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Ich-AG

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Ich-AG ist ein Begriff zur Gründung von Kleinunternehmen, der mit dem "2. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz II, siehe Hartz-Konzept) vom 23. Dezember 2002 in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurde. Der Begriff wurde von der Gesellschaft für Deutsche Sprache e.V. zum Unwort des Jahres 2002 erklärt (siehe unten). In den ersten beiden Quartalen seit Einführung des Existenzgründungszuschusses wurden rd. 25.000 Ich-AGs gegründet, in den ersten acht Monaten 2003 rund 52.000. Dies entspricht etwa 25 % aller Existenzgründungen und rd. 33 % aller Gründungen aus der Arbeitslosigkeit. Ende August 2004 existierten mit 150 000 Ich-AGs um 9% weniger, als bisher gegründet wurden. Knapp ein Zehntel scheint demnach im ersten Jahr aufzugeben oder die Einkommensgrenze der Förderung zu überschreiten.

Zu beachten ist, dass diese Kleinunternehmen keine Aktiengesellschaften (AGs) nach dem AktG, sondern grundsätzlich Einzelgewerbe ohne die für AGs übliche beschränkte Haftung sind. Insofern ist der Begriff Ich-AG irreführend.


Definition

Als Ich-AG wird ein Existenzgründungszuschuss (ExGZ) für Arbeitslose bezeichnet, der ab dem 1. Januar 2003 - zunächst bis zum Jahr 2005 befristet - insbesondere die Gründung von Kleinunternehmen mit einem maximalen Jahresarbeitseinkommen (= Unternehmer-Gewinn im Sinne der fördernden Arbeitsagentur) von 25.000,00 EUR fördern soll. Auch bei der Gründung als Familien-AG gilt diese Höchstgrenze; als mitarbeitende Familienangehörige gelten Ehegatten, Verwandte und Verschwägerte bis zum zweite Grade sowie Pflegekinder des Gründers bzw. seines Ehegatten. Dies ist seit dem Kleinunternehmerförderungsgesetz jedoch von untergeordneter Bedeutung, denn die Ich-AG kann auch Beschäftigte einstellen; dabei gilt auch hier die Arbeitseinkommensgrenze von 25.000 EUR jährlich. Der Existenzgründungszuschuss kann von allen Berechtigten auf Entgeltersatzleistungen der Agentur für Arbeit beim zuständigen Arbeitsberater formlos beantragt werden. Die Gesetzesgrundlage ist § 421 l SGB III. Ab dem 1. Januar 2005 stehen die Existenzgründungsfördermöglichkeiten des Existenzgründungszuschusses und des Überberückungsgelds nur noch Personen zu, die Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben. Empfänger des Arbeitslosengelds II, können dann das durch den Fallmanager nach dem individuellen Bedarf berechnete Einstiegsgeld beantragen.

Details

Antrag

Der Existenzgründungszuschuss (ExGZ) wird beim Arbeitsberater der örtlichen Arbeitsagentur beantragt. Voraussetzung ist ein durch eine fachkundige Stelle begutachteter Geschäftsplan genau wie beim Überbrückungsgeld, der bei der Arbeitsagentur direkt abgegeben werden muss und von ihr auf Plausibilität geprüft wird. Er muß eine "Kurzbeschreibung des Existenzgründungsvorhabens" (= Textteil) sowie einen Kapitalbedarfs- und Finanzplan und eine Umsatz- und Rentabilitätsvorschau (= Zahlenteil) enthalten. Wenn Zweifel an der Ernsthaftigkeit oder Tragfähigkeit der Gründung bestehen, sind die Arbeitagenturen angewiesen, den Existenzgründerzuschuss zu verweigern oder zunächst nur für ein halbes Jahr (oder auch einen kürzeren Zeitraum) zu bewilligen. Nicht gefördert wird, wer innerhalb der letzten 24 Monate bereits mit Überbrückungsgeld oder Existenzgründungszuschuss gefördert worden ist. Von dieser Wartefrist kann abgesehen werden, wenn die selbständige Tätigkeit durch besondere Umstände (z. B. Krankheit, Schwangerschaft) unterbrochen wurde.

Rechtsform und Steuern

Die Ich-AG ist grundsätzlich ein Einzelunternehmen. Sie ist von IHK-/HWK-Beiträgen befreit.

Der Existenzgründungszuschuss ist steuerfrei. Er unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG.

Die Besteuerung der Ich-AG erfolgt wie bei jedem anderen Einzelunternehmen.

Die Versteuerung des Gewinns aus der Ich-AG erfolgt in jedem Fall im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Einzelunternehmers.

Für die Gewerbesteuer wird ein Freibetrag gem § 11 GewStG von € 24.500 gewährt. Danach erfolgt die Versteuerung mit einem Stufentarif. Die Gewerbesteuerbelastung ist abhängig vom gemeindlichen Hebesatz, wobei die Gewerbesteuer in der Regel auf die Einkommensteuer angerechnet werden kann.

Sofern die Umsätze des Vorjahres € 17.500,00 und die voraussichtlichen Umsätze des laufenden Jahres € 50.000,00 nicht überschreiten, des Unternehmers im Rahmen der so genannten Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 I UStG umsatzsteuerfrei. Der Unternehmer kann allerdings auch zur Regelversteuerung optieren und den Vorsteuerabzug aus Investitionen geltend machen. In diesem Fall ist er auf fünf Jahre an die Regelversteuerung gebunden.


- Für die die Dauer des Existenzgründungszuschusses, der im ersten Jahr monatlich 600,00 EUR, im zweiten — auf Antrag — monatlich 360,00 EUR und im dritten Jahr — auf Antrag — 240,00 EUR beträgt, ist der Selbständige mit Existenzgründungszuschuss versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung, jedoch zum halben Beitragssatz. Dies unterscheidet die Ich-AG vom Überbrückungsgeld als alternative Bezuschussung einer Existenzgründung durch Arbeitslose. Versicherungspflicht besteht für den Existenzgründer auch in der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Pflegeversicherung sowie der gesetzlichen Unfallversicherung - insofern der Existenzgründer nicht bereits vorher Mitglied in der privaten Krankenversicherung war. Die Beitragshöhe in der gesetzlichen Krankenversicherung bemisst sich nach der Bezugsgröße gem. § 18 SGB IV, wobei die Beitragsberechnung für die Ich-AG auf ein Sechzigstel (anstatt einem Dreißigstel) vorgenommen wird: für das Jahr 2004 monatlich 2.030 EUR (Ost) und 2.414 EUR (West) - unabhängig vom tatsächlichen Arbeitseinkommen (ab 1.1.2005: bundeseinheitlich für die gesetzliche Krankenversicherung: 2.415 EUR, für die gesetzliche Rentenversicherung bleiben die Bezugsgrößen von 2004). Der Beitrag berechnet sich wie folgt:

[(Bezugsgröße / 60) * 30] * Beitragssatz   
   
z. B.   
   
[(2.030 EUR / 60) * 30] * 13,8% = 249,96 EUR   
   
Auf Nachweis kann in der Rentenversicherung eine Reduzierung der für die Berechnung des Beitrages zu Grunde gelegten Bezugsgröße erfolgen. Trotzdem müssen Ich-AG-Gründer je nach Beitragssatz in der Krankenversicherung mit ca. 330,- EUR bis 560,- EUR monatlicher Belastung für Ihre Sozialversicherung rechnen. Der Existenzgründungszuschuss ist also primär als Unterstützung zur sozialen Absicherung bei dem Versuch der Existenzgründung gedacht.    

- Im Gegensatz dazu können zusätzlich - wie bei anderen Existenzgründungen - Fördermittel für das Unternehmen (z. B. Eigenkapitalhilfe, Investitionszuschüsse oder Darlehn) bei den zuständigen Stellen beantragt werden

Übergang / Ende

Die Ich-AG kann durch Ablauf der Förderung oder Überschreiten der Einkommensgrenze in ein Unternehmen mit freier Rechtsformwahl (also auch in eine Kapitalgesellschaft) übergehen oder durch Betriebsaufgabe eingestellt werden.

Kritische Anmerkungen

Kritisch an der ICH-AG ist die damit verbundene Verniedlichung des Risikos des Scheiterns einer Existenzgründung. Dies lässt sich auch oft nicht mehr durch intensive Beratung der Agenturen für Arbeit oder von ihnen beauftragter Dritter korrigieren. Folge davon ist häufig eine hohe Verschuldung in Verbindung mit dem Scheitern der Existenzgründung. Oft wird das Scheitern mit verursacht durch die weitgehende, aber normalweise bei Selbständigen unübliche Sozialversicherungspflicht. Die Beitragsbescheide kommen in der Regel rückwirkend nach zwei bis drei Monaten. Der Existenzgründungszuschuss ist zu diesem Zeitpunkt aber bereits in den Lebensunterhalt oder das Unternehmen geflossen. Damit beginnt eine Verschuldungsspirale für den Existenzgründer, der oft kaum noch finanzielle Rücklagen nach einer vorangegangenen Arbeitslosigkeit hat. Arbeitslose haben einen Rechtsanspruch auf die Zuschüsse zur Ich-AG von der Arbeitsagentur, insofern das Geschäftskonzept die Tragfähigkeit einer selbständigen Existenz aufweist.

Der anfängliche Vorteil der relativ unbürokratische Aufnahme einer selbständigen Existenz wurde durch Konkretisierungen, Änderungen und Ergänzungen seit Bestehen des Existenzgründungszuschusses vernichtet. Hier einige Beispiele:

  • Geplant war eine pauschale Abgabe für Steuern und Sozialversicherung - diese wurde nicht realisiert. Das Einkommen der Ich-AG unterliegt dem Einkommensteuergesetz. Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind sowohl für die Ich-AG als auch für andere Existenzgründer in einer Übergangszeit reduziert. Lediglich die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind erheblich reduziert, beziehen sich jedoch nicht auf das tatsächliche oder prognostizierte Einkommen, sondern auf die Bezugsgröße.
  • Der Existenzgründungszuschuss kann auch bei Gründung mit Partnern beantragt werden, insofern die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind. - Damit ist der Bezug zum Einzelkämpfer ("Ich-AG") entfallen.
  • Ursprünglich sollte die Ich-AG keine Mitarbeiter haben, womit deutlich wird, dass es sich um ein Kleinstunternehmen (Einzelkämpfer) handeln soll. Dies wurde mit dem Kleinunternehmerförderungsgesetz (KFG) vom 11. Juli 2003 aufgehoben. Die Ich-AG kann Arbeitgeber in gleichem Umfang sein, wie alle anderen Unternehmer auch.
  • Leistungsempfänger sollten einen Rechtsanspruch - ohne große Formalitäten - auf den Existenzgründungszuschuss haben. Dies wurde im August 2004 mit Tagesnachricht Nr. 11440 des BMWA korrigiert: Die Ich-AG hat einen Geschäftsplan vorzulegen.
  • Ursprünglich sollte mit der Ich-AG auch eine Betriebsausgabenpauschale zur Vereinfachung der Buchführung eingeführt werden. Diese scheiterte im Vermittlungsausschuss zum Kleinunternehmerförderungsgesetz (KFG). Die Ich-AG hat - wie andere Selbständige auch - eine ordentliche Buchführung als Einnahmenüberschussrechnung oder Betriebsvermögensvergleich zu führen. Spätestens zehn Monate nach Gründung sind Erfolgsrechnung und Rentabilitätsvorschau zur Beantragung weiterer Zuschüsse vorzulegen.
  • Ab dem 1. August 2004 ist für die Ich-AG die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung aufgrund einer nur geringfügigen Ausübung der selbständiger Tätigkeit mit einem monatlichen Arbeitseinkommen von bis zu 400,00 EUR ausgeschlossen. Der Bezieher eines Existenzgründungszuschusses hat den halben Regelbeitrag (197,93 EUR Ost; 235,46 EUR West) oder einem einkommensabhängigen Betrag zwischen dem Mindestsatz (78,00 EUR) und dem Höchstsatz (1.004,25 EUR) zu zahlen (jedoch zum vollen Beitragssatz in Höhe von 19,5 %).

Die Aufnahme einer selbständigen Existenz in Verbindung mit dem Existenzgründungszuschuss unterscheidet sich somit in keiner Weise mehr von der Existenzgründung mit Überbrückungsgeld oder aus eigenen Mitteln heraus: Weder Antragswege, noch Voraussetzungen wurden vereinfacht.

Gesetzliche Grundlagen

  • § 421 l SGB III (Definition der Anspruchsgrundlagen und der Förderhöhe)
  • § 8 SGB IV (Abgrenzung geringfügige selbständige Beschäftigung)
  • § 14 SGB IV (Definition Arbeitsentgelte)
  • § 15 SGB IV (Definition Gewinn)
  • § 19 UStG (Kleinunternemerregelung - Umsatzsteuerbefreiung)
  • § 249 SGB V (Bemessung der gesetzlichen Krankenversicherung für freiwillig Versicherte)
  • § 55 SGB XI (Bemessung der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung)
  • §§ 147, 196 SGB III (Restdauer auf Entgeltersatzleistungen)
  • Artikel 1 Nr. 5 des 2. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
  • § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (Definition arbeitnehmerähnlicher Selbständiger)
  • § 165 Abs. 1 SGB VI (Nachweis geringeren Einkommens für die gesetzliche Rentenversicherung)
  • § 3 SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung)
  • § 1 Abs. 1 EStG (Katalogberufe im Rahmen der Freiberuflichkeit)
  • § 4 Abs. 3 EStG (Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung)
  • § 3 EStG (Steuerfreiheit des Existenzgründungszuschusses)

Siehe auch

Literaturhinweise