Erich Klöckner
Erich Klöckner (* 22. November 1913 in Hirtscheid im Westerwald; † 20. November 2003 in Wolnzach) war ein deutscher Flugpionier, Testpilot und Segelflug-Höhenrekordhalter.
Frühe Jahre
Seit seiner Jugend war der Sohn eines bodenständigen Ölmüllers von der jungen Fliegerei begeistert. So erhielt er schnell den Spitznamen „Flieger-Erich“. Klöckner hatte bereits 1928, während seine Schmiedelehre die er auf Druck seines Vaters absolvieren mußte, zusammen mit seinem Freund Erwin Sator heimlich einen Hängegleiter im Stile des Flugpiloniers Willy Pelzner zusammengebaut und ohne Wissen des Vaters, der nichts für die Leidenschaft des damals Sechzehnjährigen übrig hatte, geflogen. Seine damals größte Leistung war ein Gleitflug von rund 46 Metern.
Die Segelflug-A-Prüfung erwarb er 1929 auf einer „Zögling“, die B-Prüfung 1931 beim Flugverein Hellenhahn-Schellenberg. Noch im selben Jahr folge auf dem Dörnberg die C-Prüfung.
Die bis heute für die Segelfliegerei bedeutendste Pilgerstätte auf der Wasserkuppe besuchte Klöckler erstmals 1932 und lernte dort unter anderem die Flugioniere Arthur Martens, Fritz Stamer, Hans Jacobs, Prof. Dr.-Ing. Alexander Lippisch und „Rhönvater“ Carl Oskar Ursinus kennen. Er war bei dem tödlichen Unglück Günther Groenhoffs dabei, dem er viel Bewunderung entgegengebracht hatte.
Klöckner bewarb sich in Darmstadt um eine Motorflugausbildung. Er absolvierte die Tauglichkeitsprüfung, dann jedoch ergab sich nichts für ihn. Im August 1934 kam er auf den Dörnberg zurück und wurde im April 1935 einberufen. Er kam nach Gelsenkirchen-Katernberg. Dort absolvierte er die A2- und 1936 in Essen-Mülheim die B2-Prüfung.
Der junge Pilot weigerte sich nach seiner Segelflugausbildung erfolgreich, der Luftwaffe beizutreten, hatte eine kurzes, unglückliches Zwischenspiel bei den Gerhard-Fieseler-Werken und bekam schließlich bei der Orterschule Darmstadt seine erste Anstellung als Flugpilot. Dort hatte auch die 1933 gegründete Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) mit ihrem Leiter Dr. phil. Walter Georgii ihren Sitz. Klöckler reichte dort schon bald seine Bewerbung ein, erhielt jedoch eine Absage. Nach weiteren Stellen, unter anderem in der Aufklärerschule Kassel-Rothwesten, sagte die DFS endlich zu und am 4. November 1937 lernte er seine ersehnte Stelle als Versuchs- und Erprobungspilot erstmals kennen. Dort blieb er bis zur Auflösung der Anstalt am 28. April 1945.
Versuchs- und Erprobungspilot der DFS
In seiner ersten Zeit mußte sich Klöckner damit begnügen, Segelflugzeuge zu schleppen, um Luftwaffensoldaten zu Segelfllugzeugführer auszubilden. Diese Piloten benötige die Luftwaffe zum Steuern der neuartigen DFS 230, für die damals der Lastenseglerverband aufgebaut wurde, der in der Anfangszeit des Krieges viele erfolgreiche Absetzmanöver durchführte. Auch Klöckner wurde zur Erprobung der DFS 230 eingesetzt. Daneben machte der Testpilot die Silber-C-Prüfung.
Während des 19. Rhön-Segelflug-Wettbewerb 1938 auf der Wasserkuppe er für das Schleppen und Rückholen des späteren Siegers Wolfgang Späte zuständig.
Stratosphärensegelflug
Im Zuge der Erforschung extremer Aufwinde im Umfeld von Leewellen, wie sie beispielsweise bei Föhnlagen im Windschatten der Alpen entstehen, wollten die Wissenschaftler der DFS Ende 1938 neue Rekordhöhen mit dem Segelflugzeug erreichen. Dafür kam eine Forschungsgruppe nach Prien an den Chiemsee. Ab 2. Januar 1939 gehörte auch Klöckner zu dieser Mannschaft. Am 18. Januar desselben Jahres gelangen ihm mit einem „Kranich“ der Nachweis des bisher nur vermuteten Wellenaufwindes. Bei anderen Flügen stieß er in eine Höhe von rund 8.000 Metern vor und erreichte am 18. Mai 1939 die bisher mit einem Segelflugzeug nie gekannte Höhe von 9.210 Metern. Am 11. Oktober 1940, eine erhoffte Föhngroßwetterlage hatte sich eingestellt, gelang ihm erneut ein Weltrekordhöhenflug mit einem Segelflugzeug. An jenem Tag brachte eine Heinkel He 46 seinen Wolkenkranich vom Flugfeld Ainring auf rund 5.700 Meter Höhe. Dort klinkte der mit einer wärmeisolierenden Spezialausrüstung und Sauerstoffmaske ausgerüstete Klöckner aus und stieg sofort über die He hinweg. Nach seiner Rückkehr bestätigten die mitgeführten Präzisionsmeßinstrumente, daß er bei einer Höhe von 11.460 Metern bis an den Rand der Stratosphäre gelangt war. Erich Klöckner war der erste Mensch, dem dies in einem Segelflugzeug gelungen war. Diesen Flugtag behielt der Pionier bis an sein Lebensende in Erinnerung, obwohl er davon Erfrierungen an Fingern und Ohrläppchen davontrug.
Der Leiter der DFS, Dr. phil. Walter Georgii schrieb über dieses segelfliegerische Großereignis:
„...daß Erich Klöckner, einer der besten Forschungspiloten meines Instituts, am 11. Oktober 1940 zum ersten Male im Wellensegelflug auf elftausendvierhundert Meter emporsteigen und so dem Segelflug den Weg in die Stratosphäre weisen konnte.“
Militärische Erprobungen im 2. Weltkrieg
Der anhaltende Krieg brachte es mit sich, daß Klöckner sein eigentliches Testfeld, die zivile Segelflugerprobung, verlassen mußte. Da er zu diesem Zeitpunkt bereits als einer der besten deutschen Testpiloten galt, wurde er für viele geheime militärische Erprobungen herangezogen, die in den meisten Fällen zukunftsweisende weltweit erstmalige Pioniertaten waren. Den immer schwieriger werdenden Kriegsumständen entsprechend, liefen diese Testabläufe vielfach nicht mit der notwendigen Sorgfalt für das Leben der Piloten ab. Zu Klöckners Arbeitskollegen zählten in diesem Umfeld Karl Schieferstein, Wolfgang Späte, Ubo Jansen und Hanna Reitsch. Parallel zu seinen Rekordsegelflügen absolvierte er in Augsburg die ersten Schlepperprobungen mit der noch motorlosen ME 163 und erwarb in Völkenrode die noch ausstehende C2-Erlaubnis.
Zu seinen Testfeldern gehörten:
- Ankoppelversuche in der Luft: Der Konstrukteur Dipl.-Ing. Felix Kracht entwickelte die Idee, Flugzeuge während des Fluges zusammenzukoppeln. Diesen Mechanismus erprobte Klöckner mit einer Focke-Wulf Fw 58 „Weihe“, die an eine Junkers Ju 52-Schleppmaschine gekoppelt wurde. Im Zuge dieser Entwicklung wurde auch die bis heute aktuelle Luftbetankung von der DFS erfunden. Koppeln und Luftbetanken erhielten in der Zeit des Kalten Krieges eine zentrale Rolle in der militärischen Luftfahrt.
- Überprüfung von Bremsraketen, Staustrahltriebwerken und Schleppkörpern: Unter anderem erprobte Klöckner das Schleppgerät SG 5041, das als Zusatztank für den neuentwickelten Strahlbomber Arado Ar 234 mit Funkpeilgerät, welchen er ebenfalls flog. Von Berlin-Tempelhof bis Neuburg benötigte Klöckner am Neujahrstag 1945 ganze 36 Minuten.
- Verschiedene Flugzeug-Schlepparten
- Erprobung des Großlastenseglers DFS 331
- Mistelgespannflüge: Unter anderem als Führer der Trägermaschine Do 217 K-3 für den Höhenfernaufklärer DFS 228 „Narwal“
- Tragschlepp-Flugerprobung des wegweisenden Rakketenflugzeugs Bachem Ba 349
- Erprobung des Selbstopferflugzeuges Me 328: Klöckner erprobte die Flugeigenschaften der noch motorlose Maschine ab dem 1. August 1942 im Seil- und Mistelschlepp sowie ausgeklinkt im Gleitflug, später auch mit Argusrohren. Das Projekt wurde vor der Serienreife 1944 eingestellt.
- Ersterprobung der Argus-Triebwerke unter den Tragflächen einer DFS 230
- Erprobung von sich automatisch öffnenden Fallschirmen
- Erprobung des asymetrischen Aufklärers Blohm & Voss Bv 141
- Erprobung des Staustrahltriebwerks für den Stratosphärengleiter des Weltraumpioniers Dr. Eugen Sänger'
Testpilot der Bundeswehr
Sobald das Fliegen nach dem Krieg für deutsche Piloten wieder möglich war, arbeitete Klöckner für die Industrie. Nach Gründung der Bundeswehr war er wieder als Testpilot in Oberpfaffenhofen und Manching tätig.
Unter dem Titel Der Flieger Erich - ein Westerwälder Flugpionier, strahlte der SWR 3 am 11. März 1999 eine Dokumentation über den Flieger aus.
Auch nach seiner Pensionierung blieb Erich Klöckner seiner Leidenschaft treu und verstarb 2003 im Seniorenheim des Bayerischen Roten Kreuzes in Wolnzach, wo er nach dem Tode seiner Frau lebte.
Literatur
- Horst Lommel: Vom Höhenaufklärer bis zum Raumgleiter 1935 – 1945, Geheimprojekte der DFS, Motorbuch Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3613020726
- Horst Lommel: Der erste bemannte Raketenstart der Welt, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3613018624
Links
- Nachruf zum Tode von Erich Klöckner http://www.alteadler.de/aktuell/nachruf/kloeckner.html
- Seite des Deutschen Segelflugmuseums auf der Wasserkuppe http://www.segelflugmuseum.de/index.php?id=4539&psid=805bc7b579ddf7e41f6ede760fdc35ad