Vogelzug


Als Vogelzug bezeichnet man den alljährlichen Flug der Zugvögel von ihren Brutgebieten zu ihren Winterquartieren und wieder zurück. Vogelpopulationen, bei denen nur ein Teil zieht, bezeichnet man als Teilzieher. Populationen, die nicht ziehen, bezeichnet man als Standvögel.
Gefahren im Vogelzug
Die Gefahren im Vogelzuges sind:
- ein zu früher Wintereinbruch in den Alpen
- Jäger
- Vogelgrippe
- starke Niederschläge
- starker Wind
Warum Vogelzug
Viele Vögel fliegen wegen ihrer Nahrung oder der Kälte weg.
Orientierung
Um sich auf ihrem Zugweg zu orientieren, benutzen die Vögel einen inneren Kompass, den Stand der Sonne oder jenen der Sterne.
- Der innere Kompass ist – darauf deuten zumindest einige neuere Studien hin – vermutlich die Folge von Magnetfeld-Rezeptoren im Auge, mit deren Hilfe die Vögel den Neigungswinkel des Erdmagnetfeldes wahrnehmen können. Bei Rotkehlchen befindet sich dieser Rezeptor offenbar im rechten Auge: Deckt man das Auge ab, verlieren sie die Fähigkeit zur Orientierung im Erdmagnetfeld. Bei Tauben (nicht nur bei Brieftauben) wurde in jüngster Zeit in einigen wissenschaftlichen Publikation erläutert, dass sich ein Magnet-Sensor am oberen Teil des Schnabels befinde; er könne die Stärke des Magnetfeldes messen. Die Erforschung des Magnetsinns steckt derzeit aber noch (vor allem aus Mangel an Geldern für verhaltensbiologische Grundlagenforschung) in den Kinderschuhen; sichere, das heißt international anerkannte, reproduzierbare Befunde liegen daher kaum vor.
- Vögel können sich ferner anhand des Sternhimmels orientieren. Schon in den 1970er Jahren wurde dies unter anderem bei Grasmücken in einem Planetarium nachgewiesen, wobei vor allem die Gesamtrotation des Sternenhimmels beachtet zu werden scheint und weniger bestimmte Veränderungen der Sterne zu einander. Handaufgezogene Indigofinken, die als Jungtiere niemals den Sternenhimmel zu sehen bekamen, waren später auf dem Zug nicht in der Lage, sich wie ihre frei lebenden Artgenossen zu orientieren – was als Beleg dafür angesehen werden kann, dass der "Sternenkompass" erlernt werden muss. Wurde solchen handaufgezogenen Tieren hingegen in einem Planetarium zwischen dem Flüggewerden und dem ersten Herbstzug ein um den Nordstern rotierender Sternenhimmel dargeboten, zeigten sie ein normal nach Süden hin gerichtetes Zugverhalten.
- Den Sonnenstand können die Vögel auch bei bewölktem Himmel dank ihrer Fähigkeit, UV-Licht wahrzunehmen, erkennen. Es gibt ferner einige Studien, die darauf hindeuten, dass zumindest einige Vogelarten auch die Polarisations-Muster am Himmel wahrnehmen, die sich – abhängig vom Stand der Sonne über dem Horizont – im Tagesverlauf ändern. Die Polarisation ist dann am größten, wenn das Licht in einem Winkel von 90° zur Sonne gestreut wird. Wie verbreitet diese Fähigkeit ist und ob sie beim Vogelzug wirklich genutzt wird, ist aber noch weitgehend ungeklärt.
- Einige Forschungsarbeiten weisen schließlich darauf hin, dass auch Landmarken der Orientierung dienen, zum Beispiel der Verlauf von Autobahnen und die Beleuchtung von Großstädten.
Vogelzug und Stoffwechsel
Um auch große Distanzen ohne Nahrungsaufnahme zurücklegen zu können, aktivieren die Zugvögel nicht nur ihre vor Beginn des Vogelzugs angelegten Fettvorräte. Sie greifen sogar auf die Eiweiße ihrer inneren Organe zurück, so dass auch diese zumindest teilweise dem Stoffwechsel zwecks Energiegewinn zugeführt werden. Bei diesem auch Verbrennung genannten Vorgang von Fett und Eiweiß wird Wasser freigesetzt, das in erheblichem Maße dazu beiträgt, die Aufnahme von Trinkwasser zu verringern.
Bei Grauschnäppern wurde in den 1980er Jahren nachgewiesen, dass die Dauer ihrer Zwischenstationen in Oasen der Sahara von den Fettreserven abhängig ist. Gut genährte Tiere hielten sich dort kürzer auf als weniger gut genährte. Vergleichbare Ergebnisse brachten auch etliche Laborstudien: Mit wenig Futter versorgte Tiere zeigten eine geringere Zugunruhe als jene Artgenossen, die sich reichlich Fett anfressen konnten.
Radar-Vogelzugbeobachtung
Da der größte Teil des Vogelzugs nachts geschieht, entzieht er sich einer vollständigen visuellen Beobachtung. Auch der Umstand, dass Vögel zum Teil in sehr großen Höhen, und zwar bis zu 30.000 Fuß (9100 Meter), oder gar über den Wolken ziehen, macht eine visuelle Erfassung ohne technische Hilfsmittel unmöglich. Radargeräte geben dagegen weitestgehend unabhängig von Sichtverhältnissen Auskunft über die Intensität des Vogelzugs. Der Deutsche Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr (DAVVL e.V.) [1] macht sich diese Technik bereits seit den 1960er-Jahren zur Warnung der Luftfahrer vor verstärktem Vogelaufkommen und damit einhergehender Vogelschlaggefahr zu Nutze. Je nach Radartyp sind Informationen zu Vogelzugzeiten, -intensitäten, -höhen und räumlichen Verteilungen aus den Radarechos abzulesen. Sie werden zu Warnmeldungen, den so genannten Birdtams, weiterverarbeitet und sind über die Website des DAVVL einzusehen.
Mit Hilfe von Radar-Ortungen konnte auch das Verhalten von Zugvögeln beim Trans-Sahara-Zug im Gebiet von Mauretanien beschrieben werden (Schmaljohann et al. 2007): Die von ihnen beobachteten, im Herbst von Europa nach Süden und im Frühjahr wieder nach Norden ziehenden Vögel, halten sich zumeist tagsüber auf dem Erdboden auf und ziehen überwiegend nachts: Die Forscher wiesen nach, dass die einzeln reisenden Vögel beim Sonnenuntergang in die Höhe stiegen und, sobald die Sonne aufging, im Sand landeten. Zuvor hatten einige Forscher angenommen, dass sie in einem 40-stündigen Nonstop-Flug die heißen Wüstengebiete der Sahara überfliegen. Die Beobachtungen der Arbeitsgruppe der Schweizerischen Vogelwarte Sempach deuten darauf hin, dass es speziell für Leichtgewichte wie Fitis, Trauerschnäpper und Gartengrasmücke kräfte- und wasserzehrender wäre, tagsüber in heißer und oft sehr turbulenter Luft zu fliegen, als diese Stunden ruhend am Boden zu verbringen.
Siehe auch
- Pfeilstorch
- Thermiksegler
- Langstreckenzieher
- Kurzstreckenzieher
- Invasionsvögel
- Schleifenzug
- Zugprolongation
- Irrgast
- Dispersionszug
- Überwinterung
Literatur
- Wulf Gatter: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa. AULA-Wiesbaden. 2000.
- Peter Berthold: Vogelzug. Eine aktuelle Gesamtübersicht. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 4. Aufl. 2000.
- Peter Berthold: Faszination Vogelzug (2-CD-Set, Booklet, Originaltonaufnahme). supposé 2004. www.suppose.de
- Kathrin Hüppop, Ommo Hüppop: Atlas zur Vogelberingung auf Helgoland. Teil 1: Zeitliche und regionale Veränderungen der Wiederfundraten und Todesursachen auf Helgoland beringter Vögel (1909 bis 1998). Vogelwarte 41 (2002): 161-180.
- Kathrin Hüppop, Ommo Hüppop: Atlas zur Vogelberingung auf Helgoland. Teil 2: Phänologie im Fanggarten von 1961 bis 2000. Vogelwarte 42 (2004): 285-343.
- Kathrin Hüppop, Ommo Hüppop: Atlas zur Vogelberingung auf Helgoland. Teil 3: Veränderungen von Heim- und Wegzugzeiten von 1960 bis 2001. Vogelwarte 43 (2005): 217-248.
- Walther Streffer: Wunder des Vogelzuges (Die großen Wanderungen der Zugvögel und das Geheimnis ihrer Orientierung). Verlag freies Geistesleben, Stuttgart, 1. Aufl. 2005. ISBN 3-7725-2041-3.
- Heiko Schmaljohann, Felix Liechti, Bruno Bruderer: Songbird migration across the Sahara: the non-stop hypothesis rejected! Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences (2007): in press. "online first" DOI: 10.1098/rspb.2006.0011
Weblinks
- "Quarks & Co" über Zugvögel
- "Nano" über Zugvögel
- "Nano" über die Magnetfeldrezeptoren
- Informationen über die Vogelwarte Radolfzell
- Informationen über das Institut für Vogelforschung ″Vogelwarte Helgoland″
- Schweizerische Vogelwarte Sempach
- Homepage einer NABU-Arbeitsgruppe zu konkreten Zugvogelschutzprojekten im Mittelmeerraum
- Vortrag von Peter Berthold aus dem Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft 2001Vorlage:Link FA