Zum Inhalt springen

Mythisches Analogon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. Mai 2007 um 01:55 Uhr durch Mbdortmund (Diskussion | Beiträge) (Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Dieser Artikel wurde am 28. Mai 2007 auf den Seiten der Qualitätssicherung eingetragen. Bitte hilf mit, ihn zu verbessern, und beteilige dich bitte an der Diskussion!
Folgendes muss noch verbessert werden: Fast reine Textwüste ohne Kats --Pelz 00:31, 28. Mai 2007 (CEST)

Das mythische Analogon ist ein von dem Mediävisten Clemens Lugowski in die Literaturwissenschaft eingeführter Begriff zur Charakterisierung der Beziehung des Menschen zu literarischen Texten, die nach Lugowskis Auffassung, in einigen Elementen der Beziehung der Menschen der Antike zu ihren Mythen entspricht. Da das Verhältnis Mensch-Mythos und Mensch-Literatur nicht in allen Teilen gleich ist, sondern auch einige Unterscheide aufweist, sind beide Beziehungen nach Lugowski nicht identisch, sondern analog.

Als Initialdefinition lässt sich das mythische Analogon als die Entsprechung zwischen literarischer Form und Mythos begreifen, die sich daraus ergibt, dass ein Restbestand mythischen Denkens sich noch in der ästhetischen Struktur literarischer Texte manifestiert.

Lugowskis Konzeption

Lugowski entwickelte seine Theorie vom mythischen Analogon 1932 in seiner von der Literaturwissenschaft gefeierten Dissertation "Die Form der Individualität im Roman".

In seinem Werk geht Lugowski zunächst von der Grundannahme aus, dass die Literatur des nachmythischen Zeitalters zwar einerseits den direkten Bezug zu mythischen Gestalten und Göttergeschichten unterbunden hat, dass jedoch gleichzeitig der "Gehalt des Mythischen" implizit in den formalen Gesetzen der Dichtung weiterlebt. Mythischer Gehalt ist also in der Literatur grundsätzlich vorhanden, aber auf den ersten Blick nicht erkennebar, existiert also sozusagen latent in einer dem oberflächlichen oder nicht eingeweihten Betrachter verborgenen Weise.

Lugowski stützt sich dabei auf die Beobachtung, dass die Bedeutung und die Funktion der Handlung im modernen Roman letztendlich nichts anderes sei als eine mythische Einheit in weltlicher Einkleidung. In dieser Zusammenballung werde der Mythos zur Geschichte und zur Bildung.

Er knüpft hieran die Frage "Wie wird im Ablauf der Zeiten das Dasein des Menschen als Einzeldasein dichterisch-figurenhaft aufgefasst, und wie deutet es sich in der Dichtung?"

Zur Beantwortung dieser Frage greift Lugowski auf Nietzsches Werk "Die Geburt der Tragödie" zurück und gelangt auf diesen aufbauend zu der Erkenntnis, dass die Volksgemeinschaft im antiken Griechenland auf "mythostragender Gemeinsamkeit im Angesicht des tragischen Spiels" beruhte, wobei das tragische Spiel "immer wieder die alten, tief ins Volksbewusstsein eingewurzelten Themen" behandelt habe. Die spezifische Beziehung der Menschen der Antike zum Mythos sei auch später einzigartig geblieben und daher bei "keiner Nation des nachmittelalterlichen Abendlandes" anzutreffen.

Jedoch - so Lugowski - lässt sich in der nachmythischen Zeit eine Beziehung der Menschen zur Dichtung feststellen, die eine mythische Komponente beinhalte und daher der Haltung der antiken Griechen gegenüber den mythsichen Stoffen ihrer Tragödien vergleichbar sei. Diese Beziehung sei jedoch nur analog und nicht identisch, da die Beziehung des nachmythischen Menschen zur Dichtung auch gravierende Unterschiede zur Beziehung des Menschen der Mythenzeit zum Mythos aufweise: So fehle etwa dem nachmythischen Menschen der religiöse Bezug zur Dichtung den der Mensch der Antike zu den Mythen gehabt habe.

Eine Voraussetzung für den Zugang zu einem literarischen Werk ist anch Lugowski die Akzeptanz des "Gemachtseins" des betreffenden Werkes, als das Bewusstsein dass es sich bei dem betreffenden Werk um ein Produkt von "Künstlichkeit" handelt. Wem es nicht möglich ist die Künstlichkeit eines Werkes zu akzeptieren, dem müsse dieses Werk verschlossen bleiben. Aus deisem Grund fänden die Menschen in dem "Hinnehmen" der Künstlichkeit der Dichtung eine Gemeinsamkeit zum Mythos. Diese Gemeinsamkeit fände ihre Grenze wiederum darin, "dass es außer (den Einsichtigen) auch die Verständnislosen" gibt.

Die Künstlichkeit der Dichtung sei dabei dasjenige ihrer Merkmale, das sich am erfolgreichsten der analytischen Reflexion entziehe:

"Wie der heroische Mythos in der attischen Tragödie, so ist auch die Künstlichkeit eine gemeinsamkeitsbegründende Kraft. Trotz allem ist sie (die Künstlichkeit) nun aber doch kein Mythos: wir werden künftig von ihr als einem mythischen Analogon sprechen."

Literatur

  • Herwig Gottwald: "Spuren des Mythos in moderner deutschsprachiger Literatur. Theoretische Modelle und Fallstudien".
  • Clemens Lugowski: "Die Form der Individualität im Roman", Frankfurt a.M. 1994, ISBN 978-3-518-27751-5
  • Fricke, Gerhard / Koch, Franz / Lugowski, Clemens (Hg.): Von deutscher Art in Sprache und Dichtung, Bd. I. Stuttgart 1941
  • Katrin Stephat: "Das mythische Analogon nach Lugowski", in: "Gegenwartskonzepte - eine philosophisch-literaturwissenschaftliche Analyse temporaler Strukturen", Würzburg 2006.