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Reinhard Boos (Politiker)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Reinhard Boos (geb. 1897 in Lörrach, gest. 1979) war Kommissar und Bürgermeister der Stadt Lörrach vom 20. April 1933 bis zum 24. April 1945. Ferner bekleidete er die Posten des Orts- und ehrenamtlichen Kreisgruppenleiters (bis 1938) sowie des Gau-Einsatzredners der NSDAP. In der Bundesrepublik war er in Lörrach Gemeinderatsmitglied.

Politisches Wirken bis 1945

Boos, aus einer Lörracher Arbeiterfamilie stammend, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, war Soldat im ersten Weltkrieg sowie später Angestellter der Stadtverwaltung bzw. Buchhalter. Er wurde - zu diesem Zeitpunkt im Zivilberuf Prokurist eines kleinen Weiler Unternehmens - am 16. November 1930 erstmals für die NSDAP, deren Ortsgruppenleiter er in Lörrach war, in den Stadtrat gewählt. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde er am 19. April 1933 durch den badischen Gauleiter Robert Wagner zum Stadtverwaltungs-Kommissar ernannt, da der gewählte deutschnationale Bürgermeister Dr. Graser politisch nicht zuverlässig genug erschien. Boos war in der Folge vor Ort zum Teil federführend an der Zerschlagung der Gewerkschaften sowie der oppositionellen Parteien beteiligt. Gegen Dr. Graser strengte er ein Amtsenthebungsverfahren an. Nach dessen erfolgreichen Ausgang war Boos ab 19. Juli 1933 Bürgermeister, ein Posten, für den er fachlich nicht ausreichend qualifiziert war. So verlängerte Wagner Boos' Amtszeit im Jahr 1942 nur unter Auflagen und hielt ihn u. a. zu einer "strafferen Amtsführung" an. Ab 1938 wirkte Boos wiederum leitend an den Aktionen gegen die Lörracher Juden mit (z. B. Abriss der in der Reichskristallnacht beschädigten Synagoge, beabsichtigte Zerstörung des alten jüdischen Friedhofs). Gegenüber der Schweiz vertrat er eine der politischen Großwetterlage angepasste Politik: hatte er in den späten dreißiger Jahren noch den Ausbau Lörrachs zum "deutschen Kulturbollwerk" im Dreiländereck forciert, so forderte er ab 1941 offen "Grenzbereinigungen". Er schrieb am 09. August 1941 dem Gauleiter: "Das badische Grenzland entlang der Schweizer Grenze wünscht und hofft mit ganzem Herzen, dass diese politische Bereinigung an den willkürlichen Grenzen der sogenannten Schweiz nicht halt macht." Am 24.04.1945 nahm Boos persönlich an einem kleinem Aufgebot des Volkssturms zur Verteidigung der Stadt gegen die einrückende französische Armee teil. Dabei wurde er verwundet und anschließend bis 1947 in Frankreich interniert.

Nachkriegszeit

Nach der Rückkehr und Entnazifizierung (als "Minderbelasteter", da er sich für einige ihm persönlich bekannte Verfolgte eingesetzt und wohl auch spätestens ab Kriegsbeginn keinen Einfluss mehr auf den Gang der überörtlichen Ereignisse hatte) gelang es Boos, ab 1959 nochmals ein Gemeinderatsmandat für eine Freie Wählergruppe zu erlangen, nachdem er bereits im Vorjahr als Nachrücker in das Gremium gelangt war. In dieser Funktion exponierte er sich nur noch im durchschnittlichen Umfang. Boos gab nach dem Krieg an, er habe sich angesichts der Fragestellung "Bolschewismus oder Deutschland" als Sozialist und Deutscher "für Deutschland und die NSDAP entschieden".

Heutige Diskussion

Boos wurde zunächst nicht in die Portraitgalerie der Bürgermeister und Oberbürgermeister im Lörracher Rathaus aufgenommen. Seit einiger Zeit wird jedoch über eine nachträgliche Aufnahme (mit dem Vorschlag der Anbringung einer erläuternden Plakette) diskutiert. Eine Entscheidung darüber hat der Lörracher Stadtrat noch nicht getroffen.

Quellen

• Hugo Ott: Die Zeit von 1918 bis 1945; in: Lörrach, Landschaft-Geschichte-Kultur (Hrsg.: Stadt Lörrach 1982)

• Wolfgang Göckel: Lörrach im Dritten Reich (Eigenverlag, Schopfheim 1990)

• Serger, Böttcher, Ueberschär (Hrsg.): Südbaden unter Hakenkreuz und Trikolore (Rombach Verlag, Freiburg i. Br./Berlin/Wien 2006)