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Fieseler Fi 103

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V1 im Deutschen Museum.

Die Fieseler Fi 103, auch V1 genannt (Vergeltungswaffe 1), intern unter dem Tarnnamen FZG 76 (Flakzielgerät) geführt, war ein unbemanntes, sprengstoffbeladenes Flugzeug und damit der erste Marschflugkörper. V1 war die von Joseph Goebbels erfundene, propagandistische Bezeichnung, Fieseler Fi 103 die militärische Bezeichnung anhand des RLM-Systems für Flugzeuge.

V1 auf Startrampe im englischen Duxford Museum.

Die Fi 103 wurde in Deutschland entwickelt und im Zweiten Weltkrieg von Juni 1944 bis März 1945 in großer Zahl eingesetzt. Sie startete normalerweise von einer Startrampe aus, später wurde sie auch von Flugzeugen aus abgesetzt. Hauptsächlich wurde die Fi 103 gegen London und Antwerpen gerichtet. Später wurde sie durch die A4-Rakete oder V2 ergänzt.

Entwicklung

Datei:V1-20040830.jpg
V1 im Armeemuseum Brüssel.
Loon, ein US-Nachbau der V1.
Modell in Peenemünde.

Entwickelt wurde die Fi 103 von Robert Lusser von der Firma Fieseler und von Fritz Gosslau von der Firma Argus, die das Triebwerk herstellte. Der erste Test der Fi 103 fand am 24. Dezember 1942 in der Erprobungsstelle der Luftwaffe Peenemünde-West auf 3 eigens dafür errichteten Startrampen am nordwestlichsten Ende der Insel Usedom statt. Weitere Startstellen für die Erprobung des Flugzeugs befanden sich in Zempin auf der Insel Usedom. Der erste offizielle Start fand am 12. Juni 1944 statt - in den frühen Morgenstunden des 13. Juni schlug die erste Fi 103 in London ein.

Das Flugzeug war ein für die damalige Zeit durchaus komplexes Gerät und besaß einen automatischen Kreiselkompass zur Kurskorrektur; ein kleiner Propeller an der Spitze trieb ein Zählwerk zur Reichweitenkontrolle an. Das Triebwerk war ein Verpuffungstriebwerk, ein Strahltriebwerk nach dem Prinzip eines intermittierenden Pulso-Schubrohrs, das Paul Schmidt erfunden hatte. Es war sehr viel einfacher aufgebaut und damit deutlich billiger als die zu dieser Zeit bereits verfügbaren Turbojet-Triebwerke. Seine geringere Lebensdauer und Effizienz waren bei einem Marschflugkörper jedoch akzeptabel.

Zum Start wurde eine kleine Menge Kraftstoff eingespritzt und elektrisch per Zündkerze gezündet. Durch ein Federventil wurde nun abwechselnd Kraftstoff angesaugt und durch die heißen Restgase entzündet. Mit der Resonanzfrequenz lief das Triebwerk nun selbständig weiter und erzeugte dabei, anders als ein Staustrahltriebwerk, auch im Stand Schub. Das charakteristische knatternde Geräusch wurde bald zum Schrecken der Londoner; sein Aussetzen, ausgelöst durch das Abkippen bei Erreichen der eingestellten Flugweite (Messung durch Propeller an der Spitze und Zählwerk), kündigte wiederum den baldigen Einschlag des 850-kg-Gefechtskopfes an. Spätere Exemplare gaben diese unbeabsichtigte Vorwarnung allerdings nicht mehr. Im englischen Volksmund führte das Geräusch zu den Bezeichnungen buzz bomb und doodlebug.

Der Marschflugkörper hatte eine Fluggeschwindigkeit von weniger als 600 km/h und war somit für die schnellsten alliierten Jagdflugzeuge durchaus erreichbar; neben dem direkten Abschuss, für den Jäger wegen des großen Sprengkopfs nicht ungefährlich, haben einige Piloten eine andere Methode benutzt, eine V-1 zum Absturz zu bringen: Gelang es, den Flügel der V-1 mit dem eigenen Flügel weit genug anzuheben, dann wurde der querruderlose Flugkörper instabil, die Kreiselsteuerung versagte und die Fi 103 stürzte ab.

V4

Die Version Fieseler Fi 103R Reichenberg, auch als V4 bezeichnet, war bemannt; sie sollte gegen die alliierten Bomberströme eingesetzt werden. Der Pilot sollte das Flugzeug auf das Ziel ausrichten und dann mit dem Fallschirm aussteigen. Obwohl 175 Exemplare gebaut wurden, wurde das Vorhaben 1944 aufgegeben.

Es gab ernste Anstrengungen, die V4 als Kamikaze-Waffe zu benutzen. Dazu wurde die Militäroperation Selbstopfer ins Leben gerufen. Die Selbstaufopferungspiloten wurden dem KG 200 unterstellt. Diese Organisation wurde jedoch durch einen Befehl Hitlers wieder aufgelöst.

Einsatz

V1-Flugkörper kamen in folgendem Umfang zum Einsatz:

  • Vom Boden gestartet: 8.892
    • davon erfolgreich : 7.488
      • 3.957 davon von den Briten abgeschossen (52,8 %):
        • durch Abfangjäger 1.847
        • durch die Flak 1.878
        • durch die Seile der Sperrballons 232
  • Aus der Luft gestartet: 1.600 (Flugzeug He 111 H-22, Verlust: 80 von 100 Maschinen)
  • Ziel London: 2.419 trafen und detonierten
  • Ziel Antwerpen/Brüssel (1945): 2.488

Die Herstellungskosten betrugen 3.500 Reichsmark (RM) und für den Bau waren ca. 280 Arbeitsstunden nötig.

Im Siebengebirge gibt es noch Reste von drei Abschussrampen zu sehen, ebenso bei Ruppichteroth, Drabenderhöhe, im Duisburger Stadtwald, Peenemünde und bei Zempin auf der Insel Usedom.

Opfer

Durch den Einsatz der Fi 103 gegen London starben 6.184 Zivilisten und weitere 17.981 Briten wurden schwer verletzt.

In Antwerpen und Umgebung wurden 10.145 Menschen verwundet oder getötet; außerdem waren weitere 4.614 Opfer (größtenteils in Lüttich) zu beklagen.

V1 auf einer Startrampe

Technische Daten

Fieseler FZG-76:
Kenngröße Daten
Flügelspannweite    5,30 m
Länge    7,742 m
Antrieb    Ein Argus As 014 Pulso-Schubrohr mit 335 kp Maximalschub
Marschgeschwindigkeit    576 km/h in 760 m Höhe
Reichweite    257 bis 286 km
Treffergenauigkeit    im Umkreis von 12 km
Besatzung    keine
Fluggewicht    2.160 kg
Bewaffnung    847,11 kg Sprengkopf aus Amatol

In den USA wurde unter der Bezeichnung JB-2 (Republic Aviation Corporation / Ford Motor Company) bereits 1944 eine Kopie entwickelt (Testflüge in Eglin Field, Florida im Oktober 1944) und ab 1945 gebaut. Insgesamt 1.000 Stück, die aber nie zum Einsatz kamen. Ihr Einsatz war bei der Invasion Japans geplant.

Auch in der Sowjetunion wurde mit Nachbauten experimentiert (ein- und zweistrahlig).

Siehe auch

Literatur

  • Luftfahrt History Heft 2 - Fieseler Fi 103 "Reichenberg" - Die Geschichte der bemannten V1 link
  • Gückelhorn, Wolfgang/ Paul, Detlev: V1 - "Eifelschreck" Abschüsse, Abstürze und Einschläge der fliegenden Bombe aus der Eifel und dem Rechtsrheinischen 1944/45, 208 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 22,5 x 28 cm, ISBN 3-933608-94-5, erschienen im Helios-Verlag, Aachen