Diskussion:Neidingswerk
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Letzter Kommentar: vor 18 Jahren von TlatoSMD in Abschnitt enzyklopädische Relevanz
Es wäre schön zu erfahren, auf welchen ursprünglichen germanischen (altnordischen, altenglischen...) überlieferungen die quellen zu diesem artikel beruhen. anscheinend gibt es ja reichliche literatur aus der neuzeit zum feld neiding/seidr/arg etc - aber worauf stützt sich das alles? fragt --Uranosbln 10:16, 20. Mär. 2007 (CET)
- Zur Definition von ergi, sprich der Argheit, gerade im Zusammenhang mit Schadenszauberern, zeitgenössische Bezeichnung Neiding, finden sich viele Quellen in den genannten germanischen Rechten, wie etwa die isländische Graugans, das Gulathing, das Birkinselrecht, das Frostothing, den salischen, angelsächsischen, langobardischen und altspanisch-gotischen Rechten, den dänischen Gildensatzungen, sowie dem schwedischen Westgötalag und Uplandslag. Die skandinavischen Quellen sind oft ergiebiger, da hier die Christianisierung später erfolgte, die dem Neidingsmythos erst den Garaus zu machen versucht hat, bis sie denselben schließlich unter christlichen Vorzeichen als Hexen- und Sodomiterglauben/-verfolgung übernommen hat. Darüberhinaus erwähnt Bleibtreu-Ehrenberg in Übereinstimmung mit der sonstigen modernen Fachliteratur auch die auffällige Neidingsfigur in den germanischen Sagen, wie z. B. in der Edda oder der Sammlung Thule, s. etwa die Geschichte von Rögnwald Geradebein, als wichtige Quellen. Damit sind nur allein die Quellen explizit für den Neiding an sich genannt, nicht für die vielschichtigen weitergehenden Verflechtungen und Wechselbeziehungen jeweils mit der Asen- und Vanenreligion, sowie älteren wie jüngeren kulturellen, sozioreligiösen und soziopschologischen Erscheinungen.
- Der Schein der Fußnotenmenge trügt allerdings; aufgrund der offensichtlichen Unzuchtsmotive, die mit dem antiken Neidingsmythos bis zur puren Identität verwoben sind, ist die Neidingsfigur trotz ihrer expliziten wie impliziten (u. a. Leibfeindlichkeit, patriarchalisches Kriegerideal) Präsenz in der germanischen Kultur verhältnismäßig wenig erforscht (ähnliches gilt für die schweren Leibstrafen an vermeintlich dekadent-degenerierten Unzüchtigen und Schadenszauberern, sprich veneficae = Neiding, bis hin zur häufigen Todesstrafe z. B. im alten Rom, wie sie u. a. in der Lex scantinia vorgeschrieben waren; aus beiden wissenschaftlichen Versäumnissen resultiert die neuzeitlich weitverbreitete Laienmeinung, Leibfeindlichkeit wäre erst vom Christentum erfunden worden und vorher hätten die Menschen überall nach Lust und Laune Unzucht getrieben, anstatt daß, wie in Wirklichkeit, das gemeine Rechtsgefühl überall sofort auf strengste Vergeltung für Lüsternheit und Unzucht aus war). Bleibtreu-Ehrenbergs Werk stellt mit seiner exzessiven Sammel- und Erschließungsarbeit, für die Neidigungsfigur wie für die soziologische wie religionswissenschaftliche Geschichte der mythologisch wie säkular-rationalisierend stereotypen Homophobie in allen indogermanischen und jüdisch-christlichen Kulturen seit Ende der letzten Eiszeit insgesamt, bis heute auch auf internationaler Ebene das definitive wissenschaftliche Standardwerk dafür dar. --TlatoSMD 03:33, 23. Mär. 2007 (CEST)
enzyklopädische Relevanz
- Das Buch von Bleibtreu-Ehrenberg "Tabu Homosexualität" ist nicht mehr im Verzeichnis lieferbarer Bücher. Wäre es ein so berühmtes Standardwerk, wie hier in Wikipedia bezeichnet, dann wäre es längst in einem lesbischwulen Verlagsprogramm.
- Wenn ich in google "Tabu Homosexualität - Die Geschichte eines Vorurteils" eingebe, finde ich immer nur Referenzierungen und Spiegel auf den Artikel hier in Wikipedia über Bleibtreu-Ehrenberg.
- Gebe ich "Neiding Homophobie" ein, finde ich immer nur Spiegel auf den Artikel hier in Wikipedia Neiding.
Könnte es sein, daß die Neidingtheorie nur durch Gisela Bleibtreu-Ehrenberg vertreten wird und noch wenige hundert Leute sich auf diesen Artikel hier beziehen? (sog. Theorieschöpfung durch einen Wikipedia-Artikel). -- Leptokurtosis999 08:32, 14. Mai 2007 (CEST)
- Nachtrag: In der Saga tritt der Neiding nur zweimal auf: Als Nidud/Nidhung/Nidhag (evtl. Formen von Neiding??) im Wölund-Lied der Edda und als Hagen von Tronje im Nibelungen-Lied. Beides Mal waren es nach heutiger Sprache "Meuchler" - keine efeminierten oder schwule Männer, keine Zwerge, keine Zauberer, sondern Meuchler, die im Schlaf (niðingr (mit langem i): Nachtmahr, "Dunkelmann", "Haßfeind") oder hinterrücks angreifen.
- Weiters existiert der Misbrauch der Berserker: Der Holmgang: Der Holmgang war ein zur Zeit der Wikinger gesetzlich geregelter Zweikampf, der sich insbesondere auf Island gegen den einfachen Zweikampf (Einvigi) durchsetzte. Wegem häufigem Missbrauch dieser Sitte, insbesondere durch Berserker, die reiche Bauern ihrem Gut und ihrer Frauen wegen herausforderten, schaffte Jarl Eirik Hakonson 1014 den Holmgang in Norwegen ab und verbannte alle Berserker aus dem Land. Es war jedem Mann erlaubt einen anderen ohne Angabe des Grundes zum Holm zu fordern und derjenige, der nicht zum Kampf erschien, galt als Neiding. -- Leptokurtosis999 22:17, 14. Mai 2007 (CEST)
- Zusammenhängend wurde der Neiding (und zusammenhängend bedeutet auch gerade im Zusammenhang mit der gesamten germanischen und z. T. sogar indogermanischen Kulturanthropologie) in den modernen Sekundärquellen bisher tatsächlich ausschließlich von Grönbech, Bleibtreu-Ehrenberg und ansatzweise von Ernst Klein dargestellt; gerade dadurch gelten diese drei Quellen aber bis auf weiteres als die wichtigsten und maßgeblichen zu diesem Themenkreis. Das Problem sind hier, wie oben unter anderer Überschrift erwähnt, die allzu offensichtlichen Unzuchtsmotive, die eine weitere Erforschung offenbar bis heute verhindern. Auch empfiehlt es sich, nach den verschiedenen germanischen Formen von Neiding und nid, beispielsweise den angelsächsischen und altnordischen, zu googeln. Trotz allem sollte es auch nicht verwundern, daß bei dieser Sekundärquellenlage das Wort Homophobie selten auftaucht, zumal es generell unüblich ist, diesen modernen Ausdruck in Beschreibungen bezüglich Epochen vor dem 19. bzw. 20. Jahrhundert zu verwenden (da er neueren Datums ist, zumal im Deutschen, ist der Ausdruck Homophobie Bleibtreu-Ehrenberg 1978 sogar noch völlig unbekannt, obwohl es bei ihr an keiner Stelle des Buches um etwas anderes geht).
- Inwieweit der Neiding (als níðing(r), mit níð und allen weiteren linguistischen Derivaten) mit den Begriffen Unzucht und Homosexualität assoziiert wurde, ist auch schon in der tiefergehenden anglophonen Forschung wenig umstritten, die von keiner der obigen drei deutschen Quellen Kenntnis hat: Homosexuality in Viking Scandinavia, Glossary of Norse & Gaelic Words, AngloSaxon Infopedia: Anglo-Saxon Glossary.
- Inwieweit Tabu Homosexualität nachwievor wichtig ist, kann man im Artikel zu Gisela Bleibtreu-Ehrenberg an 6 verschiedenen Quellen aus unterschiedlichen Disziplinen zwischen 1984 und 2003 sehen. Unter diesen Quellen befindet sich auch eine Leseempfehlung der schwulen Schweizer Coming-out-Gruppe Der Spot 25. Auch Encarta zählt es zu den wichtigsten Quellen zum Thema überhaupt ([1]). Darüberhinaus ist bereits eine online verfügbare PDF-Version in Arbeit, auch eine englische Übersetzung, damit die Arbeit auch erstmals international ausgewertet werden kann. Der Neiding ist offenbar als Hauptkonzept des nachwievor wichtigen Buches zu bezeichnen, auf dem sich alles nachfolgende aufbaut.
- Wenn ich Tabu Homosexualität (bzw. die 2. Auflage unter dem einfachen Titel Homosexualität) in Google suche, erhalte ich eine Menge Verkaufsangebote für das Buch (etwa Booklooker #1, Booklooker #2, Booklooker #3, Booklooker #4 Abebooks #1, Abebooks #2, ZVAB #1, ZVAB #2, Booklooker #3, Amazon #1, Amazon #2, Antbo #1, Antbo #2), so daß das Buch nachwievor leicht zum Kauf erhältlich ist.
- Hier eine Auswahl spezieller Fachbibliotheken und Literaturempfehlungen zu Gender studies und Homophobieforschung, wo das Buch vertreten ist: feministisch-theologischer online-schlagwortkatalog, MediGay: Schwule Ärzte und lesbische Ärztinnen, Schwule Bibliothek des Schwulenreferates der Uni Bielefeld, GAY-Väter, SACHBÜCHER/lesbisches Leben auf Konnys Lesbenseiten, Kleine Auswahlbibliographie „Interkulturelle Tabuforschung”, Taboos in German Literature BIBLIOGRAPHY, LESBENBÜCHERLISTE.
- Nicht zuletzt sollte auch seine Verfügbarkeit in den meisten Bibliotheken deutscher und internationaler Großstädte etwas über die nachwievor bestehende Wichtigkeit des Buches aussagen (hier größtenteils allein ein kleiner Ausschnitt der weltweiten bibliothekarischen Verfügbarkeit nur für die ältere 1. Auflage, ohne Extrasuche nach der zusätzlichen Verfügbarkeit der 2. Auflage):
- Deutschland: Deutsche Nationalbibliothek, Universität Hildesheim, Bibliotheksverbund GBV, HBZ-Verbundkatalog, SWB Online-Katalog, BVB BibliotheksVerbund Bayern, KOBV-Verbund, HeBIS-Verbundkatalog
- Österreich & Schweiz: Österreichischer Bibliothekenverbund, Informationsverbund Deutschschweiz, Universitätsbibliothek Innsbruck, Universitätsbibliothek Wien, Stadtbibliothek Schaffhausen, Eidgenössische Technische Hochschule-HDB (Zuerich)
- Niederlande: Bibliotheek Van de Univ Van Amsterdam, Erasmus Universiteit Rotterdam, Openbare Bibliotheek Amsterdam, Rijksuniversiteit Groningen, Universiteit Utrecht
- Dänemark: Danmarks Pædagogiske Bibliotek
- England: The Wellcome Library for the History and Understanding of Medicine: London, UK
- Kanada & USA: McGill University (Montreal), Library of Congress, Columbia University Libraries (New York), Arizona State University, Brown University (Rhode Island), Central Connecticut State University, Harvard University, Harvard College Library, New York Public Library, New York University
- Nicht zuletzt sollte auch seine Verfügbarkeit in den meisten Bibliotheken deutscher und internationaler Großstädte etwas über die nachwievor bestehende Wichtigkeit des Buches aussagen (hier größtenteils allein ein kleiner Ausschnitt der weltweiten bibliothekarischen Verfügbarkeit nur für die ältere 1. Auflage, ohne Extrasuche nach der zusätzlichen Verfügbarkeit der 2. Auflage):
- Gleichwohl bin ich persönlich der Meinung, daß es mit Bleibtreu-Ehrenbergs Gesamtwerk ähnlich wie mit Norbert Elias ist, bei dem die Tragweite seines Werks auch erst ein Menschenalter später erkannt und damit die Aufmerksamkeit bekommen hat, die es verdient. Tabu Homosexualität und Angst und Vorurteil bauen nicht nur auf einer ganzen Reihe verschiedensten interdisziplinären Fachwissens auf, sondern besitzen für diese verschiedensten Disziplinen meiner Auffassung nach bis heute eine gründlichere Aufarbeitung, einen besseren Überblick und eine weitaus größere Plausibilität und innere Geschlossenheit als viele sonstige, vermeintlich allgemeinere Monographien zu den einzelnen Fachbereichen Soziologie, Psychologie, Universalgeschichte, Geschlechtsrollenforschung, Vorurteilsforschung (u. a. Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und allgemeine Leibfeindlichkeit sind hier mit inbegriffen), Ethnologie, Anthropologie, Kulturanthropologie, Religionswissenschaft, Geisteswissenschaft, Erkenntnistheorie, und, und, und...
- Bleibtreu-Ehrenberg hat hier meiner Meinung nach dasselbe Problem wie viele Autoren der Queer Theory und der Gender studies, nämlich daß die Leute, klassische Universalhistoriker und Vorurteilsforscher eingeschlossen, die eigentlich hier besonders gut zuhören müßten, Geschlechtsrollen- und Sexualforschung (sowie die mit ihnen befaßte Vorurteilsforschung), zumal substantielle und grundlegende, entweder tunlichst umgehen oder krampfhaft belächeln und verspotten. Bleibtreu-Ehrenberg kann man eigentlich mit Recht als Begründerin einer modernen, auch international konkurrenzfähigen queeren Universalgeschichte bzw. einer queeren Big History bezeichnen. --TlatoSMD 23:30, 20. Mai 2007 (CEST)