Schloss Kislau
Der Name Kislau stammt von dem alten Wort Kislowe ab, was soviel bedeutet wie „kieselige Aue“. Es beschreibt damit sehr treffend die geografische Lage im Bruhrain, dem Übergangsbereich zwischen Kraichgau und Hardtwald, der sich von Bruchsal bis Wiesloch erstreckt. In älteren Urkunden ist auch die Schreibweise „Kißlau“ oder „Kieslau“ aufzufinden.
Historisch betrachtet ist Kislau zunächst einmal die gleichnamige mittelalterliche Herrschaft samt der dazugehörigen Burg (Rudolf von Kislau 1165 erstmals in einer Lorscher Urkunde erwähnt). Die Ursprünge dürften ins 11. Jahrhundert zurückreichen, denn aus dieser Zeit (1083) stammen die ersten Nachrichten über die Herren von Kislau, zu deren Herrschaft auch die umliegenden Ortschaften Mingolsheim, Langenbrücken und Kronau gehörten.
Jagdschloss
Kislau sollte eines der Landschlösser des speyrischen Fürstbischofs Damian Hugo von Schönborn werden. Das Schloss Kislau wurde 1721 von Damian Hugo von Schönborn, Fürstbischof von Speyer, als Jagdschloss im barocken Stil gestaltet. Zunächst mit dem herrschaftlichen Baumeister Ludwig Michael Rohrer und dem Werkmeister Johann Georg Stahl. Die vorher existierende Burg, ein Wasserschloss, war 1675 von Französischen Truppen bis auf den großen Bergfried schwer beschädigt worden.
Bergfried
Der Bergfried, das mittelalterliche Hauptgebäude, blieb auch in der neuen Schloßanlage das Zentrum. Zu diesem Zweck wurde er mit einer Raumfolge ummantelt, in der vor allem die herrschaftlichen Räume sowie eine Kapelle untergebracht wurden. So entstand die charakteristische Ansicht des kompakten, monumentalen Haupthauses mit dem ungewöhnlichen Pyramidendach. Vor diesem „Corps de Logis“ legte man einen Ehrenhof mit Schmuckbeeten und Springbrunnen an, beiderseits flankiert von Kavaliershäusern. Dieses repräsentative Zentrum fand noch im Bereich des inneren Wassergrabens Platz, erst jenseits der Brücke hatte man ein Wirtschaftshof und Bauten für die Verwaltung des Amtes Kislau angelegt. Diese Bauten lagen im Bereich der Vorburg, eingefasst vom äußeren Wassergraben. Außerhalb der Burganlage, an der Brücke über den Wassergraben, baute man eine herrschaftliche Mühle an der Stelle, wo auch die mittelalterliche Mühle gestanden haben wird. Während also die Zufahrt der Anlage und die Wirtschaftsgebäude sich im Norden befanden, legte man im Süden des Haupthauses, über eine Brücke zugänglich, einen Schlossgarten an. Von dort aus entstand eine gerade Pappelallee nach Langenbrücken. Damit hatte man die der Burganlage beibehalten und zu einer axialsymmetrischen Anlage nach barockem Geschmack weiterentwickelt. Der Burggraben als ehemals wehrhaftes Element fügte sich gut in die barocke Vorliebe für spiegelnde Wasserflächen ein, der alte Wehrturm wurde zum zentralen Treppenhaus des neuen Schloßbaus umgewidmet.
Von Hutten
Schönborns Nachfolger Christoph von Hutten setzte die Bautätigkeit fort und ließ von seinem Baumeister Johann Leonhard Stahl u.a. den Kavalierbau und das Bischofsbad ausführen.
Verfall
Für die Nachfolger von Huttens scheint Kislau wenig Bedeutung gehabt haben, denn die Anlage war vernachlässigt, als sie im Jahr 1803 zusammen mit den rechtsrheinischen Gebieten des Fürstbistums Speyer an Baden kam.
Militärhospital
Als schließlich im Jahre 1813 ein Militärhospital im Schloß Kislau eingerichtet wurde, war dies der Auftakt zu den in der Folge rasch wechselnden, überwiegend staatlichen Nutzungen, an deren Schlusspunkt die heutige Funktion als Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bruchsal steht. Für das Schloss Kislau und die Überreste der Wasserburg brachte dies erhebliche Bestandsverluste mit sich. Die Außenanlagen sind mit Ausnahme der Mauer verloren, die wertvolle Rokoko-Innenausstattung großteils zerstört. Allerdings konnte in den letzten Jahren das Bischofsbad mit großem Aufwand restauriert werden. Die Bauten des 18. Jahrhunderts sind weitgehend erhalten und geben noch heute ein anschauliches Bild des barocken Landschlosses wieder.
Gefängnis
Ab 1819 wurde es als Gefängnis und Unterkunft von Invaliden benutzt und 1837 an die badische Gesellschaft für Zuckerfabrikation verkauft. Im Jahr 1933 wurde im Schloss ein Konzentrationslager, das KZ Kislau, von den Nationalsozialisten errichtet, welches bereits 1939 geschlossen wurde.
Der Zweite Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es 1946 für kurze Zeit Unterkunft für heimatvertriebene Sudetendeutsche. Seit 1948 ist das Schloss eine Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bruchsal und liegt auf der Gemarkung Bad Mingolsheim im Gemeindegebiet von Bad Schönborn.
Die Chronik vom Schloss Kislau
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zulässig.- Vom Römerkastell zur Justizvollzugsanstalt
- 100 Wie so vieles anderes verdanken wir Kislau mit großer Wahrscheinlichkeit den alten Römern, die vermutlich um 100 n.Chr. hier ein Limes vorgelagertes und durch Wassergräben geschütztes Kastell errichteten, das mit der nahe gelegenen Festungen Wersau bei Reilingen und den Orten Weiher, Karlsdorf (Altenbürg), Staffort, Hagsfeld und Kleinrüppur durch Straßen verbunden war.
- 930 Nachdem ungarische Reiterscharen immer wieder ihre Raubzüge durch das südliche Deutschland entnommen hatten, war für den besonders heimgesuchten Kraichgau der Graf von Worms (Konrad der Rote bzw. Konrad der Salier) ein Schwiegersohn von Otto dem Großen für einen Abwehrplan verantwortlich. Unter seiner Federführung entstand der gewaltige romanische Buckelquaderbau, dessen Reste noch erhalten sind.
- 1083 Die Wasserburg Kislau wird 1083 erstmals in den Anales Sindelfingenses als „Castrum Chiselowa“ urkundlich erwähnt (Chiselowa bzw. Kisilowa bedeutet im Althochdeutsch: Kiesel-Au oder Kiesel-Feld). Dies rührt wohl daher, daß die Burganlage auf gewaltigen Kieselablagerungen des prähistorischen Kinzig-Murg-Flusses gegründet ist.
- 1116 Kislau besaß sehr früh einen eigenen Burgadel. So wird 1116 ein Adelbert von Kislau, ein Schwiegersohn des Grafen Otto Werner von Worms genannt. In der weiteren Zeitfolge werden mehrere Rudolfs von Kislau erwähnt.
- 1232/1237 Starb das Kislauer Rittergeschlechtes aus .
- 1252 König Wilhelm belehnt diesen Kislauer Besitz, das „Castrum“, seinem Kanzler, dem speyerischen Bischof Heinrich II., Graf von Leiningen. Kislau gelangt somit in den Besitzstand des Hochstifts und dient dann über 400 Jahre lang den bischöflichen Obervögten am Bruhrain als Amtssitz.
- In der Urkunde vom 20. April 1366 zu Prag wird „Mingolzheim“ erstmalig bei der Bestätigung der Güter des Bischofs Lambert von Speyer als speyrisch genannt. Das „Amt Kislau“ verwaltete Mingolsheim.
- um 1415 Peter Luder, wurde in Kislau geboren und war von 1456 – 1460 als Universitätslehrer in Heidelberg tätig. Er war einer der ersten Humanisten in Deutschland.
- 1525 Der bekannteste Fürstbischöfe, die Kislau gerne als Sommeraufenthalt und für Jagdausflüge in der wildreichen Lußhardt wählten, dürfte Bischof Georg von Speyer sein, der 1525 zusammen mit seinem Bruder, dem Kurfürsten Ludwig von der Pfalz den Bauernaufstand (Bauernkrieg) im Kraichgau niederwarf. Die aufständischen Bauern wurden in Kislau eingekerkert und deren Rädelsführer auf der Schloßbrücke enthauptet. Das Burglehen hatten u.a. inne die Herren von Stein, die Göler von Ravensburg, Wiprecht von Helmstadt, Franz von Sickingen, u.a.m.
- 1529 Am 27. September 1529 verstarb Bischof Georg von Speyer mit 43 Jahren im Schloss Kislau.
- 1532 Einkerkerung von Wiedertäufern.
- 1647 Zerstörung eines Großteils der Wirtschaftsgebäude durch einen Großbrand (Feuersbrunst).
- 1675 Trotz Neutralität des Bistums wird die Burganlage 1675 während der Belagerung Philippsburgs durch die Truppen des Sonnenkönigs (Ludwig XIV. von Frankreich) geschleift. Der Wehrturm wurde gesprengt und die Wassergräben wurden zugeworfen.
- 1726 Kardinal Hugo Damian Reichgraf von Schönborn baut auf den Resten der mittelalterlichen Burganlage ein Wasserschloss als Sommerresidenz und Verwaltungsstützpunkt, nachdem er seine Residenz von Speyer nach Bruchsal verlegte und dort um die gleiche Zeit das herrliche Barockschloß bauen ließ. Kernstück des Schloßhauptbaus ist die Ruine des gewaltigen früheren Wehrturms (Breite: 15 x 15 m und 17 m Höhe). Schon seinerzeit ein eigentümliches Beispiel von Denkmalschutz.
- 1762 Nachfolger Kardinal Franz Christoph von Hutten erstellt ein neues Amtshaus (heute Kavalierbau) in „Tricklinienform“ und richtet im Ostflügel des Schlosses das heute noch erhaltene Bischofsbad ein. Schwefelwasser von Langenbrücken wurde mittels Holzdeicheln zugeführt. Dies war die Geburtstunde des heutigen Bade- und Kurbetriebs!
- 1798 Bis in 19. Jahrhundert führt die Zugbrücke an der Südseite über den 4 m tiefen Wallgraben zu Gärten a la Versailles und einer Pappelallee nach Langenbrücken. Es werden sämtliche Brunnenanlagen stillgelegt und der Haupteingang an der Nordseite geschaffen, da die Hofhaltung in Kislau aus finanziellen Gründen eingestellt werden muss.
- 1803 Säkularisierung: Kislau kommt nach Baden.
- 1813 Kaserne und Militärhospital des großherzoglichen Badischen Invalidencorps. In Bauberichten wird über schlechte sanitäre Einrichtungen und enormen Ungezieferbefall geklagt. Zeitweise waren bis zu 500 nervenkranke Soldaten untergebracht, die gegen Napoleon gekämpft hatten.
- 1819 Kaserne des Badischen Invalidencorps.
- 1824 Staatsgefängnis, politische Verwahrungsanstalt und Arbeitshaus.
- 1848/1849 Nach der Niederlage der badischen Freiheitskämpfer ein Internierungslager, unter den Häftlingen waren viele Studenten aus Heidelberg.
- 1864 Kislau wird an den Bruchsaler Kaufmann Gros (Korsettfabrik) verkauft.
- 1882 Rückkauf durch den Staat und Nutzung als Arbeitshaus.
- 1914 Lazarett.
- 1927 Arbeitshaus.
- 1930 Zeitweilig Pflegeheim für geistesschwache Frauen.
- 1933 „Schutzhaftlager“ für politische Gefangene, Durchgangslager für ehemalige Fremdenlegionäre ein Teil Arbeitshaus der Justizverwaltung. Kislau ist Zentrallager für Baden: verschiedene Mitglieder der badischen Regierung waren hier in Schutzhaft, z.B. Innenminister Hermann Remmele, Staatsrat und Heimatschriftsteller Stenz, der Reichstagsabgeordnete und Staatsrat Ludwig Marum (der am 29.03.1934 in seiner Zelle ermordet wurde). Zeitweilig war hier auch der Vater der Geschwister Scholl (Widerstandsbewegung: Weiße Rose) inhaftiert.
- 1945 Besetzung durch marokkanische Truppen, dann Auffanglager für Flüchtlinge, Landesaltersheim für Flüchtlinge.
- 1948 Zweiganstalt der Landesstrafanstalt Bruchsal (Gestraucheltenvollzug).
- 1970 Außenstelle der Vollzugsanstalt Karlsruhe (Strafe bis zu 3 Monaten).
- 1982 Beginn der Renovierung der gesamten Anlage.
- 1991 Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bruchsal (Strafe bis zu 1 Jahr)
- 1997 Kislau praktiziert den offenen Vollzug (Strafe bis zu 4 Jahren)
Literatur
- Klaus Gaßner (Hrsg.): Bad Schönborner Geschichte. Die Chronik der wiedervereinigten Dörfer Mingolsheim und Langenbrücken. Band 1: Von den Anfängen bis zur Auflösung des Alten Reiches. Ubstadt-Weiher, Verlag Regionalkultur, 2006, ISBN 978-3-89735-437-1. 392 Seiten mit 181, z.T. farbigen Abb., fester Einband.
- Kurt Andermann: Bad Schönborn zwischen Dorfidylle und Heilbadatmosphäre; in: Kult-Bäder und Bäderkultur in Baden-Württemberg. Hrsg. v. W. Niess, S. Lorenz, Filderstadt 2004, ISBN 3-935129-16-5
- Ludwig Marum: Briefe aus dem Konzentrationslager Kislau. Mit einem Lebensbild von Joachim Wolfgang Storck, hg. v. E. Marum-Lunau und J. Schadt im Auftrag vom Stadtarchiv Karlsruhe und Stadtarchiv Mannheim. Karlsruhe 1984, ISBN 3-7880-9700-0
Weblinks
siehe auch: