ellis 1988 : 32), bei lebendigem Leibe verbrannt (Robson 1983 : 231, 218), vergiftet (Robson 1983 : 226; Andree 1869 : 291; Atkins 1869; Robinson 1966 : 196) gehängt (Morgan 1992 : 151) oder anderweitig getötet und danach zum Teil an die Hunde verfüttert (Andree 1869 : 291). Ihre Frauen traf es am härtesten und selbst Kinder waren von solchen Verbrechen nicht ausgenommen. Ich werde hier auf weitere Details verzichten. In den Quellen herrscht jedoch Einigkeit, daß diese Geschehnisse im Kolonialzeitalter weltweit in ihrer Brutalität eine Sonderstellung einnehmen. Nach nur dreißigjähriger Besiedlungsdauer war die ehemals mehrere Tausend zählende Aboriginalbevölkerung bis auf einen kümmerlichen Rest von zweihundert Individuen ausgerottet (Abb. 25). Die Regierung hat diese Entwicklung zwar bis 1926 nicht gebilligt, aber durch ihr unentschlossenes Vorgehen forciert.

Nur ein einziges Mal (Turnbull 1963 :72) wurden Europäer für derartige Ausschreitungen zur Rechenschaft gezogen: Zwei Männer wurden wegen Mißhandlungen von Aborigines öffentlich ausgepeitscht. Einer hatte einem Jungen ein Ohr abgeschnitten, der andere einem Mann den Finger, um ihn als Pfeifenstopfer zu benutzen.

Um so verwunderlicher ist es, daß sich die Europäer zu Beginn der Kolonialzeit unbehelligt durch größere Gruppen Aborigines bewegen konnte (Knopwood 1946 : 107; Morgan 1992 : 3, 145). Noch im Jahre 1824 schrieb die ‘Hobart Town Gazette’: „Im Ganzen genommen sind die schwarzen Eingeborenen der Kolonie die friedlichsten Geschöpfe der Welt“ (Andree 1869 : 290).


Abgesehen von Frauenraub und Mord kam die Urbevölkerung Tasmaniens durch grassierende Epidemien und den rapiden Rückgang des Wildbestandes in Bedrängnis. Anfangs haben die Europäer das Wild nur zur Ergänzung der knappen Nahrungsmittel gejagt; später entstand ein schwungvoller Handel mit den Fellen. Dazu kamen die unzähligen Hunde, die sich ungehindert auf der Insel vermehrten (Morgan 1992 : 154). Ein früher Siedler, Reverend Knopwood, vermerkte voller Stolz in seinem Tagebuch, daß seine Hunde in nur zwei Monaten fast siebzig Känguruhs erlegten. (Knopwood 1946 : 79).

All das bewirkte, daß sich die Aborigines - vermutlich in vollem Bewußtsein, daß es bereits zu spät war - zunehmend zur Wehr setzten. In der Folge sah sich die Regierung, die bisher nur unentschlossen an die Vernunft der Siedler appelliert hatte, gezwungen, vehement durchzugreifen. Am 01. November 1828 (Turnbull 1963 : 274; Ryan 1981 : 99; Völger 1971 : 45) verhängte sie das Standrecht (Appendix C) über die Aborigines, die somit letztlich dem legalen Abschuß freigegeben wurden.

Im Februar 1830 wurde zusätzlich für jeden lebendig gefangenen Aborigine ein Kopfgeld ausgesetzt (Campbell 1987 : 11). In diesem Zeitraum gründete man sogenannte ‘roving parties’. Kopfgeldjägertruppen, die von der Regierung offiziell beauftragt waren, die Aborigines in Reservaten festzusetzen. Zwei Führer dieser Suchtrupps sind für die Forschung als Informanten von Interesse: Jorgen Jorgenson, ein dänischer Abenteurer, und John Batman, ein Einwanderer aus Australien. Letzterer wird in den Quellen meist als den Aborigines wohlgesonnen dargestellt. Beide hielten sich häufig außerhalb des Siedlungsgebietes auf und hatten zahlreiche Kontakte zur indigenen Bevölkerung. Generell war auch diese Maßnahme kontraproduktiv. Die Regierung zahlte zwar nur für jeden lebend gefangenen Aboriginal ein Kopfgeld in Höhe von fünf Pfund (Hanns 1987 : 133), aber die meist aus Strafgefangenen rekrutierten Truppen - die zum Teil sogar von Häftlingen geleitet wurden - erschossen häufig neun, in der Hoffnung, den zehnten lebendig zu fangen (Campbell 1987 : 31ff).


Neben der Verhängung des Standrechtes sind aus dieser Zeit noch vier weitere Erlässe und Proklamationen von geschichtswissenschaftlichem Interesse:

· Unter diesen stellt die Proklamation von Gouverneur Sorell eine positive Ausnahme dar (Appendix D). Es wird in den Quellen oft als das gerechteste, weitblickendste und aufrichtigste Dokument der Kolonialregierung beschrieben. Dieser vielversprechende Aufruf fand aber bei den gewaltbereiten Siedlern kein Gehör.

· Am 29. November 1826, bereits zwei Jahre bevor Gouverneur Arthur das Standrecht (Appendix C) verhängte, veröffentlichte er folgende Forderung: „Sollte man bemerken, daß ein oder mehrere Stämme entschlossen sind anzugreifen, zu rauben oder die weißen Bewohner zu ermorden, so darf sich jede Person bewaffnen und dem Militär anschließen, um sie mit Gewalt zu vertreiben. Die Stämme können in diesem Fall als offene Feinde betrachtet werden“ (Turnbull 1963 : 100). Da sich die genauen Umstände der gewalttätigen Ausschreitungen in der Regel der Öffentlichkeit entzogen, hatten die Gewalttäter freie Hand (Völger 1987 : 110).

· Am 15. April 1828 (Turnbull 1963 : 273, 111) beschloß Arthur, die besiedelten Gebiete durch eine bewaffnete Postenkette abriegeln zu lassen und nur Aborigines, deren Führer einen vom ihm ausgestellten Paß besaßen, passieren zu lassen. Außerdem erteilte er „hiermit allen Urbewohnern den strengen Befehl, sich sofort zurückzuziehen und [...] unter keinem Vorwand [...] wieder die besiedelten Gebiete [...] zu betreten“ (Turnbull 1963 : 111). Sicherlich hat niemals ein Aborigine von diesem Erlaß erfahren, denn dahingehende Maßnahmen sind nicht belegt, und eine Verständigung war aufgrund der Sprachbarriere unmöglich.

· Vermutlich war es ebenfalls Arthur, der die Problematik, daß die Aborigines unmöglich etwas befolgen konnten, wovon sie keine Kenntnis hatten, in ihrer vollen Tragweite erfaßte. Er ließ bunte Plakate erstellen, die in Form einer Bildergeschichte darstellen sollten, daß Schwarze und Weiße vor dem europäischen Gericht gleichgestellt seien (Abb. 30). Sie wurden in den Wäldern an den Bäumen angebracht. Dieser Gipfel der Hilflosigkeit wurde in der englischen Literatur meist mit Häme überzogen (Robinson 1966 : 92; vgl. Robson 1983 : 224; Rae-Ellis 1988 : 56). Aber auch in der in Braunschweig erschienenen völkerkundlichen Zeitschrift ‘Globus’ ließ man sich bereits 1869 voller Ironie über diese „ganz im Stil der Morithatenbilder auf den Jahrmärkten“ gehaltenen Tafeln aus : „Das Auskunftsmittel galt für sinnreich. Man beschloß, den Inhalt der Decrete den beschränkten Unterthanenverstande der Wilden durch Illustrationen klar zu machen. Diese sollten, zur Nachachtung für die Schwarzen, und wahrscheinlich auch zu Nutz und Frommen des Kakadus und Oppossums an Bäume in den Wäldern angenagelt werden“ (Andree 1869 : 291).

Neben diesen Erlässen wurden in Arthurs Regierungszeit (Appendix B) auch vielversprechende Versuche unternommen, die kriegerischen Auseinandersetzungen beizulegen. Am 07. März 1829 erschien in der ‘Hobart Town Gazette’ ein Inserat der Regierung. Gesucht wurde „a steady person of good character, who can be well recommended, who will take an interest in affecting an intercourse with this important race, and reside on Brune [Bruni] Island taking charge of the provisions supplied for the use of the natives of that place“ (Rae-Ellis 1988 : 18).

Man hatte sechs Monate lang für die Einheimischen in den Wäldern Nahrungsmittel hinterlegt und daraufhin drei Aborigines gefangen. Für diese und nachfolgende Gefangene wurde ein Betreuer gesucht, dessen Aufgabe es war, auf Bruni Island eine Reservation zu leiten. Aus insgesamt neun Bewerbern wurde ein achtunddreißigjähriger Maurer ausgewählt: George Augustus Robinson schien aufgrund seines Engagements in mehreren karitativen Einrichtungen prädestiniert für diesen Auftrag. Um die Aborigines vor dem sicheren Untergang zu bewahren, faßte er den Entschluß, möglichst viele in einer Reservation, fernab der Siedler, unterzubringen.

‘Black Robinson’, wie er von seinen Landsleuten häufig abschätzig genannt wurde (Rae-Ellis 1988 : 171), gelang es, mehrere Aborigines für seine Mission (‘Friendly Mission’) zu gewinnen. Mit deren Hilfe war es ihm möglich, selbst die Lokalgruppen der entlegenen, unerforschten Gebiete gefügig zu machen und ihm in die Reservation zu folgen. Im April 1834 waren nahezu alle der Überlebenden auf eine Insel der Bass-Straße (Flinders Island) deportiert (Rae-Ellis 1988 : 101). Ohne jemals eine Schußwaffe zu gebrauchen, hielt er sich inmitten der Kriegswirren über fünf Jahre lang, von kurzen Erholungspausen abgesehen, in den Wäldern des Hinterlandes auf (Ryan 1981 :145ff). Mit Hilfe der Aborigines, die ihn auf seinen Reisen (Abb. 32) begleiteten, erlernte er deren Sprache. Sein insgesamt zehnjähriges Engagement machte ihn zum größten Kenner der tasmanischen Kultur und für die Wissenschaft zum mit Abstand wichtigsten Zeitzeugen. Wohl gab es auch andere Europäer, die Kontakte zu den Aborigines in der Wildnis oder in der Reservation hatten, aber nie von der Dauer und Intensität wie Robinson. Nach insgesamt sechs Reisen mit einer Gesamtdauer von vier Jahren (Robson 1991 : 221) durch unbesiedeltes Gebiet gewann er ihr Vertrauen, das er dann aber in der Reservation, die er drei Jahre leitete, nach und nach verspielte. Seiner Ausdauer, seinen Sprachkenntnissen (Rowse 1974 : 48; Robson 1983 : 221) und seiner ungeheuren Schreibwut ist es zu verdanken, daß uns eine Vielzahl von ethnographischen Fakten überliefert sind. Deren Auswertung, mit der die ethnologische Forschung steht und fällt, ist bis heute nicht endgültig abgeschlossen. Die Wissenschaftler sind sich sowohl über seine Person als auch der Interpretation seiner häufig widersprüchlichen Aufzeichnungen meist uneins. Auf diese Diskrepanzen wird an anderer Stelle näher eingegangen. Es muß bedacht werden, daß die traditionelle Kultur während Robinsons ‘Friendly Mission’ schon weitgehend zerstört war. In den Kriegswirren waren keine intakten Lokalgruppen mehr vorhanden, und die Mutlosigkeit der Überlebenden erleichterte Robinsons Bemühungen.

Geschichte wird von den Siegern geschrieben und für die Europäer begann der Krieg mit der Verhängung des Standrechts 1828. Aus der Sicht der voreuropäischen Bevölkerung ist eine derartige zeitliche Fixierung des sogenannten ‘Black War’ nicht nachvollziehbar: Sie hatten keinerlei Zugang zu den Regierungserlässen und eine Steigerung der ihnen angetanen Gewalt war ab 1828 kaum mehr möglich. Nimmt man ihre Guerilla als Maßstab, so erscheint dieses Datum jedoch gerechtfertigt. (Abb. 31) Ihre Angriffe auf Europäer nahmen nach 1828 deutlich zu, aber ab 1831 erlahmte ihre Gegenwehr. Der erste Europäer kam bereits 1807 durch die Aborigines ums Leben. Im Laufe des Jahres 1808, zwanzig Jahre vor dem offiziellen Kriegsbeginn, hatten ihre Krieger zwanzig Europäer getötet. Insgesamt starben bereits in den ersten zwanzig Jahren der Besiedlung 176 Europäer bei Kampfhandlungen. (Ryan 1981 : 77, 122, 114ff Appendix 2; vgl. Turnbull 1963 : 282ff).

Unter den Siedlern machte sich zunehmend Panikstimmung breit. Die Regierung unter Arthur ersuchte 1830 London um militärische Hilfe, die jedoch verweigert wurde (Campbell 1987 : 110). In Anbetracht der demographischen Entwicklung der beiden Kontrahenten ist ein solches Gesuch zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollziehbar. Von den ehemals circa fünftausend Aborigines waren nur noch weniger als dreihundert am Leben. Davon war die Hälfte weiblichen Geschlechts (Rae-Ellis 1988 : 109), so daß abzüglich der Alten, Kinder, der Gefangenen und bereits ‘Befriedeten’ weniger als einhundert kampfbereite Aborigines einer Übermacht von damals vierundzwanzigtausend Europäern gegenüber standen (vgl. Abb. 23). Dennoch sah sich Arthur genötigt, parallel zu den ‘roving parties’ und den Bemühungen Robinsons, Schritte in die Wege zu leiten, die dem Widerstand ein für alle Mal Einhalt gebieten sollte. Er organisierte eine militärische Operation ungeheuren finanziellen und organisatorischen Ausmaßes, um die Überlebenden einzufangen und aus Tasmanien zu verbannen. Ihm gelang es, eine aus Militär, Polizei, Strafgefangenen und freien Siedlern bestehende Truppe zu mobilisieren, die mindestens dreitausend Mann stark war.

Deren Einsatz begann Anfang Oktober 1830 und dauerte sieben Wochen. Ihre Aufgabe war es, in einer undurchdringlichen Kettenformation (Abb. 33) die Aborigines vor sich her zu treiben. An der Südspitze der Insel sollten sie dann aufgegriffen und auf die bereitstehenden Schiffe verladen werden. Der Plan der Regierung ging nicht auf: Das Ergebnis dieser mehrere Tausend Pfund teuren Operation war beschämend. Als die Siedler die Südspitze der Insel erreichten und sich bereit machten die Einheimischen zu umzingeln, wurde nicht ein Aboriginal angetroffen. Nur im Zuge ihres Vormarsches gelang es, zwei Aborigines zu töten und zwei weitere gefangen zu nehmen. Diese als ‘Black Line’ (‘Black String’) bekannt gewordene Maßnahme Arthurs war ein kompletter Fehlschlag. Dennoch (oder gerade deshalb ?) genießt sie in der wissenschaftlichen Literatur nahezu Kultcharakter: Kaum eine Quelle und sei sie noch so knapp und oberflächlich, die sie nicht beschreibt. Die Beschreibungen sind ebenso zahlreich wie widersprüchlich. Diese Widersprüchlichkeit gilt es an anderer Stelle herauszuarbeiten.

Wie bereits erwähnt war es Robinson, der die verbliebenen Aborigines auf friedlichem Wege in die Reservation brachte. Er hatte im Laufe seiner Mission zu allen dreihundert Überlebenden Kontakt. Weniger als vier Jahre nach der ‘Black Line’ war es ihm gelungen, alle Aborigines aus Tasmanien zu deportieren (Ryan 1981 : 183). Sein Plan war, auf einer Insel der Bass-Straße eine Siedlung zu errichten. Nach mehreren Anläufen fiel seine endgültige Wahl auf Flinders Island (Abb. 35). Insgesamt wurden 220 Aborigines (Atkinson u. Aveling 1987 : 301) nach Flinders Island deportiert, wobei niemals mehr als 130 gleichzeitig dort lebten. Auf der siebzig Kilometer langen und dreißig Kilometer breiten Insel (Turnbull 1963 : 170) waren die Überlebenden geschützt vor den mordenden Siedlern, aber das Sterben nahm kein Ende. Achtzig der dreihundert Aborigines starben, noch bevor sie Flinders erreichten (Atkinson u. Aveling 1987 : 301). Aufgrund epidemischer Infektionskrankheiten war die Todesrate auch dort von Beginn an sehr hoch. Im Dezember 1833 waren bereits dreiunddreißig Mitglieder der Westküstengruppen gestorben. Einschließlich der von Robinson eingebrachten zweiundvierzig Neuankömmlinge lebten damals 111 Einwohner in der Siedlung (Rae-Ellis 1988 : 109). Diese Gruppe mit ausgeglichenem Geschlechterverhältnis wurde anfangs von 43 Europäern betreut.

Anfang 1836 übernahm Robinson die Leitung der ‘Wybalenna’ genannten Reservation. Er unternahm den Versuch, die damalig einhundertdreiundzwanzig Aborigines zu zivilisieren und zu christianisieren. Sie wurden im Lesen und Schreiben unterrichtet und mußten regelmäßig den von Pfarrer Robert Clark abgehaltenen Gottesdienst besuchen. Aufgrund der anhaltenden Mißerfolge wurde später der Gottesdienst auf das Singen von Hymnen beschränkt und der Unterricht ganz aufgegeben. Dennoch versuchten Robinson und Clark, die ihre Arbeit regelmäßig vor der Regierung verantworten mußten, den Schein des kontinuierlichen Fortschritts zu wahren. Eines dieser Blendwerke war die Herausgabe einer eigenen Zeitung, die angeblich von den Aborigines geschrieben wurde (Atkinson u. Aveling 1987 : 305). Diese Zeitung wurde jedoch von drei schwarzen Jugendlichen verfaßt, die vermutlich schon schreiben und lesen konnten, bevor sie in die Reservation kamen (Rae-Ellis 1988 : 126).

Um die Europäisierung voran zu treiben, führte Robinson den Geldverkehr ein. Von nun an entlohnte man die Aborigines für ihre Arbeit. Die Männer wurden als Jäger (Pelzhandel), Gärtner, Schäfer, Polizisten und im Straßenbau beschäftigt. Die Frauen verrichteten Haus- und Handarbeiten und verarbeiteten die von ihnen gefangenen ‘mutton birds’. Aber auch diese Aktivitäten verliefen, nachdem sie nur zögerlich begonnen hatten, nach und nach im Sande.

Aufgrund der hohen Todesrate breitete sich eine allgemeine Mutlosigkeit unter den Bewohnern aus. 1834 starben dreißig weitere Aborigines und die Hinterbliebenen verfielen zunehmend in Resignation. Auch die Errichtung einer kleinen Krankenstation, die von einer Krankenschwester betreut wurde, konnte diese Entwicklung nicht verhindern. Das Engagement Robinsons ließ ebenfalls im Laufe der Zeit nach. Er war nur noch bemüht, seinen Ruf als Leiter von ‘Wybalenna’ zu wahren. Von den vierzig Monaten, die er die Reservation leitete, war er nur siebenundzwanzig Monate auf Flinders Island anwesend (Rae-Ellis 1988 : 165).

Bereits wenige Monate nach dem Beginn seiner Amtszeit in der Reservation hatte er sich um das Protektorat der Aborigines in Port Phillipp Distrikt in Südostaustralien beworben. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, so daß erst am 10. August 1838 (Rae-Ellis 1988 : 152; vgl. Atkinson u. Aveling 1987: 308) positiv über seinen Antrag entschieden wurde. Er übernahm das Protektorat in Südostaustralien, konnte aber nicht, wie ursprünglich geplant, alle tasmanischen Aborigines mitnehmen. Zum Zeitpunkt von Robinsons Aufbruch nach Australien am 25. Februar 1839 (Ryan 1981 : 193) wütete in der Reservation eine Grippeepidemie. Von den verbliebenen 96 Insassen waren nur acht transportfähig. Als Robinsons Familie später nach Port Phillipp nachkam, brachten sie weitere sieben Aborigines mit. Robinsons Sohn George blieb als Leiter des Reservats mit den Restlichen zurück, von denen bereits eine Woche nach Robinsons Abreise acht weitere starben. Von den dreizehn nach Australien deportierten tasmanischen Aborigines sahen nur fünf Tasmanien wieder (Rae-Ellis 1988 : 216). Zwei wurden in Australien öffentlich wegen Mordes gehängt, acht weitere wurden von Krankheiten dahingerafft.

1847 wurde Wybalenna auf Flinders Island aufgelöst und die inzwischen nur noch 47 Aborigines (Ryan 1981 : 203; Mulvaney u. Golson 1971 : 228) nach Oyster Cove am D´Entrecasteaux Channel in Südosttasmanien verlegt (Abb. 34). Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Robinson noch als Protektor in Australien. Er besuchte die Verbliebenen nur noch einmal im April 1851 in Oyster Cove, bevor er im Mai 1852 (Rae-Ellis 1988 : 255) für immer nach Europa zurückkehrte. Im Vergleich zu Flinders Island hatten sich ihre Lebensbedingungen noch verschlechtert. Die meisten waren krank und dem Alkohol verfallen und wurden abseits der Gesellschaft ohne nennenswerte Unterstützung dem Exitus preisgegeben (Abb. 36). Am fünfzigsten Jahrestag der Gründung Hobarts (Sullivan’s Cove) waren noch sechzehn (Muller 1973 : 273; Mulvaney u. Golson 1971 : 282) tasmanische Aborigines in Oyster Cove am Leben. Am 08. Mai 1876 starb Trucanini (Abb. 51), die als die Letzte ihres Volkes gilt: In der Literatur wurde immer wieder diskutiert, ob nicht andere Aborigines auf den Inseln der Bass-Straße nach Truganinis Tod noch am Leben waren (Barnard 1890b; Aplin u. Foster 1987a : 91; Ryan 1981 : 220; Rae-Ellis 1981 : 133, 149; Turnbull 1963 : 259; Jones 1970 : Appendix G; Horton 1994 : 157). Diese Diskussionen sind letztlich für das Ansehen von Trucanini in zweierlei Hinsicht unbedeutend:

· Trucanini nimmt unter den bekanntgewordenen tasmanischen Aborigines zumindest für die Forschung eine herausragende Stellung ein. Nicht etwa wegen ihrer vielgepriesenen Schönheit, sondern aufgrund ihrer schillernden, charismatischen Persönlichkeit, die durch zahlreiche Berichte belegt ist. Sie ist die Aboriginal, über die wir die meiste Detailinformation besitzen und ihre Biographie ist eine Rekapitulation des Untergangs ihres Volkes. Als langjährige Begleiterin Robinsons in Tasmanien und Australien kann sie außerdem als dessen Hauptinformant gelten.

· Den zweiten längst überfälligen Grund hat Gisela Völger wie kein anderer Autor vor ihr auf den Punkt gebracht: „Den Tod des letzten Mannes und der letzten Frau 1869 und 1876 als das Ende der tasmanischen Rasse [?] zu betrachten, ist ein sentimentaler Standpunkt. Die tasmanische Kultur und ihre Träger waren bereits fünfzig Jahre [mindestens !] vorher desintegriert. Die letzten Überlebenden William Lanné [...] und Trugernanna [Trucanini] [...] waren nur ihre letzten Schatten.“ Denn häufig wird auch heute noch in der Literatur das Todesdatum Trucaninis mit dem Verfall der tasmanischen Kultur gleichgesetzt.

Meines Erachtens ist es bedenklich, daß die indigene Bevölkerung Tasmaniens meist als mit Trucanini ausgestorben bezeichnet wird, obwohl heute in Tasmanien und auf den Inseln der Bass-Straße mehrere Tausend Nachkommen weiblicher Aborigines und europäischer Robbenfänger leben. Diese dunkelhäutige Bevölkerung (vgl. Abb. 40), die noch vor wenigen Jahren von der Regierung als Europäer eingestuft wurde, bezeichnete sich selbst, obwohl jeglicher Landrechte aberkannt (vgl. Abb. 39), als Aborigines. Diese sogenannten ‘Cape Barren Islanders’ als eine Art ‘Homunkulus der Kolonialgeschichte’ völlig aus der Forschung auszuklammern, halte ich für nicht mehr zeitgemäß. Aufgrund der weltweiten Entwicklungen ist die Ethnologie zunehmend ‘gezwungen’, sich solcher Minoritäten anzunehmen und die Forschungsthemen des Kulturwandels beziehungsweise der Akkulturation stärker zu betonen.

Andererseits sollte man sich nicht der Illusion hingeben, die Kultur der tasmanischen Aborigines sei aufgrund der überlebenden ‘Islanders’ nicht unwiederbringlich verloren.



Literatur

  • Tasmanien, in: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888, Bd. 15, S. 0528

Dirk Halfmann: Die Tasmanischen Aborigines http://home.t-online.de/home/310053825467 --217.247.63.86 14:34, 7. Nov 2004 (CET)

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