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Enigma-Uhr

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Enigma-Uhr

Die Enigma-Uhr (auch: Steckeruhr) ist ein Zusatzgerät zur ENIGMA, also der Rotor-Schlüsselmaschine, mit der die deutschen Militärs im Zweiten Weltkrieg ihre Funksprüche verschlüsselt haben.

Die „Uhr“ wurde ab dem 10. Juli 1944 von der deutschen Luftwaffe als Zusatz zur ENIGMA I eingeführt. Sie bewirkt ähnlich wie das Steckerbrett der ENIGMA eine Vertauschung der Buchstaben vor und nach dem Durchlaufen des Walzensatzes der Schlüsselmaschine.

Zur Beachtung!

Die Uhr wurde mit Hilfe von zwanzig Kabelpaaren mit dem Steckerbrett der ENIGMA verbunden. Die genaue Vorgehensweise war auf einer Plakette „Zur Beachtung!“ beschrieben, die sich auf der Innenseite des Gehäusedeckels der Uhr befindet:

1. Enigma-Uhr rechts am Kasten der Enigma einhängen.
2. Steckerverbindungen herstellen, dabei 1a und 1b gleich
1 Steckerverbindung.
3. Reihenfolge 1a-1b, 2a-2b bis 10a-10b einhalten und nach
den Schlüsselunterlagen von links nach rechts stecken.

Abhängig vom geltenden Tagesschlüssel war die Uhr mit den Steckbuchsen an der Frontplatte der ENIGMA zu verbinden. Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch einen Ausschnitt aus einer (damals) geheimen „Schlüsseltafel“, in der auch die Steckerverbindungen vorgeschrieben wurden. Beispielsweise für den 31. des Monats sind dies AD, CN, ET, FL, GI, JV, KZ, PU, QY und WX.

Tag UKW  Walzenlage  Ringstellung  ---- Steckerverbindungen ----
 31  B   I   IV III    16 26 08    AD CN ET FL GI JV KZ PU QY WX 
 30  B   II  V  I      18 24 11    BN DZ EP FX GT HW IY OU QV RS 
 29  B   III I  IV     01 17 22    AH BL CX DI ER FK GU NP OQ TY 

Bei Verwendung der Uhr waren die Steckerverbindungen anders als üblich nicht auf dem Steckerbrett der ENIGMA mit Hilfe von zehn doppelpoligen Kabeln zu stecken, sondern die Steckbuchsen des Steckerbretts waren mit der Uhr zu verbinden. Hierzu dienten zwanzig doppelpolige Kabelschnüre, die auf der einen Seite mit der Uhr verbunden waren und auf der anderen Seite mit doppelpoligen Steckern in das Steckerbrett der ENIGMA gesteckt wurden. Zehn der Kabel sind mit roter Farbe gekennzeichnet und die anderen zehn sind weiß markiert. Die jeweils obere Buchse eines Buchsenpaars des Steckerbretts der ENIGMA hat einen etwas größeren Durchmesser (4 mm) als die untere (3 mm), ebenso weisen die Kabelstecker der Uhr entsprechende unterschiedliche Durchmesser auf, so dass sie nur in einer Orientierung eingesteckt werden können.

Beim Stecken der Verbindungen entsprechend der Schlüsselunterlagen war die folgende Reihenfolge einzuhalten. Zuerst wurde der rot gekennzeichnete erste Doppelstecker (1a) der Uhr in die doppelpolige Steckbuchse der ENIGMA zu stecken, die als erste im Tagesschlüssel genannt wurde, also „A“. Der weiße Doppelstecker (1b) war dann in die Buchse für den zweiten Buchstaben, hier „D“ zu stecken und so weiter bis zum zehnten Paar. Hier war im Beispiel der rote Stecker (10a) in die Buchse „W“ und der weiße (10b) in die Buchse „X“ des Steckerbretts der ENIGMA einzustecken.

Innerhalb der Uhr werden die Buchstaben mit Hilfe von zwei im Kreis angeordneten konzentrischen Kontaktreihen aus jeweils vierzig Kontakten vertauscht, die untereinander nach einem festen Schema jeweils paarweise verdrahtet waren (Abkürzungen: ws = weiß, rt = rot).

Ausgang (ws)  Uhrkontakt (ws)  Uhrkontakt (rt)  Eingang (rt)
07b (dick)    00               00               01a (dick)
              01               01
07b (dünn)    02               02               01a (dünn)
              03               03
01b (dick)    04               04               02a (dick)
              05               05
01b (dünn)    06               06               02a (dünn)
              07               07
08b (dick)    08               08               03a (dick)
              09               09
08b (dünn)    10               10               03a (dünn)
              11               11
06b (dick)    12               12               04a (dick)
              13               13
06b (dünn)    14               14               04a (dünn)
              15               15
02b (dick)    16               16               05a (dick)
              17               17
02b (dünn)    18               18               05a (dünn)
              19               19
09b (dick)    20               20               06a (dick)
              21               21
09b (dünn)    22               22               06a (dünn)
              23               23
05b (dick)    24               24               07a (dick)
              25               25
05b (dünn)    26               26               07a (dünn)
              27               27
03b (dick)    28               28               08a (dick)
              29               29
03b (dünn)    30               30               08a (dünn)
              31               31
10b (dick)    32               32               09a (dick)
              33               33
10b (dünn)    34               34               09a (dünn)
              35               35
04b (dick)    36               36               10a (dick)
              37               37
04b (dünn)    38               38               10a (dünn)
              39               39

Der Drehschalter (in der Mitte) hat vierzig Stellungen (00 bis 39). Jede Stellung bewirkt eine unterschiedliche Vertauschung von jeweils zwanzig Buchstaben. Die restlichen sechs Buchstaben des Alphabets bleiben „ungesteckert“ und werden nicht vertauscht.

Anders als das Steckerbrett der ENIGMA, das stets eine involutorische Permutation hervorruft, sind die durch die Uhr bewirkten Buchstabenpermutationen jedoch nichtinvolutorisch. Dies hat große kryptographische Vorteile und macht die ENIGMA mit Uhr wesentlich widerstandsfähiger gegen Entzifferungsangriffe als ohne Uhr. Allerdings wurde sie von der Luftwaffe – vermutlich aufgrund kriegsbedingter Produktionsengpässe – nur vereinzelt eingesetzt.

Die innere Verdrahtung der Uhr ist so gestaltet, dass in jeder vierten Position des Drehschalters eine involutorische Permutation erzeugt wird, während sie in allen anderen Stellungen nichtinvolutorisch ist. In Stellung „00“ des Drehknopfes sind die Vertauschungen identisch zu den äußeren Steckerverbindungen.

Alphabete

Die einzustellende Position des Drehschalters musste dem befugten Empfänger des verschlüsselten Funkspruchs separat zum Tagesschlüssel mitgeteilt werden. Die geschah in den ersten Wochen der Verwendung der Uhr durch Angabe der in Worten ausgedrückten Zahl, die die Position des Drehschalters beschrieb, also einer Angabe zwischen „Null“ und „Drei Neun“. Ab dem 2. November 1944 wurde die Stellung des Drehschalters in Form von vier Buchstaben codiert. Hierbei kamen zwei Alphabete zur Anwendung, die im Inneren des Gehäusedeckels auf einer Plakette angegeben sind.

Alphabet I
     0              1              2              3
A B C D E F   G H I J K L M   N O P Q R S   T U V W X Y Z

Alphabet I
  0      1      2      3      4      5      6      7      8       9 
A B C   D E   F G H   I J   K L M   N O   P Q R   S T   U V W   X Y Z

Will man beispielsweise die Schalterposition „39“ codieren, so benutzt man für die erste Ziffer, also „3“, einen Ersatzbuchstaben aus dem Alphabet I und für die zweite Ziffer, also „9“, einen Buchstaben des Alphabets II. Zur Sicherung gegen Übertragungsfehler (Redundanz) wird jede Ziffer zweimal hintereinander codiert, also verdoppelt. Aus „39“ wird so „3399“ und anschließend beispilsweise „TZXY“. Der Empfänger kann mit seinen beiden identischen Alphabeten dies wieder in „3399“ zurückübersetzen und weiß dann, dass er zur Entschlüsselung den Schalter in Stellung „39“ zu drehen hat.

Literatur

  • Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse, Methoden und Maximen der Kryptographie. Springer, Berlin 2000 (3. Aufl.). ISBN 3-540-67931-6
  • Philip C. Marks: Umkehrwalze D: Enigma's rewirable reflector - Part I. Cryptologia 25(1), 2001, pp. 101-141.
  • Michael Pröse: Chiffriermaschinen und Entzifferungsgeräte im Zweiten Weltkrieg - Technikgeschichte und informatikhistorische Aspekte. Dissertation Leipzig 2004, pp. 40-41. PDF; 7,9 MB
  • Heinz Ulbricht: Die Chiffriermaschine Enigma – Trügerische Sicherheit. Ein Beitrag zur Geschichte der Nachrichtendienste. Dissertation Braunschweig 2005, pp. 11-13. PDF; 4,7 MB
  • Heinz Ulbricht: Enigma Uhr. Cryptologia 23(3), 1999, pp. 193-205.
  • HeinzUlbricht: The Enigma-Uhr. In Hugh Skillen (Herausgeber): The Enigma Symposium, Bath, 2000.