Elsässisch

Unter der Bezeichnung Elsässerdeutsch oder Elsässisch (elsässisch: Elsässerditsch) werden die im Elsass gesprochenen alemannischen Dialekte zusammengefasst. Im größten Teil des Elsass wird Oberrhein-Alemannisch gesprochen, lediglich der Sundgau mit Randbereichen im Süden gehört zum Südalemannischen. Im nördlichsten Teil des Elsass wird Pfälzisch gesprochen und im "Krummen Elsass" (Saartal) die lothringer Version des Saarplatt (beide rheinfränkisch). Zu den fränkischen Dialekten gehören auch die deutschen Dialekte in Lothringen - Rheinfränkisch im östlichen Teil des Departements Moselle und Moselfränkisch in seinem nördlichen (in Nachbarschaft zu Luxemburg).
Der elsässische Wortschatz wird beschrieben im Wörterbuch der elsässischen Mundarten.
Microsoft hat angekündigt, dass es eine elsässerdeutsche Version von Office 2007 geben wird.
Sprachgeschichte und -geographie

Die Mundarten des Elsass gehören ganz überwiegend zum Alemannischen. Dabei bestehen sehr große Unterschiede zwischen den Dialekten des Unterelsass und denen des Sundgau im Süden. Diese Unterschiede in Aussprache und Grammatik haben sich im wesentlich während des Mittelalters herausgebildet und zwar gleichzeitig auf beiden Seiten des Rheins. Die sprachgeographischen Verhältnisse können durch den Verlauf von Isoglossen dargestellt werden [nach Maurer, F. (1972) modifiziert nach Klausmann, H. et al. (1994)].
Die rote, in N-S-Richtung verlaufende westliche Linie stellt die 1871 gezogenen Staatsgrenze zwischen Frankreich und dem deutschen Reichsland Elsass-Lothringen dar. Diese deckt sich nicht ganz mit der Sprachgrenze zwischen Französisch und Deutsch, da bereits vor der Eroberung durch das Königreich Frankreich im 17. Jahrhundert einige Gebiete östlich dieser Grenze französisch- bzw. romanischsprachig waren. Beispiele hierfür sind das obere Tal der Breusch um Schirmeck, das Tal von Sainte-Marie-aux-Mines (Markirch) einschließlich Lièpvre, das Dorf Aubure (Altweier), die Gegend um Lapoutroie (Schnierlach), die Region um Montreux-Vieux und die Dörfer Courtavon und Levoncourt.
Von übergeordneter Bedeutung für die Gliederung des Oberrhein-Alemannischen, das früher als Niederalemannisch bezeichnet wurde, sind dabei die beiden Grenzlinien
- Bruder, Bruuder ↔ Bruader, Brüeder, Brueder im Norden sowie
- Kind ↔ Chind-Grenze im Süden.
Die erstere beschreibt die große Sprachgrenze zwischen dem fränkischen und dem alemannischen, die Kind/Chind-Grenze trennt das Oberrhein-Alemannische vom Südalemannischen, das seine Hauptverbreitung in der Schweiz hat.
Dazwischen sind mehrere Isoglossen dargestellt, an denen sich die sog. "Rheinstaffeln" besonders schön zeigen lassen. Die Entstehung dieser Staffeln kann man sich dadurch erklären, dass im Mittelalter, in dem das Elsass eine überragende Bedeutung im Deutschen Reich hatte, die Einflüsse der "modernen" fränkischen Dialekte durch den stärkeren Verkehr im Elsass schneller vorgedrungen sind als auf der rechten Rheinseite.
- gwää, gwä, gwan ↔ gsii, gsi, gsin -- gewesen
- Seif ↔ Seife, Seifa, Seifi, Seipfe -- Seife
- sei ↔ bisch, bis -- Befehlsform (sei still!)
Damit wird auch deutlich, dass die Dialekte auf der elsässischen Seite bis ins 17. Jahrhundert eine gemeinsame lautliche und grammatikalische Entwicklung mit dem gesamten Oberrheindialekt hatten. Spezifisch für das Elsässerdeutsch sind erst die zahlreichen Einflüsse aus dem französischen nach der Annexion des Elsass im Laufe des 17. Jahrhunderts, vor allem jedoch nach der rigorosen Politik der "Spracheinheit" durch Frankreich nach der Französischen Revolution.
Diese Auswirkungen beschränkten sich damals jedoch fast ausschließlich auf die Übernahme neuer Wörter, die im übrigen mit alemannischer Lautung und Betonung ausgesprochen wurden und die vielfach der angestammten Grammatik unterworfen und damit sprachlich "alemannisiert" worden sind.
Merkmale der alemannischen Mundart in verschiedenen Gegenden des Elsass, die aber durchaus auch rechtsrheinisch gesprochen werden:
hochdeutsches und alemannisches er und ir wird zu r:
- deutsch Mutter - alemannisch Muodder - elsässisch Muodr
- deutsch wir - alemannisch mir - elsässisch mr
eine sonst untypische Lautverschiebung von g zu w:
- deutsch Magen,Wagen - alemannisch Mage,Wage - elsässisch (ebenfalls im rechtsrheinischen Hanauerland) Mawe,Wawe/Waue
Lautverschiebung b zu w:
- deutsch aber, alemannisch aber, - elsässisch awwer
Verwendung vieler französischer Wortstämme:
- deutsch Fahrrad - elsässisch Velo (auch in der Schweiz und Teilen Südbadens üblich)
- deutsch Bürgersteig - elsässisch Trottoir (auch in anderen Gegenden Deutschlands, in Baden und der Schweiz üblich)
Ein Beispiel für "Alemannisierung": Wörter französischer Herkunft werden mit deutschen Grammatik-Endungen verwendet -> deutsch wählen - elsässisch schwasîere(n) (von französisch choisir)
Vergleich der Dialekte um Schlettstadt und am Kaiserstuhl mit Schriftdeutsch
Eine Ansprache, die bei einer muttersprachlichen Gesellschaft in Schlettstadt gehalten wurde [1], soll beispielhaft zum Vergleich zwischen Elsässerdeutsch in der Gegend von Schlettstadt, dem Dialekt, wie er am Kaiserstuhl (ca. 20 km östlich von Schlettstadt) gesprochen wird und Schriftdeutsch herangezogen werden.
Elsässerditsch | Liewi Frend,
Schon 20 Johr han mer ein Ziel un ein Ideàl: die Verteidigung un die Ferderung vu unsera elsasserditsch Sproch un Kultur. Mer han schon alles Megliga gemàcht: Bettschrefta, Manifestationa en Strossburg, Colmar, Melhüsa, Unterschrefta gsàmmelt, Theater gspelt, Vortraj un Stammtesch organisi(ea)rt, Fierunga en Dorf un Stadt, Dechterowa, Radiosandunga sogàr Tele-Sandunga, 10 Johr làng jede Wuch a Elsasser-Stub em College vu Ingersheim, ja sogar Strossasänger en Colmar met der Schnetzelbànk usw.. Alla dana Persona, da vergàngena wia da jetziga Komiteemetglieder, sowie alla „Heimetsproch“- Metglieder, besonders Eich liawi Frend, wo emmer so zàhlrich an unseri Generàlversàmmlung komma: a grossa Dànk un vergalt's Gott! Merci vielmol, merci, dàss Ehr àlli kumma sen, von St. Louis bis Hàgenau! |
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Dialekt aus der Gegend des Kaiserstuhls | Liewi Freind,
schu 20 Johr hämmr ei Ziel un ei Ideal: d’ Verteidigung und d’ Ferderig vu unsera elsässerditsch Sproch un Küldür. Mr hän schu alls meglige gmacht: Bittschrifde, Manifeschdatione in Schdroosburg, Colmar, Milhüse, Underschrifde gsammlet, Theader gschbield, Vorträg und Schdammdisch organisiert, Fierige in Dorf un Schdad, Dierchderowene, Radiosändige sogar im Färnseh simmer scho gsi. 10 Johr lang jedi Wuch ne Elsässer Schdube im College vu Ingersheim, jo sogar Schdroosesänger in Colmar mit nere Schnitzelbank un so widder. Allene däne Persone, dr freijere wia dr jetzige Kommiteemitglieder, wie allene „Heimetsproch“-Mitglieder, bsunders Eich liebi Freind, wu alliwiil so zahlriich an unsri Generalversammlig kumme: ne große Dank und vergäld’s Godd! Dankscheen viemol, dankscheen, dass’r alli kumme sin, vu St. Louis bis Hagenau! |
Schriftdeutsch | Liebe Freunde,
schon 20 Jahre haben wir ein Ziel und ein Ideal: die Verteidigung und die Förderung unserer elsässerdeutschen Sprache und Kultur. Wir haben schon alles Mögliche unternommen: Bittschriften, Manifestationen in Straßburg, Colmar, Mülhausen, Unterschriften gesammelt, Theater gespielt, Vorträge und Stammtische organisiert, Führungen durch Dorf und Stadt, Dichterabende, Radiosendungen, sogar Fernsehsendungen. 10 Jahre lang jede Woche eine „Elsässer Stube“ im College von Ingersheim, ja sogar Straßensänger in Colmar mit einer Schnitzelbank und so weiter. All den Personen, den früheren wie den heutigen Kommiteemitgliedern, sowie all den „Heimetsproch“-Mitgliedern, besonders Ihnen, liebe Freunde, die Sie immer so zahlreich zu unserer Generalversammlung kommen: einen großen Dank und vergelt’s Gott! Dankeschön vielmals, dankeschön dass Sie alle gekommen sind, von St. Louis bis Hagenau! |
Stroossburijer Dialekt
Isszitt
S’isch kalt drüsse, isskalt! Un wenn von de Kerichühre d’Schläg erab rolle, verkleppere se in de Stross und verfahre wie d’Isszäpfe, wie sich von Büchieslidach leese und ins gefrorene Dräckgräwel falle.
S’isch still, drüsse, isstill!
Isszäpfe hänge vom Büchhieseldach erunter, dick wie Glockeseil.! Un manchmol, ganz ploetzlig, weisch nit worum, bekummt einer s’Iwergwicht un fallt sänkrächt in de Schnee, wie n’r versinkt und numm noch a Loch losst in de Schneekruscht. Un es rennt d’r e kalter Schücker de Buckel nunter... vor dem dursichtige, spitzige, gschliffene Dolch. Un dee Schneekruscht splitert uff wie de Glasürzucker, wenn me de Neujohrskueche anschnied.
E verklärti Welt draijt si in’re blasse Wintersunn, wie d’Kölje im Kerzeliecht vom Tannibauim! De Froscht hücht sinni Kunscht an d’Fenschter in Sternesplitter, Schneebluescht, Heckreesle un Heckebletter.
D’Luft isch issig, bissig! Gfrore, stiff und starr, in Riffe und Froscht isch s’Hoeftel, wiss, silwrig und liss in Iss und Glarriss de Garte. D’Matt macht e Buckel untrem wisse Schimmelpeltz vum Froscht wie e satti milchigi Schoofwoll... ...... (Üsszug üss Emilienne Kauffmann. In: Basler Zeitung 10. Jan. 1997)
Elsässisch heute
Laut einer Studie von 2001 bezeichnen sich 61 Prozent der Bevölkerung des Elsass als elsässischsprechend (DNA/ISERCO Untersuchung veröffentlicht in "Dernières Nouvelles d’Alsace" vom 21. September 2001, im Artikel "Erosion naturelle", Claude Keiflin).
Von den Jugendlichen gab nur jeder vierte an, sich gelegentlich in der Regionalsprache zu unterhalten. Nur noch etwa 5 Prozent der Schulanfänger verfügen über entsprechende Sprachkenntnisse, da nur 28,8 Prozent der Eltern ihren Kindern mindestens ein wenig Elsässisch beibringen.
Deutlich ist ein Stadt-Land-Gefälle zuungunsten der Städte. Am besten konnte sich die Sprache im Norden und Nordwesten (Unterelsass) und in landwirtschaftlichen Berufen und Berufen mit viel Publikumsverkehr erhalten. Mitte des 20. Jahrhunderts verstanden noch etwa 90 Prozent Elsässisch (Elsässerdeutsch) und/oder Hochdeutsch.
Straßenschilder sind oft zweisprachig auf Französisch und Elsässisch bzw. bei Straßennamen mit dem alten deutschen Namen versehen. Dafür können Fördermittel bei der OCLA (Office pour la Langue & la Culture d'Alsace) beantragt werden. Auch werden manche Ortsschilder seit mehreren Jahren neben dem offiziellem Namen auch mit dem elsässisch gesprochenem Namen beschrieben. Beispiele: Steinbourg - "Steiweri"; Châtenois - "Keschtaholz".
In jüngerer Zeit wird ein zweisprachiger Unterricht angestrebt. Dafür engagieren sich nicht nur Privatinitiativen, sondern auch zunehmend die Administration, die den Wirtschaftsfaktor Bilinguismus erhalten möchte.
Schriftsteller, die französisch, hochdeutsch und elsässisch schreiben oder schrieben sind unter anderem René Schickele, Jean Egen, Auguste Wackenheim und André Weckmann. Besonders Weckmann hat in seinen Gedichten die Tragödie des Elsässischen Dialekts und der Elsässer Identität eindringlich beschrieben.
Zukunftsaussichten
Die Situation des elsässischen Dialekts wird in den übrigen deutschsprachigen Ländern kaum wahrgenommen. Lediglich in der benachbarten Schweiz findet man in Zeitungen immer wieder Artikel, die sich mit diesem Thema beschäftigen. In Deutschland gibt es neben Gleichgültigkeit vor allem zwei, manchmal extreme, Standpunkte.
Die regionalistisch Gesinnten beklagen die Unterdrückung des Dialekts durch den französischen Staat ohne zu bedenken, dass die nahe verwandten Dialekte auf der rechten Rheinseite durch die Hochsprache ebenfalls in Lautung, Grammatik und Vokabular in den letzten Jahrzehnten stark bedrängt werden. Die "politisch Korrekten" betonen, dass dies eben "französische Sprachpolitik" und damit ein innerfranzösisches Problem sei und im übrigen auch andere Minderheitensprachen in Frankreich betroffen seien.
Siehe auch: Elsass, Lothringisch (Fränkisch), Lothringisch (Romanisch), Baseldeutsch
Literatur
- Frédéric Hartweg: Die Sprachen im Elsass: Kalter Krieg oder versöhntes Miteinander?. In: Ingo Kolboom und Bernd Rill (Hrsg.): Frankophonie – nationale und internationale Dimensionen. Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen 35, München: Hanns Seidel Stiftung, ISBN 3-88795-249-9. (Download: http://www.hss.de/downloads/argumente_materialien_35.pdf)
- Hubert Klausmann, Konrad Kunze und Renate Schrambke (1994): Kleiner Dialektatlas - Alemannisch und Schwäbisch in Baden-Württemberg. Veröff. Alem. Inst. Frbg. Themen der Landeskunde 6, Bühl (Baden): Konkordia, 1994.
- Friedrich Maurer: Neue Forschungen zur südwestdeutschen Sprachgeschichte. In: Sprachgeographie Beih. Wirkendes Wort. 21, S. 119-163, Düsseldorf: Schwann, 1972.
Weblinks
- Office pour la Langue & la Culture d'Alsace / Amt für Sprache und Kultur im Elsass
- René Schickele-Gesellschaft - Culture et Bilinguisme d´Alsace et de Moselle
- Wörterbuch der elsässischen Mundarten
- Verdammi - De web uf Elsässisch
- Elsässische Aussprache von Ortsnamen im Elsass
- Seite über Schweizer Dialekte inkl. Tonbeispiel zum Elsässerdeutsch
- „Elsaß: Webschnuffler“, FAZ, 14. Juli 2006, Prof. Raymond Matzen überträgt für Microsoft Office 50.000 Begriffe in den elsässischen Dialekt.