Tuareg

Die Tuareg sind ein zu den Berbern zählendes Volk in Afrika, dessen Siedlungsgebiet sich über die Wüste Sahara und den Sahel ausbreitet. Ihre Sprache ist das Tamascheq. Sie leben seit Jahrhunderten nomadisch im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Algerien, Niger, Libyen, Mauretanien, Burkina Faso und Nigeria und zählen heute etwa eine Million Menschen. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Aufständen der Tuareg, die sich dabei behindert fühlen, ihre traditionelle nomadische Lebensweise fortzuführen.
Etymologie

Das Wort Tuareg ist arabisch. Es ist die innere Pluralform von Targi "Bewohner der Targa" (Targa war der alte Ortsname eines Tales im Fezzan. Targa ist ein berberisches Wort, das "Kanal" oder "Flusslauf" bedeutet und in etwa dem arabischen Wort "Wadi" entspricht). Die verbreitete arabische Volksetymologie: Tawariq sing.: Tarqi "von Gott Verstoßene" ist sicher falsch. Die Tuareg bezeichnen sich überhaupt nicht als Tuareg, sondern Kel Tamasheq/Kel Tamajaq (Tamasheq-Sprecher), Kel Tagelmust (Schleiermänner) oder Imuhaq/Imuschaq ("die Freien"). Sie werden auch Das blaue Volk genannt, da sie ihre Kleidung mit Indigo blau färben.
Geschichte
Die Tuareg oder "Imouher" stammen von den Berbern ab. Sie sollen Nachkommen der Garamanten sein, die im 7. Jahrhundert von den Muslimen aus dem Fessan vertrieben wurden. Sie breiteten sich zunächst in der zentralen Sahara aus, wobei sie das Wüstenvolk der Tubbu in das Tibestigebirge abdrängten. Nach dem Untergang des Songhaireichs im 16. Jahrhundert drangen die Tuareg zunehmend auch in die Sahelzone ein und errangen in der Folgezeit u.a.die Kontrolle über Timbuktu.
Im 19. Jahrhundert leisteten sie der französischen Kolonialmacht lange Zeit heftigen Widerstand. Erst 1917 kam es zu einem Friedensvertrag mit Frankreich. Mit dem Ende der französischen Kolonialmacht in Westafrika wurde das Siedlungsgebiet der Tuareg zwischen den Staaten Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, wobei kleinere Gruppen der Tuareg auch in Libyen und Burkina Faso leben. 1990-1995 kam es zu Aufständen der Tuareg in Mali und Niger aufgrund der Unterdrückung und Ausgrenzung durch die jeweiligen Regierungen. Ein Führer des Tuareg-Aufstandes war Mano Dayak.
Als Nomadenvolk, das in mehrere Konföderationen unterteilt ist, besitzen die Tuareg keine Hauptstadt. Am ehesten kann man noch Agadez im Niger mit dem Sitz des Sultans von Air als einen zentralen Ort bezeichnen. Für die nördlichen Tuareg (Kel Adscher und Kel Ahaggar) spielte die südalgerische Oase Djanet in früheren Zeiten eine ähnliche Rolle, weil hier der Clan der Imanan residierte, der eine Art geistlicher und politischer Oberhoheit ausübte und sich vom Propheten Mohammed ableitet, obwohl diese Herleitung völlig fiktiv ist. Der heutige Hauptort des Ahaggar-Gebirges, Tamanrasset, entstand erst nach 1900, als sich der französische Missionar Charles de Foucauld in der Gegend niederließ. Erst nach der endgültigen Eroberung des Gebirges durch die französischen Kolonialtruppen wuchs der Ort und wurde zum offiziellen Sitz des Amenokal (Königs) der Kel Ahaggar.
Kultur und Religion

Die Kultur der Tuareg wurde erstmals im 19. Jahrhundert von den Afrikaforschern Heinrich Barth und Henri Duveyrier erforscht und ausführlich beschrieben.
Die Tuareg sind mehrheitlich Muslime und nomadische Viehzüchter, daneben gibt es traditionell noch Schmiede, Kamelzüchter und Karawanenführer. Ihre Gesellschaft ist hierarchisch aufgebaut. An der Spitze der einzelnen Stammeskonföderationen steht eine Art König, der Amenokal, dessen Macht allerdings sehr gering ist. Es gibt Adlige (Ihaggeren oder Imajjeren) und Vasallen (Imghad oder Imrhad), früher auch Sklaven (Iklan: vor 1900 oft schwarzafrikanische Gefangene, im Gegensatz zu den hellhäutigen Tuareg). Wenig politische Macht, aber hohes Ansehen genossen die Korangelehrten (Inislimen - wörtl.: Männer des Islam). Die Schmiede (Inaden oder Ikanawen) sind für die Tuareg von großer Bedeutung, sie stehen aber außerhalb der Gesellschaft und wurden in früheren Zeiten wegen ihrer scheinbar magischen Fähigkeiten sogar gefürchtet. Allerdings löst sich diese traditionelle Gesellschaftsaufteilung zunehmend auf.
Die bevorzugte Farbe der Männerbekleidung ist Blau. Bei den Tuareg tragen die Männer einen Gesichtsschleier (Tagelmust), was im Gegensatz zur sonst üblichen islamischen Tradition steht. Es geht darum, den Mund zu verdecken, da Körperöffnungen als unrein gelten. Nach einer anderen Interpretation müssen sich die Männer, die häufig in der Wüste und in den Bergen unterwegs sind, vor den "Kel Eru", den Geistern der Toten, schützen, die versuchen, auf dem Weg über den Mund Besitz von den Lebenden zu ergreifen. Zur traditionellen Männertracht gehörte, zumindest an hohen Festtagen, auch eine hohe Mütze aus rotem Filz, die als "Tukumbut" bezeichnet wurde (s. Bild). Das Gesicht der Frauen ist wie bei den Berbern unbedeckt, sie tragen aber ein Tuch, mit dem sie den Mund in Anwesenheit ranghoher Männer (z. B. des Schwiegervaters) verdecken, vor allem aber gegenüber der Schwiegermutter.

Die verlorene oder versunkene Oase Gewas ist in der Tuareg-Kultur ein wichtiges Symbol. Sie steht bei ihnen für die Sehnsucht nach einer vollkommenen, paradiesischen Welt voller Reichtümer und Überfluss. Dieser imaginäre Gegenentwurf zur unbarmherzigen und kargen Wirklichkeit der Wüste dient ihnen als eine Art Trost. In der Vorstellung der Tuareg kann nur derjenige diesen legendären Ort wirklich finden, der im Grunde nicht bewusst und gezielt nach ihm sucht.[1]
Die Tuareg besitzen mit dem Tifinagh auch ein eigenes Schriftsystem, das jedoch nicht als Mittel der alltäglichen Kommunikation dient. Auch in früheren Zeiten war die Kenntnis des Tifinagh auf die Adelsclans beschränkt, wo sie den Kindern von ihren Müttern bzw. den alten Frauen beigebracht wurde.
Siehe auch
Wohnen
Die umherziehenden Tuareg leben in mobilen Zelten. Die Tuareg der Sahelzone haben Mattenzelte die aus Palmenwedeln bestehen. In der Wüste haben die Tuareg Lederzelte die aus 30-40 Schaf- und Ziegenfällen bestehen. Wenn sie die Zelte aufbauen, dann bauen sie zuerst die Bogenkonstruktion auf, danach werden die Möbel platziert und dann Dach und Seitenwände darüber geworfen und bespannt. Viele der Tuareg sind in die Städte gezogen, da es ein hartes anstrengendes Leben ist in der Wüste umher zuziehen. Andere Tuareg haben sich an Oasen eigene Siedlungen aufgebaut und betreiben Ackerbau. Die meisten Tuareg die in einer Stadt ein neues Leben beginnen wollen gehen nach Agadez, einer Stadt im Niger, in der schon viele Tuareg leben.
Kleidung
Die Männer tragen eine Art Gewand. Es besteht aus einem rechteckigen Stück Stoff, und wird um den Körper gewickelt. Die Tuareg nennen dieses Gewand Tagoulmoust. Darüber tragen sie ein Übergewand, welches ebenfalls aus einem rechteckigen Stück Stoff besteht, welches in der Mitte ein Loch für den Kopf hat. Durch angenähte Stoffbahnen entstehen weite Ärmel. Das Gewand reicht bis zum Boden. Darunter tragen sie eine weite Hose mit einem Ledergürtel. Auf dem Kopf tragen sie eine Art Turban den sie Schesch nennen. Er besteht aus einer rechteckigen Stoffbahn, die zwischen vier und zehn Metern lang ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Kulturen ist in der traditionellen Gesellschaft der Tuareg das Gesicht des Mannes vermummt. Kunstvoll wird der Gesichtsschleier um den Kopf gewickelt – lediglich die Augen bleiben frei. Die Kopfbedeckung schützt vor Sonne, Wind und Sand, hat jedoch auch die Funktion den Mund als unreine Körperöffnung zu verdecken. Die Frauen tragen ebenfalls ein langes Gewand, das häufig aus dünnerem Stoff besteht. Darüber tragen sie ein Tuch auf dem Kopf das die Haare bedeckt.
Religion
Früher glaubten die Tuareg an verschiedene Götter, Heute sind sie Muslime obwohl sie sich am Anfang dagegen sehr werten, da die Araber, die Verbreiter des Islams, ihre Feinde waren. An die Regeln des Islams halten sich manche sehr streng manche weniger streng. Die Tuareg glauben auch an gute und böse Geister, Glücksamulette, wie z.B. Ziegenfüße.
Ernährung
Für die Tuareg sind verschiedene Getreidesorten die Grundlage für ihr Essen. Im Süden vor allem Hirse, im Norden Weizen, für Tagella, das Brot der Tuareg, und Gerste, welches die Frauen anbauen bzw. sammeln. Für die umherziehenden Tuareg ist die Kamelmilch sehr wichtig. Ungekocht wird sie wie Sauermilch mit Wasser zur täglichen Mahlzeit getrunken. Außerdem benötigen sie Ziegen-, Kuh-und Schafsmilch für Butter und Käse. Fleisch gibt es meist nur bei religiösen und familiären Festen. Die Tuareg verschmähen meist Eier, Hühner und Fisch. Beeren, Früchte, Wurzeln, Samen werden von den Frauen und Kindern wie Getreide gesammelt. Der von den Arabern eingeführte grüne Tee ist den Tuareg fast unentbehrlich geworden, manche sind gerade zu süchtig.
Musik
Es gibt 3 verschiedene Musikarten: Tende, Imzad und Esele. Tende wird auch Tanz der Kamele genannt. Die Frauen sitzen dicht beisammen und singen, eine Vorsängerin trommelt auf dem mit Ziegenhaut bespannten Hirsemörser, der Tende-Trommel, die Männer umrunden die Frauen auf ihren Kamelen. Imzad ist die Geige, vorzugsweise von älteren Frauen gespielt. Und Esele, das ist die "Wüstendisco": junge Frauen fordern die Männer mit rhythmischem Gesang zum Tanz auf. Es gibt jedoch noch weitere Stilarten: wie Gitarrenmusik. Ein Fest ohne Gitarre ist in manchen Regionen undenkbar.
Feste
Taufen, Hochzeiten, nationale oder religiöse Jahresfeste haben im Leben der Nomaden eine große Bedeutung. Da die umherziehenden Hirten sehr oft einsam sind, freuen sie sich auf die Feste. Das größte Fest ist natürlich eine Hochzeit. Frauen und Männer tragen edelste Kleidung, dazu gibt es als Musik meist Tende. Tende ist aber gleichzeitig ein weiteres Fest bei dem ausschließlich Tende gespielt wird. Außerdem gibt es noch viele weitere regionale Feste.
Kunst und Handwerk
Die Tuareg schmieden sehr viel, von Waffen bis zu Ohrringen alles was man sich vorstellen kann. Dafür benutzen sie als Materialien Eisen, Silber und Buntmetalle. Eisen gewinnen sie aus Industrieschrott, z.B. Halbachsen von Geländewägen, die sie dann zu Äxten weiterverarbeiten. Wenn die Tuareg etwas aus Buntmetall herstellen wollen das aus Kupfer, Messing und Bronze besteht dann benutzen sie meist den Gelbguss Methode bei der Sie zuerst zuerst ein Muster des gewünschten Objekts aus Wachs legen welches dann in kaltem Wasser gehärtet wird und danach mit feinem Ton umkleidet wird. Mehrere Löcher werden gelassen um später das Wachs ausschmelzen zu können. Nun wird der Ton erhitzt und das Wachs durch die Öffnungen in eine Schüssel mit Wasser zur Wiederverwertung ausgegossen. Das vorgesehene Metall wird bereits in einem Tontiegel (tebent) eingeschmolzen. Wenn das Gussmetall dann heiß genug ist wird es durch das Wachsausgussloch in die Tonform eingegossen. Nachdem das Metall erhärtet ist wird die Tonform zerschlagen. Danach wird noch gefeilt und poliert (z.B. mit Sand) und Muster eingeritzt. Da man beim Gelbguss keine vorgefertigten Formen hat wird jedes Objekt anders.
Handel
Die Sahara-Tuareg bringen mit ihren Kamelen für Händler Salz aus der Amadror Ebene und anderen Orten, sowie Datteln auf verschiedene Märkte. Von dem Erlös kaufen sie Getreide, Stoffe, Tee und Zucker. Ohne diesen Karawanenhandel könnten die Sahara-Tuareg nicht leben. An diesen Karawanenhandel nehmen nur Männer teil, darum bleiben die Frauen manchmal monatelang mit den Kindern und Viehherden allein. Die Handelsunternehmen der Sahel-Tuareg beschränken sich auf den Verkauf von ihrem Vieh.
Geschichte
Die Tuareg mussten immer wieder um das Recht kämpfen als freies Volk akzeptiert zu werden und nach ihrer alter Tradition leben zu dürfen. Im 19. Jahrhundert führten die Tuareg z.B. in Westafrika einen Freiheitskampf gegen die französische Besatzung, der erst 1917 mit einem Friedensvertrag beendet wurde. Als die französischen Besatzer abgezogen waren, war die Welt für die Tuareg allerdings immer noch nicht in Ordnung, da Sie von manchen nun unabhängigen afrikanischen Regierungen weder unterstützt wurden noch Autonomie erhielten und statt dessen unterdrückt und diskriminiert wurden. Das führte in den 1990er Jahren in Mali und Niger zu Aufständen gegen die jeweiligen Regierungen. Mitte der 1990er Jahre wurden die Aufstände nach der Unterzeichnung von Friedensverträgen beendet. Zuletzt gab es 2004 Scharmützel zwischen Freiheitskämpfern der Tuareg und nigerianischen Regierungssoldaten.
Quellen
- ↑ http://www.pegasosfilm.de/pdf/083ph.pdf Ässhäk - Geschichten aus der Sahara. Ein Film von Ulrike Koch, Presseheft, S. 11
Literatur
- Dominique Casajus: Gens de parole. Langage, poésie et politique en pays touareg, Paris : La Découverte, 2000.
- Hélène Claudot-Hawad: Touaregs. Apprivoiser le désert, Paris : Gallimard, 2002. (Collection Découvertes Gallimard; Cultures et société; n° 418).
- Mano Dayak: Tuareg. Il popolo del deserto, Bologna, Editrice Missionaria Italiana, 2006 ISBN 88-307-1527-1.
- Henri Duveyrier, L'exploration du Sahara. Les Touaregs du Nord. Paris 1864.
- Herbert Kaufmann, Wirtschafts- und Sozialstruktur der Iforas-Tuareg, Köln 1964 (Phil. Diss.)
- Jeremy Keenan: The Tuareg. People of Ahaggar, London, Allan Lane, 1977.
- Peter Kremer u. Cornelius Trebbin, Tuareg - Herren der Wüste. (Beiheft zur Ausstellung der Heinrich-Barth Gesellschaft) Köln - Düsseldorf 1988.
- Klute, Georg 1995: Hostilités et alliances. Archéologie de la dissidence des Touaregs au Mali, in: Cahiers d’Etudes africaines, 137, Vol. 35, no. 1, 55-71.
- Klute, Georg / von Trotha, Trutz 2000: Wege zum Frieden. Vom Kleinkrieg zum parastaatlichen Frieden im Norden von Mali, in: Sociologus, no. 50, 1-36.
- Lecocq, Baz 2004 : Unemployed Intellectuals in the Sahara : The Teshumara Nationalist Movement and the Revolutions in Tuareg Society, in: International Review of Social History, 49, 87-109.
- Henri Lhote, Les Touaregs du Hoggar. Paris 1955 (zweibändige Neuauflage 1984 u. 1986).
- Johannes Nicolaisen, Economy and Culture of the Pastoral Tuareg. Kopenhagen 1963 (wichtige Studie auf strukturalistischer Basis).
- Paul Pandolfi: Les Touaregs de l’Ahaggar. Sahara algérien, Paris, Karthala, 1998.
- Klaus Schlichte: "Krieg und Vergesellschaftung in Afrika", Münster, Lit, 1996.
- Gerd Spittler: Handeln in einer Hungerkrise. Tuaregnomaden und die grosse Dürre von 1984, Opladen, Westdeutscher Verlag, 1989.
- Gerd Spittler: Dürren, Krieg und Hungerkrisen bei den Kel Ewey (1900-1985), Stuttgart, Franz Steiner, 1989.
- Gerhard Göttler: Die Tuareg, Köln, DuMont-Verlag, 1989
Belletristik
- Ibrahim al-Koni, "Die Magier", Basel 2001, ISBN 3 85787 6700 (Roman - geschrieben von einem Tuareg)
- Herbert Kaufmann, Roter Mond und Heiße Zeit. Graz 1959 (16. Aufl. 1999) ISBN 3401025015 (preisgekrönter Jugendroman)
- Beate Rygiert: Der Nomade, Berlin 2006, ISBN 3546003608 (Roman)
- Federica de Cesco: "Wüstenmond", München 2000, ISBN 3-547-71765-5 (Roman)