Timbuktu




Timbuktu [dt. [ ], frz. Tombouctou [ ]) ist eine Oasenstadt im westafrikanischen Staat Mali mit 32.414 Einwohnern.[1]
] (Etymologie
Der Name bedeutet angeblich „Brunnen der Buktu“. Der Sage nach war Buktu (andere Schreibweise Bouctou) eine schwarze Sklavin, die mit einer Ziegenherde von den Tuareg hier zur Bewachung eines Brunnens zurückgelassen wurde. Der Name soll „Frau mit einem großen Bauchnabel“ bedeuten, möglicherweise handelt es sich dabei aber um eine Volksetymologie. Einige Historiker sehen in dieser Überlieferung die ins Mythische übertragene Rechtfertigung der einstigen Oberschicht von Timbuktu für die soziale Schichtung, d. h. die Zweiteilung in hellhäutige Herren, die Tuareg, und dunkelhäutige Vasallen, die Bella (siehe unten "Bevölkerung").
Der französische Linguist René Basset leitet den Namen von einer altberberischen Wortwurzel ab, die „weit entfernt“ oder „versteckt“ bedeutet.[2] Somit wäre der Name mit „der weit entfernte Brunnen“, d. h. am südlichen Rande der Wüste, zu übersetzen. In jüngeren Untersuchungen ist verschiedentlich geltend gemacht worden, dass der Ort ursprünglich gar nicht von den Tuareg, sondern von den Songhai des Umlandes gegründet wurde und die vor 150 Jahren von dem Afrikaforscher und Historiker Heinrich Barth vorgetragene Herleitung des Namens aus deren Sprache ebenfalls in Betracht gezogen werden müsse. Nach Barth würde der Name korrekt Tombutu lauten und „Ort in den Dünen“ bedeuten, was ebenfalls Sinn ergäbe.
Geographie

Timbuktu liegt am südlichen Rand der Sahara, deren Fortschreiten (Desertifikation) der Stadt die meisten Probleme bereitet. Der Sand breitet sich überall in den Straßen aus. In den letzten zwanzig Jahren soll sich die Wüste um ungefähr 100 Kilometer weiter nach Süden vorgeschoben haben.
Nördlich des Niger-Flusses, der aus südwestlicher Richtung aus der Region Massina in einem großen Bogen fließt und hier am nördlichsten Punkt dann in südöstlicher Richtung in abdreht und später an der mehr als 2.000 km entfernten Küste in den Golf von Guinea mündet. Früher verband ein dreizehn Kilometer langer Kanal, Kabara, den Hafen der Stadt mit dem Niger. Dieser künstliche Nebenarm des Niger ermöglichte es den Bewohnern während der Flutzeiten einen direkten Zugang zum Fluss und somit Segelschiffen und Pirogen Waren in die Stadt zu bringen. Nun ist der Kanal versandet und nur als Graben sichtbar.
Obwohl Timbuktu seit Jahrhunderten ein Schnittpunkt großer Handelsstraßen ist, bereitet es heutzutage immer noch Schwierigkeiten, den Ort zu erreichen. Die Schifffahrt ist nur möglich, wenn der Wasserstand es erlaubt. Die Straßen durch die Savanne vom Süden aus versanden schnell und sind dann zeitweise unpassierbar. Von Norden her, durch die Wüste, ist der Weg zwei Gruppen von Reisenden vorbehalten: den selten gewordenen Salzkarawanen der Tuareg (vor allem aus Taoudenni) und den modernen Abenteurern, die auf den Spuren der Wüstenromantik sind. Die modernste Variante der Anreise erfolgt über den Flughafen Timbuktu, der regelmäßig von der Hauptstadt Bamako angeflogen wird.
Das Klima ist wüstenhaft, es weht stets ein trockenheißer Wind („Harmattan“) aus der Sahara. An spärlicher Vegetation finden sich hier Dornbüsche, Tamarisken, Akazien und Ginster. Aber auch der Afrikanische Affenbrotbaum (Baobab) und Palmen sowie eine Reihe von Nutzbäumen wachsen hier.
Bevölkerung

Durch die bewegte Geschichte und der Lage am Schnittpunkt großer Handelsstraßen setzt sich die Bevölkerung Timbuktus aus den Angehörigen verschiedenster Volksgruppen zusammen. Darunter Berber(d. h. Tuareg), Mauren, Songhai, Mandinka und die Bambara. Zum Teil bewohnen sie ihre eigenen Viertel. In der Stadt und deren Umgebung wird man Vertreter der Tuareg mit ihren Kamelen und den Fulbe mit ihren Viehherden antreffen. Die Bozo leben als Fischer am Niger.
Am Nigerufer leben ebenfalls die so genannten Bella, dunkelhäutige Fischer und Kleinbauern, die möglicherweise Nachkommen der ursprünglichen Bevölkerung des Gebietes darstellen und im frühen Mittelalter von den Tuareg in ein Abhängigkeitsverhältnis herab gedrückt wurden. Die Überlieferung um die Gründung von Timbuktu und die Sklavin Buktu könnte als ein Nachklang dieser Entwicklung verstanden werden (siehe oben "Etymologie"). Bis vor etwa fünfzig Jahren wurden sie von den Tuareg als eine Art Sklaven ausgebeutet, wobei die einzelnen Bella-Familien keinem individuellen "Besitzer" unterstanden, sondern kollektiv als Unfreie für die Tuareg (vornehmlich der Konföderation der Kel Antessar) arbeiten bzw. Tribut abliefern mussten. Seit der Unabhängigkeit Malis sind sie offiziell frei, fühlen sich aber traditionell der Gesellschaftsordnung der Tuareg zugehörig und sprechen meistens auch die Sprache ihrer einstigen Herren, das Tamascheq.
Ansonsten wird unter der Bevölkerung des Gebietes von Timbuktu überwiegend die Sprache Songhai, mit dem Dialekt Koyra Chiini gesprochen. Daneben sprechen ein Zehntel Tamascheq oder den maurischen Dialekt des Arabischen.
Geschichte

Gründung und Frühzeit
Timbuktu wurde nach Auskunft der freilich erst viel später entstandenen Chroniken von Timbuktu (Tarikh as-Sudan und Tarikh al-Fettach) vor dem Jahr 1100 n. Chr. von nomadisierenden Tuareg an einer Wasserstelle in der Nähe des Nigerbogens gegründet. Vermutlich aber gehen die Ursprünge weiter zurück ins 9. oder 10. Jahrhundert, und wahrscheinlich müssen wir schwarzafrikanische Songhai als Gründer des Ortes ansehen. Die archäologischen Untersuchungen vor Ort gestalten sich aber schwierig, so dass eindeutige Ergebnisse erst in einigen Jahren zu erwarten sind.[3] Nach der Jahrtausendwende entwickelte sich der Ort rasch zu einer florierenden Handelsniederlassung an der wichtigen Karawanenstraße von Ägypten über Gao nach Kumbi-Salah im westafrikanischen Reich Gana, hatte aber bei weitem noch nicht die Bedeutung als Knotenpunkt der Handelsstraßen und als Stätte muslimischer Bildung, wie dies heute zuweilen in Büchern und Internetartikeln behauptet wird. Der wirtschaftliche Aufschwung und die damit verbundene kulturelle Blüte der Stadt fallen in das 14. und 15. Jahrhundert. Es scheint, dass das frühe Timbuktu in Konkurrenz mit einer anderen, etwa 25 km weiter östlich gelegenen Handelsniederlassung namens Ţirraqqā stand, nach Aussagen arabischer Geografen dem westlichsten Außenposten des Gana-Reiches. Mit dem Niedergang Ganas wandten sich die Händler offenbar Timbuktu zu, das durch seine unmittelbare Nähe zum Niger die besseren Möglichkeiten für den Warenumschlag bot.
Die Zeit der großen westafrikanischen Reiche
Das Reich Mali
Die Stadt gehörte ab dem 13. Jahrhundert oder frühen 14. Jahrhundert zum Mali-Reich. Ob die Eingliederung durch offene Eroberung stattfand oder sich die Stadt – auch zum Schutz gegen die Tuareg im Norden und die Mossi im Süden – in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Mali begab, ist nicht geklärt. Doch selbst die Oberhoheit Malis konnte einen verheerenden Überfall der Mossi im Jahre 1328 nicht verhindern. Der Angriff lässt den Schluss zu, dass sich Timbuktu zu diesem Zeitpunkt bereits als Zentrum des Salz- und Goldhandels etabliert hatte. Die Stadt hatte zu dieser Zeit schätzungsweise 10.000 bis 15.000 Einwohner.[4]

Schon zu dieser Zeit war die Stadt auch in Südeuropa bekannt, denn sie erschien bereits Mitte des 14. Jahrhunderts auf den Portulanen, den katalanischen bzw. mallorquinischen Weltkarten als Residenzstadt „Ciutat de Melli“ des „Rex Melli“, dem König von Melli. Auf der berühmten Karte des Abraham Cresques aus dem Jahre 1375 ist der sagenhafte König mit einem Goldklumpen abgebildet. Damit war Mansa Musa, der schwarze Sultan von Mali gemeint, der 1324 seine legendäre Pilgerfahrt nach Mekka absolvierte. Von dieser Wallfahrt, auf der er mit angeblich 60.000 Bediensteten begleitet worden war, wird berichtet, dass er zwei Tonnen Gold mit sich geführt und großzügig in Ägypten verteilt haben soll. Diese Berichte trugen zur Legendenbildung der maßlos reichen Stadt bei. Nach seiner Rückkehr aus Mekka beauftragte Mussa einen muslimischen Architekten aus Andalusien, der ihn bei seiner Rückkehr begleitete, mit dem Bau der Djinger-ber-Moschee und einer Residenz.
Die Europäer hatten zahlreiche Berichte nordafrikanischer Händler und Karawanenführer erhalten. Außerdem lagen schriftliche Aufzeichnungen zweier Reisender vor, welche die Phantasien in Europa anregten. Der in Tunesien geborene Marokkaner Ibn Battuta (1304–1368) machte im 14. Jahrhundert eine ausgedehnte Reise durch zahlreiche islamische Länder. Die Reise, die ihn über Ostafrika bis nach Indien brachte, führte ihn 1352 auch nach Timbuktu. Er bestätigt, dass der Islam dort die altafrikanischen Glaubensvorstellungen restlos ersetzt habe, konnte aber kein Verständnis dafür aufbringen, dass die Frauen dort "nackt" (d. h. unverschleiert) auf die Straße gingen. Offenbar war die Stadt zur Zeit seiner Besuches so prächtig und wohlhabend, dass der Besucher den Statthalter des Mali-Herrschers für den König selbst hielt.
Das Reich der Songhai
Die Glanzzeit erlebte Timbuktu im 15. und 16. Jahrhundert nach dem Niedergang der maurischen Handelsmetropole Walata. Die Karawanenmetropole am Niger war damals die größte Stadt der Region und hatte geschätzte 15.000 bis 25.000 Einwohner.[5] Zu bestimmten Jahreszeiten, wenn etwa die Salzkarawanen aus dem Norden und die Aufkäufer aus dem Süden und Westen kamen, konnte sich die Zahl der Menschen kurzfristig verdoppeln. Die zuweilen in der populärwissenschaftlichen Literatur angeführten Zahlen von bis zu 100.000 oder gar 200.000 Bewohnern sind reine Spekulation, denn das Umland von Timbuktu hätte auch zu Zeiten, als die Wüstenbildung noch nicht so weit wie heute vorangeschritten war, keinesfalls eine so große Menschenzahl ernähren können. Die Stadt gehörte in diesem Zeitraum zu dem Reich der Songhai und galt als reiche Stadt. Sie wurde von einem Statthalter (tinbuktu-koi) verwaltet, wobei dieser Gouverneur von ausländischen Reisenden mehrfach für den Beherrscher des gesamten Reiches gehalten wurde. Neben dem Handel mit Salz und Gold – beide Produkte waren damals angeblich beinahe gleich wertvoll – gelangten aus dem Norden Metalle, Pferde, Waffen, Seide, Schmuck, Literatur und Datteln nach Timbuktu. Getauscht wurden neben dem begehrten Gold noch Sklaven, Elfenbein, Moschus, Kolanüsse, Pfeffer, Gummi, Lederwaren sowie Hirse aus dem Süden Westafrikas. Darüber hinaus entwickelte sich Timbuktu auch als Mittelpunkt des islamischen Geisteslebens in Westafrika.[6] An der Sankoré-Mosche existierte eine Medresa, vergleichbar einer mittelalterlichen Universität, an der die arabische Sprache, Rhetorik, Astrologie, die Rechtsprechung und die Schriften des Korans gelehrt wurden. Sogar die Schriften führender europäischer Philosophen wurden dort gelesen und diskutiert, so etwa von Descartes.[7] Daneben gab es 150 bis 180 Koranschulen, an denen häufig von einem einzigen Lehrer religiöse und juristische Themen unterrichtet wurden. Aus der Songhai-Epoche, die durch die marokkanische Eroberung im Jahre 1591 zu Ende ging, stammen die meisten Moscheen von Timbuktu. Als letzte wurde die aus dem 14. Jahrhundert stammende Sankoré-Moschee im Jahre 1581 (989 A. H.) in ihrer heutigen Ausdehnung fertig gestellt.[8]
Eine der wichtigsten Quellen ist der Reisebericht des in Granada geborenen und von dort nach Nordafrika vertriebenen Leo Africanus (1485–1556 ?). Er reiste im Auftrag des marokkanischen Sultans durch Nordafrika und kam nach eigenen Angaben ca. 1510/1512 in die Stadt am Niger. Ob er tatsächlich in Timbuktu war, ist umstritten, da beispielsweise seine Angaben über die Richtung, in welche der Niger fließt, völlig falsch sind. Als er später durch Gefangenschaft nach Italien gelangte, beschrieb er den Sudan und speziell Timbuktu für europäische Leser. Sein ursprünglich nicht für den Druck vorgesehenes Manuskript wurde 1550 in Venedig publiziert, doch hatte der Herausgeber Ramusio die Daten durch phantasiereiche Übertreibungen ergänzt und zementierte damit den Mythos von der unermesslich reichen Stadt in Afrika. Vor allem die Zahlen, die den Goldhandel betrafen, waren offenbar bewusst verfälscht worden, um den Absatz des Buches zu steigern.
Timbuktu in der frühen Neuzeit

Die Ursachen der Eroberung von Timbuktu durch die Truppen des marokkanischen Sultans Mulai Ahmad al-Mansur (1578-1603) sind vielfältig. Zum einen war der Sultan daran interessiert, den Goldhandel, der sich immer stärker hin zu den europäischen Handelszentren an der westafrikaischen Küste (Senegal und Gold Coast) orientierte, wieder nach Nordafrika umzuleiten. Zum anderen sah der Sultan aus der Dynastie der Saadier, die für sich den Status von Scherifen, also von Nachkommen des Propheten Mohammed, in Anspruch nahmen, im Osmanischen Reich, das sich bis nach Algerien ausgedehnt hatte, einen gefährlichen Rivalen, denn auch der osmanische Sultan betrachtete sich als den Beherrscher aller gläubigen Muslime. Es scheint aber auch, dass al-Mansur in seiner aus spanischen Renegaten bestehenden Elitetruppe eine Gefahr für seine eigene Stellung sah. Deshalb schickte er die etwa 4.000 Mann starke Truppe, die als „Arma“ (span.: „Waffe“) bezeichnet wurde und unter dem Kommando des auf Mallorca geborenen Djuder Pascha stand, auf den verlustreichen Marsch durch die Westsahara.
Der Überlieferung nach wurde das Songhai-Reich am ersten Tag des Jahres 999 nach muslimischer Zeitrechnung besiegt. Die Marokkaner richteten zuerst in Gao, dann auch in Timbuktu Garnisonen ein, konnten sich aber nicht dauerhaft gegen Attacken der Tuareg und der südlich des Nigerknies siedelnden Völker, darunter die Bambara, halten und konzentrierten ihre Aktivitäten auf das unmittelbare Umland der Städte. Den letzten marokkanischen Pascha Uthman Ibn Abu Bakr, der 1828 Timbuktu aufgeben musste, lernte der britische Forschungsreisende Alexander Gordon Laing noch kennen. Die Stadt, die selber nie Hauptstadt eines der westafrikanischen Reiche war, konnte nie mehr ihre alte Blüte entfalten und verlor an Bedeutung. Hinzu kam, dass der atlantische Handel gegenüber dem Transsaharahandel an Bedeutung deutlich gewonnen hatte. Das westafrikanische Gold wurde nun nicht mehr durch die Sahara transportiert, sondern gelangte an die Atlantikküste – daher auch der Name Gold Coast für den heutigen Staat Ghana.
Im 17. und 18. Jahrhundert erlangten die Arma eine fast autonome Stellung in Timbuktu, das viel zu weit von Marokko entfernt war, als dass der Sultan eine effektive Herrschaft dort hätte ausüben können. Die aus den Reihen der Söldner und ihrer Nachkommen stammenden Paschas wurden lediglich in ihrem Amt bestätigt und zahlten einen - oft nur symbolischen - Tribut an den marokkanischen Herrscher. Timbuktu verfügte über keine nennenswerten Schutzanlagen wie Mauerring oder befestigte Tore, und so wurden vor allem die Außenbezirke der Stadt, in denen die weniger begüterten Bewohner, oft nur in Zelten oder Hütten aus Strohmatten, lebten, Ziel von Angriffen der Tuareg aus dem Hinterland. Im Jahre 1771 drangen die Nomaden sogar bis in das Stadtviertel Sankoré ein, so dass die Bewohner gezwungen waren, in der Moschee Zuflucht zu suchen. Auch die Bambara, die weiter westlich am Mittellauf des Niger ein Reich errichtet hatten, versuchten Timbuktu unter ihre Kontrolle zu bringen, obwohl die Stadt ihre wirtschaftliche Bedeutung längst verloren hatte.
Zwischen 1823 und 1862 stand die Stadt unter der Oberhoheit des Fulbe-Kalifats von Massina, doch lag die eigentliche Autorität in der Hand des Kunta-Clans der al-Baqqai, die als bedeutendste Korangelehrte des 19. Jahrhunderts galten. Nach der Zerstörung des Reiches im Jahre 1864 gewannen die Tuareg wieder die Macht über Timbuktu, was den endgültigen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt zur Folge hatte. Erst die Eroberung durch die Franzosen in den Jahren 1893-94 beendete die Herrschaft der Wüstennomaden.
Der Wettlauf nach Timbuktu


Inwieweit vor 1800 Europäer nach Timbuktu gekommen sind, ist augenblicklich noch der Spekulation überlassen. Gewisse Zeugnisse aus dem Mittelalter deuten darauf hin, dass der Italiener Benedetto Dei im 15. Jahrhundert an den Niger kam, aber wirkliche Beweise gibt es nicht. Auch die Reise des Franzosen Anselm d'Ysalguier, der zwischen 1402 und 1410 in Gao und möglicherweise auch in Timbuktu gelebt haben soll, könnte ein Phantasieprodukt aus späterer Zeit sein. Ebenso ist davon auszugehen, dass der amerikanische Seemann Robert Adams, der 1816 eine Buch über seine Erlebnisse verfasste, während seiner Zeit als Gefangener der Mauren nicht in Timbuktu war, sondern lediglich Schilderungen von maurischen Kaufleuten auswertete und sie als Augenzeugenbericht ausgab.
Der britische Offizier und Schotte Alexander Gordon Laing war der erste Europäer, der 1826 nachweislich Timbuktu erreichte. Da er allerdings auf dem Rückweg von Mauren erschlagen wurde, konnte erst René Caillié, der 1828 als Araber verkleidet nach Timbuktu reiste, in Europa von dieser Stadt berichten. Allerdings entsprach sein Bericht den alten Mythen und den lang gehegten Hoffnungen und Erwartungen der Europäer so wenig, dass es sogar bis heute hartnäckige Zweifler, vor allem in Großbritannien, gibt, die bestreiten, dass er überhaupt jemals in Timbuktu gewesen sei. Allerdings wurden Cailliés Berichte fünfundzwanzig Jahre später durch den deutschen Afrikaforscher Heinrich Barth bestätigt. Barth hielt sich in britischem Auftrag von September 1853 bis April 1854 unter dem Schutz des obersten Korangelehrten der Stadt, Sidi Ahmad al-Baqqai, in Timbuktu auf und handelte mit dem Scheich und den Führern der Tuareg einen Vertrag aus, in dem sich Großbritannien verpflichtete, die Stadt und das Umland vor einem weiteten Zugriff durch die Franzosen zu schützen. Die Unterstützung durch Großbritannien hätte für die politische Führung in Timbuktu auch bedeutet, dass sie sich von der Oberhoheit der Fulbe hätte befreien können. Angesichts der zur selben Zeit erfolgenden Annäherung zwischen Franzosen und Briten wurde dieser Vertrag jedoch zur Enttäuschung al-Baqqais in London nicht ratifiziert. Ein bedeutender Erfolg für die Wissenschaft war jedoch die Tatsache, dass Barth zahlreiche historische Schriften auswerten und damit die Geschichtlichkeit des afrikanischen Kontinents beweisen konnte. Sein Reisebericht wurde zur Grundlage aller späteren Forschungsarbeiten zur Geschichte des Landes am Niger und speziell von Timbuktu. Heute erinnert noch ein Haus an Barths Anwesenheit, obwohl es sich dabei nicht um das Gebäude handelt, in dem der Reisende wohnte, denn dieses stürzte, wie der Afrikaforscher Leo Frobenius schreibt, bereits im August 1908 bei einem Unwetter ein.
Timbuktu im kolonialen und postkolonialen Zeitalter
Anfang 1894 wurde Timbuktu trotz des erbitterten Widerstandes der Tuareg und gegen den Willen der Regierung in Paris endgültig von französischen Kolonialtruppen unter dem Kommando des späteren Marschall Joffre besetzt und der Kolonie „Afrique Occidentale Française“, kurz „AOF“ (Französisch-Westafrika), einverleibt. Eine erste Militärkolonne unter dem Kommando des Obersten Bonnier, die trotz des Verbotes des neuen Zivilgouverneurs von Französisch-Westafrika nach Timbuktu marschiert war, geriet in einen Hinterhalt der Tuareg und wurde völlig vernichtet. Der Anführer des Überfalls war der Sohn eines Stammesoberhaupts, das 1854 den Vertrag mit Heinrich Barth unterzeichnet hatte, und er selbst hatte 1880 den Österreicher Oskar Lenz bei dessen Besuch in der Stadt als vermeintlichen Sohn Barths begrüßt.
Um die militärisch und politisch unsinnige Eroberung vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen, entsandte die kolonialfreundliche Presse den bekannten Journalisten Félix Dubois, der einen Reisebericht mit dem effekthaschenden Titel Tombouctou la Mystérieuse (Geheimnisvolles Timbuktu) verfasste. In dem Bestseller wurden die Verhältnisse im Sudan beschönigt und Frankreich wurde bescheinigt, dass mit der Besetzung der alten Handelsstädte Djenné, Mopti und Timbuktu - trotz der augenblicklichen Lage der Wirtschaft am Niger - eine großartige Zukunft bevorstehe, die der Kolonialmacht hier ein zweites Indien bescheren werde. Dubois hatte in Djenné und Timbuktu auch alte Manuskripte aufgekauft, die er der Nationalbibliothek in Paris überließ. Die wichtigsten Werke des frühen 17. Jahrhunderts, das Tarikh al-Fettakh (Buch des Suchenden) und das Tarikh as-Sudan (Buch des Sudan), wurden von dem berühmten Orientalisten Maurice Delafosse herausgegeben und übersetzt. Damit war es erstmals seit den Tagen von Heinrich Barth möglich, die Geschichte des Landes am Nigerknie gründlich und wissenschaftlich zu erforschen und der europäischen Öffentlichkeit bewusst zu machen.
Um die Zahl französischer Truppen und einheimischer Hilfstruppen möglichst niedrig zu halten und damit Kosten zu sparen, verfolgte die französische Kolonialverwaltung einen konzilianten Kurs gegenüber den Tuareg und sprach eine Amnestie für alle Anführer aus, die 1893 und 1894 Widerstand gegen die Besatzung geleistet hatten. Der Anführer des einheimischen Widerstandes, der Neffe des Scheich Ahmad al-Baqqai, Za'in al-Abidin ibn al-Baqqai, musste sich mit seiner Familie und seiner Bibliothek in Richtung Norden absetzen, zuerst ins Adrar n'Ifoghas und dann ins Tassili n'Ahaggar, wo er 1902 ebenfalls von französischen Truppen vertrieben wurde. Ein Großteil der Familienbibliothek soll bei der Flucht verloren gegangen - d. h. versteckt oder bewusst vernichtet worden - sein. Noch bis in die 1920er Jahre organisierte Abidin ibn al-Baqqai vom heutigen Mauretanien aus Überfälle auf französische Stellungen in der Sahara und am Niger, um die Kolonialherren zu treffen. Da diese aber zunehmend über die militärische Übermacht verfügten, griffen die Rebellen die Versorgungskarawanen an. So wurde 1910 die Karawane, die mit Lebensmitteln nach Taoudeni unterwegs war, ausgeplündert, was zur Folge hatte, dass die Arbeiter in den Salinen ausnahmslos verhungerten.
Als 1916 der Aufstand der Ulliminden-Tuareg entlang des Niger ausbrach, schlossen sich eine Reihe der Tuareg-Gruppen im Umland von Timbuktu an. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurden die Anführer, die sich am Kampf gegen Frankreich beteiligt hatten, abgesetzt und durch loyale Personen ersetzt. Insgesamt wurde durch diese Maßnahme die traditionelle Autorität der Stammesführer systematisch und bewusst unterminiert. Auch die wirtschaftliche Grundlage wurde angetastet, etwa durch die Befreiung der Sklaven, die freilich während der französischen Kolonialzeit nie konsequent durchgeführt wurde.
Durch die willkürliche Grenzziehung zwischen AOF und Algerien quer durch das Tuareg-Gebiet brachen Handelsbeziehungen nach Norden ab, so dass Timbuktu noch weiter an wirtschaftlicher Bedeutung verlor, während die Handelsstädte im Nigerbinnendelta (Djenné, Mopti) wieder aufblühten. Die letzte große Karawane alten Stils mit mehreren Tausend Kamelen kam 1937 von den Tafilalet-Oasen nach Timbuktu.[9] Von Bedeutung blieb jedoch der Salzhandel mit dem Norden des heutigen Mali, d. h. mit Taoudeni.
Verwaltungstechnisch wurde Timbuktu zu einer Unterkommandantur, die einem Kolonialoffizier im Rang eines Majors unterstand. Der übergeordnete Kommandant residierte in Gao. Die in Timbuktu stationierte Truppe bestand überwiegend aus einheimischen Kamelreitern ("méharistes") und war im "Fort Bonnier" stationiert, das nach dem Kommandanten benannt war, dessen Kolonne Timbuktu 1893 als erste besetzt hatte. Die Garnison war jedoch wenig effektiv, und so konnten maurische Kriegernomaden aus dem Norden des Landes 1923 nicht nur die Umgebung der Stadt unsicher machen, sondern sogar Timbuktu selbst angreifen und eine Abteilung Kamelreiter niedermachen, bevor Verstärkung für die Garnison aus Mopti eintraf. Nach unbestätigten Berichten agierten die Krieger im Auftrag des vertriebenen Scheichs von Timbuktu, Za'in al-Abidin ibn al-Baqqai.
Nach der endgültigen Unterwerfung der Nomaden versank Timbuktu in Bedeutungslosigkeit. Als eins der wichtigsten Ereignisse blieb die Ankunft des "Raid Dubreuil-Haardt", der von der Automarke Citroen initiierten "Mission Transsahararienne" in Erinnerung, die am 7. Januar 1923 mit acht speziell für Wüstenfahrten ausgerüsteten Kettenfahrzeugen vom algerischen Tuggurt aus in Timbuktu eintraf. Bei der von großem Presserummel begleiteten "Croisière Noire", die von Tuggurt bis Tananarivo auf Madagaskar führte, wurde Timbuktu umgangen. Ein weiterer Besuch dort galt als nicht spektakulär genug.[10] [11] Der Ausbau der hierbei erschlossenenen Transsahararoute zu einer automobilfähigen Hauptverkehrsstrecke und Verbindung zwischen den Kolonien Algerien und A. O. F. wurde während der Kolonialzeit nie realisiert. Dies trifft auch auf die Pläne der bereits um 1880 konzipierten Transsaharaeisenbahn (Tunis - Tschad-See - Timbuktu - Dakar) zu. Die Wiederaufnahme des Projekts wurde zwar zwischen den Weltkriegen immer wieder diskutiert, doch gerieten die Planungen nie in die Nähe einer konkreten Umsetzung, weil die zuständigen Kommissionen erkannten, dass die Kosten für den Bau und die Instandhaltung in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem zu erwartenden Handelsvolumen gestanden hätten.
Für einen französischen Offizier kam es einer Strafversetzung gleich, hierhin abkommandiert zu werden. Wie der deutsche Reiseschriftsteller und Völkerkundler Herbert Kaufmann in den 1950er Jahren erfuhr, galt nur Kidal im Norden des Landes (Adrar n'Ifoghas) als noch trostloser. Unter den Europäern und Amerikanern, die während der Kolonialzeit Timbuktu besuchten, waren kaum Touristen im eigentlichen Sinne, da die Stadt über keinerlei entsprechende Infrastruktur verfügte. Die Anreise von Djenné aus war immer noch recht beschwerlich. Daher kamen in erster Linie Schriftsteller wie Kaufmann oder Ethnologen wie Horace Miner (s. Bibliografie). In den Jahren nach 1960 war das Hinterland bis zur algerischen Grenze im Adrar n'Ifoghas unsicher, da es hier immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Kunta und den Tuareg wegen der sich anbahnenden Verknappung des Weidelandes und der Wasservorräte kam.
Nach dem 22. September 1960 war Timbuktu Teil der von Frankreich in die Unabhängigkeit entlassenen Republik Mali. Bereits in den 1950er Jahren war es zu Auseinandersetzungen zwischen den Tuareg und schwarzen Verwaltungsbeamten, die damals noch in französischen Diensten standen, gekommen. Nach der Unabhängigkeit eskalierte der Konflikt zwischen den Wüstennomaden und den Vertretern der Staatsmacht, die bemüht war, die unkontrollierbaren Tuareg sesshaft zu machen. In den 1990ern kam es unter den Tuareg zu einem Aufstand, der das Ziel hatte, einen eigenen Staat auszurufen. Die Rebellion wurde 1996 mit einer symbolischen Waffenverbrennung beendet. Die "Friedensflamme" in Timbuktu erinnert an den historischen Friedensschluss.[12]
Religion
Timbuktu dürfte bereits im hohen Mittelalter islamisch geworden sein, wenngleich die in arabischer Sprache verfassten Dokumente den genauen Zeitpunkt nicht erkennen lassen. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass die Islamisierung noch vor dem 13. Jahrhundert, als Timbuktu unter den Einfluss des Mali-Reiches geriet, weitgehend abgeschlossen war. Dies bedeutet aber in der Praxis, dass in erster Linie die berberische Oberschicht dem neuen Glauben anhing, während die Unterschichten sich zwar zum Islam bekannten, aber weiterhin auch animistischen Glaubensvorstellungen und Riten folgten, die sich mit der neuen Religion teilweise zu einer spezifischen Spielart des Islam vermischten. Erst im frühen 19. Jahrhundert wurde im Gefolge des Dschihad der Fulbe und unter dem Einfluss der Kunta-Marabutin eine strengere und reinere Version der Religion durchgesetzt.
Im ausgehenden Mittelalter und vor allem im 16. Jahrhundert war Timbuktu ein Zentrum islamischer Gelehrsamkeit, aber im Gegensatz zu vielen Mythen keine heilige Stadt wie Mekka, Medina und Jerusalem. Islamwissenschaftler nehmen an, dass die Eroberung der Stadt durch die Marokkaner im Jahre 1591 auch Auswirkungen auf die Gläubigkeit der Bewohner von Timbuktu hatte, da angesichts der allmählichen Verarmung der Stadt auch die Bildungszentren litten, was zu einer Verwässerung des Islam und zum Erstarken alter, vorislamischer Glaubensvorstellungen führte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts geriet Timbuktu in den Strudel der islamischen Erneuerung - auch als Fulbe-Dschihad bezeichnet - und erlebte einen Aufschwung der religiösen Bildung. Seit dem frühen 19. Jahrhundert dominierten die maurischen Kunta – zwischen 1830 und 1895 unter dem Clan der al-Baqqai – das religiöse Leben der Stadt. Ihre Scheichs, vor allem Sidi Ahmad al-Baqqai, galten als große Gelehrte, die eine friedliche Durchsetzung der strengen Lehre verfolgten, gleichzeitig aber die bewaffnete Verbreitung des Glaubens strikt ablehnten - im Gegensatz zu den Fulbe von Massina, die sich als Oberherren von Timbuktu etablierten.
Die Bevölkerung von Timbuktu und des Umlandes sind heute ausschließlich Muslime. Allerdings waren bei den Songhai bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nachweislich prä-islamische Glaubensvorstellungen und Praktiken üblich (H. Miner). Auch bei den Tuareg finden sich magische Vorstellungen, die mit dem Islam nicht in Einklang zu bringen sind und von den Korangelehrten heftig kritisiert wurden bzw. werden.
Timbuktu wurde in der Literatur häufig als "verbotene Stadt" bezeichnet und galt als Hort fanatischer Muslime. Diese Auffassung ist nicht länger zu halten. Als Handelsstadt war Timbuktu eher offen, und der in Westafrika praktizierte Islam war bis zum Fulbe-Dschihad (frühes 19. Jahrhundert) sehr tolerant. Auch die in Timbuktu maßgeblichen Murabatin aus dem Clan der al-Baqqai werden einhellig als weltoffen und keineswegs fremdenfeindlich geschildert. Was europäische Reisende als islamischen Fanatismus empfanden, entpuppt sich bei genauer Lektüre als Ausdruck einer unreflektierten Fremdenangst, wie sie in allen Kulturen anzutreffen ist. Auch die Abneigung gegen potentielle Konkurrenten beim harten und entbehrungsreichen Transsaharahandel muss bei der Interpretation dieses Phänomens in Betracht gezogen werden. Diese nicht religiös motivierte Fremdenfeindlichkeit vermischte sich leicht mit religiösen Vorurteilen, da der „Fremde“ kein Muslim war. Heinrich Barth hat dieses Phänomen an verschiedenen Stellen seines Reisewerkes nachvollziehbar beschrieben. Zum anderen gelangten einzelne Reisende zu einer Zeit des politischen Umbruches nach Timbuktu, so etwa Alexander Gordon Laing im Jahre 1826 oder Heinrich Barth im Jahre 1853. Die in Timbuktu herrschenden Kunta standen im offenen Konflikt mit den Tukulor (Fulbe) von Massina, den nominellen Oberherren der Stadt, die eine radikalere und damit auch fremdenfeindlichere Position innerhalb der islamischen Theologie vertraten. Die rivalisierenden politischen Gruppen sahen in den Fremden eine Marionette, die sie im Kampf um die Vorherrschaft einsetzen konnten. Nicht zu vergessen ist, dass die Epoche der großen Sahara-Expeditionen mit der kolonialen Expansion Frankreichs in Nordwestafrika zeitlich zusammenfiel und die Christen als Spione und Agenten einer potentiellen europäischen Besatzungsmacht gesehen werden konnten. Im Zeitalter des Kolonialismus erwies sich der angeblich religiös motivierte Christenhass als ein perfektes Argument für die europäische Seite, um die Besetzung einer "Hochburg des Fanatismus", wie Timbuktu von Saharaforschern wie Gerhard Rohlfs, Henri Duveyrier und Oskar Lenz bezeichnet wurde, zu rechtfertigen.
Inwieweit es über längere Zeit eine jüdische Minderheit gegeben hat und ob oder wann diese zum Islam übertrat oder zum Übertritt gezwungen wurde, ist z. Z. noch umstritten. Der Versuch des katholischen Missionsordens „Weiße Väter“, in den Jahren unmittelbar nach der Eroberung der Stadt (zwischen 1895 und 1900) unter den Sklaven und den Bozo zu missionieren, scheiterte. Der Missionar Augustin Hacquard musste Timbuktu verlassen und verfasste lediglich eine ethnologische Schrift über die Stadt, die als historisches Dokument noch von erheblichem Wert ist (siehe Bibliografie). Hacquards Mitbruder Auguste Dupuis blieb in Timbuktu, trat aus dem Orden aus, heiratete eine einheimische Frau und konvertierte zum Islam. In den 1920er und 1930er Jahren lebte er in der Stadt und betrieb völkerkundliche Studien. Unter seinem muslimischen Namen Yacouba (Jakob) oder dem Spitznamen "le moine blanc de Tombouctou (der weiße Mönch von Timbuktu)" war er als erster "Aussteiger" im Sudan eine bekannte Persönlichkeit und wurde von zahlreichen Besuchern - auch von Völkerkundlern - um Rat und Vermittlung angegangen.[13]
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Weltkulturerbe


Das historische Stadtbild zählt wegen der charakteristischen Lehmbauweise und zahlreicher Moscheen des 13. bis 15. Jahrhunderts seit 1988 zum Weltkulturerbe der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO). Die drei Moscheen die das Stadtbild prägen, die Djinger-ber-Moschee, die Sankóre-Moschee und die Sidi Yahia-Moschee waren 1996 in der Liste der gefährdeten Denkmäler aufgenommen worden. Sie stammen aus dem 14. Jahrhundert und wurden im Laufe der Zeit schon mehrmals renoviert. Mit Hilfe der UNESCO wurde ein Programm zur Konservierung aufgelegt, so dass die Stätten 2005 wieder von der roten Liste gestrichen werden konnten. Drei weitere Moscheen aus dieser Zeit, die El-Hena-Moschee, die Kalidi-Moschee und die Algourdour-Djingareye-Moschee sind leider zerstört.
Mit den drei erhaltenden Moscheen zählen auch 16 Friedhöfe und Mausoleen zu dem Weltkulturerbe. Das bekannteste Mausoleum ist das des Scheichs Abul Kassim Attouaty, der 1529 verstarb. Daneben sind noch die Gräber des Gelehrten Sidi Mahmoudou und des Restaurators der Moscheen, des Qadi Al Aqib, die 1548 bzw. 1583 verstarben, zu nennen.
Im Jahre 2001 ernannte die ISESCO, das islamische Gegenstück zur UNESCO, Timbuktu zur "Islamischen Hauptstadt der Weltkultur" für den Bereich Afrika für das Jahr 2006.[14]
Bildung
Im 15. Jahrhundert war die Stadt mit der Universität Sankóre in der islamischen Welt ein Zentrum der Bildung. Allerdings darf man sich diese Universität nicht vorstellen wie eine heutige Hochschule, sondern als einen lockeren Zusammenschluss von Koranschulen, an denen teilweise - wie auch anderswo in der islamischen Welt - die Lektüre und das Verständnis der heiligen Schriften des Islam gelehrt, teilweise aber auch Unterricht von hochqualifizierten Juristen und Theologen erteilt wurde. Einer einzelnen Quelle aus dem 17. Jahrhundert zufolge soll es vor der marokkanischen Eroberung zwischen 150 bis 180 solcher Koranschulen in Timbuktu gegeben haben. Der Ruf der Gelehrten, die an den führenden Koranschulen unterrichteten, drang, so wird berichtet, bis ins andalusische Granada. Die Zahl von 25.000 Studenten, die gleichzeitig dort studiert haben sollen, ist unrealistisch. Keiner der Autoren, die mit dieser Zahl aufwarten, kann eine Quelle nennen noch bestimmen, zu welcher Zeit zwischen ca. 1100 und 1600 so viele Studierende in Timbuktu gelebt haben sollen. Die Stadt hätte sie weder ernähren noch beherbergen können. Die Zahl dürfte realistischerweise bei unter 2.000 gelegen haben.
Forschung im modernen Sinne wurde in Timbuktu nicht betrieben. Vielmehr handelte es sich bei den "Vorlesungen" um die Vermittlung von Wissen im Sinne einer scholastischen Auslegung anerkannter juristischer und theologischer Texte, die dann diskutiert wurden. Den Rahmen stellte auf jeden Fall die islamische Lehre dar. Insofern unterschied sich der Lehrbetrieb in Timbuktu nicht von dem an anderen islamischen Hochschulen oder von den christlich-europäischen Universitäten wie Bologna, Oxford oder Paris. Offenbar waren medizinische Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie für die islamische Welt im Mittelalter typisch waren, auch in Timbuktu anzutreffen. Es wird berichtet, dass schon im 14. Jahrhundert hier am Auge operiert und dem etymologischen Ursprung der Wörter nachgegangen wurde. Neuerdings aufgestellte Behauptungen, auch die Zahl Null sei dort entwickelt und das moderne Sonnensystem schon 200 Jahre vor Kopernikus entdeckt worden, entbehren jeder historischen Grundlage.
Bücher wurden aus Marokko und vor allem aus Ägypten eingeführt, aber alte Werke wurden in Timbuktu auch von professionellen Schreibern kopiert. Bis zur Eroberung der Stadt durch die Franzosen im Jahre 1894 existierte in Timbuktu keine Buchpresse. Unbekannt ist die Zahl der Schriften, die in Timbuktu aufbewahrt wurden. Die Bücher befanden sich meistens im Privatbesitz der Familien, die über Generationen hinweg führende Theologen und Juristen hervorbrachten. Die Bibliotheken waren vermutlich sehr umfangreich. Ahmad Baba (1560-1627) klagte, dass er mit gerade einmal 1.600 Bänden die kleinste Sammlung in seiner Familie besitze. Ob es im 16. Jahrhundert öffentliche Bibliotheken, d. h. in den Räumlichkeiten der großen Moscheen, gegeben hat, ist umstritten. Der Songhai-Herrscher Askia al-Hadsch Muhammad b. Abi Bark (1493-1528) soll der Djering-Be-Moschee kostbare Koranausgaben geschenkt haben, die allen Gläubigen zugänglich sein sollten. Ein späterer Herrscher, Askia Dawud (1549-1583) soll in den großen Städten seines Reiches öffentliche Bibliotheken eingerichtet haben, von denen aber bislang jede archäologisch eindeutige Spur fehlt.[15] Eine Art Universitätsbibliothek im modernen SInne hat es nie gegeben.
Die Behauptung, die in diesem Zusammenhang häufig ins Spiel gebracht werden, dass in Timbuktu 400.000 bis 700.000 Bücher aufbewahrt worden seien, darunter Schriften, die über 1000 Jahre alt gewesen seien, muss mit äußerster Vorsicht zur Kenntnis genommen werden, da die Stadt für eine so gigantische Zahl von Folianten keinerlei Lagerkapazitäten geboten hätte.[16] Experten beziffern die Anzahl der Bücher augenblicklich auf unter 100.000 und die Gesamtzahl der im Norden von Mali noch existierenden Handschriften auf insgesamt 300.000. Unter diesen Schriften befinden sich aber sehr viele Dokumente, die nur aus einem oder zwei Blättern bestehen, überwiegend Abschriften von theologischen oder juristischen Gutachten, die von den Gelehrten der Stadt auf Anforderung von staatlichen und religiösen Instanzen in ganz Nord- und Westafrika angefertigt worden waren.[17]
Zahlreiche Dokumente der Bibliothek von Sankóre sind noch erhalten, die teilweise während einer Auslagerung durch die United States Library of Congress auf Mikrofilm aufgezeichnet wurden. Größere Bestände sind um 1900 verloren gegangen, als muslimische Gelehrte angesichts der französischen Besatzung die Stadt verließen und ihre Bibliotheken mitnahmen. Aus Angst vor der Konfiszierung sollen auch zahlreiche Bücher in der Umgebung vergraben worden sein, wodurch sie unwiderruflich verloren gegangen sind.
Wirtschaft
Vorkoloniale Zeit
Timbuktu ist seit ihrer Gründung ausschließlich Handelszentrum gewesen. Das unfruchtbare Umland erlaubte keine groß angelegte Nahrungsmittelproduktion, so dass die Lebensmittel überwiegend von der Region Djenné-Mopti auf dem Niger nach Kabara gebracht werden mussten. Die Lebenshaltungskosten waren entsprechend hoch. Lediglich Fleisch wurde von den Tuareg aus dem näheren Umland geliefert doch angesichts der Tatsache, dass die Nomaden nur im Notfall Tiere schlachteten, stellte Fleisch eine Mangelware dar, die sich ausschließlich die wohlhabende Kaufmannsschicht und die Vertreter der königlichen Verwaltung leisten konnten. Eine besonders wichtige Rolle spielte Timbuktu als Zwischenstation für den Salzhandel. In Kabara wurden die großen Salzplatten zerteilt und für den Transport auf dem Fluss vorbereitet. Die Ankunft der Azelai, der großen Salzkarawane aus Taoudeni im Norden des heutigen Mali, war zugleich ein wichtiger Höhepunkt im Jahreszyklus der gesellschaftlichen Ereignisse der Stadt.
Der Kanal, der seit dem 17. Jahrhundert Kabara mit Timbuktu verband, trocknete in der Neuzeit immer wieder aus, so dass die Handelsgüter auf dem Landweg transportiert werden mussten. Dies erlaubte es den Tuareg immer wieder, den Handelsverkehr mit der Stadt, die sie für sich beanspruchten, lahmzulegen. Die Karawanen mussten das relativ kurze Stück häufig mit bewaffneter Macht durchreisen, um sich gegen Überfälle zu schützen. Auf halbem Weg zwischen den beiden Orten lag eine Talsenke, die gern für solche Angriffe genutzt wurde. Sie hieß bei den Tuareg "ugh - umaira (man hört nichts)". Wer dort in die Hände von Räubern fiel, konnte auf keine Hilfe mehr hoffen (nach Heinrich Barth).
Gegenwart
Heute ist Timbuktu eine arme Stadt, die historische Innenstadt ist von wenigen Ausnahmen abgesehen in einem schlechten Zustand. Sand und Dreck findet sich überall in den Straßen. Vom Glanz alter Tage ist heute nichts mehr übrig geblieben, die Bevölkerung ist arm und zum großen Teil arbeitslos. Timbuktu wirkt noch karger als andere Städte in der Sahelzone.
Ein wenig Einkommen erhält die Stadt durch den Tourismus, vor allem amerikanische Touristen besuchen die Stadt und wollen den Mythos des sagenhaften Ortes erkunden. Meist bleiben sie aber nur einen Tag und sind oft vom Besuch enttäuscht.
Partnerstädte
- Chemnitz, Sachsen,
Deutschland (seit 1968)
- Saintes,
Frankreich
- Tempe, Arizona,
Vereinigte Staaten
Söhne und Töchter der Stadt
- Sidi Ahmad al-Baqqai (1803-1865), bedeutender islamischer Gelehrter und Politiker
- Ali Farka Touré (1939–2006), Musiker
- Seidnaly Sidhamed (Alphadi) *1957, Designer
Trivia
Da die Stadt Jahrhunderte lang den legendären Ruf eines Ortes hatte, der weit weg und nahezu unerreichbar ist, geriet er in Europa u. a. zum Synonym oder Platzhalternamen für einen weit entgelegenen Ort, dessen reale Existenz nicht einmal belegt ist, sozusagen zum Gegenstück zum "Land, wo der Pfeffer wächst". In dieser Funktion erscheint der Name in verschiedenen Sprachen, u. a. anderem im Deutschen und Niederländischen, vor allem aber im Englischen. Daher war für angelsächsische Leser bzw. Kinogänger der Witz stets sofort klar, wenn Donald-Duck in den Comics von Carl Barks am Ende einer Geschichte entweder freiwillig, aus Angst vor Strafe, oder erzwungenermaßen in diese mystische Stadt emigrierte. Im letzten Bild solcher Comics sieht man ihn meist gen Horizont rennen, ein Schild weist in die Richtung mit der Aufschrift „Timbuktu“.[18] In Walt Disneys Aristocats wird der böse Butler Edgar am Schluss in einen Koffer gesperrt, auf dem ein Schild mit dem Zielort Timbuktu prangt.
Siehe auch
Literatur
- Michel Abitbol: Tombouctou et les Arma : de la conquête marocaine du Soudan nigérien en 1591 à l'hégémonie de l'Empire Peulh du Macina en 1833. Paris 1979 ISBN 2-7068-0770-9
- Heinrich Barth: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Centralafrika in den Jahren 1849 bis 1855. Gotha 1857-58, bes. Bd. 4 u. 5.
- Tor A. Benjaminsen u. Gunnvor Berge: Une histoire de Tombouctou. Arles 2004 ISBN 2-7427-4908-X
- Sékéné Mody Cissoko, Tombouctou et l'empire Songhay: Épanouissement du Soudan nigérien aux XVe - XVIe siècles. Paris 1996. ISBN 2-7384-4384-2
- Robert Davoine: Tombouctou : fascination et malédiction d'une ville mythique. Paris 2003 ISBN 2-7475-3939-3
- Felix Dubois: Tombouctou la mystérieuse. Paris 1897.
- Augustin Hacquard: Monographie de Tombouctou. Paris 1900.
- John Hunwick: Timbuktu. In: Encyclopédie de l'Islam. Nouvelle édition. Leiden 2002, Bd. 10, S. 544-546 (Artikel von einem führenden Kenner der Geschichte des Sudan, allerdings in französischer Sprache)
- Joseph Joffre: My March to Timbuctoo. London 1915.
- Friedrich Kunstmann: Die Handelsverbindungen der Portugiesen mit Timbuktu im 15. Jahrhundert. München 1850.
- Horace Miner: The Primitive City of Timbuctu. Princeton 1953 (verb. Aufl. New York 1965)
- Regula Renschler: Am Schnittpunkt großer Handelsstraßen. Leben in der Wüste – am Beispiel Timbuktu. In: Katja Böhler u. Jürgen Hoeren (Hgg.): Afrika. Freiburg im Breisgau – Wien 2003, S. 96-103. ISBN 3-89331-502-0 (eher journalistisch, ursprünglich aus einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung)
- Elias N. Saad: Social History of Timbuctu: The Role of Muslim Scholars and Notables, 1400-1900. Cambridge 1983.
- Anthony Sattin: The Gates of Africa: Death, Discovery, and the Search for Timbuktu. New York 2003 (über die ersten Forschungsreisen nach Timbuktu, vor allem Mungo Park, Alexander Gordon Laing und René Caillié) ISBN 0-312-33643-8.
- John Spencer Trimingham: A History of Islam in Western Africa. London - Oxford - New York 1962.
Weblinks
- Bibliografie zur Geschichte Timbuktus von Prof. John O. Hunwick; Literatur bis ca. 2000
- Bibliografie zur Geschichte Timbuktus und der Tuareg am Nigerbogen
- Textauszug aus Barths Reisewerk u. Abbildung
- UNESCO-Seite von Timbuktu
- Artikel über die islamischen Handschriften in Timbuktu
- Das Weltkulturerbe
- Unterwegs nach Timbuktu (Reisebericht eines dpa-Korrespondenten)
- Bilder und Reiseinformationen (englisch)
- Fotos von 1906
- Haus, in dem Barth in Timbuktu lebte
- Heinrich Barth und Timbuktu
- Timbuktu-Webseite der Universität von Oslo mit wertvollen Links
Anmerkungen
- ↑ http://www.bevoelkerungsstatistik.de Stand 1. Januar 2006
- ↑ René Basset, Mission au Sénégal. Paris 1910.
- ↑ Siehe dazu die Artikel von Prof. Tim Insoll (Cambridge).
- ↑ Siehe James L. A. Webb, Desert Frontier: Ecological and Economic Chance along the Western Sahel 1600-1850. Madison, Wisc. 1995, S. 16.
- ↑ Der französische Archäologe Raymond Mauny bezifferte die Einwohnerzahl aufgrund luftarchäologischer Untersuchungen auf maximal 25.000 Menschen. Der malische Historiker Sékéné Cissoko errechnete hingegen 100.000. Sein Kollege E. Saad setzte die die Bevölkerungszahl auf ca. 50.000 Menschen, was an der Obergrenze seriöser Schätzungen liegt. Siehe Saad, Social History of Timbuktu, S. 27 u. 90. Der Amerikaner Webb geht von 30.000 bis 50.000 Einwohnern aus. Siehe Siehe James L. A. Webb, Desert Frontier, S. 16.
- ↑ Ob Timbuktu als das bedeutendste Zentrum islamischer Bildung in der Region angesehen werden muss, ist umstritten. Der britische Westafrikaspezialist John Spencer Trimingham vertrat die Auffassung, dass der Rang Timbuktus in der Literatur stark übertrieben wird und Djenné als "centre of Negro Islamic learning" eine größere Rolle spielte. Siehe Trimingham, A History of Islam in West Africa. London - Oxford 1970, S. 98.
- ↑ [1]FAZ-Artikel über das "afrikanische Oxford" von 2004
- ↑ Das auf verschiedenen Internetseiten genannte Erbauungsdatum 989 bezieht sich auf den islamischen Kalender, nicht auf die christliche Jahreszählung. Ansonsten wäre die Moschee älter als die Stadt selber.
- ↑ Herbert Kaufmann, Wirtschafts- und Sozialstruktur der Iforas-Tuareg. Köln 1964 (phil. Diss.), S. 218.
- ↑ Expedition Mission Transsaharienne durch Citroën 1922–1923
- ↑ Expedition Croisière Noire durch Citroën 1924–1925
- ↑ Zur Geschichte des Konflikts siehe die Langzeituntersuchung von Pierre Boilley (Dissertation an der Sorbonne)[2]
- ↑ Siehe Auguste Dupuis-Yacouba, Industries et principales professions des habitants de la région de Tombouctou. Paris 1921, u. Owen White, "The Decivilizing Mission: Auguste Dupuis-Yakouba and French Timbuktu", French Historical Studies 27 (2004), 541-568.
- ↑ [3] Offizielle Webseite für "Tombouctou 2006"
- ↑ http://www.sum.uio.no/research/mali/timbuktu/research/articles/manuscript%20heritage%20timbuk.pdf J. Hunwick, „The Islamic Manuscript Heritage of Timbuktu“, S. 6.
- ↑ Man vergegenwärtige sich bitte, dass eine heutige Universitätsbibliothek ca. 2 Millionen Titel beherbergt, dafür aber mehrgeschossige und äußerst stabil errichtete Betonkonstruktionen benötigt, die die ungeheuere Last der Bücher tragen können. Diese Bücher sind aber zu über 90 % viel kleiner und leichter als in Leder gebundene und auf dickeres Papier oder gar Pergament geschriebene Folianten. Das spätmittelalterliche Timbuktu hätte für geeignete Bauwerke nicht einmal die Materialien zur Verfügung stellen können, etwa das Holz für das Skelett einer solchen Lehmkonstruktion.
- ↑ [[4]], S. 7
- ↑ [5] Artikel vom führenden Donald-Duck-Experten Ulli Kulke aus der Welt (2004).