Güterwagen der Austauschbauart
Ab Mitte der 1920er Jahre begann die Deutsche Reichsbahn, beim Fahrzeugbau auf eine größere Anzahl genormter Teile zu achten. Dabei sollten durch geringe Fertigungstoleranzen möglichst viele Teile innerhalb der verschiedenen Bauarten freizügig getauscht werden können, um hierdurch die Instandhaltung kostengünstiger und effektiver zu gestalten. Hierzu entwickelte der 1920 gebildete Allgemeine Wagennormungsausschuss (Awana) ergänzend zur DIN die entsprechenden Normen. Der Waggonbau nach diesen Grundsätzen begann 1927.
Während die verschiedenen so entstandenen Güterwagen häufig als Austauschbauart zusammengefasst werden, ist der Begriff im Bereich der Reisezugwagen lediglich für die Donnerbüchsen gebräuchlich.
Güterwagen
Die ersten Güterwagen der Austauschbauart basierten auf den überaus erfolgreichen Verbandsbauarten. Von den ursprünglich 11 Typen wurden neun im Austauschbau genormt und in nennenswerter Stückzahl gebaut. Lediglich die beiden kurzen O-Wagen-Typen waren nicht mehr zeitgemäß, so dass diese gar nicht (A6) bzw. in nur wenigen Exemplaren (A1) hergestellt wurden. Viele Bauteile der Austauschbauwagen, wie das Standard-Untergestell mit 4500mm Achsstand, fanden auch für diverse Spezialwagen Verwendung.
Die Wagen waren anfangs mit der Kunze-Knorr-Bremse ausgestattet. Einige waren auf sowjetische Breitspur umsetzfähig (Nebengattungszeichen r). Ab 1933 konnten durch den Übergang von der Niet- zur Schweißtechnologie das Eigengewicht der Wagen reduziert und das Ladegewicht entsprechend erhöht werden. Mitte der 1930er Jahre erschienen einige Bauarten mit vergrößertem Achsstand, die höhere Geschwindigkeiten zuließen. Ein Teil dieser Fahrzeuge war mit Dampfheizleitung ausgerüstet (Nebengattungzeichen h), um das Beistellen zu Personenzügen zu ermöglichen.
Die Austauschbauwagen erreichten nicht mehr annähernd die Stückzahlen der Verbandsbauarten, da zunächst die Weltwirtschaftskrise ein geringeres Transportaufkommen bewirkte, später die Kriegsvorbereitungen den Fokus auf andere Transportaufgaben richteten. Sie waren jedoch solide Konstruktionen, weshalb sie trotz ihrer vergleichsweise geringen Anzahl bei beiden deutschen Bahnen noch jahrzehntelang ohne größere Umbauten im Einsatz waren.
Gedeckter Güterwagen "G(r) Kassel", "G(r)(h)s Oppeln"

Der gedeckte Güterwagen des Gattungsbezirks Kassel basiert auf dem Verbandswagen A2, die auffälligsten Unterschiede sind die Verwendung eines Tonnendachs statt des Flachdachs und das auf dem Untergestell stehendes Bremserhaus. Der Wagenkasten wurde durch eine Diagonalstrebe zur Aussteifung in den Seitenfeldern neben den Türen zusätzlich stabilisiert. Um das Untergestell des Om-Wagens (s.u.) verwenden zu können, wurden der Wagenkasten um 200mm gekürzt, sodass die Ladelänge nun 7720mm betrug. In den Jahren 1935/36 entstanden die Wagen auch in geschweißter Ausführung.
Ab 1937 wurde der Achsstand auf 6000mm vergößert um bessere Laufeigenschaften zu erreichen, hierdurch konnte die Höchstgeschwindigkeit auf 90km/h festgelegt werden (Nebengattungszeichen s). Diese ausschließlich geschweißten Wagen wurden dem Gattungsbezirk Oppeln zugeordnet. Der "kurze Oppeln" war der meistgebaute Wagen der Austauschbauart. Im Gegensatz zu dem ab 1934 entstandenen "langen Oppeln" (s.u.) hat er ein dreieckiges Sprengwerk.
Vierachsiger Schienenwagen "SSl(a) Köln"
Diese ab 1928 gebauten Flachwagen waren länger und hatten mit 40t auch ein höheres Ladegewicht als ihre Vorgänger nach dem Musterblatt A3. Die auffälligste Neuerung war der Fischbauchträger. Alle Wagen hatten eine Handbremse. Bei der ab 1934 entstandenen geschweißten Version wurde statt des Bremserhauses ein offener, umklappbarer Bremserstand (Nebengattungszeichen a) angebracht, um lange Gegenstände über das Kopfende hinaus laden zu können. Neben der Handbremse waren die geschweißten Wagen mit der Hildebrandt-Knorr-Bremse ausgerüstet.
Rungenwagen "R(r) Stuttgart", "R(m)s Stuttgart"
Der Austauschbau-Rungenwagen wurde gegenüber dem Verbandswagen A4 um 600mm verlängert, sodass das Untergestell nun mit dem des "Gl Dresden" (s.u.) übereinstimmte. Optisch sind die Wagen gut an dem nunmehr trapezförmigen Sprengwerk zu erkennen. Mit dem Übergang zur geschweißten Bauart ab dem Jahr 1936 entstand noch eine kleine Serie mit räumlichem diagonalem Sprengwerk, Radsätzen für den Übergang zur Breitspur (Nebengattungszeichen r) und ausnahmslos ohne Handbremse.
Ab 1938 wurde der Achsstand von 7000mm auf 8000mm vergrößert, wodurch die Höchstgeschwindigkeit auf 90km/h angeboben werden konnte. Diese Wagen hatten komplett aus Stahl gefertigte Bordwände und ein räumliches diagonales Sprengwerk. Wie schon beim "SSla Köln" (s.o.) verzichtete man auch hier auf das Bremserhaus zugunsten eines umklappbaren Bremserstandes. Später wurde die Lademasse auf 20t erhöht (Nebengattungszeichen m), und ab 1939 erfolgte die Weiterentwicklung zum Rmms-Wagen mit 25t Ladegewicht. Zur DB AG kamen 1994 noch mehr als 1000 dieser Fahrzeuge. Bis Ende 1997 war der Bestand auf 15 Exemplare geschrumpft.
Drehschemelwagen "H Regensburg"
Bei gleichem Achsstand von 4500mm war dieser Drehschemelwagen über Puffer mit 10180mm lediglich etwas länger als der Verbandswagen A5. Es war der einzige Typ, bei dem die Zahl der Austauschbauwagen jene der Verbandswagen erreichte. Ab 1936 wurden nur noch wenige Exemplare in Schweißtechnik gefertigt.
Klappdeckelwagen "K Elberfeld / Wuppertal"
Diese Klappdeckelwagen waren länger (LüP ohne / mit Handbremse 9100mm / 9800mm) und hatten mit 4000mm einen größeren Achsstand als ihre Vorgänger nach dem Musterblatt A7. Die Seitenwände wurden jetzt durch eine senkrechte Strebe beidseits der Tür in je zwei Felder geteilt. Ab 1934 entstanden auch einige Wagen in geschweißter Ausführung. Mit der Umbenennung des vereinigten Barmen-Elberfeld in Wuppertal 1930 änderte sich auch die Bezeichnung des Gattungsbezirks entsprechend.
Verschlagwagen "V Altona / Hamburg"
Analog zum Verbandswagen A8 entstanden auch im Austauschbau Verschlagwagen, die in Abmessungen, Ladegewicht und technischen Eigenschaften den gedeckten Güterwagen (s.o.) entsprachen. Zunächst in Niettechnologie gefertig, wurde 1936/37 noch eine kleine Serie in geschweißter Ausführung ausschließlich ohne Handbremse gebaut. Mit der Eingemeindung von Altona nach Hamburg änderte sich ab 1938 auch die Bezeichnung der Waggons.
Gedeckter Großraumgüterwagen "Gl(t)(r)(h)(s) Dresden", Gedeckter Güterwagen "G(e)hs Oppeln"
Dieser großräumige gedeckte Güterwagen unterscheidet sich vom Verbandswagen A9 nur durch das trapezförmige Sprengwerk und durch eine Diagonalstrebe am Wagenkasten im Teilfeld neben der Tür. Er wurde in genieteter und später in geschweißter Ausführung in verschiedenen Ausstattungen gebaut: mit Stirnwandtüren auf einer oder beiden Seiten und teilweise mit auswechselbaren Radsätzen und / oder Dampfheizleitung. Die Gl-Wagen wurden oft als Leig-Einheiten eingesetzt.
Ab 1933 wurden 650 Güterwagen des Gattungsbezirkes Dresden mit einem von 7000mm auf 7700mm vergrößerten Achsstand gebaut. Diese wiesen ausgezeichnete Schnellfahreigenschaften auf und konnten daher für 90km/h zugelassen werden (Nebengattungszeichen s). Problematisch war jedoch, dass die Waggons auf den meisten Gleiswaagen wegen dem großen Achsstand keinen Platz fanden. Auch die ab 1937 gebauten Gl(t)rhs Dresden mit 7000mm Achsstand konnten trotz ihres großen Überhangs für 90km/h zugelassen werden.
Nach diesen Erfahrungen wurde ein völlig neuer Güterwagen entwickelt und ab 1934 gebaut: Bei 7000mm Achsstand betrug die LüP der ausschließlich mit Handbremse gefertigten Wagen 10800mm. Er hatte wie der Gl Dresden mit 7700mm Achsstand ein trapezförmiges Sprengwerk und durch den kurzen Überhang sehr gute Laufeigenschaften. Da seine Größe zwischen der des Gl-Wagens und des G-Wagens lag, wurde er in den neu geschaffenen Gattungsbezirk Oppeln eingeordnet. Zur Unterscheidung von dem späteren, kürzeren Typ (s.o.) wird er oft als "langer Oppeln" bezeichnet.
Offener Güterwagen "Om Königsberg, Breslau, Essen"
Der offene Wagen des Gattungsbezirks Königsberg mit 20t Ladegewicht wurde ab 1927 im Austauschbau hergestellt. Er lässt sich kaum von der letzten Version des Verbandswagens A10 unterscheiden, wie er ab 1923 gebaut wurde. Deshalb findet sich in der Literatur immer wieder fälschlicherweise 1923 oder 1924 als Erstbaujahr. Das über Puffer 9100mm (mit Handbremse: 9800mm) lange Untergestell mit 4500mm Achsstand fand auch für die Wagen der Gattungen "G Kassel" (s.o.) und "V Altona" (s.o.) sowie zahlreiche Spezial- und Privatgüterwagen Verwendung.
1935 bis 1939 entstanden knapp 4000 geschweißte Om-Wagen, die den Gattungsbezirken Breslau und Essen zugeordnet wurden. Sie erhielten die Hildebrandt-Knorr-Bremse, während auf eine Handbremse verzichtet wurde.
Ab 1939 gab man in Deutschland die Fertigung dieses Wagentyps zugunsten der größeren Omm-Wagen mit 25t Ladegewicht auf. In einigen besetzten Gebieten wurden hingegegen während des 2. Weltkrieges genietete Wagen des Gattungsbezirks Königsberg in nennenswerter Stückzahl gebaut, sodass zwischen 1927 und 1941 insgesamt knapp 20.000 Exemplare entstanden.
Bei der DB wurden die Om-Wagen in den 1960er Jahren ausgemustert, bei der DR waren sie noch in den 1970er Jahren unentbehrlich.
Schienenwagen "Sm Augsburg"
Der ab 1927 gebaute zweiachsige Flachwagen mit 8000mm Achsstand, 12988mm Ladelänge und 20t Ladegewicht unterschied sich nur in einigen konstruktiven Details vom Verbandswagen des Musterblattes A11. Er wurde ausschließlich ohne Handbremse geliefert. Zunächst mit der Kunze-Knorr-Bremse ausgestattet, erhielten die ab 1936 in Schweißtechnik hergestellten Wagen die neue Hildebrandt-Knorr-Bremse.
Nur noch einzelne Exemplare wurden 1939 mit Fischbauchträger und Spurwechelradsätzen gebaut und als Gattung "Smr Augsburg" eingereiht. Mit dem Erscheinen des für 25t Ladegewicht geeigneten Rmms-Wagens im gleichen Jahr war die Konstruktion jedoch technisch bereits überholt.
Spezialwagen
Entgegen allen Vereinheitlichungsbestrebungen wurde die Gruppe der Spezialgüterwagen immer zahlreicher. Es entstanden eine Reihe von Waggons für spezielle Transportaufgaben, die meist auch eine deutliche Rationalisierung der Be- und Entladevorgänge ermöglichten:
- Bereits ab 1923 (und damit anfangs noch nicht im Austauschbau) wurden zweiachsige Kühlwagen mit moderner Isolierung gebaut, die im Gegensatz zu den bis dahin ausschließlich verwendeten Wärmeschutzwagen auch für den Transport von Seefisch und Gefrierfleisch geeignet waren (Gattung Gk…, Gattungsbezirk Berlin).
- Für den Fährverkehr mit England wurden ab 1927 gedeckte Güterwagen (Gfh), Kühlwagen (Gfkhs) und Rungenwagen (Rfh) mit kleinerem Lichtraumprofil gebaut, die konstruktiv den genieteten Austauschbauwagen entsprachen (alle Gattungsbezirk Trier, ab 1935 Saarbrücken).
- Vierachsige gedeckte Güterwagen mit einem Laderaum, der deutlich größer war als der der Gl-Wagen wurden ab 1934 beschafft (Gattung GGhs, Gattungsbezirk Dresden). Da sie im Vergleich zu den zweiachsigen Fahrzeugen jedoch in Bau und Unterhalt unverhältnismäßig aufwändig waren, blieb es bei einer kleinen Serie. Noch seltener waren die speziellen Transportwagen für Rennpferde (GGvwehs Dresden).
- Die bereits ab 1926 gebauten und als Dienstgüterwagen eingereihten Talbot-Schotterwagen (der Form nach sind es Trichterwagen mit dosierbarer Entladung) wurden ab 1928 in einer überarbeiteten Form nach den Grundsätzen des Austauschbaus in großer Stückzahl hergestellt. In den Folgejahren wurde die Konstruktion mehrfach überarbeitet.
- Für den Kohletransport im Saargebiet wurden die von der Preußischen Staatsbahn entwickelten zweiachsigen Trichterwagen mit schlagartiger Entleerung weiterentwickelt (Otm(m) Mainz).
- Der Kohle-, Koks- und Erztransport über weite Strecken konnte ab 1924 mit den aus vierachsigen Sattelwagen gebildeten Ganzzügen erheblich effizienter abgewickelt werden (Gattung OOt(n), Gattungsbezirk Oldenburg, ab 1935 Saarbrücken).
- Für den Transport von Kohle und Koks von den Binnenhäfen zu den Hütten im Ruhrgebiet entwickelte man 1933 spezielle Kübelwagen.
- In kleinen Serien oder als Einzelexemplare wurden Tiefladewagen mit verschiedensten Größen und Ladegewichten gebaut.
- Daneben existierte eine große Vielfalt an Privatgüterwagen, z.B. Bassinwagen für lebende Fische, Bier- und Weinwagen, heizbare Früchtetransportwagen, Staubgutwagen, Kesselwagen und Topfwagen, für die soweit möglich Baugruppen der Austauschbauwagen Verwendung fanden.
Literatur- und Quellenangaben
- Autorenkollektiv: Güterwagen Handbuch, Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin, 1974.
- Behrends H et al: Güterwagen-Archiv (Band 1 und 2), Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1989.
- Carstens S: Die Güterwagen der DB AG, MIBA-Verlag, Nürnberg 1998.
- Carstens S et al: Güterwagen (Band 3 und 4), MIBA-Verlag, Nürnberg 2003.