Heiner Geißler
Heinrich „Heiner“ Geißler (* 3. März 1930 in Oberndorf am Neckar) ist ein deutscher Politiker (CDU).
Er war von 1982 bis 1985 Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit und von 1977 bis 1989 Generalsekretär der CDU.
Leben und Beruf
Mit 14 Jahren wurde er in der Endphase des Zweiten Weltkrieges zum Schanzdienst eingezogen; kurze Zeit später gelang ihm mit einem Schulkameraden die Flucht und er konnte unerkannt heimkehren. Nach dem Abitur 1949 am Kolleg St. Blasien trat er mit 19 Jahren dem dortigen Jesuitenorden bei, verließ ihn jedoch nach drei Jahren wieder. Geißler absolvierte das Studium der Philosophie an der Hochschule der Jesuiten in München und ein Studium der Rechtswissenschaften in München und Tübingen, welches er 1957 mit dem ersten und 1962 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen beendete. 1960 erfolgte seine Promotion zum Dr. jur. mit der Arbeit Das Recht der Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes. Er war dann 1962 zunächst als Richter am Amtsgericht Stuttgart tätig und von 1962 bis 1965 als Regierungsrat Leiter des Ministerbüros des Arbeits- und Sozialministers des Landes Baden-Württemberg.
Heiner Geißler ist verheiratet und hat drei Kinder.
Partei
Geißler ist Mitglied der CDU. Von 1961 bis 1965 war er Landesvorsitzender der Jungen Union Baden-Württemberg. 1977 wurde er zum Generalsekretär der CDU gewählt. Auf dem Bundesparteitag der CDU im September 1989 wurde Geißler nicht erneut als Generalsekretär vorgeschlagen, nachdem sich zwischen ihm und Helmut Kohl erhebliche Differenzen über den weiteren Kurs der CDU entwickelt hatten. Er gehörte danach bis 1998 dem Präsidium der CDU an. Von 1994 bis 2002 war er Mitglied im CDU-Bundesvorstand. Er zählte ab Mitte der 1980er zu den führenden parteiinternen Kritikern der Politik von Helmut Kohl und trat stets für eine stärkere soziale Ausrichtung der CDU ein. In seinen Veröffentlichungen greift er oft alle Parteien, auch seine eigene, wegen ihrer seiner Meinung nach meist zu kapitalistischen Programme an und wirbt für eine sozialere Politik im Sinne der Katholischen Soziallehre. Er setzt sich auch seit mehreren Jahren für christliche Minderheiten ein, etwa im Sudan.
Abgeordneter
Von 1965 bis zur Niederlegung seines Mandates am 11. Oktober 1967 nach seiner Berufung zum Sozialminister in die Landesregierung von Rheinland-Pfalz sowie von 1980 bis 2002 war Geißler Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Generalsekretärs der CDU im Jahre 1989 nach der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Jahr 1990 von Januar 1991 bis Oktober 1998 Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Von 1971 bis 1979 gehörte Geißler zudem als gewählter Abgeordneter dem Landtag von Rheinland-Pfalz an.
In einer Bundestagsdebatte zum NATO-Doppelbeschluss am 15. Juni 1983 führte Geißler zu den Angriffen der Anti-NATO-Bewegung zum NATO-Doppelbeschluss gegen die atomare Aufrüstung der seinerzeitigen Sowjetunion unter Bezug auf einen Auschwitz-Vergleich des Grünen-Abgeordneten Joschka Fischer grundsätzlich aus:
- [...], die Massenvernichtung in Auschwitz gedanklich in Verbindung zu bringen mit der Verteidigung der atomaren Abschreckung eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, dies gehört ebenfalls in das Kapitel der Verwirrung der Begriffe und der Geister, die wir jetzt bestehen müssen. Herr Fischer, ich mache Sie als Antwort auf das, was Sie dort gesagt haben, auf folgendes aufmerksam: Der Pazifismus der 30er Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem heutigen unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der 30er Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.
Entgegen der nachhaltigen Unterstützung aus den Reihen der Befürworter des NATO-Doppelbeschlusses wurde Geißler von einzelnen Abgeordneten anderer Fraktionen daraufhin u. a. „Geschichtsklitterung“ vorgeworfen. So fragte die linksliberale FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher in diesem Zusammenhang, „was denn der Pazifismus mit dem Judenhass in Deutschland zu tun habe“.
Heiner Geißler zog 1965 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Reutlingen und danach stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Südpfalz in den Bundestag ein.
Öffentliche Ämter
Am 18. Mai 1967 wurde er als Sozialminister in die von Ministerpräsident Peter Altmeier geführte Landesregierung des Landes Rheinland-Pfalz berufen. Dieses Amt behielt er auch unter dem seit dem 19. Mai 1969 amtierenden Ministerpräsidenten Helmut Kohl. Ab dem 18. Mai 1971 war er dann Minister für Soziales, Gesundheit und Sport. Er gehörte auch der von Bernhard Vogel ab dem 2. Dezember 1976 geleiteten Landesregierung an. Am 23. Juni 1977 schied er aus dem Landeskabinett aus.
Vom 4. Oktober 1982 bis zum 26. September 1985 war er Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit in der von Bundeskanzler Helmut Kohl geführten Bundesregierung.
Kritik
1977 hatte Geißler eine Broschüre zu verantworten, in der er viele linke und liberale Kulturschaffende und Politiker der BRD als „Sympathisanten des Terrors“ (der RAF) denunzierte, darunter Helmut Gollwitzer, Heinrich Albertz, Günter Wallraff, Herbert Marcuse und Bundesinnenminister Werner Maihofer.
Willy Brandt warf Geißler am 12. Mai 1985 vor, der „schlimmste Hetzer seit Goebbels zu sein“ und bezog sich damit eindeutig auf Geißlers Pazifismus-Auschwitz-Vergleich.
Später zeichnete sich Geißler durch verhältnismäßig liberale Positionen aus, wobei er Gegner und Parteifreunde, die nicht seiner Auffassung sind, als „ultrakonservativ“, „turbokapitalistisch“, „neoliberal“, „rückwärtsgewandt“ oder „von gestern“ bezeichnete. Basierend auf seiner Kritik an der Globalisierung trat er 2007 der Organisation Attac bei.
Sonstiges
Heiner Geißler ist passionierter Bergsteiger und Gleitschirmflieger. Seit 1992 ist er Vorsitzender, seit 2004 Ehrenvorsitzender des „Kuratoriums Sport und Natur e. V.“ Am 18. Oktober 1992 zog sich Geißler durch einen Sturz beim Gleitschirmfliegen in der Südpfalz schwere Verletzungen zu.
Geißler ist ein gefragter Redner und Gast in Diskussionssendungen. 2005 moderierte er gemeinsam mit Peter Glotz eine monatliche Sendung (Glotz & Geißler) auf n-tv.
Geißler besitzt einen Weinberg in der Südpfalz (Weinlage „Gleisweiler Hölle“).
Geißler ist Alter Herr der Studentenverbindung K.St.V. Alamannia im Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine zu Tübingen.
In einem Interview mit Spiegel Online im Mai 2007 erklärt Geißler seinen Beitritt zur globalisierungskritischen Organisation Attac. Er erklärt dies mit der von Attac angestrebten „friedlichen Entwicklung der Menschheit“, die er unterstützen wolle. Eine Mitgliedschaft in der CDU spreche nicht gegen ein Engagement als Globalisierungskritiker. [1]
Veröffentlichungen
- Die neue soziale Frage (1976)
- Abschied von der Männergesellschaft (1986)
- Zugluft – Politik in stürmischer Zeit (1990)
- Heiner Geißler im Gespräch mit Gunter Hofmann und Werner Perger (1993)
- Gefährlicher Sieg (1995)
- Der Irrweg des Nationalismus (1995)
- Bergsteigen (1997)
- Das nicht gehaltene Versprechen (1997)
- Zeit, das Visier zu öffnen (1998)
- Wo ist Gott? Gespräche mit der nächsten Generation (2000)
- Intoleranz. Vom Unglück unserer Zeit (2002)
- Was würde Jesus heute sagen? Die politische Botschaft des Evangeliums (2003) ISBN 3-87134-477-X
Kabinette
- Landesregierung Rheinland-Pfalz Kabinett Altmeier VI – Rheinland-Pfalz Kabinett Kohl I – Rheinland-Pfalz Kabinett Kohl II – Rheinland-Pfalz Kabinett Kohl III – Rheinland-Pfalz Kabinett Vogel I
- Bundesregierung Kabinett Kohl I – Kabinett Kohl II
Weblinks
- Vorlage:PND
- Heiner Geißler (Homepage)
- Heiner Geißler: „Wo bleibt euer Aufschrei?“ – Artikel in der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 11.11.2004
Quellen
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Geißler, Heiner |
| ALTERNATIVNAMEN | Heinrich Geißler (eigentlich) |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (CDU) |
| GEBURTSDATUM | 3. März 1930 |
| GEBURTSORT | Oberndorf am Neckar |