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Der Verdacht (Dürrenmatt)

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Der Verdacht ist ein Roman von Friedrich Dürrenmatt, der 1951 erschien. Er ist die Fortsetzung zu Der Richter und sein Henker und spielt um den Jahreswechsel 1948/49.

Handlung

Kommissar Hans Bärlach, am Ende seiner Polizeikarierre angekommen und an Krebs leidend, erholt sich im Krankenhaus von einer Operation. Dort wird er Zeuge, wie sein Freund, der Arzt Samuel Hungertobel, beim Anblick eines Fotos im Magazin Life erbleicht und irritiert scheint. Der Abgebildete soll der deutsche Arzt Nehle sein, der in Konzentrationslagern grausame Operationen an Häftlingen vorgenommen hatte, ohne sie zu narkotisieren, und sich 1945 umgebracht hat. Hungertobel erkennt eine große Ähnlichkeit mit seinem Studienkollegen Emmenberger, der während des Krieges in Chile war.

Bärlach schöpft den Verdacht, dass Nehle und Emmenberger die Rollen getauscht haben könnten. Er prüft Interpol-Dokumente und Veröffentlichungen von Nehle/Emmenberger und befragt den Juden Gulliver, der das Konzentrationslager überlebt hat und nach dem Krieg auf eigene Faust im Untergrund Naziverbrecher jagt. Am wahrscheinlichsten erscheint Bärlach, dass Emmenberger unter Nehles Namen die Verbrechen im Konzentrationslager begangen hat und nun unbehelligt die Privatklinik Sonnenstein bei Zürich führt. Diesen Verdacht lässt er von dem Journalisten Fortschig in dessen Zeitung "Apfelschuss" veröffentlichen und begibt sich selbst unter falschem Namen als Patient in Emmenbergers Klinik, in der Hoffnung, der psychisch unter Druck gesetzte Emmenberger möge sich selbst verraten. Emmenberger ist auch wirklich der Täter, doch Bärlachs Plan geht nicht auf, denn schnell verliert Bärlach jegliche Kontrolle über die Situation. Emmenberger ist völlig skrupellos und wird von absolut ergebenen Mitarbeitern unterstützt. Er hat bereits Fortschig töten lassen und plant nun auch Bärlach mit einer seiner berühmten Operationen zu beseitigen, doch Gulliver greift ein und tötet Emmenberger.

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Der Kriminalroman

Wie schon Dürrenmatts erster Roman um Kommissar Bärlach, „Der Richter und sein Henker“, endet auch „Der Verdacht“ nicht mit der polizeilichen Inhaftierung oder gerichtlichen Verurteilung des Täters, sondern mit dessen Tötung. Von den regulären kriminalistischen und juristischen Methoden bleibt Emmenberger (wie nicht wenige nationalsozialistische Verbrecher) bis zuletzt völlig unangefochten. Erst Bärlachs rücksichtsloser Einsatz der eigenen Person bringt Emmenbergers kriminelle Existenz ins Wanken. Anders als im klassischen Kriminalroman ist weniger die Überführung des Täters das Thema, als die Herstellung von Gerechtigkeit.

Wie später Dürrenmatts Roman „Das Versprechen“ ist auch „Der Verdacht“ eine Kritik der überkommenen Figur des Detektivs, ausgesprochen von Gulliver: „Man kann heute nicht mehr das Böse allein bekämpfen, wie die Ritter einst allein gegen irgendeinen Drachen ins Feld zogen. Die Zeiten sind vorüber, wo es genügt, etwas scharfsinnig zu sein, um die Verbrecher, mit denen wir es heute zu tun haben, zu stellen. Du Narr von einem Detektiv; die Zeit selbst hat dich ad absurdum geführt!“

Literatur

  • Berns Matzkowski: Friedrich Dürrenmatt: Der Verdacht. In: Königs Erläuterungen und Materialien. Bd. 438. Bange Verlag, Hollfeld 2005, ISBN 978-3-8044-1816-5