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Brandrodung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Brandrodung (engl. slash and burn) ist eine seit Jahrtausenden verbreitete Technik, Primär- oder Sekundärwaldflächen zur Vorbereitung landwirtschaftlicher Produktion unter Einsatz von Feuer zu roden. Wurden früher im Rahmen des Wanderfeldbau (engl. shifting cultivation) die Flächen nach Erschöpfung der vorhandenen Nährstoffreserven im System oft gänzlich zugunsten neuer, unberührter Primärwaldflächen aufgegeben, ist dies heute vor dem Hintergrund rechtlich verbindlich geregelter Besitzverhältnisse meist nicht mehr ohne weiteres möglich.

Begriffsabgrenzung

Brandrodung wird häufig im Rahmen der so genannten Subsistenzwirtschaft eingesetzt, die allein oder weit überwiegend der Produktion für den Eigenbedarf, nicht aber zur Vermarktung der Produkte dient. Weiterer Einsatzbereich ist z.B. die Anlage von Weideflächen, die wegen mangelnder Tragfähigkeit meist extensiv genutzt werden. Die erfolgreiche Einführung von "cash crops" zur Vermarktung wie Maracujá, Pfeffer und anderen setzen geregelte Besitzstrukturen, eine bessere Ausbildung der Kleinbauern, Zugang zu Finanzmitteln und entsprechende Absatzmärkte voraus. Oft in Ermangelung anderer effektiver Werkzeuge wird Brandrodung z.T. auch heute in äquatorialen Regionen wie z.B. Nordbrasilien oder dem Kalimantan genannten indonesischen Teil Borneos genutzt. Brandrodung wird z.B. im nordbrasilianischen Staat Pará von Kleinbauernfamilien auf 25 Hektar großen Parzellen betrieben, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts besiedelt wurden; die Besitzverhältnisse wurden im beginnenden 20. Jahrhundert staatlich garantiert.

Verfahren

Eine für landwirtschaftliche Produktion vorgesehene Fläche wird zu Beginn der Trockenzeit oft manuell z.B. mit Macheten gerodet, was bei 40 Tonnen Trockenmasse je Hektar bis über 80 Arbeitsstunden kosten kann. Sollen mehrjährige Pflanzen wie Maracujá oder Pfeffer angebaut werden, kommt zur Entfernung der oberirdischen Vegetation die Rodung der Wurzeln hinzu. Der Schlagabraum wird über mehrere Wochen zum Trocknen liegen gelassen und schließlich angesteckt. Nicht selten geraten dabei die Feuer außer Kontrolle und verwüsten ganze Landstriche: Im Frühjahr 1998 wurde im nordbrasilianischen Staat Roraima eine Fläche von der Größe Belgiens zum Raub der Flammen; im südostasiatischen Raum führte 1997 eine riesige Rauchwolke infolge zahlreicher Feuer in Kalimantan zu gesundheitlichen Problemen in mehreren Nachbarländern Indonesiens.

Demografischer Faktor

Brandrodung war unter der Vorbedingung dünner Besiedelung bis ins 19. und beginnende 20. Jahrhundert eine durchaus nachhaltige Technik, da nach Rodungs- und Anbauzyklus eine ausreichend lange Brachephase von ca. 15 Jahren folgte. Dies gab dem Sekundärwald, in Brasilien Capoeira genannt (wie auch die gleichnamige Kampfkunst), Gelegenheit zu ausreichender Regeneration, da im Laufe der Zeit Nährstoffe wie z.B. Stickstoff, aber auch mineralische Nährstoffe wie Kalium oder Magnesium u.a. durch atmosphärische Einträge wieder aufgefüllt und in der Vegetation festgelegt wurden. Mit massivem Bevölkerungswachstum seit dem 19. Jahrhundert wurden die Böden jedoch vielerorts durch zu schnelle Produktionszyklen erschöpft, da die Brachezeit bis unter 5 Jahre verkürzt wurde.

Wirkung auf den Nährstoffkreislauf

Grundproblem der Brandrodung ist die Nährstoffverteilung in tropischen Ökosystemen. In den Böden der gemäßigten europäischen Breiten sind ca. 80 % der Nährstoffe im Boden und nur 20 % in der Vegetation gespeichert. In den roten äquatorialen Lateritböden ist dies Verhältnis umgekehrt: Sie sind seit Zehntausenden von Jahren starker physikalischer und chemischer Erosion durch Sonneneinstrahlung und sehr hohe Niederschläge ausgesetzt. In Folge hat sich ein "kurzgeschlossener" Nährstoffkreislauf entwickelt: Durch Verrottung von Biomasse freigesetzte Nährstoffe werden sehr schnell wieder von anderen Pflanzen aufgenommen, damit sie nicht über den Boden auswaschen. Die Böden der gemäßigten Breiten dagegen wurden z.B. von der letzten Eiszeit neu geschichtet und mit nährstoffreichen Sedimenten wie Löss angereichert; zudem sind hiesige Böden vergleichsweise geringen Niederschlägen und damit reduzierter Auswaschung ausgesetzt.

Brandrodung mobilisiert das in der Biomasse gespeicherte Nährstoffkapital und macht es der landwirtschaftlichen Produktion verfügbar. Das Feuer setzt nicht nur den zuvor gebundenen Kohlenstoff frei und trägt so zum Treibhauseffekt bei. Es verfliegen beim Brennen laut Studien auch bis über 90 % des in der Biomasse enthaltenen Stickstoffes und bis über 40 % der mineralischen Nährstoffe wie Kalium oder Magnesium. Die verbleibende Asche dient als Dünger für die Produktion z.B. von Mais oder Maniok. Für Kleinbauern stellt diese Asche-Düngung meist den einzigen erschwinglichen Input dar, um ihre Produktion zu fördern. Der Einsatz von Dünger oder eigenen Maschinen kommt für sie i.d.R. nicht in Frage, jedoch existiert z.T. ein Mietsystem für Maschinen.

Kritisch wird die Brandrodung durch die Erschöpfung der ausgelaugten Böden und die anschließende Abwanderung der Kleinbauern auf neue, unverbrauchte Flächen. Dadurch wächst der Druck auf bislang unberührte Waldflächen, die ökologisch wichtige Funktionen z.B. zur Sicherung der Biodiversität erfüllen, da Wälder den meisten terrestrischen Arten Lebensraum bieten, aber auch als Kohlenstoff-Senke zur Festlegung des Treibhausgases Kohlendioxid dienen. Wo der Wald den Viehweiden von Großgrundbesitzern weichen muss, wird der Boden durch Viehtritt verwundet und schwerer Erosion ausgesetzt, so dass eine Rückkehr des Waldes unmöglich werden kann. Dabei sollte man beachten, dass die traditionelle Brandrodung kaum Schäden an Wäldern angerichtet hat, sondern das regelmäßige Feuer die Waldbrandgefahr in betroffenen Gebieten sogar verringert hat. Erst durch den extensiven Einsatz der Brandrodung, etwas zur Gewinnung von Weideflächen, entstehen daraus Schäden an Natur und Umwelt.

Alternative Verfahren

Auf Grund sozialer Bedingungen kann die Brandrodung nicht ohne weiteres eingestellt bzw. verboten werden, ohne Millionen Menschen ihrer Lebensgrundlage zu berauben. Es wird daher nach Möglichkeiten geforscht, das Brandrodungssystem durch verbesserte Produktivität und Umweltverträglichkeit sozialverträglich zu optimieren, Ansätze sind:

Literatur

  • Diekmann, Ulrich: Biologische und chemische Bodencharakteristika zur Beurteilung der nachhaltigen Produktivität von Landnutzungssystemen in der Zona Bragantina, Ost-Amazonien; Diss., Göttingen 1997 (online)
  • Hölscher, Dirk; Möller, M.R.F.; Denich, M.; Fölster, H.: Nutrient input-output budget of shifting cultivation in Eastern Amazonia; In: Nutrient cycl. agroecosyst., Vol. 47, 1997, p. 49 - 57
  • Mackensen, Jens; Hölscher, D.; Klinge, R.: Nutrient transfer to the atmosphere by burning of debris in Eastern Amazonia; In: Forest Ecology and Management, Vol. 86, 1996, p. 121 - 128