Zum Inhalt springen

Altarruf

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. Mai 2007 um 14:27 Uhr durch GregorHelms (Diskussion | Beiträge) (Formulierung verbessert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Altarruf ist wesentlicher Bestandteil der Gottesdienste in der Tradition evangelikaler und charismatischer Verkündigung. Dabei werden die Gottesdienstteilnehmer nach der Predigt aufgefordert, nach vorne zu kommen, bei evangelistisch geprägten Anlässen als Zeichen einer öffentlichen Entscheidung für den christlichen Glauben, bei charismatisch geprägten Anlässen als Zeichen der Bereitschaft, für sich beten zu lassen. Bei Menschen, die bereits als Säugling die Kindertaufe empfingen, bietet der Altarruf die Möglichkeit, ohne eine (theologisch zwischen den Konfessionen sehr umstrittene) zweite Taufe als Gläubigentaufe durchführen zu lassen, dennoch eine bewusste Entscheidung für das Glauben öffentlich abzulegen. Für Ungetaufte ist eine positive Antwort auf den Altarruf oft der erste Schritt zum Katechumenat und Taufe.

Die Praxis wird aber auch häufig kritisiert, insbesondere wegen der oft sehr emotionalen Atmosphäre, die die freie Entscheidung des Einzelnen beeinträchtigen kann.

Geschichte

Die Praxis des Altarrufs wird im Allgemeinen auf Charles Finney zurückgeführt, der in den 1830ern nach seinen Evangelisationspredigten zur öffentlichen Entscheidung für den christlichen Glauben aufrief. Finney hatte bei seinen Evangelisationskampagnen jeweils vorne Stühle reserviert für die, die sich nach der Predigt aus Sorge um ihre Seelen "der Seite des Herrn" anschliessen wollten. Diese Leute erhielten dann Seelsorge und es wurde für sie gebetet. Finneys Altarruf hatte zum Ziel, eine Entscheidung, ein sichtbares Ergebnis der Evangelisation herbeizuführen, und er kam dabei zu eindrücklichen Ergebnissen.

Finneys Methode wurde aufgegriffen vom Lutheraner Samuel Simon Schmucker und den Camp Meetings der Heiligungsbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Beispielsweise wurden in der Frühzeit der Heilsarmee diejenigen, die ein neues Leben im Glauben gehen wollten, aufgerufen, sich in die erste Sitzreihe zu setzen, wo erfahrene Mitarbeiter für – oft stundenlange – Gespräche über seelsorgerliche und praktische Notlagen zur Verfügung standen und mit den Hilfesuchenden beteten.

Mit leichten Variationen wurde der Brauch von Dwight Lyman Moody und vielen namhaften evangelikalen Predigern des 19. und 20. Jahrhunderts übernommen. Der Brauch war so verbreitet, dass bereits im 19. Jahrhundert zahlreiche Kirchenlieder die sogenannten "Altar Call Hymns" entstanden, die den Altarruf thematisierten und die bis heute auch in den Kirchengesangsbüchern von Mainline Churches zu finden sind. In traditionellen evangelikalen Kirchen werden diese Lieder bis heute oft als Hintergrundmusik zum Altarruf gespielt.

Theologisch wird der Altarruf begründet mit dem Sündenbekenntnis in (Ps 51,1-17 EU), der Aufforderung zur Umkehr in (Mk 1,15 EU) oder auch mit dem öffentlichen Bekenntnis zu Jesus in Stellen wie (Mt 10,32 EU).

Im der Mitte des 20. Jahrhunderts war es insbesondere Billy Graham der den Altarruf weltweit in der evangelikalen Bewegung so bekannt machte, dass er schon leicht spöttisch als "fundamentalistisches Sakrament" [1] bezeichnet wurde.

Heutige Praxis

Durch Grahams Evangelisationen wurde der Altarruf auch im deutschen Sprachraum bekannt, und auch hier entstanden einige entsprechende Lieder, wie beispielsweise "So wie ich bin komm ich zu dir" von Bodo Hoppe. Von Evangelisationen abgesehen, ist er auch gebräuchlich bei den Freien Evangelischen Gemeinden, evangelikalen Jugendbewegungen und manchen überkonfessionellen Bewegungen wie den Promise Keepers.

Eine neue Variante des Altarrufs entstand im 20. Jahrhundert in der Pfingstbewegung, wo dazu aufgefordert wird, nach vorne zu kommen um für sich beten zu lassen - eine Praxis, die insbesondere auch bei Heilungsgottesdiensten fest dazugehört.

In der umstrittenen neocharismatischen Torontosegen-Bewegung der 1990er wurde nach vorne gerufen, um durch Handauflegen den Segen zu empfangen, wodurch extreme Manifestationen wie Umfallen, Zittern, Lachen oder sogar Tierlaute hervorgerufen wurden.[2]

Reinhard Bonnke ruft bei seinen Großevangelisationenen je nach Anlass zur Bekehrung, zur Geistestaufe oder zu einem Heilungsgebet nach vorne.

Oft entwickelte sich der Altarruf vom der erstmaligen Entscheidung zum erneuten öffentlichen Bekenntnis zu Jesus Christus, dem ein jeweils ein beträchtlicher Teil der versammelten (und schon lange gläubigen) Gemeinde folgte, was heute auch bei manchen Evangelisationsveranstaltungen der Fall ist.

Kritik

Die Praxis des Altarrufs fand schon bald nach ihrer Entstehung auch Kritik: entschieden abgelehnt wurde sie von Kirchen calvinistischer Prägung, die darin einen aus calvinistischer Sicht unzulässigen eigenen Beitrag des Menschen zu seiner Erlösung sahen, und Finney als ketzerischen Vertreter des Pelagianismus bezeichneten.[3] Auch im Luthertum entwickelte sich eine Gegenbewegung, insbesondere in der Lutheran Church - Missouri Synod, die im Altarruf eine unzulässige Emotionalisierung des Gottesdiensts und Verwässerung der göttlichen Gnade sah.

Von evangelikaler Seite wird, auch von Leuten, die den Altarruf nicht völlig ablehnen, dagegen argumentiert, dass er die Bekehrung, die ein längerer Prozess sein kann, auf ein bestimmtes Datum festlegt, oder dass er eine unzulässige Verkürzung des Evangelisationsprozesses ist, indem die rituelle Antwort auf den Altarruf mit echter Umkehr verwechselt wird. [4]

Ein Hauptargument gegen den Altarruf, der auch oft gegen Großevangelisationen im Allgemeinen vorgebracht wird, ist, dass es sich oft um eine impulsive emotionale Entscheidung handelt, die nicht von Dauer ist [5]

Quellen

  1. Joel A. Carpenter, Revive Us Again: The Reawakening of American Fundamentalism
  2. Relinfo: Torontosegen
  3. Laurence A. Justice: Why We Don't Use The Altar Call
  4. [ http://www.the-highway.com/malpractice_MacDonald.html William MacDonald: Evangelistic Malpractice]
  5. Josh Hornbeck: Just as I am