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Klinische Studie

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Eine klinische Studie oder klinische Prüfung ist eine am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen. (§1, Absatz 23 AMG). Geprüft wird der Einfluss einer medizinischen Behandlung auf eine Krankheit in einem kontrollierten experimentellen Umfeld.

Im Rahmen der Entwicklung eines neuen Therapieansatzes stellen die klinischen Studien (oder klinischen Prüfungen) den letzten Schritt in der Entwicklung dar. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Pharmaforschung.

In der Praxis geht es dabei meist um die Verträglichkeit (Tolerability) und/oder medizinische Wirksamkeit (Effectiveness) von Medikamenten. Andere Studien könnten beispielsweise chirurgische u. ä. Therapien umfassen.

Studiendesign

Das Studiendesign entscheidet wesentlich darüber, wie aussagekräftig die erhaltenen Daten sind. Folgende Begriffe werden zum Beschreiben einer Studie verwendet.

Placebokontrolliert Zum Vergleich erhält eine Patientengruppe den Wirkstoff, die andere ein Scheinmedikament, welches keinen Wirkstoff enthält.
doppelblind Weder der behandelnde Arzt noch der Patient wissen, ob es sich bei der angewandten Therapie um Placebo oder Verum handelt.
Aktiv kontrolliert Eine Patientengruppe erhält den zu testenden neuen Wirkstoff, die andere ein etabliertes Medikament, wobei Wirkung und Verträglichkeit miteinander verglichen werden.
Randomisiert Die Entscheidung, welcher Patient welcher Therapie zugeordnet wird, erfolgt nach dem Zufallsprinzip.
Cross-over Die Teilnehmer an der Studie erhalten für einen bestimmten Zeitraum die Kontrollbehandlung und die zu testende Behandlung. Der Einfluss der neuen Behandlung kann somit für jeden einzelnen Patienten ermittelt werden.
Single dose Ein Patient erhält die Behandlung innerhalb der Studie nur einmal.
Multiple dose Die Behandlung erfolgt pro Patient mehrmals.
Monozentrisch Die Studie wird an einer einzigen Institutionen (z. B. Krankenhausabteilung) durchgeführt. Monozentrische Studien sind weniger aufwändig als multizentrische, ihre Ergebnisse müssen aber vor dem Hintergrund evtl. Besonderheiten der jeweiligen Institution bewertet werden.
Multizentrisch Die Studie wird (national oder international) in einer Vielzahl von Institutionen (typischerweise Kliniken) durchgeführt. Multizentrizität ist geeignet, den Einfluss von lokalen Faktoren (wie z. B. Anzahl und Qualifikation der behandelnden Ärzte) auf das Studienergebnis zu bewerten und gering zu halten.

Adaptives Studiendesign bei der Entwicklung neuer Medikamente

Da Anzahl und Umfang der klinischen Studien und damit verbundene Kosten und Belastungen für Patienten in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind, wird von der Pharmaindustrie vermehrt auf adaptives Studiendesign gesetzt.

Dessen Grundprinzip ist es, dass eine konventionelle klinische Studie bestimmte Annahmen trifft, die nicht ganz exakt sein können. Die nicht exakten Annahnmen führen z. B. zu unnötig großen oder zu niedrigen Patientenzahlen.

Beispiel 1: Die Variabilität eines Messparameters der Studie. Die Variabilität eines zu bestimmenden Parameters ist eine wesentliche Einflussgröße für die benötigte Anzahl von Patienten zur Überprüfung einer Hypothese, also z. B. der Wirksamkeit einer Therapie.

Das Vorgehen besteht nun darin, eine Studie in zwei Abschnitte zu unterteilen, Lernphase und Bestätigungsphase. In der Lernphase werden die Annahmen der ursprünglichen Studienplanung überprüft. Erkennt man z. B. in der Lernphase, dass die Variabilität eines Parameters geringer ist als angenommen, kann die ursprünglich geplante Patientenzahl reduziert werden, und trotzdem die zu prüfende Hypothese mit hinreichender Sicherheit geprüft bzw. widerlegt werden.

Beispiel 2: Bei Phase-2-Studien zur Dosisfindung werden oft vier oder mehr Dosierungen gleichzeitig parallel überprüft (z. B. randomisiert, doppel-verblindet und placebokontrolliert). Es kann nun aber vorkommen, dass man in der Lernphase erkennt, dass z. B. die niedrigste Dosierung unwirksam und erst höhere Dosierungen die gewünschte Wirkung zeigen. Nach der Lernphase wird daher der Ast mit der niedrigsten Dosierung abgebrochen, die übrigen drei Dosierungen werden in der Bestätigungsphase weiter untersucht.

Vorgehensweise bei der Planung und Durchführung einer klinischen Studie zur Neuentwicklung von Medikamenten

1. Festlegung eines Studienprogrammes Zielrichtung und grobe Planung der Abfolge mehrerer Studien hintereinander

2. Studienprotokoll (Planung einer einzelnen Studie innerhalb eines Programmes) Es wird ein Studienprotokoll erstellt, das u.a.

- die Ziele und zu überprüfende Hypothese, - das Studiendesign, - die Behandlung. (Medikament, Dosierung etc), - die statistischen Auswertemethoden, - die Ein- und Ausschlusskriterien für Patienten, - die zu erhebenden Messwerte (Standardlaborwerte wie Blutwerte, Urinuntersuchungen, Leberwerte sowie spezielle Messwerte von Biomarkern etc) enthält - die Visitenplanung (an denen Messwerte erhoben werden) - Abbruchkriterien für einen Patienten

enthält

Das Studienprotokoll muss von Behörden genehmigt werden.

3. Patientenrekrutierung In einer Screeningphase werden demografische Werte (z.B. Geschlecht, alter, Gewicht etc), sowie Laborwerte etc. von Kandidaten für die Studie erhoben. Erfüllt ein(e) Kandidat(in) die Einschlusskriterien, wird er/sie nach Zustimmung in die Studie mit aufgenommen.

4. Durchführung der Studie Die klinischen Studien der Pharmaindustrie werden von den Pharmakonzernen selbst oder auch von spezialisierten Dienstleistern durchgeführt (CRO=Contract Research Organisation)

Die gemessenen Daten werden in ein Klinisches Datenbankmanagement System und in LIMS-System (=Labor-Informationsmanagement-System) eingegeben

Haben alle Patienten die Studie durchlaufen (es gibt auch Drop Outs, welche aufgrund verschiedener Ereignisse die Teilnahme an Studien abbrechen), so wird das CDBMS (Clinical DAtabase Management System) für Eingaben gesperrt. (Database Lock)

5. Statistische Analyse (Biostatistik) Nach dem Database Lock werden die geplanten statistischen Analysen durchgeführt und entsprechende Berichte (Reports) erzeugt. Je nach Zweck der Studie (Marketingstudie, Phase I oder III Studie) wird entweder heisst der Bericht "Publikation" oder ist z.B. Bestandteil eines Zulassungsatrages.

Geschichte und andere Studientypen

In Deutschland war der Thalidomid (Contergan)-Skandal, bei dem die unerwünschten und schweren Nebenwirkungen lange unbemerkt geblieben, einer der Hauptgründe für das Festsetzen dieser strengen Regeln bei der Einführung neuer Pharmaka.

In manchen Fällen sind jedoch kontrollierte und randomisierter Studien nicht oder nur schwer durchführbar. Gründe hierfür können sein:

  • die Seltenheit der Krankheit
  • Ausschluss einer Kontrollgruppe aus ethischen Gründen, wenn davon auszugehen ist, dass der zu testende Wirkstoff einen gravierenden therapeutischen Vorteil besitzt
  • invasive Therapien (wenn beispielsweise eine Scheinoperation durchgeführt werden müsste)

Daher gibt es auch weniger strenge Studien-Typen, wie etwa die Fall-Kontroll-Studie, die Kohorten-Studie oder die Prä-Post-Studie. Diese lassen nur Aussagen mit einer gewissen Unsicherheit über die untersuchte Therapieform zu. Im Rahmen der evidenzbasierten Medizin wird heute versucht, für jedes therapeutische Vorgehen eine möglichst gute wissenschaftliche Grundlage zu schaffen. An oberster Stelle steht dabei die Metaanalyse mehrerer randomisierter Studien, an unterster die Expertenmeinung, dazwischen die angeführten Studien.

Studien nach Entwicklungsstadien

Je nach Entwicklungsfortschritt werden die Studien in sog. klinische Phasen unterteilt. Die Genehmigung zur nächsthöheren Phase wird von der entsprechenden Aufsichtsbehörde nur dann erteilt, wenn die vorangegangene Studienphase mit Erfolg abgeschlossen wurde.

Phase Personen Dauer Hauptziel
I ca. 6–32 Wochen Pharmakokinetik, Verträglichkeit und Sicherheit des Medikaments (auch als "First in Man" / FIM bezeichnet)
II ca. 50–200 Wochen bis Monate Überprüfung des Therapiekonzepts (Proof of Concept, Phase IIa), Findung der geeigneten Therapiedosis (Dose Finding, Phase IIb), positive Effekte der Therapie sollten zu beobachten sein
III ca. 200–10.000 Monate bis Jahre Signifikanter Wirkungsnachweis (Pivotal Study) und Marktzulassung der Therapie; nach Marktzulassung werden laufende Studien dann zu IIIb-Studien
IV ab ca. 1000 bis Millionen Jahre erfolgen mit bereits zugelassenen Medikamenten und dienen hauptsächlich dem Marketing, der Gewährleistung der Sicherheit des Arzneimittels, z. B. der Feststellung sehr seltener Nebenwirkungen, die während Routinebehandlungen auftreten


Ein typischer Wirkstoff hat, bevor er in die 1. klinische Studienphase (Phase I) geht, schon etwa ein Jahrzehnt strenger präklinischer Studien durchlaufen. Nach einer FDA-Veröffentlichung (2004) hat ein solcher Wirkstoff dennoch nur eine Chance von 8 %, schließlich auch die Marktreife zu erlangen. Eine Ursache dafür ist die geringe Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen: Die große Mehrzahl (etwa 90 %) der Substanzen, die sich im Tiermodell als „sicher“ zeigten, scheitern in den nachfolgenden klinischen Studien.

Sponsoren

Der Sponsor einer klinischen Studie ist für den organisatorischen Ablauf zuständig. Er trägt alleine und ausschließlich die Verantwortung und somit das unternehmerische Risiko. In den USA muss er aus Transparenzerwägungen ausdrücklich in der Veröffentlichung genannt werden, um dem Leser zu ermöglichen, etwaige interessengeleitete Ergebnisse zu durchschauen (z. B. wenn ein Medikament des Sponsors sich in der Studie als überlegen gegenüber einem Konkurrenzprodukt erweist). In Deutschland ist die ausdrückliche Sponsorennennung bisher (2006) nicht erforderlich.

Die wichtigsten Träger klinischer Studien sind zunächst die pharmazeutische Industrie (siehe auch Pharmaforschung), Universitätsinstitute und angegliederte Forschungseinrichtungen, welche nicht selten über Drittmittel von der pharmazeutischen Industrie gesponsort werden, sowie staatliche, halbstaatliche und sonstige gemeinnützige Einrichtungen des Gesundheitswesens.

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