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Bad Herrenalber Modell

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Das Bad Herrenalber Modell ist u.a. ein tiefenpsychologisch fundiertes, sich aber auch an dem 12-Schritte-Programm orientierendes, Psychotherapiekonzept für eine so genannte "Therapeutische Gemeinschaft". Es wurde in den 1970er Jahren u.a. von Dr. med. Walther H. Lechler entwickelt und wird in der Klinik Bad Herrenalb, einem ehemaligen Hotel, sowie drei weiteren Kliniken in Deutschland umgesetzt (Kliniken Bad Grönenbach, Hochgrat-Klinik Wolfsried in Stiefenhofen und Adula-Klinik Oberstdorf.

Konzept

Im geschützten Rahmen einer Klinik sollen psychisch oder/und psychosomatisch erkrankte Menschen die Gelegenheit bekommen, in einem intensiven Prozess Motivation und Anstöße zu einer Neu- und Umorientierung zu erhalten.
Die Therapie soll Lernen und Reifung ermöglichen sowie zur Erweiterung des Lebensraumes ermutigen.

Das Konzept basiert u.a. auf der Theorie des Grundkonfliktes eines selbstzerstörerischen Lebensprogrammes, in dem Mangel und Lerndefizit bestimmend sind. Das Miteinander der Therapeutischen Gemeinschaft soll ein heilsames Durchbrechen dieses selbstzerstörerischen Lebensprogrammes unterstützen. Es verlangt die Aufgabe von kompromisshaften Bewältigungsversuchen, allen Selbsttäuschungen und von sogenannten "stabilisierenden Tricks".
Der Patient - "Gast" in der Klinik - soll Möglichkeiten erfahren, vor a. Neues lernen zu können. Betont wird die Aufmerksamkeit auf den Umgang mit sich selbst und den eigenen Gefühlen. Die Gemeinschaft soll den Patienten in der Beziehung zum eigenen Körper und bei der Suche nach einem Lebenssinn und seiner spirituellen Orientierung unterstützen.
Es geht davon aus, dass beeinträchtigende Lernerfahrungen zu einem doppelten Defizit geführt haben. Durch die Nichterfüllung wichtigster Bedürfnisse sind akute und langfristige Mangelzustände entstanden. Dadurch wurden Verhaltens- und Denkweisen ausgelöst, welche neue Lebenserfahrungen verhindert haben. Diese beiden Defizite sollen demnach einen Teufelkreis hervorrufen und sich gegenseitig verstärken.
In der Gemeinschaft einer sowohl warmen und liebevollen, als auch klaren und konfrontierenden, Atmosphäre einer Gruppe soll ein Klima geschaffen werden, in dem die Möglichkeit entwickelt werden kann, selbstzerstörende Verhaltensweisen zu erkennen und aufzugeben.
Deswegen sollten Patienten, die nach diesem Konzept gesunden wollen, motiviert sein sich mit dem eigenen Verhalten auch kritisch auseinanderzusetzen, über die Bereitschaft verfügen, in einer Gruppe zu lernen, und wenn möglich auch eine gewisse spirituelle Offenheit mitbringen.
Die Klinik ist als Begegnungsstätte konzipiert (Learning-Teaching-Community) und soll auch die Möglichkeit bieten, Angehörige der Patienten mit in den Genesungsprozess einzubinden.

Das Modell prägte und prägt einen Teil der psychotherapeutischen und Selbsthilfekultur in Deutschland und darüber hinaus.


Das Bad Herrenalber Modell stützt sich auf fünf Säulen:

  1. Die therapeutische "Lehr- und Lerngemeinschaft" beinhaltet das Wirken aller Mitarbeiter/innen und Gäste der Klinik in einem gemeinsamen Prozess. Sie dient als Übungsfeld der Begegnung und Kommunikation. Die Mitarbeiter/innen und die "Gäste" sprechen sich gegenseitig mit "Du" und mit ihren Vornamen an.
  2. Die "Fastenvereinbarung" ist Voraussetzung und der therapeutische Einstieg in die Behandlung. Sie soll eine andauernde Herausforderung und Motivationsprüfung sein. Fasten hat hier eine etwas andere Bedeutung als die übliche in Fastenkliniken und bezieht sich im Wesentlichen eher auf den Verzicht von bewußtseinsverändernde Drogen aller Art (Alkohol, Nikotin, harte Drogen, Tabletten, ...), andere Mittel der Selbstablenkung (Fernsehen, Radio, Musikabspielgeräte, Computer, ...) sowie Romanzen und sexuelle Kontakte während des Klinikaufenthaltes bis eventuell hin zum Verzicht auf Kaffee, Süßigkeiten, Zucker, ..., wenn auch von Letzterem eine Abhängigkeit besteht.
  3. Die Casriel-Bonding-Therapie hat entscheidenden Einfluss auf die gesamte Klinikatmosphäre und soll die allgemeine therapeutische Arbeit in der Klinik förden. Sie soll auch den Zugang zu abgewehrten Emotionen und körperlichen Bedürfnissen ermöglichen.
  4. Körperorientierte Therapie mit u.a. regelmäßigen sportlichen Aktivitäten und täglicher Bewegung draußen bei jedem Wetter, aber auch das Einüben von Atem- und Entspannungstechniken sowie Meditation.
  5. Daneben dient das so genannte Zwölf-Schritte-Programm der weiteren Orientierung für den Genesungsweg. Es bildet für diejenigen Gäste, die es von sich aus freiwillig akzeptieren, u.a. die geistige und spirituelle Grundlage des therapeutischen Prozesses. Zu diesem Zweck werden in den Abendstunden zahlreiche freiwillige 12-Schritte-Meetings angeboten, die entweder in der Klinik selbst stattfinden oder außerhalb besucht werden können.

Alle oben genannten Kliniken nach dem Bad Herrenalber Modell sind von den Kostenträgern (Krankenversicherungen, Rentenversicherungen, ...) als Krankenhäuser, z.T. auch als Akutkrankenhäuser, anerkannt und können nach Bewilligung daher auch von Kassenpatienten / Kassenpatientinnen in Anspruch genommen werden.


Siehe auch

Literatur

  • Walther H. Lechler: Gesund ist, wer noch krank werden kann. Lebensschule nach dem Bad Herrenalber Modell. Santiago, 2004 ISBN 3937212051
  • Walther H. Lechler und Jacqueline C. Lair: Von mir aus nennt es Wahnsinn. Protokoll einer Heilung. Kreuz Verlag, 2005, ISBN 3783125847
  • Walther H. Lechler: So kann's mit mir nicht weitergehn! - Neubeginn durch spirituelle Erfahrungen in der Therapie. Kreuz Verlag, 1994, ISBN 3-7831-1305-9
  • Walther H. Lechler, Alfred Meier: Wach auf und lebe! - Die therapeutische Kraft biblischer Geschichten. Kösel-Verlag, 2005, ISBN 3-466-36677-1
  • Mathias Jung, Walther H. Lechler: Wie der Himmel sich öffnet - Eine Bibelinterpretation. EMU-Verlag, 2002, ISBN 3891890923
  • R. Nübling et al.: Stationäre psychosomatische Rehabilitation in der Klinik Bad Herrenalb: Erste Ergebnisse einer Katamnesestudie. EQS, 2000. (PDF)
  • Ambros Wehrli: "Einführung in die emotionelle Gruppentherapie nach Casriel - Band 1 - Du schaffst es, aber du schaffst es nicht allein" Santiago Verlag, 2006, ISBN 978-3-937212-06-7
  • Ambros Wehrli: "Ausführungen zur emotionellen Gruppentherapie nach Casriel - Band 2 - Die Lebensschule" Santiago Verlag, 2007, ISBN 978-3-937212-07-4
  • Walther H. Lechler und Alfred Meier: "Das Bad Herrenalber Modell - Eine Lehr-Lern-Gemeinschaft (A Teaching-Learning-Community) als psychosomatisches Klinik-Konzept" Santiago Verlag, 2007, ISBN 978-3-937212-14-2

Quellen