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Wartburgfest

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Zug der Studenten auf die Wartburg 1817

Wartburgfest ist der Name mehrerer Veranstaltungen, die am 18. Oktober 1817, im Frühjahr 1880 sowie zu Ostern 1848 auf der Wartburg stattfanden. Besonders das erste Wartburgfest ist dabei für die deutsche Geschichte von Bedeutung, da sich hier nationale Kräfte zu formieren begannen, die im Hinblick auf die spätere Februarrevolution eine Rolle spielten.

Erstes Wartburgfest

Nach den Befiegen gegen Napoleon hoffte das Volk vor allem auf die deutsche Reichseinheit, die sich nach dem Wiener Kongress 1815 als Illusion erwies. Auch die versprochenen Verfassungen blieben aus; nur Sachsen-Weimar-Eisenach (seit 1815 Großherzogtum) erhielt durch Carl August eine Art demokratischer Verfassung (die erste dieser Art in Deutschland), die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschloss; die Jenaer Studenten – zuvor in den traditionellen Landsmannschaften organisiert – gründeten 1815 die Urburschenschaft, um deutsche Einheit an der Universität vorzuleben. Viele von ihnen hatten als Freiwillige (Lützowsches Freikorps) aktiv an den Feldzügen gegen Napoleon teilgenommen.

500 Deutsche Studenten und Professoren demonstrierten gegen die reaktionären Kräfte in den wieder entstandenen deutschen Kleinstaaten für einen Nationalstaat und eine freiheitliche Verfassung. Ihr Wahlspruch war: Ehre, Freiheit, Vaterland. Ihre Fahne hatte die Farben Schwarz-Rot-Gold.

Anlässlich des 300. Jahrestages des Thesenanschlags Martin Luthers (31. Oktober 1517) und im Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813) lud die Jenaer Burschenschaft Vertreter deutscher Universitäten am 18. Oktober 1817 auf die Wartburg bei Eisenach ein. Fünfhundert Studenten, das waren etwa ein Achtel der damaligen akademischen Jugend, erschienen; die Burschen kamen aus allen Teilen Deutschlands, die nördlichste vertretene Hochschule war die Universität Kiel. In der Folge des Wartburgfestes einigte man sich über die Gründung einer Allgemeinen Deutschen Burschenschaft als Gesamtverband.

Bücherverbrennung

Einen besonderen Punkt bildete die Bücherverbrennung, bei der unter Anleitung von Hans Ferdinand Maßmann und mit Billigung des abwesenden geistigen Vaters Friedrich Ludwig Jahn unter anderem ein Code Napoléon, das wegweisende französische Bürgerliche Gesetzbuch von 1804, die "Geschichte des deutschen Reichs" des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue, die „Germanomanie“ des jüdischen Schriftstellers Saul Ascher, ein preußisches Schnürleib, ein hessischer Zopf und ein österreichischer Korporalstock unter allgemeinem Jubel den Flammen überliefert wurden (siehe Liste der verbrannten Bücher 1817).

Für die reaktionären Herrscher war das Fest und die Ermordung von August von Kotzebue durch Karl Ludwig Sand 1819 eine willkommene Gelegenheit, gegen liberale Kräfte im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse vorzugehen.

Heinrich Heines Kommentar

Datei:DDR-Briefmarke Wartburgfest.jpg
DDR-Briefmarke zum Wartburgfest.

Das Zitat Heinrich Heines „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen." bezieht sich - entgegen einem weit verbreiteten Glauben - nicht auf die Bücherverbrennung während des Wartburgfestes 1817, sondern auf eine Verbrennung des Koran während der Eroberung des spanischen Granada durch christliche Ritter in seiner Tragödie "Almansor" (1821, Wortlaut siehe Bücherverbrennung).

Heine äußerte sich in "Ludwig Börne. Eine Denkschrift." (Viertes Buch) 1840 zum Wartburgfest: »Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren! (...) Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wußte als Bücher zu verbrennen! Ich sage Unwissenheit, denn in dieser Beziehung war jene frühere Opposition, die wir unter dem Namen »die Altdeutschen« kennen, noch großartiger als die neuere Opposition, obgleich diese nicht gar besonders durch Gelehrsamkeit glänzt. Eben derjenige, welcher das Bücherverbrennen auf der Wartburg in Vorschlag brachte, war auch zugleich das unwissendste Geschöpf, das je auf Erden turnte und altdeutsche Lesarten herausgab: wahrhaftig, dieses Subjekt hätte auch Bröders lateinische Grammatik ins Feuer werfen sollen!«

Spätere Wartburgfeste

Zweites Wartburgfest 1848

Das Zweite Wartburgfest vom 12. Juni 1848 steht von der Bekanntheit her hinter dem ersten Wartburgfest des Jahres 1817 zurück. Pfingsten 1848 ging es um die zukünftige Verfassung der deutschen Universitäten. Dazu trafen sich Studierende Vertreter fast aller deutschen Hochschulen, die damals im wesentlichen Studentenverbindungen angehörten, die allerdings untereinander durchaus nicht einig waren. Vom Historiker Paul Ssymank wurden die Teilnehmer in einen konservativen Flügel, bestehend aus 400-500 Angehörigen der alten Corps, des Wingolf und der teutonischen Burschenschaften, und einen linken Mehrheitsflügel, bestehend aus etwa 600-700 studierenden Angehörigen der dem Progress zuneigenden Burschenschaften und Corps, der Finkenschaft und österreichische wie süddeutsche Studenten.

Beseelt von Idealismus, dem Wunsch nach akademischer Freiheit und vor dem Hintergrund der Romantik, forderten die Studenten von der Frankfurter Nationalversammlung die Überführung der Universitäten in Nationaleigentum unter gesamtstaatlicher Finanzierungsverantwortung in akademischer Selbstverwaltung.


„Wartburgfest der deutschen Studentenschaft“ 1948

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand im Mai 1948 erneut ein „Wartburgfest“ in Eisenach statt, das mit dieser Namensgebung die geistige Tradition der beiden Vorläufer für sich reklamierte. Allerdings stand diese Veranstaltung bereits im Zeichen der fortschreitenden Spaltung Deutschlands, da es zeitgleich zu einem „Deutschen Studententag“ anlässlich der Wiedereröffnung der Frankfurter Paulskirche stattfand. Dieser war Anfang 1948 auf einem Interzonalen Studententag in Berlin von Vertretern aller vier Besatzungszonen verabredet worden und galt zugleich als letztes Vorbereitungstreffen für die schließlich im Januar 1949 erfolgte Gründung des Verbands Deutscher Studentenschaften (VDS). Allerdings blieben die zu dieser Zeit bereits von der SED dominierten Studentenräte der sowjetischen Besatzungszone dem Frankfurter Treffen demonstrativ fern und luden statt dessen die westdeutschen Hochschulen nach Eisenach ein. Laut FDJ-Zeitschrift „FORUM“ nahmen seinerzeit auch rund 100 Studenten aus den Westzonen sowie erstmals „fünfzig Vertreter der werktätigen Jugend“ an dem Treffen teil, außerdem mehrere hochrangige Partei- und Staatsvertreter der Ostzone.

Wartburgfeste des Wingolfsbundes

Der Wingolfsbund führt seit der Wiedervereinigung 1991 seine Wartburgfeste alle zwei Jahre in Eisenach durch. Während der deutschen Teilung fanden die Feste an verschiedenen Orten in der BRD statt.

Wartburgfeste der Deutschen Burschenschaft

Auch die Deutsche Burschenschaft führt seit der Wiedervereinigung jährlich ein Wartburgfest in Eisenach durch.

Siehe auch

Literatur

Zum Wartburgfest 1817:

  • Ernst Jung: Wartburgfest 1817: Aufbruch zur deutschen Einheit. Stuttgart: Landeszentrale für politische Einheit, 1991.
  • Klaus Malettke (Hrsg.): 175 Jahre Wartburgfest: 18. Oktober 1817–18. Oktober 1992. Heidelberg: Winter, 1992. ISBN 3-533-04468-8
  • Günter Steiger: Aufbruch: Urburschenschaft und Wartburgfest. Leipzig: Urania-Verl., 1967.

Zum Zweiten Wartburgfest 1848:

  • Friedrich Schulze, Paul Ssymank: Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart 1931. München 1932. S. 264-268.
  • Eckhard Oberdörfer: Das zweite Wartburgfest, die Rostocker Studenten und die Universitätsreform, in Einst und Jetzt Band 47, S. 73 (80 ff.).

Zum Wartburgfest 1948:

  • Detlev E. Otto: Studenten im geteilten Deutschland. Ein Bericht über die Beziehungen zwischen den Studentenschaften in Ost- und Westdeutschland 1945 bis 1958, hrsg. vom Verband Deutscher Studentenschaften, Bonn 1959 (hier insbes. S. 21 f.).