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Wilhelm Tell

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Wilhelm Tell, der besonders durch Schillers Dichtung verherrlichte Held der Schweizersage, angeblich ein Landmann aus Bürglen im Kanton Uri, Schwiegersohn Walther Fürsts von Uri.

Als er 18. November 1307 dem vom Landvogt Gessler zu Altdorf als Zeichen der österreichischen Hoheit aufgesteckten Hut die befohlene Reverenz nicht erwies, gebot ihm der Vogt als berühmtem Armbrustschützen, einen Apfel von dem Haupt seines Söhnleins zu schießen. Auf die Drohung, das Kind müsse sonst mit ihm sterben, tat Tell den Schuss und traf den Apfel. Als er aber auf die Frage nach dem Zweck des zweiten Pfeils, den er zu sich gesteckt hatte, antwortete, dass derselbe, wenn er sein Kind getroffen, für den Vogt bestimmt gewesen, befahl dieser, ihn gefesselt auf seine Burg nach Küssnacht überzuführen. Auf dem Vierwaldstättersee aber brachte ein Sturm das Fahrzeug in Gefahr, und Tell ward seiner Fesseln entledigt, um dasselbe zu lenken. Geschickt wußte er das Schiff gegen das Ufer, wo der Axenberg sich erhebt, zu treiben, sprang dort vom Bord auf eine hervorragende Felsplatte, welche noch jetzt die Tellsplatte heißt, eilte darauf über das Gebirge nach Küssnacht zu, erwartete den Vogt in einem Hohlweg, Hohle Gasse genannt, und erschoß ihn aus sicherm Versteck mit der Armbrust. Von Tells weitern Lebensschicksalen wird nur noch berichtet, dass er 1315 in der Schlacht bei Morgarten mit gefochten und 1354 in dem Schächenbach beim Versuch der Rettung eines Kindes den Tod gefunden habe.

Nachdem schon der Freiburger Guillimann 1607, dann die Baseler Christian und Isaak Iselin, der Berner Pfarrer Freudenberger 1752 sowie Voltaire ("Annales de l'Empire") die Geschichte Tells als Fabel bezeichnet hatten, ist in neuerer Zeit durch die Forschungen Kopps (s. d.) u. a. in unzweifelhafter Weise aufgezeigt worden, dass dieselbe, wie überhaupt die gewöhnliche Tradition von der Befreiung der Waldstätte, einerseits im Widerspruch mit der urkundlich beglaubigten Geschichte (s. Schweiz, S. 757) steht, und dass sie anderseits in keinen zeitgenössischen oder der Zeit näher stehenden Quellen mit irgend einer Silbe erwähnt wird. Erst gegen Ende des 15. Jahrh. taucht die Tellsage auf und zwar in zwei Versionen. Die eine, repräsentiert durch ein um 1470 entstandenes Volkslied, die 1482-88 geschriebene Chronik des Luzerners Melchior Russ, ein 1512 in Uri verfaßtes Volksschauspiel u. a., erblickt in T. den Haupturheber der Befreiung und Stifter des Bundes; die andre, die zuerst in dem um 1470 geschriebenen anonymen "Weissen Buch" zu Sarnen, dann in der 1507 gedruckten Chronik des Luzerners Etterlin erscheint, gibt Tells Geschichte nur als zufällige Episode und schreibt die Verschwörung vornehmlich den Stauffacher zu. Erst Tschudi (s. d.) hat die beiden Traditionen zu der stehend gewordenen Gesamtsage verknüpft, die dann im Lauf der Jahrhunderte noch mancherlei Zusätze bekam und durch J. v. Müller und Schiller Gemeingut geworden ist. Die so genannte Tellskapellen auf der Tellsplatte, in Bürglen, in der Hohlen Gasse stammen sämtlich erst aus dem 16. Jahrh. und sind zum Teil nachweislich zu Ehren von Kirchenheiligen gestiftet worden. In Uri ließ sich keine Familie Tell ermitteln; die Erkenntnisse der Urnerlandsgemeinden von 1387 und 1388, welche Tells Existenz bezeugen sollten, sowie die den Namen "Tello" und "Täll" enthaltenden Totenregister und Jahrzeitbücher von Schaddorf und Attinghausen sind als Erdichtungen und Fälschungen nachgewiesen.

Die Sage vom Apfelschuss ist ein uralter indogermanischer Mythos, welcher in anderm Gewand auch in der persischen, dänischen, norwegischen und isländischen Heldensage, in welch letzterer der Held Eigil genannt wird, von dessen Sohn, König Orentel, T. vielleicht den Namen erhalten hat, vorkommt und in der Schweiz von den Chronisten des 15. Jahrh. zur Ausschmückung der Befreiungssage verwendet worden ist.

[Dieser Artikel basiert hauptsächlich auf dem Artikel aus Meyers Konversationslexikon von 1888.]

Literatur

  • Tell, Wilhelm, in: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888, Bd. 15, S. 576

Vgl. auch die folgenden älteren Untersuchungen: Häusser, Die Sage vom T. (Heidelb. 1840); Huber, Die Waldstätte (mit einem Anhang über die geschichtliche Bedeutung des Wilhelm T., Innsbr. 1861); Liebenau, Die Tellsage (Aarau 1864); W. Vischer, Die Sage von der Befreiung der Waldstädte (Leipz. 1867); Rilliet, Der Ursprung der Schweizer Eidgenossenschaft (deutsch, 2. Aufl., Aarau 1873); Hungerbühler, Étude critique sur les traditions relatives aux origines de la Confédération suisse (Genf 1869); Meyer v. Knonau, Die Sage von der Befreiung der Waldstätte (Basel 1873); Rochholz, T. und Geßler in Sage und Geschichte (Heilbr. 1876); Derselbe, Die Aargauer Geßler in Urkunden (das. 1877).