Hörfunk und Fernsehen in Jugoslawien
Der Artikel Hörfunk und Fernsehen Jugoslawiens behandelt die bis 1992 in Jugoslawien ausgestrahlten Hörfunk- und Fernsehprogramme.
System
In Jugoslawien gab es acht Rundfunkorganisationen (je eine für jede Republik und Provinz), die sich 1952 zur Jugoslovenska/Jugoslavenska Radiotelevizija (JRT) zusammengeschlossen hatten. Mitte der 1980er-Jahre gab es die in der Tabelle angegebene Anzahl von Programmen (die Sprachen sind mit dem jeweiligen ISO 639-1-Kürzel angegeben, also: hu=ungarisch, it=italienisch, mk=mazedonisch, ro=rumänisch, sh=serbokroatisch, sk=slowakisch, sl=slowenisch, sq=albanisch, tr=türkisch)
JRT-Rundfunkorganisationen | |||
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Rundfunkorganisation | Hörfunkprogramme | Fernsehprogramme | Sprachen |
Radiotelevizija Beograd (RTB) | 4 | 2 | sh, hu, sq |
Radiotelevizija Ljubljana (RTLJ) | 4 | 3 | sl, it |
Radiotelevizija Novi Sad (RTNS) | 4 | 2 | sh, hu, sk, ro, Ruthenisch |
Radiotelevizija Priština (RTP) | 2 | 2 | sq, sh, tr |
Radiotelevizija Sarajevo (RTVSa) | 4 | 2 | sh |
Radiotelevizija Skopje (RTSk) | 2 | 2 | mk, sq, tr |
Radiotelevizija Titograd (RTT) | 1 | 2 | sh, sq |
Radiotelevizija Zagreb (RTZ) | 4 | 2 | sh |
Daneben gab es einige kommunale Radioprogramme, diese sendeten üblicherweise 2-3 Stunden täglich ein regionales Programm, in der übrigen Zeit ein Radioprogramm des Senders der Republik bzw. Provinz. Umgekehrt wurden auch Informationssendungen der kommunalen Radioprogramme von den Republiks- bzw. Provinzprogrammen übernommen.
Das auf Kurzwelle sendende Programm "Radio Jugoslavija" brachte Sendungen in 10 Fremdsprachen (auch deutsch) sowie Sendungen für im Ausland lebende Jugoslawen.
Geschichte
Als erster Radiosender Jugoslawiens nahm Radio Zagreb am 15. Mai 1926 den Sendebetrieb auf. Zunächst privatwirtschaftlich betrieben, wurde er 1940 verstaatlicht. Am 30. Jahrestag der Gründung (15. Mai 1956) wurde mit der Ausstrahlung des ersten jugoslawischen Fernsehprogramms begonnen.
Radio Ljubljana startete am 28. Oktober 1928 mit einem Radioprogramm, seit dem 28. November 1958 wurde auch ein Fernsehprogramm ausgestrahlt. Die Fernseh-Nachrichtensendungen wurden zunächst aus Belgrad übernommen, ab dem 15. April 1968 wurde eine eigene slowenischsprachige Nachrichtensendung ausgestrahlt. Als Regionalprogramm von RTV Ljubljana ging 1971 TV Koper/Capodistria auf Sendung, das zweisprachig slowenisch und italienisch sendete und sich auch in Italien großer Beliebtheit erfreute. Italienische Unternehmen bauten Sendeanlagen auf, die das Programm aus Koper übernahmen und auch in von Koper entfernten Regionen empfangbar machten.
Am 24. März 1929 begann der Sendebetrieb von Radio Belgrad, nachdem es einzelne Testsendungen seit 1924 gegeben hatte. Am 23. August 1958 kam ein Fernsehprogramm hinzu. Am 31. Dezember 1971 kam ein zweites Fernsehprogramm dazu, mit dem von Beginn an erstmals in Jugoslawien in Farbe gesendet wurde. Ein drittes Fernsehprogramm mit Sendungen für Kinder startete am 1. Juli 1989.
Am 8. März 1936 begann Jugoslawien mit Sendungen auf Kurzwelle. Während des Zweiten Weltkrieges sendete das Programm "Slobodna Jugoslavija" (Freies Jugoslawien) aus Ufa (Sowjetunion). Nach 1945 betrieb Radio Belgrad ein Kurzwellenprogramm, seit dem 2. Februar 1978 sendete Radio Jugoslavija auf Kurzwelle.
Mit Radio Dubrovnik begann 1944 der erste kommunale Hörfunksender.
Radio Skopje startete sein Programm am 28. Dezember 1944 mit der Liveübertragung einer Sitzung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Mazedoniens. Am 14. Dezember 1964 kam ein Fernsehprogramm hinzu.
Radio Titograd ging 1949 in Betrieb, ein Fernsehprogramm folgte 1963.
Radio Novi Sad startete 1949; das Fernsehprogramm von Radio Priština startete 1971 (weitere Daten zu den beiden Stationen sowie zu Radio Sarajevo sind momentan nicht verfügbar).
Am 15. Mai 1989 ging in Belgrad der private Rundfunksender B92 in Betrieb, der in der Milošević-Ära zu den wenigen regierungsunabhängigen Medien gehörte.
Seit dem 23. Oktober 1990 gab es in Sarajevo das Fernsehprogramm YUTEL, das als Gegengewicht zu den inzwischen nationalistisch ausgerichteten Sendern der einzelnen Republiken eine einstündige Nachrichtensendung ausstrahlte.
Erst nach der Auflösung Jugoslawiens ging 1994 der Fernsehsender RTV Pink in Betrieb; er hat seinen Sitz in Belgrad, betreibt aber auch Programme für Montenegro und Bosnien und Herzegowina, und hat einzelne Sendungen für Kroatien im Programm, deckt damit also weite Teile des ehemaligen Jugoslawien ab. Auch der 2005 in Ljubljana gegründete Musiksender MTV Adria ist als Fernsehsender für das gesamte Gebiet des ehemaligen Jugoslawien konzipiert.
Empfang
Langwellensender wurden in Jugoslawien nicht betrieben.
Nach Inkrafttreten des Genfer Wellenplans 1978 nutzte Jugoslawien für den Mittelwellenrundfunk (neben zahlreichen Sendern mit geringer Reichweite) die folgenden Frequenzen:[1]
Starke Mittelwellensender in Jugoslawien | ||
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Frequenz KHz | Programm | Sendeleistung kW |
612 | Sarajevo | 600 |
684 | Belgrad | 2000 |
810 | Skopje | 1000 |
882 | Titograd | 300 |
918 | Ljubljana | 600 |
1134 | Zagreb | 1200 |
1269 | Novi Sad | 600 |
1413 | Priština | 1000 |
Mit Ausnahme des Programms aus Titograd, das von einem auf gleicher Frequenz sendenden Programm aus der DDR überdeckt wurde, waren die anderen Programme in Süddeutschland und Österreich nachts empfangbar, Belgrad und Zagreb dürften auch bis in den Norden Deutschlands empfangbar gewesen sein. Offenbar werden die Frequenzen großenteils von den Rechtsnachfolgern dieser Programme weitergenutzt.
Für den Empfang im Inland wurden hauptsächlich UKW-Sender[2] eingesetzt.
Radio Jugoslavija nutzte hauptsächlich die Kurzwellenfrequenzen 6100, 7240 und 9620 kHz.
Die jugoslawischen Fernsehprogramme wurden im PAL-Format über UHF- und VHF-Frequenzen ausgestrahlt. [3]
Fernsehsendungen
Eine beliebte Fernsehserie war Profesor Baltazar (Zeichentrickserie 1967-1971), die für das jugoslawische Fernsehen produziert wurde und auch in ausländischen Fernsehsendern gezeigt wurde (u. a. skandinavische Staaten und Iran). Weitere Erfolge waren die Realserien für Kinder Die Rote Zora und ihre Bande und Sinji Galeb, welche auch mehrfach in Deutschland ausgestrahlt wurden. Großer Beliebtheit unter den Kindern erfreute sich die Sendereie Branko kockica auf TV Beograd.
TV Zagreb hatte mit der Ratesendung Kvizoteka, moderiert von Oliver Mlakar, jahrelang einen Hit im Programm.
TV Beograd lockte mit der sehr beliebten Sendereihe Folkparada, welche von Zlata Petkovic, Predrag Gojkovic - Cune und Predrag Zivkoc - Tozovac moderiert wurde. Ebenso beliebt waren die Quizsendungen von Mica Orlovic. Kult wurden die Serien von TV Beograd, besonders zu erwähnen wären Pozoriste u kuci, Bolji zivot, Zikina Dinastija, Vruc vetar, Grlom u jagode, Kamiondzije und viele Andere.
Ab 1984 strahlte TV Sarajevo die beliebte Comedy-Sendung „Top lista nadrealista" (Hitparade der Surrealisten) aus, an der u. a. Mitglieder der Band Zabranjeno pušenje mitwirkten.
Das jugoslawische Fernsehen beteiligte sich an internationalen Fernsehformaten, z. B.
- Pesma Evrovizije bzw. Pjesma Eurovizije, slowenische Bezeichnung: Pesem Evrovizije (Eurovision Song Contest), ab 1961; der jugoslawische Beitrag wurde in einer Vorausscheidung ermittelt, die unter dem Namen Jugovizija, jährlich aus einer anderen jugoslawischen Republik, übertragen wurde. Jugoslawien war das einzige sozialistische Lande, das am ESC teilgenommen hat.
- San-Remo-Festival
- Igre bez granica (Spiel ohne Grenzen), 1978-1982, 1990
Nutzung
Von den angemeldeten rund 4,5 Millionen Hörfunk- und 4,0 Millionen Fernseh-Nutzern wurde eine Rundfunkgebühr erhoben, die (1984) 88% der Einnahmen der JRT-Sender ausmachten, die übrigen Einnahmen wurden hauptsächlich durch Werbung erwirtschaftet.
Wie auch in vielen anderen südeuropäischen Ländern war es in Jugoslawien üblich, dass das Fernsehgerät viele Stunden am Tag als Hintergrundbeschallung läuft, auch wenn niemand hinsieht.
Literatur
- I. Hendrichs, Presse, Rundfunk, Film, in: Südosteuropa-Handbuch, Bd. 1, Jugoslawien, hrsg. v. K.-D. Grothusen, 1975, ISBN 3-525-36200-5, S. 439-457
- R. Mihailović, Z. Sinobad, Das Rundfunksystem Jugoslawiens, in: Internationales Handbuch für Rundfunk und Fernsehen, Hrsg. v. Hans-Bredow-Institut, Jg. 1986/1987, S. E70-E74
- C. Both, Große Sender-Tabelle, 8. Aufl. 1989, ISBN 3-7723-6178-1
- Artikel Jugoslavija, Abschnitte Radio und Televizija, in: Enciklopedija Jugoslavije, 2. Ausg., Band 6, S. 576-582