Clovis-Kultur
Die Clovis-Kultur ist die älteste allgemein anerkannte menschliche Kultur in Amerika. Sie ist nach der Stadt Clovis im US-Bundesstaat New Mexico benannt, wo 1937 erstmals ihr zugeordnete Speerspitzen gefunden wurden.
Die Clovis-Kultur wird im Wesentlichen anhand ihrer charakteristisch geformten Speerspitzen identifiziert, den Clovis-Spitzen. Sie sind bis zu 20 cm lang und beidseitig (bifazial), bearbeitet, so dass sie sowohl zum Jagen als auch Zerteilen der Beute genutzt werden können. Spuren der Clovis-Kultur finden sich vor allem im östlichen Nordamerika. Die weite Verbreitung und der Transport der lithischen Rohmaterialien über weite Strecken lässt auf einen hohen Organisationsstand (Handel) oder einen weiten Schweifradius einzelner Gruppen schließen.
Anhand parallel gefundener Überreste von Menschen, Tieren und Pflanzen lässt sich die Clovis-Kultur mit der Radiokarbonmethode auf etwa 11.600 v. Chr. bis 10.700 v. Chr. datieren. Die Werkzeuge und Tierknochen weisen die Clovis-Menschen als Jäger und Sammler aus, die bevorzugt das Mammut und andere große Tiere jagten. Es wird spekuliert, dass die Großwildjäger der Clovis-Kultur das Aussterben der nordamerikanischen Großsäugetierarten („Megafauna“) am Ende der letzten Eiszeit (mit-)verursacht haben; alternativ gelten klimatische Veränderungen als Ursache.
Auf die Clovis-Kultur folgt in Nordamerika die Folsom-Kultur.
Amerikaner vor Clovis
Bislang ist die überwiegende Lehrmeinung, dass die ältesten erhaltenen menschlichen Spuren in Amerika der Clovis-Kultur angehören. Diese Ansicht wird durch eine Reihe umstrittener neuerer Ausgrabungen und Datierungen in Frage gestellt:
- In Monte Verde in Chile werden menschliche Überreste auf ca. 130.000 BP datiert; diese Datierung ist allerdings umstritten.
- Funde am Meadowcroft-Felsüberhang in der Nähe von Pittsburgh (USA) gelten als älter als Clovis-Funde. Auch hier ist die Datierung umstritten.
Der „Kennewick-Mann“, ein ca. 9500 Jahre altes Skelett in Kalifornien wird von einigen Forschern als kaukasoiden identifiziert. Dieser Fund hat zu Spekulationen geführt, dass eine teilweise Besiedlung Nordamerikas von Europa aus erfolgt oder die Clovis-Kultur von der deutlich älteren europäischen Solutréen-Kultur beeinflusst worden sei. Von Anthropologen wird diese These durchweg als unvereinbar mit allen anderen Funden abgelehnt. Solutréen-Funde in Ostasien oder Sibirien fehlen. Auch die so genannten "kaukasischen Charakteristika" bedeuten jedoch nicht unbedingt eine Beziehung zu Europa oder Westasien. Auch die Ainu Japans besitzen kaukasische Züge.
Jared Diamond argumentiert, dass Kulturen aus der Vor-Clovis-Zeit sehr individuenarm gewesen seien, da sie nur wenige, unsichere Fundstellen hinterlassen hatten. Die rasche Ausbreitung der Clovis-Kultur zeige jedoch, dass in Nordamerika sehr günstige Bedingungen für eine altsteinzeitliche Kultur geherrscht hätten[1]. Es bleibe somit unverständlich, warum potenzielle Prä-Clovis-Kulturen sich nicht stärker ausbreiteten und auch keinen erkennbaren Einfluss auf die Fauna hatten, während die Clovis-Kultur beides getan habe. Diese Argumentation ignoriert offensichtlich taphonomische Faktoren und bewegt sich daher auf der Ebene der Spekulation.
Genetische Verbindungen
Die mitochondriale DNA der indigenen Amerikaner weist vier Linien auf (A, B, C, D genannt), die außerhalb Amerikas nur in Asien zu finden sind. Diese Übereinstimmung stützt die These, dass eine Einwanderung über die Beringstraße erfolgte. Eine weitere, X genannte mitochondriale DNA-Linie der indigenen Amerikaner findet sich heute vorwiegend in Indien, selten auch in Europa.
Daneben weist das Gebiss indigener Amerikaner und asiatischer Menschen Gemeinsamkeiten auf, die sich in der übrigen Welt nicht finden. Hier handelt es sich um die Gestalt der Beißflächen von Backenzähnen sowie die Anzahl der Wurzeln der vorderen Backenzähne.
Interessanterweise besitzen zwei Gruppierungen der indigenen Amerikaner eigene Untercharakteristika im Gebissbau: Die Na-Dené und die Eskimo-Aleuten. Beide gelten auch aufgrund ihrer abweichenden Sprache als spätere Einwanderer.
Sprachliche Verbindungen
In Amerika sind über 300 Sprachen heimisch, die in eine Gruppe von Sprachfamilien eingeteilt werden. Nach einer umstrittenen Hypothese Joseph Greenbergs lassen sich alle indigenen Sprachen Amerikas bis auf die eskimo-aleutischen Sprachen und die Na-Dené-Sprachen auf eine Ursprache, amerindische Sprache genannt, zurückführen.
Da nach gängiger Lehrmeinung Sprachen sich in etwa 6000 Jahren so weit ändern, dass ältere Stammbäume nicht rekonstruierbar sind, kann man nicht erwarten, die Ursprungssprache der indigenen Amerikaner aufzuspüren. Die umstrittenen Arbeiten der Linguistin Johanna Nichols versuchen gerade dies.
Das Ende der Clovis-Kultur
Auf einer Tagung der American Geophysical Union wurden Ende Mai 2007 mehrere Studien vorgestellt, die das plötzliche Verschwinden der Clovis-Kultur nach nur 200 Jahren und das zeitgleiche Verschwinden der großen Säugetiere Nordamerikas mit der Explosion eines Meteoriden oder Asteroiden über dieser Region in Verbindung bringen, der bis zu fünf Kilometer Durchmesser gehabt haben könnte. Auf einen solchen Impakt deuten u. a. bestimmte schwarze Sedimentschichten hin, die rund 13.000 Jahre alt sind und als Anzeichen für große Brände gedeutet wurden.[2] 2001 hatten der Archäologe William Topping und der Atomphysiker Richard Firestone vom Lawrence Berkeley National Laboratory bereits eine – sogleich umstrittene – Theorie publiziert, der zufolge solche Sedimente mit der Explosion einer Supernova in Verbindung gebracht werden können; Firestone distanzierte sich später von dieser Vermutung [3].
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Jared Diamond: Guns, germs and steel. A Short History of Everything for the Last 13.000 Years. Vintage, London, 2005. 480pp.
- ↑ Rex Dalton: Blast in the past? Nature, Band 447, Nr. 7142, vom 17. Mai 2007, S. 256-257
- ↑ www.wissenschaft.de Artikel über den angebliche Zusammenhang zwischen dem Ende der Clovis-Kultur und dem Mammutaussterben mit der Explosion einer Supernova