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Jürgen Habermas

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Jürgen Habermas im Gespräch mit dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger (seit 2005 Benedikt XVI.) (2004)

Jürgen Habermas (* 18. Juni 1929 in Düsseldorf) ist ein deutscher Philosoph und Soziologe, der hauptsächlich durch seine Arbeiten zur Sozialphilosophie bekannt geworden ist. Nicht zuletzt durch regelmäßige Lehrtätigkeiten an ausländischen Universitäten, vor allem in den USA, sowie durch Übersetzungen seiner wichtigsten Arbeiten werden seine Theorien international diskutiert. Jürgen Habermas wird zur Frankfurter Schule gezählt, hat sich von deren Ursprung allerdings weit entfernt.

Einleitung

Habermas gilt aufgrund der Vielfalt seiner philosophischen und sozialwissenschaftlichen Aktivitäten als ein schwer einzuordnender Denker. Er ist das prominenteste Mitglied der zweiten Generation der Kritischen Theorie. Habermas verband den historischen Materialismus von Marx mit dem amerikanischen Pragmatismus, der Entwicklungstheorie von Piaget und Kohlberg und der Psychoanalyse von Freud. Zudem beeinflusste er maßgeblich die Entwicklung der deutschen Sozialwissenschaften, die Moral- und Sozialphilosophie und entwickelte eine vielbeachtete Diskurstheorie der Moral und des Rechts.

Habermas war an allen großen theoretischen Debatten der Bundesrepublik beteiligt, nahm aber auch zu gesellschaftspolitischen und historischen Ereignissen Stellung.
Als übergeordnetes Motiv seines umfassenden Werks gilt ihm „die Versöhnung der mit sich selber zerfallenden Moderne“ [1].

Biographie

Jugend und Studium

Habermas wurde in Düsseldorf geboren, wuchs aber in der nahe gelegenen Kleinstadt Gummersbach auf, wo sein Vater, Ernst Habermas, Geschäftsführer der dortigen Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer zu Köln war. Das politische Klima in seinem Elternhaus beschreibt er als „geprägt duch eine bürgerliche Anpassung an eine politische Umgebung, mit der man sich nicht voll identifzierte, die man aber auch nicht ernsthaft kritisierte“.[2]

Habermas war Mitglied der Hitlerjugend und wurde im Herbst 1944 als Fronthelfer an den Westwall geschickt. Seine Mitgliedschaft in der Hitlerjugend bildete im Jahr 2006 den Anlass zu einer heftigen Polemik. Joachim Fest hatte Habermas in seiner posthum erschienenen Autobiographie als einen „dem Regime in allen Fasern seiner Existenz verbundenen HJ-Führer“ bezeichnet.[3] Der Vorwurf, der vom Magazin Cicero veröffentlicht und von Habermas als „Denunziation“ zurückgewiesen wurde, erschien schließlich nach einer Zeugenaussage von Hans-Ulrich Wehler als haltlos.[4]

Zwischen 1949 und 1954 studierte Habermas an den Universitäten Göttingen (1949/50), Zürich (1950/51) und Bonn (1951–54). Er befasste sich mit Philosophie, Geschichte, Psychologie, deutscher Literatur und Ökonomie. Zu seinen Lehrern gehörten Nicolai Hartmann, Wilhelm Keller, Theodor Litt, Johannes Thyssen und Hermann Wein, Erich Rothacker und Oskar Becker.

Im Wintersemester 1950/51 begegnete Habermas erstmals Karl-Otto Apel, dessen „engagiertes Denken“[5] und Interesse für den amerikanischen Pragmatismus für seine weitere philosophische Entwicklung von großer Bedeutung wurde.

1953 erregte Habermas zum ersten Mal öffentliches Aufsehen, als er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Rezension zu Heideggers „Einführung in die Metaphysik“ verfasste, die im selben Jahr erschienen war. Heidegger hatte dort die „innere Wahrheit und Größe“ der nationalsozialistischen Bewegung hervorgehoben, was Habermas als „Rehabilitation“ des Nationalsozialismus scharf verurteilte.

Im Jahre 1954 promovierte Habermas in Bonn mit einer Arbeit über Das Absolute und die Geschichte. Von der Zwiespältigkeit in Schellings Denken bei Erich Rothacker und Oskar Becker. Nach der Promotion betätigte er sich als freier Journalist für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Merkur, die Frankfurter Hefte und das Düsseldorfer Handelsblatt. 1955 heiratete er Ute Wesselhoeft, mit der er drei Kinder hat. Ein Stipendium brachte ihn 1956 nach Frankfurt ins Institut für Sozialforschung.

Assistenzzeit in Frankfurt und Habilitation

In seiner dortigen Assistenzzeit bei Adorno lernte Habermas das Denken der Frankfurter Schule kennen. In besonderem Maße wurde er von Herbert Marcuse beeinflusst, dem er 1956 begegnete. Habermas entwickelte daraufhin eine an Freud und dem jungen Marx orientierte Auffassung vom Marxismus. Konflikte mit Max Horkheimer, der seine Habilitationsschrift hätte betreuen sollen, bewegten ihn dazu, das Institut für Sozialforschung 1959 wieder zu verlassen. Er bekam ein Habilitationsstipendium der DFG und habilitierte sich 1961 in Marburg (Lahn) mit der vielbeachteten Schrift Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft bei Wolfgang Abendroth.

Die Zeit als Professor

Bereits 1961, noch vor Abschluss seines Habilitationsverfahrens, wurde Habermas nach Vermittlung von Gadamer außerordentlicher Professor an der Universität Heidelberg, wo er bis 1964 lehrte. Der Kontakt mit Gadamer veranlasste ihn, sich mit dessen Hermeneutik auseinanderzusetzen. Außerdem beschäftigte sich Habermas in dieser Zeit mit der Analytischen Philosophie – v.a. der Spätphilosophie Wittgensteins – und dem amerikanischen Pragmatismus: Peirce, Mead und Dewey. In den Jahren 1963–1965 beteiligte sich Habermas am Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, der ihn dazu motivierte, den erkenntnistheoretischen Status der Sozialwissenschaften zu untersuchen. In dieser Auseinandersetzung entstanden diverse Aufsätze und eines seiner einflussreichsten Werke, Erkenntnis und Interesse (1968).

Im Jahre 1965 ging Habermas nach Frankfurt, wo er den Lehrstuhl Horkheimers für Philosophie und Soziologie übernahm. Er erlebte dort die Zeit der Studentenrevolte, in der er eine exponierte Rolle spielte. Bereits in den 1950er-Jahren war Habermas für demokratische Reformen des Bildungswesens und der Hochschulen eingetreten und wurde so als Vertreter der „Linken“ zu einem geistigen Anreger der Studentenbewegung 1967/68; es kam aber schon bald zu Konfrontationen zwischen Habermas und radikalen Studenten. Während der Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre prägte er die Positionen der sogenannten „verfassungsloyalen” Linken entscheidend mit. Dabei ging er zunehmend auf Distanz zu den radikaleren Studentengruppen um Rudi Dutschke, denen er den Vorwurf des „Linksfaschismus” machte (eine Zuschreibung, die er später bedauerte).

1971 wechselte er nach Starnberg bei München, wo er bis 1981 gemeinsam mit Carl Friedrich von Weizsäcker das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt leitete. Im selben Jahr fand die Debatte mit Luhmann über dessen Systemtheorie statt. 1973 wurde Habermas der Hegel-Preis der Stadt Stuttgart, 1976 der Sigmund-Freud-Preis verliehen.

Der „Deutsche Herbst“ 1977, der eine Ausweitung des „Radikalenerlasses“ von 1972 zur Folge hatte, forderte Habermas heraus, verstärkt zu tagespolitischen Streitpunkten Stellung zu beziehen und sich mit der Theorie des Neokonservatismus und seiner Kritik an der Moderne auseinanderzusetzen.

1980 erhielt er den Theodor-W.-Adorno-Preis. 1981 veröffentlichte er sein Hauptwerk Theorie des kommunikativen Handelns, in dem er sich unter anderem mit George Herbert Mead, Max Weber, Emile Durkheim und Talcott Parsons auseinandersetzt.

Nach Meinungsverschiedenheit mit Mitarbeitern des Starnberger Max-Planck-Instituts kehrte er 1981 nach Frankfurt zurück, wo er von 1983 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1994 den Lehrstuhl für Philosophie mit dem Schwerpunkt Sozial- und Geschichtsphilosophie übernahm.

Mitte der 80er Jahre setzte sich Habermas im Rahmen eines fünfjährigen, von der Leibniz-Gemeinschaft und der DFG finanzierten Forschungsprojekts, mit rechtstheoretischen Fragestellungen auseinander und entwickelte in Faktizität und Geltung seine eigene Rechtsphilosophie.

Im Jahre 1986 löste Habermas′ Artikel Eine Art Schadensabwicklung, den er in der Zeit veröffentlichte, den Historikerstreit aus. Habermas kritisierte darin das Unternehmen einer Gruppe von Historikern um Ernst Nolte, den Nationalsozialismus mit dem Stalinismus auf eine Stufe zu stellen.

An der deutschen Wiedervereinigung (1990) kritisierte Habermas den Charakter eines „auf wirtschaftliche Imperative zugeschnittenen Verwaltungsvorgangs“ ohne „eigene demokratische Dynamik“. [6]

Die Zeit nach der Emeritierung

Auch nach seiner Emeritierung 1994 meldete sich Habermas immer wieder publizistisch zu Wort. Im März 1999 nahm er in der Zeit gegen den Kosovokrieg Stellung (Bestialität und Humanität). Die im selben Jahr durch eine Rede Sloterdijks [7] ausgelöste Kontroverse um das Thema der Eugenik veranlasste Habermas 2001 zu der Veröffentlichung Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?.

In seiner Rede anlässlich der Verleihung des Kyoto Preises, Freiheit und Determinismus (2004), setzte er sich außerdem mit der durch die aktuelle Hirnforschung aufgeworfenen Frage über die Freiheit des Menschen auseinander.

Seit 1997 ist Jürgen Habermas Mitherausgeber der politisch-wissenschaftlichen Monatszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik.

Werk

Erkenntnis und Interesse

Die Schrift „Erkenntnis und Interesse“ (1968) entstand anlässlich des Positivismusstreits der deutschen Soziologie, der auf der Tübinger Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie mit den beiden Referaten von Theodor W. Adorno und Karl R. Popper im Oktober 1961 entflammte. Vorangegangen war ihr die gleichlautende Frankfurter Antrittsvorlesung, die Habermas 1965 hielt.
Habermas greift hierin die Fragestellung der Transzendentalphilosophie nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis auf, um sie mit den Mitteln der modernen Sozialwissenschaften zu beantworten. Er stellt heraus, dass es keine „objektive“ Erkenntnis gibt. Vielmehr bestimmt das jeweilige theoretische oder praktische Erkenntnisinteresse den Aspekt, unter dem die Wirklichkeit objektiviert, das heißt wissenschaftlicher Forschung und Organisation zugänglich gemacht wird. Erkenntniskritik ist daher nur noch als Gesellschaftstheorie möglich.

Konsensustheorie der Wahrheit

Jürgen Habermas legte 1973 in seinem Aufsatz Wahrheitstheorien [8]eine Konsensustheorie der Wahrheit vor. Er definiert darin „Wahrheit“ als „den Geltungsanspruch, den wir mit konstativen Sprechakten verbinden“. Eine Aussage sei dann wahr, „wenn der Geltungsanspruch der Sprechakte, mit denen wir, unter Verwendung von Sätzen, jene Aussagen behaupten, berechtigt ist.“'
Träger der Wahrheit ist die Aussage; sie kann in einen konstativen Sprechakt bzw. Sprechakt des Behauptens eingebettet werden. In diesem Fall wird mit ihr ein Geltungsanspruch erhoben, der berechtigt oder unberechtigt sein kann. Ein Geltungsanspruch ist nach Habermas dann berechtigt, wenn er diskursiv eingelöst werden kann.
Habermas unterscheidet vier Arten von Geltungsansprüchen, die nicht aufeinander zurückgeführt werden können. Ihre Erfüllung muss im kommunikativen Handeln von den Sprechern unterstellt werden. Solange die Verständigung gelingt, bleiben die wechselseitigen Ansprüche unthematisiert, scheitert sie, müssen die Unterstellungen daraufhin überprüft werden, welche von ihnen unerfüllt blieb. Je nach Geltungsanspruch existieren unterschiedliche Reparaturstrategien:

  • Verständlichkeit: Der Sprecher unterstellt das Verständnis der gebrauchten Ausdrücke. Bei Unverständnis wird zur Explikation durch den Sprecher aufgefordert.
  • Wahrheit: Bezüglich des propositionalen Gehalts der Sprechakte wird Wahrheit unterstellt. Wird diese bezweifelt, muss ein Diskurs klären, ob der Anspruch des Sprechers zurecht besteht.
  • Richtigkeit: Die Richtigkeit der Norm, die mit dem Sprechakt erfüllt wird, muss anerkannt werden. Auch dieser Geltungsanspruch ist nur diskursiv einlösbar.
  • Wahrhaftigkeit: Die Sprecher unterstellen sich gegenseitig Wahrhaftigkeit. Erweist sich diese Antizipation als kontrafaktisch, kann der Hintergrundkonsens nicht mit dem unwahrhaften Sprecher selber wiederhergestellt werden.

Der Geltungsanspruch der Wahrheit einer Aussage wird im Diskurs eingelöst. Die Einlösung erfolgt im Konsens, der aber kein zufälliger, sondern ein begründeter Konsens sein muss, so dass „jeder andere, der in ein Gespräch mit mir eintreten könnte, demselben Gegenstand das gleiche Prädikat zusprechen würde“. Um einen solchen begründeten Diskurs erzielen zu können, muss eine ideale Sprechsituation vorliegen, die durch vier Bedingungen der Chancengleichheit charakterisiert ist:

  • Chancengleichheit aller bezüglich der Verwendung kommunikativer Sprechakte, sodass sie jederzeit Diskurse eröffnen und mit Rede und Gegenrede bzw. Frage und Antwort einsetzen können
  • Chancengleichheit aller bezüglich Thematisierung und Kritik sämtlicher Vormeinungen, d.h., dass sie alle sprachlichen Mittel einsetzen können, um Geltungsansprüche zu erheben bzw. einzulösen
  • Chancengleichheit aller bezüglich der Verwendung repräsentativer Sprechakte, die ihre Einstellung, Gefühle und Intentionen ausdrücken, sodass die Wahrhaftigkeit der Sprecher garantiert wird (Wahrhaftigkeitspostulat)
  • Chancengleichkeit aller bezüglich der Verwendung regulativer Sprechakte, d.h. zu befehlen, sich zu widersetzen, zu erlauben, zu verbieten usw.

Eine solche ideale Sprechsituation hat nach Habermas weder den Status eines empirischen Phänomens, da jede Rede raumzeitlichen wie psychischen Restriktionen unterworfen ist, noch ist sie ein ideales Konstrukt. Sie ist vielmehr „eine in Diskursen reziprok vorgenommene Unterstellung“, die kontrafaktisch sein kann. Soll der vernünftige Charakter der Rede nicht preisgegeben werden, so muss die ideale Sprechsituation antizipiert werden und insofern ist sie auch operativ wirksam.

Theorie des kommunikativen Handelns

Als Hauptwerk gilt seine Theorie des kommunikativen Handelns, in der er das Konzept des „herrschaftsfreien Diskurses” entfaltet.

Im Mittelpunkt steht eine gerichtete Logik gesellschaftlicher Entwicklung. Gesellschaftliche Entwicklung wird als Differenzierungsprozess beschrieben, in dessen Verlauf „System” und „Lebenswelt” sich zunehmend voneinander entkoppeln, bis ein Punkt erreicht wird, an dem das „System” die „Lebenswelt” „kolonialisiert” hat. Durch Ausbildung „generalisierter Steuerungsmedien” wird die materielle Reproduktion der Gesellschaft zunehmend unabhängig von ihrer kulturellen Reproduktion. Diese Entkopplung von „Basis” und „Überbau” ist für Habermas ein zentrales Merkmal moderner Gesellschaften. Um diesen Zusammenhang argumentativ einzuholen, beschreibt Habermas in der Theorie des kommunikativen Handelns gesellschaftliche Entwicklung als Differenzierungsprozess:

  1. Traditionale Gesellschaften, in der die „Lebenswelt” noch nicht vom „System” getrennt ist. Gemeint sind damit Gesellschaftsformen, deren materielle Reproduktion noch von ihrer kulturellen Wertsphäre dominiert wird; in denen kulturelle Werte (Zwänge) also noch entscheidend die Bedingungen materieller Reproduktion beeinflussen.
  2. In der zweiten Stufe, historisch gesehen die Zeit von der Reformation bis zur Industrialisierung, entwickelt sich das „System” aus der „Lebenswelt” heraus. Unter „System” fasst Habermas den bürokratischen Staat und den Markt zusammen. „Macht” und „Geld” sind die Steuerungsmedien des „Systems”, die den Menschen eine von gemeinsamen kulturellen Werten und Normen zunehmend entbundene Handlungslogik aufzwingen. Diese Übergriffe des „Systems” auf die „Lebenswelt” bezeichnet Habermas als „Kolonialisierung der Lebenswelt”.
  3. In der dritten Stufe treten nach Habermas die Konflikte zwischen „System” und „Lebenswelt” offen hervor: „Heute dringen die über die Medien Geld und Macht vermittelten Imperative von Wirtschaft und Verwaltung in Bereiche ein, die irgendwie kaputt gehen, wenn man sie vom verständigungsorientierten Handeln abkoppelt und auf solche mediengesteuerten Interaktionen umstellt.” (J.H., 1985, S.188f).

Habermas perpetuiert mit seiner „Theorie des kommunikativen Handelns” die kritische Haltung der Frankfurter Schule gegenüber dem Projekt Moderne. Darüber hinaus wirft seine „Theorie des kommunikativen Handelns” für die soziologische Handlungstheorie erhebliche Probleme auf, weil sie die Lösung des Utilitarismus-Problems durch das Konzept des normativen Handelns (und damit auch die Parsonsche Konvergenzthese) in Frage stellt.

Diskursethik

Bekannt ist Habermas aber vor allem für seine mit Karl-Otto Apel ausgearbeitete Diskursethik. Die an der idealen Sprechsituation angelehnte Form der Ethik bezieht sich auf die Regeln der Sprechakttheorie, um die Bedingungen für einen herrschaftsfreien Diskurs zu fundieren.

Rezeption

Auszeichnungen

1999 wurde ihm von der Theodor-Heuss-Stiftung der Theodor-Heuss-Preis, für sein lebenslanges, prägendes Engagement in der öffentlichen Diskussion um die Entwicklung von Demokratie und dem gesellschaftliche Bewusstsein, verliehen. 2001 wurde Habermas mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, 2003 wurde ihm der Preis Prinz von Asturien verliehen, und 2004 erhielt er für sein Lebenswerk den mit 364.000 Euro dotierten Kyoto-Preis der Inamori-Stiftung des japanischen Kyocera-Konzerns, eine Ehrung für Kultur und Wissenschaft mit internationaler Bedeutung. Habermas ist ferner als zweiter Preisträger mit dem Holberg-Preis der norwegischen Holberg-Stiftung ausgezeichnet worden; die Verleihung fand am 30. November 2005 in Bergen (Norwegen) statt; die mit 570.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde ihm für seine „grundlegenden Theorien über Diskurs und kommunikative Aktion”, verliehen. Der Holberg-Gedenkpreis wird seit 2004 für herausragende Arbeiten im Bereich der Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften vergeben. 2006 wurde ihm der Bruno-Kreisky-Preis für sein „literarisches und publizistisches Gesamtwerk” verliehen und im November des gleichen Jahres der Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen.

Übersicht

Quellen

  1. Habermas: Die neue Unübersichtlichkeit, S. 202
  2. Habermas: Zwischen Naturalismus und Religion, S. 17 ff.
  3. Fest: Ich nicht, Hamburg 2006.
  4. Vgl. sueddeutsche.de vom 27.10.2006.
  5. Habermas: Das Absolute und die Geschichte, S. 86.
  6. Habermas: Vergangenheit als Zukunft?, S. 56f.
  7. Vgl. Regeln für den Menschenpark
  8. Jürgen Habermas: Wahrheitstheorien. In: Wirklichkeit und Reflexion. W. Schulz zum 60. Geburtstag. Pfullingen 1973

Bibliographie (Auswahl)

Eigene Publikationen

  • Das Absolute und die Geschichte. Von der Zwiespältigkeit in Schellings Denken (Diss.), Bonn 1954.
  • Student und Politik. Eine soziologische Untersuchung zum politischen Bewußtsein Frankfurter Studenten (zus. mit L. v. Friedburg, Ch. Oehler und F. Weltz), Neuwied 1961.
  • Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (Habil.), Neuwied 1962 (Neuaufl.: Frankfurt a.M. 1990). ISBN 3-518-28491-6
  • Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien, Frankfurt a.M. 1963
  • Erkenntnis und Interesse, Frankfurt a.M. 1968. (Mit einem neuen Nachwort, 1994) ISBN 3-518-06731-1
  • Technik und Wissenschaft als „Ideologie“, Frankfurt a.M. 1968. ISBN 3-518-10287-7
  • Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt a.M. 1969.
  • Zur Logik der Sozialwissenschaften, Tübingen 1970 (erw. 1982). ISBN 3-518-28117-8
  • Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Was leistet die Systemforschung? (zus. mit Niklas Luhmann), Frankfurt a.M. 1971.
  • Philosophisch-politische Profile, Frankfurt a.M. 1971 (erw. 1991)
  • Kultur und Kritik. Verstreute Aufsätze, Frankfurt a.M. 1973
  • Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt a.M. 1973. ISBN 3-518-10623-6
  • Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frankfurt a.M. 1976. ISBN 3-518-27754-5
  • Theorie des kommunikativen Handelns (Bd.1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, Bd. 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft), Frankfurt a.M. 1981. ISBN 3-518-28775-3
  • Kleine politische Schriften I-IV, Frankfurt a.M. 1981.
  • Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt a.M. 1983. ISBN 3-518-28022-8
  • Die neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V, Frankfurt a.M. 1985. ISBN 3-518-11321-6
  • Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt a.M. 1984
  • Eine Art Schadensabwicklung. Kleine Politische Schriften VI, Frankfurt/a.M. 1987
  • Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze, Frankfurt/a.M. 1988
  • Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt a.M. 1988. ISBN 3-518-28349-9
  • Die nachholende Revolution. Kleine politische Schriften VII, Frankfurt a.M. 1990
  • Die Moderne – Ein unvollendetes Projekt. Philosophisch-politische Aufsätze, Leipzig 1990
  • Erläuterungen zur Diskursethik, Frankfurt a.M. 1991
  • Texte und Kontexte, Frankfurt a.M. 1991
  • Vergangenheit als Zukunft? Das alte Deutschland im neuen Europa? Ein Gespräch mit Michael Haller, Zürich 1991
  • Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, Frankfurt a.M. 1992. ISBN 3-518-28961-6
  • Die Normalität einer Berliner Republik. Kleine Politische Schriften VIII,Frankfurt a.M. 1995
  • Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, Frankfurt a.M. 1996. ISBN 3-518-29044-4
  • Vom sinnlichen Eindruck zum symbolischen Ausdruck. Philosophische Essays, Frankfurt a.M. 1997. ISBN 3-518-22233-3
  • Die postnationale Konstellation. Politische Essays, Frankfurt a.M. 1998
  • Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze, Frankfurt a.M. 1999
  • Zeit der Übergänge. Kleine Politische Schriften IX, Frankfurt a.M. 2001
  • Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik? , Frankfurt/a.M. 2001
  • Kommunikatives Handeln und Detranszendentalisierung der Vernunft,Reclam Verlag, Stuttgart 2001
  • Öffentlicher Raum und politische Öffentlichkeit. Lebensgeschichtliche Wurzeln zweier Gedankenmotive. Dankesrede anlässlich der Verleihung des japanischen Kyoto-Preises von Jürgen Habermas (2004)
  • Der gespaltene Westen, Frankfurt a.M., 2004. ISBN 3-518-12383-1
  • Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze, Frankfurt a.M. 2005. ISBN 3-518-58447-2

Sekundärliteratur

  • Hauke Brunkhorst: Habermas, Reclam Leipzig, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-379-20309-8
  • Detlef Horster: Jürgen Habermas zur Einführung, 3. Aufl., Junius, Hamburg 2006, ISBN 3-88506-349-2.
  • Franz Maciejewski (Hg.): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Beiträge zur Habermas-Luhmann-Diskussion. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973 (= Theorie-Diskussion Supplement 1), ISBN 3-518-06101-1.
  • Alessandro Pinzani: Jürgen Habermas. Beck. München 2007, ISBN 978-3-406-54764-5.
  • Walter Reese-Schäfer: Jürgen Habermas, Reihe Campus-Einführungen, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-593-36833-1.
  • Matthias Restorff: Die politische Theorie von Jürgen Habermas. Tectum Verlag, Marburg 1997, ISBN 978-3-89608-768-3.
  • Egbert Scheunemann: Vom Denken der Natur. Natur und Gesellschaft bei Habermas. Lit Verlag, Münster/Hamburg/London 1999, ISBN 3-8258-3197-3.
  • Ulrich Sonnemann et al.: Unkritische Theorie. Gegen Habermas. Lüneburg 1989.
  • Rolf Wiggerhaus: Jürgen Habermas. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004, , ISBN 3-499-50644-0

Primärtexte

Sekundärtexte

Zur Person und zum Gesamtwerk
Zu einzelnen Themen