Jazz
Jazz war zunächst eine von Afro-Amerikanern entwickelte Musikart, die ungefähr um 1900 insbesondere in New Orleans entstand. Sie verwendete im Wesentlichen das europäische Tonsystem, europäische Melodik und Harmonik, rhythmische Grundstrukturen (z.B. Marschrhythmus) und Formen (z.B. Songform) aus Europa sowie europäische Instrumente in einer spezifischen Weise. In dieser Musizierweise spielten vor allem folgende Elemente eine wesentliche Rolle: eine besondere, auf Bewegungsgefühl bezogene Rhythmik (Swing, Groove); am vokalen Ausdruck orientierte Tonbildung; kunstfertige Improvisation; eigenständiger persönlicher Ausdruck der Improvisatoren (eigener „Sound“, eigene „Story“) in einem gemeinschaftlichen Rahmen. Diese Elemente werden auf ein mit afrikanischen Musikkulturen verbundenes Musikempfinden zurückgeführt.

Die in dieser Musizierweise gesammelten Erfahrungen wurden (im Gegensatz zur heute großteils institutionalisierten Jazz-Ausbildung) in informellen Musikerkreisen im persönlichen Kontakt ausgetauscht, weitergegeben („orale Tradition“) und auf gemeinsame Wertvorstellungen und Vorbilder bezogen. Jüngere Musiker lernten im Zusammenspiel mit älteren und so wurde in einer fordernden und Kreativität fördernden Subkultur in wenigen Jahrzehnten eine Vielfalt von Erweiterungen und Weiterentwicklungen hervorgebracht, die von den Beteiligten weitgehend als Ausformungen derselben Musik verstanden wurden. Das ergab sich aus der gemeinsamen kulturellen Bezogenheit und auch aus der gemeinsamen Lebenssituation als Minderheit. Vor allem die einflussreichsten Musiker-Persönlichkeiten - Louis Armstrong, Duke Ellington, Charlie Parker, Miles Davis, John Coltrane und andere – verliehen dieser Musik eine bis in die Gegenwart reichende Kontinuität. Auch heute noch wird sie gültiger als durch jede Beschreibung von jenen Aufnahmen der genannten (und anderer) Musiker definiert, die eine zentrale, unbestrittene Bedeutung erlangt haben: von den Hot-Five- und Hot-Seven-Aufnahmen Louis Armstrongs, den Aufnahmen des Duke-Ellington-Orchesters der 2. Hälfte der 20er Jahre und seiner „Blanton/Webster“-Band Ende der 30er Jahre, von Charlie Parkers Savoy- und Dial-Studio-Aufnahmen, den Aufnahmen von Miles Davis so genanntem „1. Quintett“ und Sextett der 50er Jahre und seinem „2. Quintett“ (in den 60er Jahren) sowie von John Coltranes „klassischem“ Quartett (mit Elvin Jones).
Charakteristik
Bereits Ende der 50er Jahre war etwa Cecil Taylors Musik von den frühen Aufnahmen des Jazz - z.B. King Oliver’s Creole Jazz Band im Jahre 1923 - so weit entfernt, dass gemeinsame Merkmale, die musiktheoretisch beschreibbar sind und eine Abgrenzung von anderen Musikarten ermöglichen, kaum mehr festgestellt werden können. Man mag im Gegensatz zur europäischen Konzertmusik das Element der Improvisation als verbindend ansehen, doch gab und gibt es Improvisation in vielen Musikkulturen der Erde – ursprünglich selbst in der europäischen Konzertmusik – und Cecil Taylors Art der Improvisation ist von der in King Olivers Musik sehr verschieden. Dennoch ist auch Cecil Taylors Musik auf die Jazz-Tradition bezogen und diese Verbindung erscheint als spezifische Ästhetik – als charakteristischer „Sound“ und „Groove“, also als nicht exakt beschreibbare Eigenschaft im Bereich des Empfindens.
Joachim E. Berendt schrieb bereits 1975: „New Orleans Jazz und Free Jazz, Dixieland and Bebop, Swing und Electric Jazz, Cool und Hot Jazz, Mississippi Blues und Harlem Jump – das ist alles so verschieden voneinander, dass es – zumal für den Außenstehenden – schwer ist, dafür den einen gemeinsamen Nenner „Jazz“ zu finden und zu empfinden, warum das alles zusammengehört. Keine andere der zeitgenössischen Künste hat sich in so viele verschiedene Richtungen entwickelt. … Im Jazz wirkt die Vielfalt verwirrender als in anderen modernen Künsten.“ (Die Story des Jazz).
Die seit den 70er Jahren noch wesentlich stärker ausgeweitete Verwendung des Jazz-Begriffes auf unterschiedlichste Musikformen schließt eine Beschreibung einer gemeinsamen Charakteristik nun völlig aus. Selbst ästhetische Vorstellungen von „Sound“ und „Groove“ schaffen keinen umfassenden Zusammenhang mehr. Für die meisten der bis in die 50er Jahre entstandenen Jazz-Stile und ihre Weiterentwicklungen lassen sich jedoch folgende typischen, häufig verwendeten Elemente benennen:
- Die individuelle Tonbildung und Phrasierung,
- Schleiftöne und Blue Notes
- Eine mit erweiterten Akkorden angereicherte Funktions- oder Stufenharmonik,
- Kollektive und individuelle Improvisation,
- Call and Response zwischen den improvisierenden Musikern,
- Rhythmische Intensität und polyrhythmische Komplexität und Swingrhythmik,
- Spontanität, Vitalität und Expressivität,
- Laut Archie Shepp „die Freiheit, viele Formen zu haben“.
Der Selbstausdruck des Interpreten, sein Charakter und seine Botschaft stehen im Mittelpunkt einer Jazz-Darbietung. Dies steht im Gegensatz zur europäischen Kunstmusik, bei welcher der Interpret sich den präzise notierten Kompositionen unterordnet und diese meist möglichst werkgetreu ausführt.
Ein wesentliches Merkmal des Jazz ist sein intensives Zeit- und Rhythmus-Gefühl. Dabei bleibt der 'swing' (klein geschrieben) an die Grundschläge, meist Viertelbeats, gebunden. Die darüber gespielten Melodien sind meist in kleineren Notenwerten und betonen oft Töne zwischen den Beats. Dadurch entsteht eine Spannung zum Grundschlag. Diese Phrasierung von Ensembles und Solisten ist individuell verschieden. Sie kann je nach Stilrichtung „binär“ (mit zweigeteiltem Puls) oder „ternär“ (mit dreigeteiltem Puls) oder bewusst nicht festgelegt sein (Free Jazz).
Ende der 1940er Jahre wurde die kubanische Polyrhythmik, in der sich genuin afrikanische Musiktraditionen erhalten hatten, wieder verstärkt in die Jazzrhythmik integriert. Auch danach beeinflussten hispanische oder lateinamerikanische Musikstile (Bossa Nova, Samba, Salsa, Tango, Son und Andere) den Jazz immer wieder als drittes Element neben der afrikanischen und europäischen Wechselbeziehung.
Improvisation

Jazz ist schwer zu definieren, aber Improvisation ist eine wichtige Kerneigenschaft. Sie war schon seit jeher ein Bestandteil der afrikanischen und afroamerikanischen Musikkultur und mit dem Prinzip des Call und Response verknüpft. Die genauen Improvisationstechniken haben sich im Laufe der Zeit verändert. Frühe Folk-Blues-Musik basierte oft auf einem Call- und Responsemuster, Text und Melodie wurden dabei durch Improvisation mitgestaltet.
Im Dixieland spielt manchmal ein Teil der Musiker die Melodie, die Anderen improvisieren Gegenmelodien dazu. In der Swing-Ära spielten die Big Bands sorgfältig nach Noten, dazu traten dann spontan Bandmitglieder mit kurzen improvisierten Solos heraus. Im Bebop verlagerte sich der Schwerpunkt weg von gut durchdachten Arrangements hin zu geschickten Improvisationen. Die Musiker schenkten der komponierten Melodie (bzw. dem sogenannten "Head", der am Beginn und am Ende eines Stückes gespielt wurde) nur noch relativ geringe Beachtung.
Spätere Jazzstile sind modal geprägt, so dass sie ohne vorherige Festlegung von Akkordfolgen auskommen und den Musikern freie Improvisation auf einer gegebenen Skala ermöglichen. Das beste Beispiel dafür ist das Album Kind of Blue von Miles Davis, das meistverkaufte Jazz-Album aller Zeiten. Improvisiert ein Pianist oder ein Gitarrist, während er einen Solisten begleitet, so nennt man das Comping. Eine Ostinatobegleitung zur Improvisation, aber auch kurze Motive, die die Struktur eines Stückes prägen, werden als Vamp bezeichnet.
Harmonik
Eine vollkommen eigenständige Jazzharmonik existiert im strengen Sinne nicht, da Jazz in der Gestaltung harmonischer Abläufe sehr weitgehend auf die in der europäischen Musik entwickelten Prinzipien wie Stimmführung und Funktionsharmonik zurückgreift. Diese werden in den verschiedenen Jazzstilen jeweils in unterschiedlicher Gewichtung angewendet. Typisch für die Harmonik des Jazz in ihrer gesamten bisherigen Entwicklung ist allerdings eine starke Bindung an die Melodik und allgemeine Ästhetik des Blues. Die Harmonik ist die Grundlage der Jazz-Improvisation, des Jazz-Arrangements und der Jazz-Komposition. Als eigenständige Musiktheorie ist sie relativ neu, da der Jazz sich nicht aus der Theorie, sondern vor allem aus der musikalischen Praxis entwickelt hat.
Für weitere Informationen siehe Hauptartikel: Jazzharmonik
Melodik

Wie auch die Harmonik stammt die Jazzmelodik teilweise aus dem Blues. Sie baut auf der Pentatonik, der Tonleiter ohne die Halbtonschritte, auf. Dazu kamen die Blue Notes des Blues. Diese Töne lassen sich mit Blas- oder Saiteninstrumenten sehr gut erzeugen, mit Tasteninstrumenten allerdings nicht. Die Überlagerung von Moll-Melodik und Dur-Harmonik erzeugt den typischen Blues/Jazz-Klang. Zusätzlich wird eine Reihe verschiedener Tonleitern eingesetzt. Sie bilden im Wesentlichen die Akkorde und sind mit Spannungen (Tensions) und Durchgangs-Stufen angereichert.
Wichtige klassische Melodie-Instrumente des Jazz sind: Klarinette, Saxophon, Trompete, Kornett, Posaune.
Rhythmik
Der Rhythmus beim Jazz ist zwar eindeutig notiert, er wird aber im Bereich jenseits eines rhythmischen Rasters interpretiert und muss zum Beispiel auch in verschiedenen Geschwindigkeiten anders gespielt werden. Dabei trifft das afrikanische ternäre System mit Dreierunterteilungen auf ein europäisches binäres System (mit Zweier- bzw. geraden Unterteilungen). Dadurch hat sich hier (auch wie in der Melodik und Harmonik der Jazz-Musik) eine Art Fusion der beiden großen Kulturen im Nordamerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts manifestiert.
Typisch ist auch der fließende und swingende Rhythmus (Swingrhythmik). Er entsteht durch unterschiedlich lange Betonungen von aufeinanderfolgenden gleichwertigen Zählzeiten und durch Betonung von normalerweise unbetonten Zählzeiten.
Wichtige klassische Rhythmus-Instrumente des Jazz sind: Schlagzeug, Piano, Vibraphon, Gitarre, Bass.
Für weitere Informationen siehe die Hauptartikel: Jazzrhythmik und Swingrhythmik – Siehe auch: Walking Bass
Jazzstandards
Ein Jazzstandard ist eine Melodie mit festgelegter Harmoniefolge, die als Thema und Material einer Jazzimprovisation dient. Standards stammen seit etwa 1930 aus Schlagern, Chansons, Musicals, Filmmusik und Eigenkompositionen (vgl.: Original) von Jazzmusikern. Sie gehören zum Grundrepertoire eines traditionell orientierten Jazzmusikers. In den 1950er Jahren verwendeten Jazzmusiker wie Dizzy Gillespie, Miles Davis, Charlie Parker u. a. solche bereits bekannten Songs und schrieben neue Melodien über deren Akkordfolgen oder behielten die Melodie, veränderten aber die Akkordfolgen (Harmonien) dieser Songs. Auf diese Weise entstanden neue Standards. Die dabei neuentwickelten Themen werden mit dem Fachbegriff bebop head bezeichnet.
Jazzmusiker spielen diese Melodien und improvisieren darüber (bzw. über die durch Melodien gebildete Akkordfolge). Das ist in allen verschiedenen Stilrichtungen des Jazz so. Die musikalischen Übereinkünfte dafür variieren von Stil zu Stil. Viele Jazzgruppen greifen bei Auftritten auch auf eine Auswahl der im Jazz allgemein anerkannten Jazzstandards zurück, auf die sich verschiedene Musiker oft rasch gemeinsam verständigen können. Damit können sie ohne Probe ein Konzert geben, selbst wenn sie sich vorher noch nie getroffen haben. Auch auf spontanen Jazzmusikertreffen, den "Sessions", spielen Standards eine grundlegende Rolle.
Für weitere Informationen siehe Hauptartikel: Jazzstandard – Siehe auch: Liste von Jazzstandards und -kompositionen
Entwicklung und Geschichte
Wurzeln
Die Wurzeln des Jazz liegen zum einen im Blues und in den Worksongs, Spirituals und Gospels der afroamerikanischen Sklavenarbeiter in den Südstaaten der USA, zum anderen in den verschiedenen Volksmusiken der europäischen Einwanderer, darunter dem Irish Folk, kreolischer Tanzmusik, Wiener Walzer und Marschmusik. Aus den Europäischen Musikstilen und afroamerikanischen Rhythmen hatte sich der Ragtime entwickelt, der neben dem Blues den direkten Vorgänger des Jazz darstellt. Der Blues hatte während der gesamten Entwicklung bis heute permanenten Einfluss auf den Jazz wie auch auf andere Musikstile, die im Laufe der Zeit neben dem Jazz entstanden sind.
Aus dem Ragtime und dem Blues entstand nach 1900 der New Orleans Jazz, der bald vom sehr ähnlichen Dixieland Jazz begleitet wurde. Der erste bekannte Bandleader dieser Richtung war Buddy Bolden mit seiner Blaskapelle. Von ihm gibt es allerdings keine Tonaufnahme, da er 1907 in eine Nervenanstalt eingewiesen wurde, noch vor dem Zeitalter der Schallplattenaufnahmen. Jelly Roll Morton, ein erfolgreicher Barpianist, war ebenfalls ein Mitgestalter des frühen Jazz. Bestimmte Bandleader wie Buddy Bolden waren markante Instrumentalisten mit einer sehr individuellen Tonbildung. Improvisation, Swing und eigene Tonbildung beschrieb der Jazzhistoriker Joachim-Ernst Berendt als Grundelemente der Jazzmusik, die seine Geschichte von Beginn an mitbestimmten.
Die Ära des Jazz
Aus der Begegnung der Musikkulturen entstand eine Reihe neuer musikalischer Ausdrucksformen. Zuerst in New Orleans und entlang des Mississippi River, später in Chicago und anderen Metropolen der USA . Diese Großstädte verbuchten damals eine hohe Zuwanderung, vor allem von Afroamerikanern aus den Südstaaten, was zur Entwicklung des Jazz maßgeblich beitrug.
Bekannt wurde die Musikrichtung durch die erste Jazz-Plattenaufnahme von 1917 mit der Original Dixieland Jazz Band. Die meisten Amerikaner hatten bis dahin noch keinen Jazz gehört, der allerdings schon längst vielerorts gespielt wurde. Von 1890 bis 1915 war der Ragtime die beliebteste Musik in Amerika. Nach dieser ersten Aufnahme nahm der Jazz die Rolle der Alles dominierenden Musikrichtung ein, die er bis Mitte der 50er Jahre behielt. Es folgten schon bald viele weitere Aufnahmen.
Die meisten, besser gesagt fast alle Aufnahmen des New Orleans Jazz bzw. des Dixieland, wurden nicht in New Orleans gemacht, sondern in Chicago, einige auch in New York. Viele Musikprofis aus dem Süden, allen voran Joe King Oliver und sein jüngerer Bandpartner Louis Armstrong gingen nach Norden. Die damalige Prohibition prägte die Kneipenszene in Chicago und damit die dortige Jazzkultur. Armstrong ging 1924 für zwei Jahre nach New York um in Fletcher Hendersons Band zu spielen. Das veränderte den Jazz für immer. In New York schuf Armstrong den Swing und erfand 1926 bei der Aufnahme des Songs "Heebie Jeebies" den Scattgesang, nachdem er in den Jahren zuvor schon die instrumentalen Solos zur Kunstform gemacht hatte.
Die Swing-Ära von Ende der 20er Jahre bis Anfang der 40er Jahre ist die beim Publikum erfolgreichste Zeit des Jazz. Seine Tänze (zunächst der Lindy Hop und der schnelle Jitterbug) waren sehr populär. In den späten 30ern entstand eine weitere Form des Swing; langsamer, romantischer und mit Gesang. Der Entwickler und erfolgreichste Bandleader dieses Stils war Glenn Miller. Er schaffte es, mit der veränderten Stilrichtung ein Publikum zu erreichen das mit der vorherschenden Variante noch nichts anfangen konnte. Die Arrangements waren relativ festgelegt. Daher wurde viel diskutiert, ob der Swing den Namen Jazz überhaupt verdient. Auch während des Krieges, sogar an der Front, war diese Musik beliebt. Viele der damaligen Bandleader gingen damals zum Militär und gründeten dort Militärbands.
Mit dem Stomp wurde noch eine Variante des ursprünglichen Swing populär. Er wurde durch Count Basie aus Kansas City bekannt. Hier wurde das Saxophon, nach seinem Einsatz im Chicago Jazz, ein zweites Mal zum wichtigen Instrument. Mit Count Basie kam noch eine weitere neue Stilrichtung auf, die damals aber im Schatten der Trends stand. Sie hieß Mitternachtsjazz und ist die Vorläuferin des Bar Jazz. Es war eine sehr langsame und ruhige Musik mit Saxophon und Klavier als wichtigen Instrumente.
In Europa entwickelte sich in den frühen 40ern der Gypsie Jazz. Der bekannteste Vertreter dieser Richtung ist der Gitarrist Django Reinhardt, der diesen Stil entscheidend mitgestaltete. Im Gypsie Jazz finden sich Einschläge europäischer Musiktraditionen. Gitarren und Geigen gehören zur Grundbesetzung.
Einschnitte

Anfang der 40er Jahre, als der Swing noch dominierte, hatten Charlie Parker und Dizzy Gillespie eine neue Richtung des Jazz namens Bebop entwickelt. Aufgrund von Differenzen mit der Plattenindustrie, welche der damaligen Unterbezahlung von Musikern geschuldet war, blieb der Bebop zunächst ungehört. Ab 1943 wurde Bebop bekannt und spaltete die Jazzwelt. Es war ein noch schneller gespielter Stil mit noch wesentlich mehr Noten. Bandensembles, Zusammenspiel und Arrangements traten in den Hintergrund, Solisten und freie Improvisationen dominierten. Kritiker bemängelten unter Anderem die fehlende Tanzbarkeit.
Mit Miles Davis' Aufnahme "Birth of the Cool" aus dem Jahre 1949 begann eine Gegenbewegung zum hektischen Bebop; der langsame und verträumte Cool Jazz entstand. Eine Variante des Cool Jazz ist der West Coast Jazz. Durch die Verbindung des Bebop mit dem Cool Jazz entwickelte sich Mitte der 50er Jahre der Hardbop. Der Hardbop wiederum entwickelte sich zum Soul Jazz.
Der größte Einschnitt in der Geschichte des Jazz kam von außen. Während der 50er Jahre hatte sich eine weitere Musikform entwickelt und wurde immer beliebter; der Rock and Roll. Damit war Jazz nicht mehr die alleinige Populärmusik, er ging in der Öffentlichkeit langsam unter. 1964 hatten die Beatles ihren Aufstieg, mit ihnen war die Erfolgsära des Jazz endgültig beendet. In diesem Jahr landete einzig Louis Armstrong noch einen Hit mit dem Song "Hello Dolly", der vor den Beatles auf Platz Eins in den Charts stand. Im Laufe der 60er Jahre schlossen alle legendären Jazzhallen. In den späten 30er Jahren machten Jazz und Swing 70% aller verkauften Schallplatten aus, Mitte der 70er waren es weniger als 3%. 1975 erklärte Miles Davis den Jazz für tot und bezeichnete ihn darüber hinaus als "Museumsmusik".
Neue Wege
Aus dem Cool Jazz entwickelten bestimmte Kreise der Jazz-Musiker in Verbindung mit dem Hardbop eine freiere experimentelle Spielrichtung. Sie wird als Avantgarde bezeichnet, ihre Schaffer als Avantgardisten. Ende der 50er 60er Jahre entstand der Free Jazz. Ornette Coleman war hier der bedeutendste Entwickler und neben John Coltrane der bekannteste Vertreter in den 1960ern. 1961 brachte Coleman die Platte "Free Jazz" auf den Markt. Beide Plattenseiten bestanden aus einem einzigen Titel. Dieser Musikstil hob alle musikalischen Gesetzmäßigkeiten auf und erlaubte den Musikern alles. Das löste in der Jazzwelt Diskussionen aus, da Jazz ja ohnehin schon als Inbegriff der Freiheit gesehen wurde. Beim breiten Publikum hatte Free Jazz nur teilweise Erfolg.
Miles Davis stand der Avantgarde zunächst skeptisch gegenüber, näherte sich ihr aber schließlich an. Ausgehend vom Spiel in seinem neuen Quintett entwickelte er und andere Musiker wie Tony Williams und Herbie Hancock dabei Ende der 60er einen weiteren Musikstil, den Rockjazz. Dabei wurden vorranging elektrisch verstärkte Instrumente wie E-Gitarren und Synthesizer verwendet. Verglichen mit anderen Jazz-Aufnahmen dieser Zeit war der Jazzrock kommerziell sehr erfolgreich. Beispielhaft hierfür steht die Gruppe Weather Report, die vor großem Publikum auftrat und entsprechende Plattenverkäufe erzielen konnte.
Comeback des Jazz
1976 kehrte der relativ bekannte Jazz-Musiker Dexter Gordon nach 15 Jahren Aufenthalt in Europa zurück in die USA. Er spielte traditionellen Jazz mit Schwerpunkt auf Swing und mit Blues-Feeling. Bei seinen Auftritten hatte er großen Erfolg. Sein Album "Homecomming" von 1977 wurde ein Renner. Daraufhin fanden sich in den US-amerikanischen Geschäften wieder Platten von Jazzgrößen wie Duke Ellington und vielen Anderen, die zuvor dort kaum noch erhältlich waren. Das gab der Jazzszene in den USA wieder Auftrieb. Seit dieser Zeit existiert der Jazz als eine zeitlose Musikrichtung neben anderen.
Die gegenwärtige stilistische Bandbreite ist so groß wie nie zuvor. So spielen Veteranen wie Sonny Rollins und Keith Jarrett nach wie vor auf hohem Niveau. David Murray führt die Errungenschaften des Jazz der späten 60er weiter. Der Gitarrist Pat Metheny ist nicht nur bei Jazzhörern erfolgreich. Der sehr der Tradition verbundene Trompeter Wynton Marsalis erlangte in den 80er Jahren bedeutenden Einfluss, große Talente wie die Sängerin Cassandra Wilson und der Saxophonist James Carter geben dem Jazz neue Impulse. Gerade aber auch die zahlreichen Seitenarme der gegenwärtigen Jazzentwcklung, wie etwa die Downtown-Szene um Musiker wie John Zorn und Dave Douglas oder der Saxophonist Steve Coleman tragen zur Lebendigkeit des aktuellen Jazz bei. Auch der europäische Jazz tritt immer selbstbewußter auf.
Den größten Erfolg der jüngeren Jazzgeschichte hatte die Komponistin, Sängerin und Pianistin Norah Jones. Mit ihrem individuellen Pop-Jazz-Stil, erhielt sie 2003 acht Grammys für ihr Album "Come Away With Me". Daneben wurde der Jazz über die Jahrzehnte mit verschiedenen Stilrichtungen kombiniert, zum Beispiel mit Hip Hop. Ebenso wurde er in andere Stilrichtungen wie Pop und House integriert und trug zu deren Vielfalt bei.
Eine Begleiterscheinung dieser starken Diversifizierung ist jedoch auch, dass viele aktuelle Entwicklungen sowohl bei Kritik als auch Hörern teils heftig umstritten sind. So wird manchen Musikern sturer Traditionalismus vorgeworfen, während anderen vorgehalten wird, sich von den afro-amerikanischen Wurzeln des Jazz entfernt und damit wesentliche Elemente des Jazz aufgegeben zu haben. Diese Kontroversen führten dazu, dass die Stil-Bezeichnung Jazz äußerst unscharf geworden ist und entsprechend verschieden ausgelegt wird.
Für Details zur Geschichte des Jazz siehe Hauptartikel: Geschichte des Jazz
Verschiedene Jazz-Stile
Überblick über die bisherigen Jazz-Stile
Wichtige Jazz-Stile
- Bebop | Cool Jazz | Hard Bop | Soul Jazz | Avantgarde Jazz | Free Jazz | Jazzrock / Fusion
Weitere Jazz-Stile
- West Coast Jazz | Modal Jazz | Gypsy Jazz | Latin Jazz | Chamber Jazz | M-Base | Ethno-Jazz | Asian American Jazz
Stilmischungen
- Jazzblues | Third Stream Jazz | Jazzfunk | Calypso Jazz | Jazz Rap | Smooth Jazz | Acid Jazz | Nu Jazz
New Orleans Jazz (ab 1900)

New Orleans Jazz entwickelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts in New Orleans (Louisiana) und verbreitete sich in den 1910er Jahren durch New Orleans Bands nach Chicago, Illinois und New York. Dixieland wird häufig als der erste wirkliche Jazz-Stil gesehen. Es war auch die erste Musik, die unter dem Begriff "Jazz" zitiert wurde. Vor 1917 wurde das Wort Jazz oft "Jass" buchstabiert. Ein bekannter späterer Vertreter des New Orleans Jazz und des Dixieland war Louis Armstrong, der allerdings darüber hinaus in vielen Bereichen des Jazz wirkte. Eine sehr bekannte Melodie aus dieser Stilrichtung ist "When The Saints Go Marchin In". Der historische Vorgänger war die Musik der Marching Bands, Märsche, Hymnen, Negro Spirituals und Blues. Auch der Ragtime floss in den New Orleans Jazz ein. In den 1950er Jahren erlebte der New Orleans Jazz eine Renaissance (New Orleans Revival). Stilmerkmale: Kollektivimprovisation, Breaks, Trompete Hauptstimme (wird von anderen Stimmen umspielt).
Dixieland Jazz (ab 1910)
Durch die damalige Rassentrennung waren Bands nach Hautfarben getrennt. In New Orleans gab es von Anfang an sowohl afroamerikanische als auch weiße Bands. Sie lieferten einander oft musikalische Duelle in den Straßen. Es bildete sich schließlich eine weiße Spielart des New Orleans Jazz heraus; der Dixieland Jazz. Bei dieser Richtung traten die ursprüngliche Tonbildung, Schleiftöne, expressives Vibrato und der Gesamtausdruck zurück. Die Melodien waren glatter, die Harmonien reiner und die Technik verzierter. Dixieland Jazz ist allerdings nicht scharf vom New Orleans Jazz abzugrenzen. Im Verlauf der Zeit spielten Musiker unabhängig von ihrer Hautfarbe beide Richtungen. Heute gibt es drei Hauptströmungen des Dixieland Jazz: Den Chicago Style, West Coast Revival und New Orleans Traditional.
Chicago Jazz (ab 1920)
In Chicago fand der New-Orleans-Jazz und der Dixieland-Jazz der Profis aus dem Süden viele Nachahmer. Dazu zählten insbesondere Junge Amateure, meist Schüler und Studenten. Es gelang ihnen nicht, die komplexen Konstruktionen gleichwertig nachzubilden. Daher wurde ein neuer Stil entwickelt; der Chicago Jazz. Die Melodien überkreuzen sich hier nicht mehr, sondern liegen parallel zueinander. Die einzelnen Soli haben hier größere Bedeutung. Erstmalig tritt hier das Saxophon als wichtiges Instrument auf. Der bedeutendste Vertreter dieser Stilrichtung war Bix Beiderbecke.
Symphonic Jazz (ab 1922)
Der sinfonische Jazz ist in New York entstanden. Er wurde von Paul Whiteman entwickelt. Es war der Versuch, sinfonische (klassische) Musik und Jazz zu verbinden, wie in der Rhapsody in Blue von George Gershwin.
Swing (ab 1926)
Der Swing war die populärste Stilrichtung der Jazzgeschichte. Sie entstand Mitte bis Ende der 1920er Jahre und hatte zwischen 1935 und 1945 ihre Boomzeit. Mit dem Swing ist auch die Entstehung der Bigband verbunden. Sie ist seine typische Musikerformation. Die Bigband geht in ihrer Besetzung auf die klassische siebenköpfige New-Orleans-Jazzband zurück. Die drei Blasinstrumente der Band (Posaune, Klarinette und Trompete bzw. Kornett) wurden nun mehrfach besetzt.
Darüber hinaus steht der Begriff "Swing" für ein rhythmisch-dynamisches Grundcharakteristikum des Jazz. Durch die minimale Verschiebung der Betonungen innerhalb des Taktes vom Puls (den vier Taktschlägen oder Beats) weg entsteht ein "federnder", als "Swing-Feeling" bezeichneter Rhythmuseindruck. (Siehe dazu auch Swing (Rhythmus))
Bebop (ab 1940)

Bebop löste ab 1943 Stück für Stück den Swing als Hauptstilrichtung des Jazz ab. Er bildete den Ursprung des Modern Jazz. Besonderheiten sind größere rhythmische Freiheiten für Schlagzeug und Bass, sehr schnelle Tempi und komplexe Harmonieschemata. Komponisten des Bebop griffen oft auf bestehende musikalische Themen und Harmonieabfolgen zurück und veränderten dabei das harmonische Schema. Alternativ wurden auch neue Themen geschrieben, die der Ausdrucksweise des Bebop gerechter wurden als die Originalthemen (ein Beispiel dafür ist der Titel How high the Moon von Ornithology). Ein weiteres Merkmal des Bebop sind Improvisationen auf langen formalen Strecken.
Latin Jazz (ab 1947)
Latin Jazz ist eine Spielart des Modern Jazz, die sich vor allem durch die Übernahme von Rhythmen und teilweise auch Kompositionen aus dem Repertoire der lateinamerikanischen Musik auszeichnet. Im engeren Sinne handelt es sich vorwiegend um einen Crossover zwischen Elementen des Jazz und verschiedenen Stilen aus der Karibik, wobei wiederum der Musik Kubas eine Schlüsselstellung eingeräumt wird. Im weiteren Sinne schließt der Begriff auch Einflüsse aus der brasilianischen Popularmusik mit ein. Der Pionier des Latin Jazz war Dizzie Gillespie. Er führte 1947 in der New Yorker Carnegie Hall zusammen mit kubanischen Kongospielern die "Afro-Cuban Drums Suite" auf.
Cool Jazz (ab 1950)
Cool Jazz wurde Ende der 1940er in New York, USA von progressiven Jazzmusikern aus dem Bebop heraus entwickelt. Es ist eine anspruchsvolle Jazzrichtung. Sie führt über ihre Unterart Modal Jazz zum klassischen Free Jazz der frühen 1960er. Miles Davis war ein Vorreiter und bekannter Vertreter des Cool Jazz.
Hard Bop (ab 1955)
Der Hard Bop (auch Hardbop) ist eine Weiterentwicklung des Bebop seit ca. 1950, die Einflüsse aus dem Cool Jazz, aber auch Elemente aus dem Soul und Blues vereinte, was eine insgesamt 'härtere' als die bisherige Spielweise mit sich brachte. Die traditionellen Elemente der genannten Richtungen wurden technisch an ihre Grenzen entwickelt. Eine Unterart des Hard Bop ist der Soul Jazz, der noch geradliniger aufgebaut ist.
Soul Jazz (ab 1960)
Soul Jazz ist eine Weiterentwicklung und Unterart des Hard Bop, die in den frühen 60er Jahren entstand. Blues-, Soul- und Gospelelemente spielen eine tragende Rolle. Soul Jazz ist meist gekennzeichnet durch verhältnismäßig einfache Rhythmen und eingängige Melodien. Der Soul Jazz erlangte in den 60er Jahren große Popularität. Herausragendes Beispiel hierfür ist das Stück Mercy, Mercy, Mercy von Joe Zawinul (gespielt mit Cannonball Adderley), das ein Charthit wurde.
Free Jazz (ab Ende der 50er Jahre)
Free Jazz ist einerseits ein historischer Begriff für freies ungebundenes Improvisationsspiel im Jazz seit den 60er Jahren. Andererseits ist es ein bis heute ausstrahlendes Paradigma, das die Möglichkeit zur freien Entfaltung immer neuer Formen im Jazz einfordert. Eine stilistische Analyse ist nur bedingt möglich. Die folgenden Merkmale sind typisch, aber nicht jedes für alle Stücke dieses Genres zutreffend: Aufhebung jeglicher musikalischer Regeln, Atonalität aber auch Zwölftonmusik, freie Rhythmik, Einflüsse aus verschiedenen Stilrichtungen (besonders Weltmusik), Aufhebung der Trennung zwischen Klang und Geräusch sowie keine Trennung mehr zwischen Solo- und Begleitstimmen (wodurch die Musiker kommunizieren und ihre Stücke entwickeln). Das Jazz-Merkmal des "Leadsheets" (kompositorischer Rahmen) existiert im Free Jazz nicht mehr (vereinfacht ausgedrückt spielt jeder Musiker, was er will).
Jazz Fusion (ab Ende der 60er Jahre)
Jazz Fusion ist ein Genre, das Jazz mit anderen Stilrichtungen kombiniert, speziell mit Rock, Funk, R&B, Elektronischer Musik und Weltmusik. Typischerweise mischen Jazz-Musiker hier Jazztechniken unter Einsatz elektrisch verstärkter Instrumente, wie der E-Gitarre, dem E-Piano und dem Synthesizer mit rhythmischen Strukturen afromerikanischer Popmusik, sowohl von Soul als auch von Rhythm and Blues aber auch Rockmusik.
Acid Jazz (ab 1977)
Acid Jazz ist im eigentlichen Sinne kein Jazzstil. Vielmehr wurde der Begriff in den späten 80er Jahren geprägt, als vorwiegend britische DJs tanzbare Soul- und Funkjazz-Aufnahmen der 60er und 70er wiederentdeckten und in Diskotheken spielten. Viele Aufnahmen der damaligen Zeit wurden unter diesem Label wiederveröffentlicht. Im Zuge dieses Revivals bildeten sich auch neue Formationen, die Jazz mit Soul und Funk kombinierten. Dabei wurden auch elektronische Klangerzeuger verwendet, speziell beim Beat aber auch sonst im Arrangement. Es ist tanzbarer Clubsound und steht dem Musikgenre Disco nahe.
Nu Jazz (ab 1995)
Nu Jazz (gelegentlich auch als Electro Jazz bezeichnet) ist eine Richtung der elektronischen Musik der späten 1990er- und der 2000er-Jahre. Auch der Nu Jazz ist nur bedingt als originärer Jazzstil zu bezeichnen, da die Basis dieser Musik meist elektronische Musik ist, die mit Jazz-Elementen verbunden wird. Wie auch Electronica oder Downtempo ist Nu Jazz nicht genau definiert, sondern wird vielseitig eingesetzt und für viele verschiedene musikalische Variationen verwendet. Als Nu Jazz kann beispielsweise sowohl Drum ’n’ Bass oder House mit Jazz-Einschlägen (wie zum Beispiel bei St. Germain) als auch der so genannte Broken Beat von Bugz in the Attic oder 4Hero bezeichnet werden. Selbst der von Jazz und Detroit Techno stark beeinflusste Sound der britischen Technoproduzenten As One und Ian O'Brien lässt sich als Nu Jazz kategorisieren.!
Jazz in Deutschland
Die 20er Jahre
Eines der ersten Bücher mit dem Wort "Jazz" im Titel stammt aus Deutschland. Dieses Buch bezieht den Begriff noch auf einen Tanz. Bereits Anfang der 20er Jahre spielte der Klarinettist und Saxophonist Eric Borchard eigene Aufnahmen ein, die mit denen amerikanischer Jazz-Größen vergleichbar waren. Der größere Teil der europäischen und damit auch der deutschen Musiker hingegen konnte zunächst wenig mit dieser Musikbewegung anfangen. Vor allem das prägende Element der Improvisation war hierzulande, wo man seit jeher nach konkreten Vorgaben spielte, ungewohnt. Trotzdem wurde Jazz im Deutschland der 20er Jahre sehr beliebt und eine Art Modemusik. Er war auf Schallplatte erhältlich, es gab Noteneditionen und Musiker aus vielen musikalischen Lagern bis hin zu klassischen Komponisten nahmen die Stilrichtung auf. Man sah dieses Genre allgemein nicht nur als Mode und Unterhaltung, sondern als echte Kunst an.
Zeit des Nationalsozialismus
In den europäischen Nachbarländern setzte sich der Trend in den 1930er Jahren fort. Dort entstanden Fan-Zeitschriften für Jazz und sogenannte „Hot Clubs“. Das Naziregime allerdings verfolgte und verbot die Ausstrahlung des Jazz im Rundfunk. Zum einen wegen der afrikanischen Wurzeln des Jazz. Zum anderen, weil es bei dieser Musik in gewisser Weise um Individualität und gegen Anpassung geht. Zwar war es trotz der Verfolgung zumindest in Großstädten noch möglich, Jazzplatten zu kaufen, die Weiterentwicklung und der Kontakt zur amerikanischen Jazzwelt war jedoch weitgehend unterbrochen. Die von der Reichsmusikkammer offiziell gestützte Musik hatte allerdings auffällige Züge des amerikanischen Swing. In Deutschland wussten zu dieser Zeit nur relativ wenige Leute, wie sich die die Jazzmusik in Amerika – zu dieser Zeit also der Swing – anhörte und dass es sich um Jazzelemente handelte. Es gab sogar Stücke, die von den Nazis in speziell entwickelten Tonstudios neu produziert und mit neuem Text versehen wurden. Ein Beispiel dafür ist der Titel „Black Bottom“, der als „Schwarzer Boden“ präsentiert wurde. Bei einigen Deutschen waren die verbotenen Alliiertensender mit Jazzprogrammen beliebt. Sie wurden von den Nazis einerseits gestört, andererseits aber auch imitiert. Dabei wurde der Jazzgesang mit provozierenden Propagandatexten versehen.
Nachkriegszeit und 50er Jahre
In der Nachkriegszeit waren viele Musiker wie Musikfans nach knapp 20 Jahren Isolation sehr interessiert an den verpassten Bewegungen. Besonders in den amerikanischen Besatzungszonen konnte sich der Nachkriegsjazz gut entwickeln. Speziell Berlin, Bremen und Frankfurt wurden Hochburgen. Junge deutsche Musiker konnten in amerikanischen GI-Lokalitäten vor größerem Publikum auftreten.
Bis Ende der 50er Jahre war die deutsche Jazz-Szene stark darauf fixiert, den amerikanischen Jazz zu imitieren und die verpasste Entwicklung nachzuholen. Allerdings gab es diesbezüglich ab 1954 erste sanfte Schritte der musikalischen Emanzipation. Dabei spielte das Quintet der Pianistin und Komponistin Jutta Hipp eine zentrale Rolle. Zu dieser Formation gehörten die Saxophonisten Emil Mangelsdorff und Joki Freund, der ebenfalls Kompositionen beisteuerte. Obwohl ihre Musik stark am amerikanischen Vorbild orientiert war, waren amerikanische Jazz-Kritiker ungewöhnlich beeindruckt von den souveränen Darbietungen mit eigener Stilnote. Die Besonderheit war eine Schwerpunksetzung auf lineare Improvisationen in der Melodieführung mit Anfang und Ende an ungewöhnlichen Stellen.

Der rhythmisch akzentuierte und rhythmisch innovative Bebop hatte in Amerika bis Mitte der 50er sein Hoch. Mit ihm konnten die europäischen Musiker weniger anfangen als mit dem in den 50er Jahren boomenden Cool Jazz. Der Cool Jazz war weniger explosiv, eher sanft und langsam mit Betonung der Bläsermelodien. Er war, sowohl was das Zusammenspiel als auch die Tongebung anbelangt, integrationsfähiger unter den deutschen Musikern.
Die 60er Jahre
In den 60er Jahren erfolgte eine bewusste, aber doch behutsame Emanzipation vom amerikanischen Vorbild. Die drei maßgeblichen Jazzgruppen waren zunächst die Quintette von Albert Mangelsdorff (mit Heinz Sauer und Günter Kronberg) und von Michael Naura (mit Wolfgang Schlüter) und das Quartett von Klaus Doldinger (mit Ingfried Hoffmann). Zu nennen sind auch die Gruppen um Joki Freund (Yogi Jazz) (mit Emil Mangelsdorff) und das Trio von Wolfgang Dauner (mit Eberhard Weber) (Dream Talk). Naura musste sich bedauerlicherweise aus Krankheitsgründen vom aktiven Musikerleben zurückziehen. Doldinger und Mangelsdorff konnten mit einer erfreulichen Stetigkeit auch im Ausland öffentlich auftreten und Platten veröffentlichen.
Ein sehr wichtiger Musiker war der Bassist Peter Trunk, der nicht nur mit Mangelsdorff und Doldinger spielte, sondern wegen seiner Musikalität, Solidität und seiner Vielseitigkeit auch als Studiomusiker äußerst gefragt war.
1965 betrat das Quintett von Gunter Hampel, mit Musikern wie Manfred Schoof, Alexander von Schlippenbach, Buschi Niebergall und Pierre Courbois die deutsche Jazz-Szene. Die LP Heartplants gilt als die erste deutsche Free Jazz-Platte, wobei diese Musik aus heutiger Sicht doch recht moderat klingt. Radikalere Töne waren dann zu hören vom Quintett von Manfred Schoof (Voices) und einem Oktett um Peter Brötzmann (Machine Gun).
Die 70er Jahre

In den 70er Jahren hielt auch die internationale Bewegung Einzug in die deutsche Jazzwelt, dass Jazz mit verschiedenen anderen Musikgenres kombiniert wurde. Erfolgreiche Jazzer wie Klaus Doldinger, Volker Kriegel und das United Jazz and Rock Ensemble folgten dieser Strömung.
Bemerkenswert ist, dass diese Musiker beim hiesigen Publikum genauso erfolgreich waren wie amerikanische Jazzer. Akustisch-romantische Darbietungen wie die von Joachim Kühn und Rainer Brüninghaus wurden in den USA ebenfalls zur Hauptströmung.
Während dieser Zeit entwickelte man auch in der DDR den Jazz in eigenen Formen, speziell im Bereich Free Jazz, aber auch in anderen Richtungen. Die Selbstständigkeit war dabei ausgeprägter als in Westdeutschland. Diese Musik sprach dort ein besonders breites Publikum an und war sehr erfolgreich. Zu den bekannteren Künstlern dieser Ära zählen Conny Bauer, Ulrich Gumpert (Zentralquartett), Manfred Hering und einige Weitere.
Die 80er Jahre
In den 80er Jahren teilte sich der Jazz in Deutschland in mehrere Richtungen. Es gab sowohl Formationen, die mit Repertoires traditioneller Jazzrichtungen aufwarteten, weitere Strömungen des Free Jazz und der Fusion, Hinwendungen zum aufkommenden Neo Bop als auch Kombinationen der verschiedenen Richtungen.
90er bis heute

mit Jazzklängen: Helge Schneider
Der Jazz-Forscher Ekkehard Jost stellte im Jahr 1992 zwei Grundtendenzen der Jazzszene fest: Jazz als Repertoiremusik und Jazz in beständiger und dynamischer Entwicklung. Die Letztere lebe aus musikalischer Praxis und basiere auf den Ursprüngen des Jazz. In den 90er Jahren dominierte, noch stärker als schon in den 80er-Jahren, die Wirkung der Vermarktung auf die Musikstile. Besonders der Jazz war davon betroffen. Zudem erfolgte eine Angleichung zwischen Ost- und Westdeutschland, deutlich zu Lasten der ostdeutschen Jazzkultur. Im Laufe der Zeit wurden oft Elemente des Jazz in andere Musikrichtungen wie Hip-Hop, später in Drum ’n’ Bass und andere integriert. Diese Ergebnisse werden bei genügender Jazzlastigkeit zum Subgenre Acid Jazz gerzählt. Jazz findet sich heute in vielen bekannten und unbekannten Musikproduktionen wieder; in deutschem Hip-Hop, in House, in Drum ’n’ Bass, in anderer Tanzmusik und vielen weiteren Musikstilen.
Ein bekannter Entertainer verstand es, den Jazz auf seine eigene Art in seine Comedy-Kunst zu integrieren: Helge Schneider. Damit gelang es ihm, den Nerv der Konsumenten zu treffen. Und Helge Schneider ist – möglicherweise entgegen seinem Ruf als Komiker – ein professioneller, talentierter und unter Musikern anerkannter Jazzer.
Ein weiterer bekannter deutscher Jazz-Musiker ist Götz Alsmann. Schon lange im Hintergrund tätig und bei internationalen Stars geschätzt ist der deutsche Jazz-Pianist Frank Chastenier. Noch erfolgreicher ist sein Freund und Produzent, der Trompeter Till Brönner. Neben Chastenier und Brönner gibt es noch eine Reihe weiterer Jazzer, die sich in der Szene mit Entertainment-Jazz einen Namen gemacht haben. Allerdings sind es nicht nur diese Musiker, die den Jazz in Deutschland entscheidend gestalten.
Ausbildung und Förderung
Ab Mitte der 70er Jahre verzeichnete die Ausbildung im Bereich des Jazz starken Aufschwung. Es sind mitunter akademische Ausbildungsrichtungen hervorgegangen. Die jungen Jazz-Musiker sind heute allgemein auf sehr gutem technischen Stand. Manche dieser Nachwuchskünstler fixieren sich vorwiegend auf das Imitieren. Andere hingegen setzen auch souverän ihre eigenen Vorstellungen musikalischer Gestaltung um.
Etymologie
Die Herkunft des Ausdrucks Jazz ist ungeklärt.
1909 tauchte der Begriff in dem Song „Uncle Josh in Society“ auf: „One lady asked me if I danced the jazz ...“, wahrscheinlich eine Art von Ragtime-Tanz meinend. 1913 ist der Begriff belegt als Bezeichnung einer Art von Musik, möglicherweise als Bezeichnung für die Musik zu jenem Ragtime-Tanz. Möglicherweise ist er abgeleitet aus einem Wort „jass“ aus dem kreolischen Patois, „jass“, für „tatkräftige Aktivität“, im speziellen Sexualverkehr. Dazu eine Quelle: „If the truth were known about the origin of the word 'Jazz' it would never be mentioned in polite society.“ [„Étude“, Sept. 1924]. (Auf Deutsch: "Wäre die Wahrheit über die Herkunft des Wortes 'Jazz' bekannt, würde es keinesfalls in der feinen Gesellschaft erwähnt werden.")
Ab spätestens 1915 gibt es Bands aus New Orleans, die das Wort Jass oder Jazz im Band-Namen tragen und/oder damit ihre Musik bezeichnen.
Möglich ist auch eine Ableitung des Wortes Jass oder Jazz aus der Verwendung des Begriffes jasm (französisches Wörterbuch von 1860) für Energie, Dynamik und Vitalität, als passender Ersatzbegriff für afrikanische Tanznamen wie etwa Mandingo jasi oder Temne yas), jedenfalls gilt ein anderes Slangwort (jism) auch daher abgeleitet. Jasi ist nicht nur der Name eines Tanzes, sondern steht auch für „in Erregung versetzen“.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass „Jazz“ von kreolisch „jizz“ kommt, was ebenso mit dem Ki-Kongo-Wort „dinza“ verwandt ist, und Ejakulation bedeutet.
New Orleans ist in der der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert nachhaltig durch die Spanier geprägt worden. Deshalb ist es möglich, dass sich das Wort Jazz vom spanischen payoso (Spaßmacher) ableitet. Das deutsche Wort Bajazzo (Spaßmacher) oder das jiddische Pojaz (Spassmacher) weisen darauf hin. Möglicherweise hinterließ die erste Jazzmusik bei den Hörern der damaligen Zeit den Eindruck, sie würden Zeuge einer spaßigen Parodie.
Manche Quellen wollen in „Jazz eine Verballhornung des französisch-kreolischen chasse für Jagd erkennen: eine Anspielung auf die Kollektivimprovisation der Instrumente im New-Orleans-Stil. Andere leiten das Wort eher von chasse-beau ab, einer Tanzfigur beim Cakewalk, oder auf einen berühmten Tänzer einer Minstrelshow, der sich Jasbo nannte, und dem das Publikum zurief „We want more Jasbo“. Wieder andere verweisen auf eine sexuelle Konnotation oder die verballhornte Version des Namens „Jézabel“, der zu Jazz-Belle („Jazz“-Schöne) umgedeutet wurde: So nannte man eine populäre Prostituierte im alten New Orleans. Möglich ist auch die Bedeutung „blödes Zeug“ wie in der verächtlichen Redewendung „... and all that jazz“. So sollen die weißen Amerikaner die ersten musikalischen Gehversuche ihrer Sklaven genannt haben, aus denen sich der Jazz später entwickelte. Jass ist ein Kartenspiel, das durch Einwanderer in New Orleans bekannt gewesen sein dürfte. Jas ist ein Jargon-Wort mit möglicherweise sexueller Bedeutung aus dem Senegalesischen.
Das englische Verb „to jazz“ für „to speed or liven up“, schneller werden oder beleben, in Schwung bringen, ist ab 1917 belegt.
In einer weiteren Theorie wird die Herkunft des Wortes „Jazz“ aus dem Begriff „Jass“ beschrieben. Die Kritiker dieser damals neuen Musikrichtung fanden, dass die Musiker wie eine Horde Esel klingen. Deshalb nannten sie es "Jackass Music" ("jackass" bedeutet im Englischen umgangssprachlich "Esel"). Aber weil man so etwas in der Öffentlichkeit nicht sagen konnte, machten sie aus "Jackass" das Wort "Jass". Nun gab es folgendes Problem: Immer wieder wurden von Vandalen bei Plakaten, die für Jasskonzerte werben sollten der Buchstabe J entfernt. Sie fanden es offenbar lustig, dass danach statt "Jass" "ass" zu lesen war ("ass" ist das englische Wort für "Arsch"). So wandelten sich die letzten beiden Buchstaben von „ss“ zu „zz“.
Probleme mit dem Jazzbegriff: Was alles ist Jazz?
Schon der „Jazz“-Charakter einiger Aufnahmen zentraler Jazzmusiker ist umstritten oder steht nur durch ihre Verbindung zu ihren früheren Aufnahmen außer Frage, wie etwa Louis Armstrongs spätere populäre Songs (z.B. „Hello, Dolly!“) oder Miles Davis „Fusion“-Musik (z.B. CDs „On the Corner“, „Tutu“). Während der gesamten Jazz-Geschichte wurden Stilvarianten entwickelt, die eine Verbindung zu einer fixierbaren gemeinsamen Musikrichtung lösten: Überschneidungen etwa mit anderen Formen afro-amerikanischer Musik (z.B. Blues, Rhythm & Blues), mit Schlagermusik, lateinamerikanischer, „klassischer“, „experimenteller“ Musik und der „Moderne“ der europäischen Konzertmusik, „elektronischer“, „ethnischer“ Musik usw.. Angetrieben wurde diese Tendenz insbesondere durch die rasche, weltweite Verbreitung des Jazz. Bereits nach dem 1. Weltkrieg wurde er mit Hilfe der Schallplatte überregional bekannt und löste ab den 20er Jahren an vielen Orten der Erde Begeisterung aus, was zahlreiche Nachahmungen, Abwandlungen und eine Verwendung der Bezeichnung „Jazz“ für miteinander kaum verbundene Musikformen zur Folge hatte.
Die Vielfalt weitgehend eigenständiger Musikerkreise und ihrer jeweiligen Anhängerschaft in Jazz-Kritik, -Forschung und –Publikum schließt spätestens seit den 60er Jahren eine auch nur annähernde allgemeine Übereinstimmung darüber aus, welche Musikformen die Kategorie „Jazz“ im Einzelnen umfasst, welche Kriterien für sie wesentlich sind sowie welche Entwicklungen und welche ihrer Vertreter als bedeutend anzusehen sind. Auf die Gegenwart bezogen bezeichnet der Ausdruck „Jazz“ – der bereits von Duke Ellington, Charlie Parker, Miles Davis und anderen abgelehnt wurde, aber dennoch gerade wegen des hohen Ansehens dieser Musiker geschätzt wird – weniger eine bestimmbare Musikart, sondern dient mehr als eine Art Etikett, das erhöhte Qualität und gesteigerte Erwatungen an die Aufnahmebereitschaft des Publikums ausdrückt.
Im Zuge der in den 20er Jahren begonnenen Verbreitung des Jazz entstand die bis heute weitgehend von Euro-Amerikanern und Europäern beherrschte Jazz-Kritik und –Forschung. Sie verstand den Jazz nicht nur als eine mitreißende Unterhaltungsmusik, sondern auch als ernstzunehmende kulturelle Leistung und trug so entscheidend zur Wertschätzung und zum Verständnis eines größeren Publikums für diese Musik bei. Damit bereitete sie den Boden dafür, dass auch die ab den 40er Jahren hervorgebrachten Entwicklungen, die nicht mehr als Pop-Musik geeignet waren, eine weltweite Hörerschaft fanden. Allerdings widersprach die Kritik und Forschung mit ihren Kategorisierungen und Deutungen häufig dem andersartigen, unakademischen, von afro-amerikanischer Kultur geprägten Zugang der Musiker.
Die Jazz-Forschung entwarf eine Reihe von Jazz-Stilen und deutete ihre Abfolge so, dass die Jazz-Geschichte zumindest bis in die 60er Jahre als annähernd „folgerichtige“ Entwicklung erschien. Spätestens ab den 80er Jahren gelang dies angesichts der Vielfalt der musikalischen Formen nicht mehr. Diese Stil-Kategorien werden von der Forschung selbst als überblicksartige Abstraktionen verstanden und – wie der Begriff „Jazz“ – von Musikern häufig abgelehnt.
So warf etwa Duke Ellington dem Trompeter Dizzy Gillespie vor, er hätte nie zulassen dürfen, dass das „Etikett Bebop“ auf seine Musik „geklebt“ wird, und Gillespie pflichtete ihm später bei. Unter diesem Etikett produzierten nämlich die Medien in den 40er Jahren eine Mode-Erscheinung, hinter der die Musik zurücktrat. Der Begriff „Bebop“ ist jedoch auch auf die Musik bezogen nur eingeschränkt zutreffend: Thelonious Monk - neben Parker und Gillespie der dritte der berühmtesten Musiker der „Bebop“-Ära – spielte in Wahrheit keinen „Bebop“ (P.N. Wilson 2005, J. Fordham 1993 u.a.). Selbst Gillespies Musik entsprach nur ein paar Jahre lang ganz den Vorstellungen von typischer „Bebop“-Musik: Bereits ab dem Jahre 1947 verwob er die Musik seines Orchesters mit afro-kubanischer Musik, womit der Jazz erstmals in stärkerem Maß mit tatsächlich aus Afrika stammender Musiktradition in Berührung kam. Schon Jelly Roll Morton – ein maßgeblicher Musiker der Frühzeit des Jazz – wies auf die Bedeutung der lateinamerikanischen Färbung („latin tinge“) des Jazz hin. Die Errungenschaften Gillespies, der auch unter Lateinamerikanern hoch angesehen war, verstärkten dieses Element und gaben musikalisch, aber auch hinsichtlich der kulturellen Identität, einen bis in die Gegenwart nachwirkenden Anstoß. Gillespie erklärte: „Als sie unsere Trommeln wegnahmen, entwickelte sich unsere Musik monorhythmisch weiter, sie war nicht mehr polyrhythmisch wie die afrikanische Musik. Ich war immer besonders an Rhythmus interessiert und dieses Interesse brachte mich dazu, dass ich jede Gelegenheit wahrnahm, etwas über die Verbindungen mit Afrika und afrikanischer Musik zu erfahren.“ (Gillespies Memoiren).
Dieser Beitrag Gillespies schlägt sich im Raster der Jazz-Stile nur am Rande nieder. Die Jazz-Kritik entdeckte nach dem „Bebop“ vielmehr den so genannten „Cool-Jazz“, eine weniger rhythmische, stärker an europäischer Musik orientierte Variante, als deren Star der junge Miles Davis hervortrat. Davis erzählte über seine damalige Musik in seiner Autobiographie: „Bird [Charlie Parker] und Dizzy [Gillespie] spielten diese schrägen, wirklich schnellen Sachen, aber wer nicht genauso schnell hörte, dem entging der Humor und das Gefühl in ihrer Musik. Ihr Sound war nicht weich und es fehlten die Harmonien, die man auf der Straße vor sich hin summte, um ein Mädchen aufs Küssen einzustimmen. … „Birth of the Cool“ konnte man nicht nur summen, es spielten auch Weiße mit, und zwar in wichtigen Positionen. Den weißen Kritikern gefiel das. … Wir spielten uns etwas sanfter in die Ohren der Leute als Bird und Diz, bewegten uns in Richtung Mainstream. Mehr war’s nicht.“
Die Entdeckung eines neuen Jazz-Stiles kurz vor dem Beginn der 50er Jahre passte aber ins Konzept der „folgerichtigen“ Jazz-Entwicklung. Der bekannteste deutsche Jazz-Kritiker Joachim E. Berendt (Das Jazzbuch) fand: Das „Imposanteste“ am Jazz sei seine stilistische Entwicklung. Sie sei „mit der Folgerichtigkeit und Logik, Zwangsläufigkeit und Geschlossenheit vor sich gegangen, die die Entwicklung von Kunst seit je kennzeichnen. … Alle 10 Jahre – vereinfacht gesehen - ein neuer Hauptstil …“. - Max Roach, einer der bedeutendsten Schlagzeuger (zumindest) der 40er und 50er Jahre sagte hingegen: „Wir leben in einer Gesellschaft, wo du jedes Jahr ein neues Auto haben musst und ein neues Modell von diesem und jenem. … Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass die Musik der 40er Jahre gestorben ist. Ich glaube, dass sie immer weiter und weiter lebt … Leute wie Art Tatum, Dizzy Gillespie, Charlie Parker und Bud Powell sind immer noch die Impulsgeber für alles, was geschieht … und die Dinge auf der heutigen Szene (ca. 1979), die sich nicht darauf beziehen, die kannst du vergessen, die verblassen daneben. John Coltrane war eine Weiterentwicklung der Dinge aus den 40er Jahren, McCoy Tyner, Rahsaan Roland Kirk, sie alle.“ (Gillespies Memoiren). Der von Max Roach erwähnte Pianist Art Tatum war bereits in den 30er Jahren ein Virtuose mit einem „wohl noch immer unerreichten technischen Standard“ (M. Kunzler 2002). Noch mehr als seine Technik fasziniert und inspiriert jedoch seine Musikalität Pianisten, aber auch andere Instrumentalisten bis heute – durch sein harmonisches Verständnis, seine „geniale“ (M.R. Abrams) Rhythmik und seinen Einfallsreichtum. Tatums Musik wird von der Stil-Kategorie „Swing“, die die Jazz-Forschung den 30er Jahren zuschreibt, nicht adäquat erfasst.
Als das Interesse der Jazz-Kritik am „Cool-Jazz“ und an den mit ihm verbundenen euro-amerikanischen Musiker-Kreisen („West-Coast“) abkühlte, wandte sie sich wieder dem Kontinuum, das Max Roach beschrieb, zu und fand die mittlerweile entwickelten, abgewandelten Ausformungen dieser Musik vor, die sie nun als neuen Stil – als „Hard-Bop“ – präsentierte. Aber auch die dem „West Coast Jazz“, dem „Cool Jazz“ und „Third Stream“ zugeordneten Musiker blieben aktiv. Welchen Musikern in der jeweiligen Zeit Aufmerksamkeit gebührt, ist eine Frage der Perspektive, die von eigenen kulturellen Erfahrungen und letztlich weitgehend von Empfindungen abhängt. Eine Beschreibung von Stilen und ihrer Bedeutung ist daher – wie die hier dargestellten kleinen Ausschnitte der Jazz-Geschichte zeigen – immer nur begrenzt zutreffend, auch wenn Stilbegriffe in mancher Hinsicht durchaus nützlich sein können.
Im schwierigen Unterfangen der Jazz-Forschung, musikalische Entwicklungen zu beschreiben, erscheint die Darstellung musiktechnischer Merkmale, wie z.B. der Verwendung der „flatted fifth“ im „Bebop“, als objektive Herangehensweise. Die rasche Ausweitung des Spektrums der musiktechnischen Mittel bis ins Atonale und in rhythmische Auflösung legt den Eindruck eines zielgerichteten Fortschritts nahe und führte in den letzten Jahrzehnten zur Frage, ob sich der Jazz nun nur mehr wiederholen könne, nachdem er die größtmögliche „Freiheit“ bereits erreicht habe, nachdem „alles bereits gespielt“ worden sei. Die Idee des Fortschritts ergibt sich jedoch eben aus der Perspektive, die den musiktechnischen Ausdrucksmitteln eine vorrangige Bedeutung verleiht. Viele Jazz-Musiker verstehen technische Aspekte hingegen mehr als Teil der „Grammatik“ ihrer jeweiligen musikalischen „Sprache“, mit deren Hilfe sie etwas darüber Hinausgehendes, ihre „Story“ zu vermitteln versuchen, die häufig auch spirituellen Charakter hat. Diese „Stories“ sind der Person und ihrer jeweiligen Umstände entsprechend unterschiedlich, sie schließen aber einen Fortschritt aus, denn sie sind Ausdruck zwar vielfältiger, in ihren Grundzügen jedoch gleich bleibender menschlicher Erfahrung. Insbesondere für afro-amerikanische Musiker ist Jazz häufig auch Ausdruck kultureller Zugehörigkeit, sodass auch aus diesem Grund eine Verbundenheit mit den zentralen Persönlichkeiten der Jazz-Geschichte als wertvoll gilt - was eigenständigen Ausdruck und eigene musikalische Entwicklungen keineswegs ausschließt.
Jedoch brachte die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Ausweitung des Jazz-Begriffes auf viele unterschiedliche Musikformen ebenso viele andere Perspektiven mit sich, denen die Jazz-Kritik und –Forschung gefolgt ist. Dadurch setzten sich auch ästhetische Maßstäbe und Sichtweisen durch, die früher als dem Jazz fremd angesehen worden wären, z.B. ein aus „moderner Kunst“, Film- und Konzept-Kunst abgeleitetes Musikverständnis. Die Unterschiedlichkeit der Perspektiven schließt heute eine auch nur unnähernd allgemein akzeptierte Weiterführung der Jazz-Geschichte aus.
Bedeutende Jazz-Veranstaltungen
Deutschland
- JazzFest Berlin – jährlich im November, eines der ältesten und renommiertesten Festivals, seit 1964, von Joachim-Ernst Berendt gegründet
- Deutsches Jazz Festival Frankfurt – jährlich im Oktober, seit 1953
- Enercity Swinging Hannover - jährlich über Himmelfahrt, seit 1966
- Total Music Meeting – seit 1968 jährlich parallel zum Berliner Jazz Fest
- Internationales Dixieland-Festival Dresden – jährlich im Mai, seit 1970
- Kemptener Jazzfrühling - jährlich seit 1986
- Leipziger Jazztage – jährlich im Oktober, seit 1976
- Leverkusener Jazztage – jährlich im November, seit 1980

Österreich
- Jazz-Sommer Graz
- Jazzfest Wiesen – seit 1976
- Jazzfestival Saalfelden – jährlich am letzten Wochenende im August
- Jazzfest Wien – jährlich Anfang bis Mitte Juli
Schweiz
- Montreux Jazz Festival – jährlich im Juli, seit 1967
- Jazzfestival Willisau
Sonstige
- Montreal International Jazz Festival
- Vancouver International Jazz Festival
- North Sea Jazz Festival in Den Haag & Cape Town – jährlich im Sommer, seit 1976
- Warschauer Jazz Jamboree – jährlich im Herbst, seit 1958
Siehe auch
Liste von Jazzmusikern (alphabetisch geordnet) | Liste von Jazzmusikern nach Epoche und Instrument | Liste von Jazzsängerinnen und -sängern | Kategorie:Jazz-Pianist | Jazzmusiker in Deutschland | Liste von Jazzkomponisten | Jazzmuseum, Jazz-Piano, Blues, Jugend jazzt | Stilrichtungen der Musik | Liste von Jazzstandards und -kompositionen
Literatur
- Joachim-Ernst Berendt, Günther Huesmann (Bearb.): Das Jazzbuch. 7. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3100038029
- Ken Burns, Geoffrey C. Ward: Jazz – eine Musik und ihre Geschichte. Econ, München 2001, ISBN 3430116090. (Nach einer Dokumentarfilm-Reihe von Ken Burns mit Beiträgen von Wynton Marsalis)
- Geoff Dyer: But Beautiful: Ein Buch über Jazz. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 359615314X
- John Fordham: Das grosse Buch vom Jazz : Geschichte, Instrumente, Musiker, Aufnahmen. Christian, München 1998, ISBN 3884723952
- Dita von Szadkowski: Grenzüberschreitungen Jazz und sein musikalisches Umfeld der 80er Jahre. Fischer Taschenbuch Verlag ISBN 3-596-22977-4
- Ekkehard Jost: Sozialgeschichte des Jazz. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-86150-472-3
- Wolfram Knauer (Hrsg.): Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung Band 3 – Jazz in Deutschland. Wolke Verlag, Hofheim 1996, ISBN 3-923997-70-1
- S. Frederick Starr: "Red and hot: Jazz in Russland 1917–1990". Hannibal-Verlag, Wien 1990, ISBN 978-3854450627
- Studs Terkel: Giganten des Jazz. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-86150-723-4
- Klaus Wolbert (Hrsg.): That's Jazz: der Sound des 20. Jahrhunderts; eine Musik-, Personen-, Kultur-, Sozial- und Mediengeschichte des Jazz von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bochinsky, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3923639872
- Peter Niklas Wilson (Hrsg.): Jazz-Klassiker. Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-15-030030-5
Lexika
- Ian Carr et al.: The Rough Guide to Jazz. Rough Guides, New York/London 2004, ISBN 1843532565
- Barry Kernfeld (Herausgeber): The New Grove Dictionary of Jazz. Oxford University Press, 2005, ISBN 0195169093
- Martin Kunzler: Jazz Lexikon. Directmedia Publ., Berlin 2005, ISBN 3-89853-018-3
Kataloge
Manfred Scheffner (Hrsg): Bielefelder Katalog Jazz. Vereinigte Motor Verlage, 2005, ISBN 3-89113-137-2
Jazz-Fotografie
- Bühnen/Konzert und Portrait Fotos by Marianne Hamann-Weiss, Photo Archiv mit mehr als 1000 Künstlern der Internationale Jazz und R&B Szene. 15 Jahre in Folge mit Aufnahmen/Bilddokumenten vom (1987–2002) Montreux Jazz Festival. Klassische B&W und Digitale Farb Aufnahmen.
Bildbeispiele [1]