Jugendkriminalität

In Deutschland werden alle Straftaten von registrierten Tatverdächtigen im Altersbereich von 8 bis 21 Jahren polizeilich unter dem Begriff Jugendkriminalität subsumiert. Ausgenommen hiervon sind Übertretungen im Bereich der Ordnungswidrigkeiten.
Definition
Diese Erklärung des Begriffs Jugendkriminalität ist sehr weit gefasst. Bei genauer Betrachtung dieser Definition Jugendkriminalität zeigt sich, dass außerdem die Kinder- und Heranwachsendenkriminalität damit gemeint sind. Im deutschen Jugendstrafrecht werden Personen unter 14 Jahren (Alter zur Tatzeit) wegen Strafunmündigkeit strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen. Personen zwischen dem 18. und einschließlich 20. Lebensjahr (sog. Heranwachsende) können sowohl unter das Erwachsenenstrafrecht, als auch unter das Jugendstrafrecht fallen. Nach dem Jugendgerichtsgesetz und nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz werden nur Personen von 14 bis unter 18 Jahre rechtlich als Jugendliche eingestuft. Ferner ist die polizeiliche Kriminalstatistik eine Hellfeld- und Tatverdächtigenstatistik. Tatverdächtig ist jede Person, die infolge einer polizeilichen Ermittlung hinreichend verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben. In Deutschland ist eine Person erst nach einem rechtskräftigen Richterspruch der Tat überführt. Genau genommen kann deshalb erst nach Verurteilung des Tatverdächtigen (Verurteiltenstatistik) von Kriminalität, welche durch einen Jugendlichen begangen wurde, gesprochen werden.
Jugendspezifische Delikte
Im Bereich der polizeilich erfassten Straftaten fallen hierunter Diebstahlsdelikte, speziell Ladendiebstähle, Fahrrad- und Kraftraddiebstähle, Raubdelikte wie der Handtaschenraub, Körperverletzungsdelikte, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und Sachbeschädigungen (wie Graffiti). Bei den Deliktsbereichen Beleidigung, Urheberrechtsverletzungen und Ladendiebstahl kann man von einem hohen Dunkelfeld ausgehen. Von 10 Ladendiebstählen werden nach Ergebnissen der Dunkelfeldforschung 9 nicht entdeckt.
Phänomenologie
Die Kriminologie sucht nach Entstehungs- und Erscheinungsformen der Jugendkriminalität. Nach dem aktuellem Wissenschaftstand kann man nicht davon ausgehen, dass es nur eine Ursache bzw. wenige Faktoren gibt, warum Jugendliche straffällig werden. Kriminogene Faktoren, die zur Jugendkriminalität führen können, liegen in der Persönlichkeit des Betroffenen, seinem sozialen Umfeld (Schwierigkeiten in der Familie, Schule oder Gruppenzwang), an dem Leistungsdruck in der heutigen Gesellschaft, an der fehlenden Frustrationstoleranz, dem Neugierverhalten der Jugendlichen und/oder den schlechten Zukunftsperspektiven. Eine Rolle spielt sicherlich das Zusammentreffen von vielen sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren.
Ausmaß der Jugendkriminalität
Im Jahr 2006 wurden 100.487 Kinder, 278.447 Jugendliche und 241.824 Heranwachsende in Deutschland als Tatverdächtige ermittelt (siehe Bild).

Das genaue Ausmaß der Jugendkriminalität lässt sich Anhand von Statistiken (Polizeiliche Kriminalstatistik, Verurteiltenstatistik usw.) jedoch nicht ermitteln. Diese sind in Deutschland, wegen unterschiedlicher Erfassungszeiträume/-daten und anderen Einflussfaktoren, nicht vergleichbar. Die Wissenschaft bedient sich deshalb weiterer Methoden, um Aussagen zum Ausmaß der Jugendkriminalität zu machen. Sogenannte Dunkelfeldstudien (empirische Täter- und Opferbefragungen) ergänzen das offizielle Hellfeld. Sie versetzten die Wissenschaft in die Lage präzisere Aussagen zum Ausmaß der Jugendkriminalität treffen zu können.
Episodenhaftigkeit von Jugendkriminalität

Für Jugendliche ist der Anpassungsprozess in die Gesellschaft nicht selten konfliktbehaftet. Dazu gehören auch Verstöße gegen die Rechtsnorm.
Jugendkriminalität ist nämlich im statistischen Sinne "normal". Über 80 Prozent aller Befragten und "im Schnitt über 90 Prozent der mit Befragungen erfassbaren Jungen und jungen Männer geben an (bzw. zu), mindestens einmal in ihrem seitherigen Leben, regelmäßig jedoch wiederholt, Handlungen begangen zu haben, die juristisch unter eine Strafnorm des Strafgesetzbuchs oder eines Gesetzes aus dem sog. Nebenstrafrecht subsumiert werden könnten." [1]
Jugendkriminalität verläuft jedoch vorwiegend episodenhaft begrenzt auf einen Lebensabschnitt. Die meisten straffällig gewordenen Jugendlichen beginnen keine kriminelle Karriere. Das bedeutet nicht unbedingt, dass Jugendliche als Erwachsene keine Straftaten mehr begehen. Es ändert sich ihre Motivation und die Deliktarten.
Mehrfach- bzw. Intensivtäter
Ein kleiner Teil, rund 3 bis 6 Prozent, der jugendlichen Tatverdächtigen fällt durch wiederholte Begehung von Straftaten auf. Jungen gehören öfter zu der Gruppe der „mehrfach Auffallenden“ jugendlichen Tatverdächtigen als Mädchen. Diese kleine Gruppe von Mehrfach- bzw. Intensivtäter begehen nach Untersuchungen der Landeskriminalämter darüber hinaus zwischen 30 bis 60 % der für die Altersgruppe bekannt gewordenen Straftaten.
Siehe auch
- Drogenkriminalität
- Gewaltkriminalität
- Jugendstrafrecht
- Jugend
- Kriminalität
- Polizeiliche Beratungsstellen
- Störung des Sozialverhaltens
Quellen
- ↑ Wolfgang Heinz, Jugendkriminalität in Deutschland, Kriminalstatistische und kriminologische Befunde, S. 70, Internet-Veröffentlichung im Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwicklung, Universität Konstanz, Juli 2003 Referenzfehler: Ungültiger Parameter in
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Literatur
- Landeskriminalamt NRW, Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS): Jugendkriminalität in Nordrhein-Westfalen, 9. Auflage, 2003
- Hans-Dieter Schwind, Kriminologie, 13. Auflage Heidelberg 2003, ISBN 3-78320-003-2
- Michael Walter, Jugendkriminalität, 2. Auflage Stuttgart 2001, ISBN 3415027759
- Weißer Ring, Jugendkriminalität wir diskutieren, 7. Auflage, 1997