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Altjapanische Sprache

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Altjapanisch (jap. 上代日本語 jōdai nihongo bzw. 上古日本語 jōko nihongo) ist die älteste bestätigte Form der japanischen Sprache.

Eine genaue Datierung der Zeitspanne gestaltet sich schwierig. Die obere Grenze für diesen Zeitraum ist 794 als die Hauptstadt von Heijō-kyō nach Heian-kyō verlegt wurde. Die untere wiederum ist unklar. Es wurden zwar Holztafeln und Relikte mit Schriftfragmenten ausgegraben, aber der erste vorhandene Text von größerer Länge ist das Kojiki von 712. Ohne die kleinen Textfragmente notwendigerweise auszuschließen wird aus praktischen Gründen dies Datum als untere Grenze diskutiert. Dies passt zufälligerweise gut zur Nara-Zeit (710–794). Gefolgt wurde s vom klassischem Japanisch.

Die ältesten schriftlichen Quellen sind das Kojiki (712), Fudoki (720), Nihonshoki (720) und Man'yōshū (nach 771).

Japanisch wurde in dieser Zeit größtenteils mit chinesischen Schriftzeichen, genannt Man'yōgana, geschrieben. Diese standen nicht für bestimmte Bedeutungen sondern Laute, sodass die ungefähre Aussprache, aber keine bestimmten Schlüsse, abgeleitet werden können. Neuere Forschungen im Bereich von vergleichenden Studien der Aussprache des Chinesischen jener Zeit, der Ryukyu-Sprachen und der umgekehrten Analyse des diachronischen Wechels in der japanischen Aussprache führten jedoch zu einem genaueren Verständnis der Laute im Altjapanischen. Obwohl der Großteil der Schriftstücke jener Zeit die Sprache des Nara-Hofes in Zentraljapan repräsentiert, sind einige Gedichte im Man'yōshū in anderen Dialekten aus Süd- und Ostjapan verfasst. Einiger dieser Dialektunterschiede lassen sich auch heute noch finden.

Altjapanisch unterscheidet sich phonetisch von späteren Sprachstufen. Eine Analyse der Man'yōgana führte eine besonderes System bekannt als Jōdai Tokushu Kanazukai zu Tage. Im Phonem-Abschnitt wird genauer darauf eingegangen.

Die Transkriptionen der altjapanischen Worte im Kojiki unterscheiden sich von jenen im Nihonshoki und Man'yōshū, da ersteres im Gegensatz zu letzteren beiden die Silben /mo1/ und /mo2/ unterscheidet. Dies wird damit in Zusammenhang gebracht, dass die historischen Aufzeichnungen des Kojiki früher zusammengestellt wurden als jene im Nihonshoki, wodurch diese, kurz danach verschwundene, ältere Unterscheidung erhalten wurde.

Die moderne japanische Silbe [tsu] leitet sich von der Affrikation des [t] vor [u] im altjapanischen [tu] ab und das moderne [zu] gleichfalls vom frühmodernen [dzu] und alten [du]. Bestimmte moderne Dialekte behalten diese Unterscheidung zwischen [z] und [dz], z.B. [midzu] für mizu (Wasser) im So wird im Nagoya-Dialekt. Ein ähnlicher Prozess der Palatalisierung mündete im modernen [tɕi] aus klassischem sowien altem [ti]. Allerdings kann nicht nachgewiesen werden wann /ti/ palatalisiert wurde. Es könnte jedoch ein Affrikat im Altjapanischen gewesen sein.

Andere Charakteristiken die altes von modernem Japanisch unterscheiden sind:

Einige Wissenschaftler weisen auf eine Verbindung zwischen dem Altjapanischen und ausgestorbenen Sprachen der koreanischen Halbinsel, wie der Goguryeo-Sprache, hin. Ein Nachweis der Verwandtschaft zwischen Japanisch und einer anderen als den Ryukuyu-Sprachen konnte bisher jedoch nicht erbracht werden (siehe auch Japanisch-Ryukyu für weitere Details).

Phoneme

Altjapanisch unterschied zwischen folgenden 88 Silben:

a i u e o
ka ki1 ki2 ku ke1 ke2 ko1 ko2
ga gi1 gi2 gu ge1 ge2 go1 go2
sa si su se so1 so2
za zi zu ze zo1 zo2
ta ti tu te to1 to2
da di du de do1 do2
na ni nu ne no1 no2
ha hi1 hi2 hu he1 he2 ho
ba bi1 bi2 bu be1 be2 bo
ma mi1 mi2 mu me1 me2 mo1 mo2
ya   yu ye yo1 yo2
ra ri ru re ro1 ro2
wa wi   we wo

Kurz nach dem Kojiki verschwand schnell die Unterscheidung zwischen mo1 und mo2 und verringerte die Silbenanzahl auf 87.

Viele Hypothesen wurden vorgeschlagen um die Silbendopplungen zu erklären, u.a.:

  • ein 8-Vokal-System,
  • Palatalisierung der vorangegangenen Konsonanten und
  • ein 6-Vokal-System.

Diese Angelegenheit wird derzeit stark diskutiert, so dass kein allgemeiner Konsens herrscht.

Transkription

Bei der Transkription soll bedacht werden, dass damit nicht notwendigerweise eine Hypothese unterstützt wird und die tiefgestellte 1 oder 2 sich auf den Konsonanten oder Vokal beziehen kann.

Es gibt verschiedenen konkurrierende Transkriptionssysteme. Ein beliebtes ist es eine Diaräse über den Vokal zu schreiben: ï, ë, ö. Dies steht typischerweise für i2, e2 und o2, womit die unmarkierten i, e und o i1, e1 und o1 sind. Verschiedene Probleme entstehen mit diesem System:

  • Es impliziert indirekt eine besondere Aussprache des Vokals.
  • Es vernachlässigt eine Unterscheidung von Worten bei denen der 1/2-Unterschied unklar ist, wie /to/ in /toru/ oder /kaditori/.

Ein anderes System benutzt hoch- statt tiefgestellten Zahlen.

Phonologische Regeln

Die Vokaltypen in einem einzelnen Morphem unterlagen bestimmten phonologischen Einschränkungen:

  • -o1 und -o2 kommen nicht gemeinsam vor,
  • -u und -o2 kommen im Allgemeinen nicht gemeinsam vor und
  • -a und -o2 kommen im Allgemeinen nicht gemeinsam vor.

Diese Regeln deuten auf 2 Vokalgruppen hin: /-a, -u, -o1/ und /o2/. Vokale aus einer Gruppe vermischen sicht nicht mit denen der anderen; -i1 und -i2 können mit beiden Gruppen vorkommen. Einige deuten dieses Phänomen als Hinweis auf eine Vokalharmonie des Altjapanischen wie sie in altaischen Sprachen auftritt.

Phonetik

Vokale

Eine phonetische Beschreibung der Vokale hängt von der Hypothese ab, der gefolgt wird.

Konsonanten

/k, g/
[k, g]
/s, z/
Theorien für /s, z/ sind u.a. [s, z], [ts, dz] und [ʃ, ʒ]. Die Aussprache könnte, wie im modernen Japanisch, vom folgendem Vokal abhängen.
/t, d/
[t, d]
/n/
[n]
/h/
/h/ wurde phonetisch als [ɸ] realisiert. Diese Annahme wurde durch folgende textuelle und phonologische Analysen vorhergesagt:
  • Das moderne /h/ verursacht eine Diskrepanz in der Paarung der stimmlosen gegenüber den stimmhaften Konsonanten. Bei /k, g/, /s, z/, /t, d/ und schließlich /h, b/ passt das Paar /h, b/ nicht, da die stimmlose Variante von /b/ /p/ ist.
  • Vergleiche mit den Ryukyu-Sprachen zeigen [p] wo im Japanischen [h] gesprochen wird. Da sich beide Sprachen irgendwann in der Vergangenheit getrennt haben, kann dies als Beweis genommen werden, dass das japanische [h] einst wie das ryukyuische [p] gesprochen wurde. Allerdings betrifft dieser Vergleich nicht direkt die Aussprache im Altjapanischen.
  • Ein Blick auf das moderne /h/ zeigt dass es als [ɸ] gesprochen wird, wenn ein /u/ folgt. Ein weiterer Blick zurück zeigt, dass portugiesische Missionare, die Japan im frühen 17. Jahrhundert besuchten, die gesamte /h/-Kana-Reihe als „fa, fi, fu, fe, fo“ schrieben. Koreanische Besucher im selben Jahrhundert legen einen stimmlosen labialen Frikativ nahe, z.B. [ɸ].
  • Der älteste Hinweis ist aus dem 9. Jahrhundert. 842 beschreibt der Mönch Ennin im Zaitōki, dass das Sanskrit-p labialer ist als das Japanische.
Die allgemeine Meinung ist, dass zwischen dem 9. und 17. Jahrhundert /h/ als [ɸ] gesprochen wurde. Die Dialekt- und Verteilungshinweise deuten darauf hin, dass es zu irgendeiner Zeit ein [p] gewesen sein muss. Allerdings war dies vermutlich vor dem Altjapanischem.
/m/
[m]
/y/
[j]
/r/
[r]
/w/
[w]

Silbenstruktur

Die altjapanische Silbe war KV (Konsonant-Vokal). Das einleitende K konnte leer sein. Ein bloßer Vokal tritt aber nur am Wortanfang auf. Stimmhafte Konsonanten und /r/ kommen nicht am Wortanfang vor, ausgenommen bei 2 Lehnwörtern /rikizimahi1/ und /rokuro/.

Vokalelisionen fanden statt um Vokalhäufungen vorzubeugen:

  • der einleitende Vokal wird weggelassen: /ara/ + /umi1/ → /arumi1/,
  • Der folgende Vokal wird weggelassen: /hanare/ + /iso1/ → /hanareso1/,
  • zwei aufeinander folgende Vokale verschmelzen zu einem neuen: i1 + a → e1, a + i1 → e2, o2 + i1 → i2 oder
  • /s/ wird zwischen zwei Vokalen eingefügt: /haru/ + /ame2/ → /harusame2/. Es ist möglich das /ame2/ früher mal */same2/ war.

Grammatik

Pronomen

  • Personalpronomen:
    • 1. Person: wa, a, ware, are
    • 2. Person: na, nare, masi, mimasi, imasi, ore
    • 3. Person: si
    • Interrogativ: ta, tare
    • Reflexiv: ono, (onore)
  • Demonstrativpronomen:
    • Proximal: ko, kore, koko, koti
    • Nicht-proximal: so, si, soko
    • Distal: ka, kare
    • Interrogativ: idu, idure, iduti, iduku, idura

Verben

Altjapanisch unterschied zwischen 8 Verbkonjugationen: vierstufige (四段 yondan), obere einstufige (上一段 kami ichidan), obere zweistufige (上二段 kami ichidan), untere zweistufige (下二段 shimo nidan), K-unregelmäßige (カ変 ka-hen), S-unregelmäßige (サ変 sa-hen), N-unregelmäßige (ナ変 na-hen) und R-unregelmäßige (ラ ra-hen). Untere einstufige Verben (下一段 shimo ichidan) sind noch nicht vorhanden.

Konjugation

Verbklasse Mizenkei
未然形
Irrealisform
Renyōkei
連用形
Konjunktionalform
Shūshikei
終止形
Schlussform
Rentaikei
連体形
Attributivform
Izenkei
已然形
Realisform
Meireikei
命令形
Imperativform
vierstufige -a -i1 -u -u -e2 -e1
obere einstufige - - -ru -ru -re -(yo2)
obere zweistufige -i2 -i2 -u -uru -ure -i2(yo2)
untere zweistufige -e2 -e2 -u -uru -ure -e2(yo2)
K-unregelmäßige -o2 -i1 -u -uru -ure -o2
S-unregelmäßige -e -i -u -uru -ure -e(yo2)
N-unregelmäßige -a -i -u -uru -ure -e
R-unregelmäßige -a -i -i -u -e -e

Thematische und athematische Stämme

Verben deren Stamm mit einem Konsonant endet, werden als athematisch bezeichnet. Diese folgen einer vierstufigen, obere zweistufigen, S-, R-, K- oder N-unregelmäßigen Konjugation.

Verben deren Stamm mit einem Vokal endet, werden als thematisch bezeichnet. Diese folgen einer oberen einstufigen Konjugation.

Unregelmäßige Verben

Es gibt einige Verben mit unregelmäßigen Konjugationen.

  • K-unregelmäßig: k- „kommen“
  • S-unregelmäßig: s- „tun“
  • N-unregelmäßig: sin- „sterben“, in- „gehen, sterben“
  • R-unregelmäßig: ar- „sein“, wor- „sein“

Die Konjugationsklassen werden nach dem letzten Stammkonsonanten benannt.

Adjektive

Es gab 2 Arten von Adjektiven: reguläre Adjektive und adjektivische Nomen.

Die regulären Adjektive werden nochmals in 2 Typen eingeteilt: jene bei denen die Renyōkei auf -ku und jene bei denen sie auf –siku endet. Damit gibt es zwei Flexionstypen:

Stamm Mizenkei Renyōkei Shūshikei Rentaikei Izenkei Meireikei
-ku -ke1 -ku -si -ki1 -ke1 oder -ke1re  
-kara -kari -si -karu -kare -kare
-siku -sike1 -siku -si -siki1 -sike1 oder -sike1re  
-sikara -sikari -si -sikaru -sikare -sikare

Die -kar- und -sikar-Formen sind vom Verb ar- („sein“) abgeleitet. Die Renyōkei-Flexion (-ku oder -siku) bekommt ar- als Suffix. Die Flexion folgt der R-unregelmäßigen Konjugation von diesem. Da das Altjapanische Vokalgruppen vermeidet geht das resultierende -ua- zu -a- über.

Die adjektivischen Nomen besitzen nur eine Flexion:

Stamm Mizenkei Renyōkei Shūshikei Rentaikei Izenkei Meireikei
Adjektivisches Nomen -nara -nari -nari -naru -nare -nare

Partikel

Verbindung mit Mizenkei

Stamm Mizenkei Renyōkei Shūshikei Rentaikei Izenkei Meireikei Funktion
ba nicht flektierbar Konditionalis
h- -a -i -u -u -e -e Wiederholung
ray- -e           Potentialis
r-/y- -e -e -u -uru -ure -e(yo) 1) Passiv, 2) Potentialis, 3) Spontanität
s- -a -i -u -u -e -e Höflichkeitsform
s- -e -e -u -uru -ure -e(yo) 1
sim- -e -e -u -uru -ure -e(yo) Kausativ2
zu   Negation
  1. Bildete transitive und kausative Verben und diente auch als leichte Höflichkeitsform.
  2. Spätere Verwendung als Höflichkeitsform noch nicht vorhanden.

Verbindung mit Renyōkei

Stamm Mizenkei Renyōkei Shūshikei Rentaikei Izenkei Meireikei Funktion
ker- -a   -i -u -e   modale Vergangenheit
(ki) se   ki si sika   direkte Vergangenheit
masiz-     -i -iki     negative Annahme1
tar- -a -i -i -u -e -e Perfektiv
  1. Entwickelt sich zu späterem maz-.

Verbindung mit Shūshikei

Stamm Mizenkei Renyōkei Shūshikei Rentaikei Izenkei Meireikei Funktion
mer-   -i -i -u -e   starke Annahme
nar-     -i -u -e   Hörensagen
ras-     -i -iki -ikere   Mutmaßung

Verbindung mit Rentaikei

Stamm Mizenkei Renyōkei Shūshikei Rentaikei Izenkei Meireikei Funktion
nar- -a -i -i -u -e -e Kopula

Verbindung mit Izenkei

  • ba: Markiert eine Bedingung oder einen Grund (siehe Mizenkei-ba; nicht flektierbar)

Verbindung mit Meireikei

Stamm Mizenkei Renyōkei Shūshikei Rentaikei Izenkei Meireikei Funktion
r- -a -i -i -u -e -e Perfekt

Andere

  • tu: Possessiv, ähnlich zu -ga und -no
  • yo, yu, yori, yuri: Markieren den zeitlichen oder räumlichen Ort einer Handlung (nicht flektierbar).
  • namo, namu: Bekräftigung
  • zo: Bekräftigung
  • ya: Interrogativ
  • koso: Bekräftigung

Dialekte

Das Man'yōshū enthält Gedichte die in einem östlichen Dialekt geschrieben wurden.

Proto-Japanisch

4-Vokal-System

Die folgenden Verkürzungen fanden statt:

  • *ia > /e1/
  • *ai1 > /e2/
  • *ui1 > /i2/
  • *o2i1 > /i2/
  • *au > /o1/
  • *ua > /o1/

Damit kann das Proto-Vokalsystem als /*a, *i, *u, *o2/ rekonstruiert werden.

/h/ < *[p]

Während das Altjapanische /h/ als [ɸ] ausgesprochen, war es beim Proto-Japanischen sehr wahrscheinlich *[p].

Ko1 als Kwo

Verteilungsgemäß mag es einst *ho1, *ho2 und *bo1, bo2 gegeben haben. Die Unterscheidung zwischen /mo1/ und /mo2/ kommt nur im Kojiki vor und verschwand danach. Wenn das war ist, dann wurden Ko1 und Ko2 für alle Kombinationen außer /wo/ unterschieden. Von einigen wird dies als unterstützendes Argument angesehen, dass Ko1 für Kwo stehen mag.

Quellen

  • 澤瀉 久孝: 時代別国語大辞典:上代編. 三省堂, 1967, ISBN 4-385-13237-2
  • 山口 明穂, 鈴木英夫, 坂梨隆三, 月本幸: 日本語の歴史. 東京大学出版会, 1997, ISBN 4-13-082004-4
  • 大野 晋: 日本語の形成. 岩波書店, 2000, ISBN 4-00-001758-6
  • Samuel E. Martin: The Japanese Language Through Time. Yale University, 1987, ISBN 0-300-03729-5
  • Marc Hideo Miyake: Old Japanese. A phonetic reconstruction. RoutledgeCurzon, London, New York 2000, ISBN 0-415-30575-6
  • Masayoshi Shibatani: The languages of Japan. Cambridge University Press, 2000, ISBN 0-521-36918-5