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Konservative Revolution

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Als Konservative Revolution werden konservative und rechtskonservative Theoriebildungen in der Weimarer Republik zusammengefasst. Eine Grundtendenz bildet die antidemokratische, antiegalitäre, antiliberale oder antikommunistische Ausrichtung. Der Begriff ist wissenschaftlich umstritten [1], da er sehr unterschiedliche, sogar gegensätzliche Denker unter einer Sammelbezeichnung zu kategorisieren versucht.

Armin Mohler, der sich selbst als Faschist bezeichnete [2], fasste „Nationalrevolutionäre“, „Jungkonservative“, „Völkische“, „Bündische“ und „Landvolkbewegung“ als die fünf Hauptgruppen einer „Konservativen Revolution“, die es allerdings unter dieser Sammelbezeichnung in dem Untersuchungszeitraum des Autors, nämlich in den zwanziger und dreißiger Jahren, gar nicht gegeben hat.

Kritiker rechnen die Autoren der Konservativen Revolution zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus in der Weimarer Republik.

Begriff

Der Ausdruck „konservative Revolution“ wurde erstmals 1875 als Buchtitel durch Jurij Samarin verwendet.[3] Charles Maurras nahm den Begriff in seinem Werk „Enquête sur la monarchie“ (1900) auf.[3] In Deutschland verwendete ihn Thomas Mann erstmals in seiner „Russischen Anthologie“ (1921).[3] Thomas Mann gebrauchte diesen Begriff mit ausdrücklichem Bezug auf Nietzsche.[4]

Es war Hugo von Hofmannsthal, der den Begriff in seiner Rede „Das Schriftum als geistiger Raum der Nation“ (1927) berühmt hat werden lassen. Er verstand unter konservativer Revolution einen geistigen Prozess als Gegenbewegung zu den Umwälzungen von Renaissance und Reformation. Dieser Vorgang war für Hofmannsthal kein politischer[3]; er bezog sich auf die "produktiven Geisteskräfte" der Nation im Bereich der Literatur. Während eine Nation wie Frankreich durch ein unzerreißbares Gewebe des Sprachlich-Geistigen zusammengehalten werde, seien die produktiven Geisteskräfte Deutschlands zerrissen. Der Begriff der geistigen Tradition sei kaum anerkannt.

Zu Anfang der 1930er Jahre findet der Terminus in den politischen Schriften von Wilhelm Stapel und Edgar Julius Jung Verwendung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff von Armin Mohler, einem späteren Vordenker der Neuen Rechten, aufgegriffen und unter dem Schlagwort „Konservative Revolution“ in eine breitere historiographische und politische Debatte eingeführt. Die Verwendung des Begriffs war von Beginn an umstritten. Die sowohl von links als auch von rechts kommenden Autoren, die von Mohler der „Konservativen Revolution“ zugeordnet wurden, weisen lediglich in ihrer Ablehnung der Weimarer Republik und der Ablehnung von liberalen Gesellschaftsvorstellungen eine Übereinstimmungen auf.

Die heutige Politikwissenschaft beschränkt sich mit Sozialismus, Liberalismus und Konservatismus auf die drei Hauptströmungen der politischen Theorie und läßt die bloße Ablehnung der liberalbürgerlichen Weimarer Republik als Kriterium für eine eigene Kategorie nicht gelten. Des Weiteren wird die Auffassung vertreten, das Oxymoron „Konservative Revolution“ bringe das widersprüchliche Selbstbild einiger ihrer Protagonisten auf den Punkt.

Definition

Der Begriff „Konservatismus“ bzw. „konservativ“ bezeichnete zunächst im Sinne des Strukturkonservatismus eine Haltung, die die gewachsene Gesellschaftsordnung bewahren will und sich positiv auf deren konstituierende Wertvorstellungen bezieht. Die konservative Revolution ist nicht mehr in diesem klassischen Sinne konservativ. Sie will nicht Tradiertes bewahren, sondern neue lebendige Werte setzen. Arthur Moeller van den Bruck, Vertreter der Konservativen Revolution schreibt: „Der konservative Mensch [...] sucht heute wieder die Stelle, die Anfang ist. Er ist jetzt notwendige Erhalter und Empörer zugleich. Er wirft die Frage auf: was ist erhaltenswert?“[5] Dies zu Erhaltende gilt es nach Auffassung des revolutionären Konservatismus erst noch zu schaffen. In diesem Sinne brachte Moeller van den Bruck eine neue Defintion, die noch heute von Konservativen und Neuen Rechten aufgegriffen wird: „Konservativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.“[6] Tatsächlich traten viele Autoren der Konservativen Revolution nicht für eine konservative Restaurierung, sondern für eine radikale Erneuerung der Gesellschaft ein. Als politisch-ideologische Bewegung richtete sich die Konservative Revolution gegen negative Auswirkungen der Aufklärungsepoche, den Liberalismus, sowie gegen den Sowjet-Kommunismus.

Entstehung

Während die Alten Konservativen nur das Gewachsene gelten lassen wollten und sich gegen den Geist des "Machens" stellten, fügten sich die Konservativen Revolutionäre in den Geist der Zeit. Ihre Gedanken waren nicht antimodern, zielten aber auf eine andere, deutsche Moderne. Die Konservative Revolution grenzte sich von den alten als reaktionär begriffenen Konservativen ab, wandte sich zugleich aber auch gegen den Liberalismus. Verschiedene Vertreter, wie Spengler, Sombart, Niekisch und die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe standen auch dem Sozialismus nahe, suchten aber einen nationalen Sozialismus zu verwirklichen. Der Sozialismusbegriff unterschied sich insofern von dem der Linken als die soziale Frage gegenüber dem Willen einen starken Staat zu bilden, stärker in den Hintergrund trat. Die Klassengegensätze sollten durch die homogene Volksgemeinschaft aufgehoben werden, die Stärkung der Arbeiterschaft diente als Mittel zur Stärkung der Nation. Dem egalitären Moment des Sozialismus standen viele der Konservativen Revolutionäre zugleich kritisch gegenüber und bezeichneten dies als Gleichmacherei und Nivellierung.

Die gesellschaftlichen Ordnungsentwürfe dieser Strömung blieben dabei teils sehr vage, gemeinsam war ihnen aber die radikalkritische Haltung gegenüber der Demokratie. Die Konservative Revolution trat dabei als eine vornehmlich literarisch-publizistische Bewegung in Erscheinung, die innerhalb eines sehr viel breiteren konservativen Spektrums zunehmende intellektuelle Anziehungskraft entfaltete.

Verhältnis zum Nationalsozialismus

Die Bewegung wird zu den intellektuellen Wegbereitern des Nationalsozialismus gerechnet (Kurt Sontheimer). Allerdings blieb das unmittelbare Verhältnis zwischen der volkstümlich-populistischen NS-Bewegung und elitären Konservativer Revolution eher ambivalent bis angespannt bzw. feindselig, obgleich in der Publizistik der Bewegung oft Elemente späterer nationalsozialistischer Herrschaftsentfaltung vorweggenommen und propagiert wurden (z.B. das „Dritte Reich“) und man ihr nachsagt, ihr antidemokratischer Kampf gegen die Weimarer Republik habe dem Nationalsozialismus den Weg geebnet. Der Massencharakter des Nationalsozialismus, der von den konservativen „Revolutionären“ auch als „zu demokratisch“ diffamiert wurde, war nur schwer vereinbar mit ihrer individualistischen, intellektuellen Bohème-Attitude. Wegen des Elitedünkels, das sie kultivierten, fühlten sie sich vom proletarischen Gestus der nationalsozialistischen Massenbewegung nicht angesprochen. Hannah Arendt schrieb jedoch in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, von einem zeitweiligen Bündnis zwischen Mob und Elite im frühen 20. Jahrhundert. Allerdings ist auch zu erwähnen, dass einige der weiter oben der Konservativen Revolution zugeordneten Personen, wie z.B. Martin Niemöller, Othmar Spann, und Ernst Niekisch schon bald nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verhaftet, und teilweise in KZs ermordet wurden.

Weltanschauung und bekannte Vertreter

Die Autoren der Konservativen Revolution bildeten keine feste Gruppe, eher ein verzweigtes publizistisches Geflecht. Sie formulierten keine einheitliche Doktrin, bemühten sich jedoch übergreifend, die "Phänomene der Moderne" in eine theoretische Synthese mit der konservativen Weltanschauung zu bringen. Die Konservative Revolution kann auch als Reaktion auf eine als krisenhaft empfundene gesellschaftliche Modernisierung verstanden werden, als eine neokonservative intellektuelle Suchbewegung im Umbruch der sich durchsetzenden Moderne. Als Vordenker dieser Bewegung gilt der Dichter Stefan George. Zu der Bewegung oder ihrem Umfeld zählt Mohler mit unterschiedlicher Gewichtung u.a. Oswald Spengler, Arthur Moeller van den Bruck, die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger, Ernst von Salomon, August Winnig, Edgar Jung, Othmar Spann, Hans Freyer, Ernst Niekisch, Wilhelm Stapel, Hans Zehrer und den Tat-Kreis, Claus Graf Schenk von Stauffenberg, Carl Schmitt, Ludwig Klages, Thomas Mann, Martin Niemöller, Hugo von Hofmannsthal und die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe. [7] Die Nachvollziehbarkeit der von Mohler konstatierten inhaltlichen Gemeinsamkeiten dieser Personen erscheint aber, mit Aussnahme der Ablehnung des Liberalismus, als eher problematisch. [8] Thomas Mann distanzierte sich ab 1922 zunehmend von seiner konservativ-monarchistischen Einstellung, die er noch in den Betrachtungen eines Unpolitischen gezeigt hatte, und trat für die Weimarer Republik und ihre Werte ein.

Der rechtskonservativ-katholische Staatsrechtler Carl Schmitt kann dieser Strömung nur sehr eingeschränkt zugerechnet werden. Obwohl Schmitt dezidierter Antiliberaler war, richtet er sich scharf gegen eine Politische Romantik, der wie Othmar Spann oder der Tat-Kreis viele der konservativen Revolutionäre anhingen. Auch wird Schmitts Geschichtsbild vielfach als linear (eschatologisch) bezeichnet, jenes der Konservativen Revolutionäre wie z.B. Spenglers dagegen als zirkulär. Die Zuordnung Schmitts zur Konservativen Revolution geht auf das o.g. Standardwerk seines Schülers Armin Mohler zurück. Neuere Untersuchungen, etwa von Stefan Breuer, stellen diese Zuordnung jedoch in Frage, wobei Breuer die Konservative Revolution ohnehin für eine unzutreffende Sammelbezeichnung hält.

Quellen

  1. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS - Drucksache 13/5177 - Der Verfassungsschutzbericht 1995 und die »Konservative Revolution«
  2. David, Fred: „Ich bin ein Faschist“, Interview mit Armin Mohler, in: Leipziger Volkszeitung vom 25.11.1995 (Journal), Seite 2
  3. a b c d Klaus von Beyme, Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien 1789-1945, VS-Verlag 2002, S. 500
  4. Erkme Joseph, Nietzsche im' Zauberberg', Verlag Vittorio Klostermann 1996, S.175
  5. Arthur Moeller van den Bruck: Das dritte Reich. 3.Aufl. Hrsg. von Hans Schwarz. Hamburg 1931. S.189
  6. Arthur Moeller van den Bruck: Das dritte Reich. 3.Aufl. Hrsg. von Hans Schwarz. Hamburg 1931. S.202
  7. Armin Mohler/Karlheinz Weissmann: Die konservative Revolution in Deutschland 1918 - 1932: Ein Handbuch, Graz, 2005; 6. überarbeitete Auflage, S.379f (Spengler, Mann, Schmitt), S.467ff (Jung, Spann) S.472 (Hans Freyer), S.479 (Niemöller), S.62 (Lensch-Cunow-Henisch-Gruppe), S.372 Hoffmannsthal George, S.470 Winnig, S.465 Stapel)
  8. Die 'Konservative Revolution'- Kritik eines Mythos; Auf www.martinblumentritt.de

Literatur

  • Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München 1962. (ideen- und begriffsgeschichtlich)
  • Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993. (begriffskritisch);
  • Rolf Peter Sieferle: Die konservative Revolution. Fünf biographische Skizzen, Frankfurt a. Main 1995. (biographischer Zugang, fünf Exponenten:Lensch, W. Sombart, Spengler, Jünger, Freyer)
  • Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918 - 1932: Ein Handbuch, Darmstadt 1994 (4.Aufl.) (apologetisch);
  • Klemens von Klemperer: Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München, 1962
  • Helmut Kellershohn. Zwischen Wissenschaft und Mythos. Einige Anmerkungen zu Armin Mohlers „Konservative Revolution“. In: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Münster, 2005. ISBN 3-89771-737-9 (kritisch)

Siehe auch