Enigma-Uhr

Die Enigma-Uhr (auch: Steckeruhr) ist ein Zusatzgerät zur ENIGMA, also der Rotor-Schlüsselmaschine, mit der die deutschen Militärs im Zweiten Weltkrieg ihre Funksprüche verschlüsselt haben.
Die „Uhr“ wurde ab dem 10. Juli 1944 von der deutschen Luftwaffe als Zusatz zur ENIGMA I eingeführt. Sie bewirkt ähnlich wie das Steckerbrett der ENIGMA eine Vertauschung der Buchstaben vor und nach dem Durchlaufen des Walzensatzes der Schlüsselmaschine.

Die Uhr wurde mit Hilfe von dreizehn Kabelpaaren mit dem Steckerbrett der ENIGMA verbunden. Die genaue Vorgehensweise war auf einer Plakette „Zur Beachtung!“ beschrieben, die sich auf der Innenseite des Gehäusedeckels der Uhr befindet:
1. Enigma-Uhr rechts am Kasten der Enigma einhängen.
2. Steckerverbindungen herstellen, dabei 1a und 1b gleich
1 Steckerverbindung.
3. Reihenfolge 1a-1b, 2a-2b bis 10a-10b einhalten und nach
den Schlüsselunterlagen von links nach rechts stecken.
Abhängig vom geltenden Tagesschlüssel war die Uhr mit den Steckbuchsen an der Frontplatte der ENIGMA zu verbinden. Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch einen Ausschnitt aus einer (damals) geheimen „Schlüsseltafel“, in der auch die Steckerverbindungen vorgeschrieben wurden. Beispielsweise für den 31. des Monats sind dies AD, CN, ET, FL, GI, JV, KZ, PU, QY und WX.
Tag UKW Walzenlage Ringstellung ---- Steckerverbindungen ---- 31 B I IV III 16 26 08 AD CN ET FL GI JV KZ PU QY WX 30 B II V I 18 24 11 BN DZ EP FX GT HW IY OU QV RS 29 B III I IV 01 17 22 AH BL CX DI ER FK GU NP OQ TY
Bei Verwendung der Uhr waren die Steckerverbindungen anders als üblich nicht auf dem Steckerbrett der ENIGMA mit Hilfe von zehn doppelpoligen Kabeln zu stecken, sondern die Steckbuchsen des Steckerbretts waren mit der Uhr zu verbinden. Hierzu dienten zwanzig doppelpolige Kabelschnüre, die auf der einen Seite mit der Uhr verbunden waren und auf der anderen Seite mit doppelpoligen Steckern in das Steckerbrett der ENIGMA gesteckt wurden. Zehn der Kabel war mit roter Farbe gekennzeichnet und die anderen zehn waren weiß. Die jeweils obere Buchse eines Buchsenpaars des Steckerbretts der ENIGMA hat einen etwas größeren Durchmesser (4 mm) als die untere (3 mm), ebenso weisen die Kabelstecker der Uhr entsprechende unterschiedliche Durchmesser auf, so dass sie nur in einer Orientierung eingesteckt werden können.
Der Drehschalter (in der Mitte) hat vierzig Stellungen (00 bis 39). Jede Stellung bewirkt eine unterschiedliche Vertauschung von jeweils zwanzig Buchstaben. Die restlichen sechs Buchstaben des Alphabets bleiben „ungesteckert“ und werden nicht vertauscht.
Anders als das Steckerbrett der ENIGMA, das stets eine involutorische Permutation hervorruft, sind die durch die Uhr bewirkten Buchstabenpermutationen jedoch nichtinvolutorisch. Dies hat große kryptographische Vorteile und macht die ENIGMA mit Uhr wesentlich widerstandsfähiger gegen Entzifferungsangriffe als ohne Uhr. Allerdings wurde sie von der Luftwaffe – vermutlich aufgrund kriegsbedingter Produktionsengpässe – nur vereinzelt eingesetzt.
Die innere Verdrahtung der Uhr ist so gestaltet, dass in jeder vierten Position des Drehschalters eine involutorische Permutation erzeugt wird, während sie in allen anderen Stellungen nichtinvolutorisch ist. In Stellung „00“ des Drehknopfes sind die Vertauschungen identisch zu den äußeren Steckerverbindungen.

Literatur
- Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse, Methoden und Maximen der Kryptographie. Springer, Berlin 2000 (3. Aufl.). ISBN 3-540-67931-6
- Philip C. Marks: Umkehrwalze D: Enigma's rewirable reflector - Part I. Cryptologia 25(1), 2001, pp. 101-141.
- Michael Pröse: Chiffriermaschinen und Entzifferungsgeräte im Zweiten Weltkrieg - Technikgeschichte und informatikhistorische Aspekte. Dissertation Leipzig 2004, pp. 40-41. PDF; 7,9 MB
- Heinz Ulbricht: Die Chiffriermaschine Enigma – Trügerische Sicherheit. Ein Beitrag zur Geschichte der Nachrichtendienste. Dissertation Braunschweig 2005, pp. 11-13. PDF; 4,7 MB
- Heinz Ulbricht: Enigma Uhr. Cryptologia 23(3), 1999, pp. 193-205.
- HeinzUlbricht: The Enigma-Uhr. In Hugh Skillen (Herausgeber): The Enigma Symposium, Bath, 2000.