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Maxhütte (Sulzbach-Rosenberg)

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Die Maxhütte

Die Maxhütte, benannt nach dem bayerischen König Maximilian II, war ein traditionsreiches Stahlwerk in Sulzbach-Rosenberg. Zur Blütezeit beschäftigte die Maxhütte über 9.000 Menschen. Der Konzern hatte Zweigwerke in Maxhütte-Haidhof und Unterwellenborn (heute Stahlwerke Thüringen) und eigene Erzgruben in Sulzbach-Rosenberg (Annaschacht bis 1974, Grube Eichelberg bis 1977) und Auerbach (Maffei bis 1978, Leonie bis 1987).

Die Maxhütte war das letzte Stahlwerk Bayerns mit konventionellem Hochofen, gleichzeitig das letzte montanmitbestimmte Unternehmen Bayerns. Überregional bekannt war sie in der Arbeiterbewegung für den jahrzehntelangen Kampf der Belegschaft um ihre Arbeitsplätze. Durch Beteiligungen des bayerischen Staates war die Maxhütte auch ein Politikum. Nach zwei Konkursen wurde die Stahlerzeugung am 24. September 2002 endgültig eingestellt. Das Rohrwerk Maxhütte mit seinen 500 Beschäftigten ging weiter.

Für die ländliche Region in der mittleren Oberpfalz, die seit dem Mittelalter von Bergbau und Eisenherstellung geprägt wurde, waren die beiden Konkurse der Maxhütte mit den verbundenen Verlusten tausender Arbeitsplätze strukturpolitische Katastrophen. Nach der endgültigen Schließung wurden die Beschäftigten noch bis Mitte 2004 in einer Beschäftigungsgesellschaft aufgefangen.

Offen ist momentan, welche Teile der Maxhütte als Industriedenkmal erhalten werden, wer hierfür den Aufwand trägt, und wie mit den teils enormen Altlasten (z. B. Schlackenberg) verfahren wird.

Geschichte

Eisenwerk Maximilianshütte

  • 1853 Gründung der "Eisenwerksgesellschaft Maximilianshütte" im Sauforst bei Burglengenfeld.
  • 1863 Gründung des Standortes in Rosenberg
  • 1864 Erster Hochhofen in Rosenberg wird angeblasen. Das Erz stammt aus regionaler Förderung.
  • 1872 Bau der Hüttenanlage zur Gewinnung von Roh- und Gusseisen in Unterwellenborn, Thüringen
  • 1889 Inbetriebnahme des Thomas-Stahlwerkes in Rosenberg
  • 1892 Verlegung der Hauptverwaltung von Haidhof nach Rosenberg
  • 1929 Die Maxhütte wird Teil des Flick-Konzerns
  • 1939 Polnische Kriegsgefangene müssen unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit in der Maxhütte leisten
  • 1954 Inbetriebnahme des Rohrwerkes in Rosenberg
  • 1970 Umstellung des Thomas-Stahlwerkes auf das OBM-Stahlherstellungsverfahren (Oxygen-Boden-Maxhütte)
  • 1977 Die Klöckner-Werke AG, Duisburg, kauft die Maxhütte
  • 1980 Entwicklung des KMS-Verfahrens (Klöckner-Maxhütte-Stahlherstellungsverfahren)
  • 31. März 1987 Ende der Produktion am Standort Haidhof
  • 16. April 1987 Erster Konkurs (Belegschaft noch 4500)
  • 8. April 1987 Schließung der letzten deutschen Eisenerzgrube "Leonie" in Auerbach

NMH Stahlwerke GmbH

  • 1. Juli 1990 Start der Nachfolgegesellschaften: NMH Stahlwerke GmbH („neue Maxhütte“), Rohrwerk Neue Maxhütte GmbH. Gesellschafter sind Thyssen, Krupp, Klöckner, Mannesmann und Freistaat Bayern.
  • 1993 Max Aicher, Bauunternehmer aus Freilassing, übernimmt die Anteile von Thyssen, Klöckner und Krupp sowie die industrielle Führung
  • 1994 Der Freistaat Bayern verkauft seinen Anteil von 45% für 3,- DM an Max Aicher
  • 6. November 1998 Konkursantrag durch Arbeitsdirektor Peter Moschinski. Die beiden anderen Geschäftsführer reichen Vergleichsanträge nach.
  • 31. Dezember 1998 Eröffnung des zweiten Konkursverfahrens. Konkursverwalter wird wieder Rechtsanwalt Dr. Jobst Wellensiek
  • 6. November 2000 Das Rohrwerk geht an die ARI-Baustahl GmbH im Besitz der Familie Aicher. Mit einem Sanierungstarifvertrag, zwischen Gesellschafter und IGM abgeschlossen, werden die Weichen für die Zukunft des Rohrwerkes Maxhütte gestellt.
  • 22. Juli 2002 Offizielle Stilllegung der NMH Stahlwerke GmbH, Beginn der Ausproduktion (Belegschaft noch 850)
  • 14. Dezember 2005 Das Rohrwerk Maxhütte schließt mit einem positiven Gewinnergebnis ab. Die Sanierung des Rohrwerkes mit seinen 450 Arbeitsplätzen geht sehr gut voran. Die Maxhütte lebt im Rohrwerk weiter. Ein großer Verdienst von IGM, BR und Geschäftsführung.

Arbeiterbewegung

Maxhütterer bei Stoiber

Die Maxhütte gehörte zum Organisationsbereich der IG Metall. Die Belegschaft war immer hochgradig (über 95%) gewerkschaftlich organisiert. Trotz einiger Zugeständnisse konnte beispielsweise die 35-Stunden-Woche bis zum Schluss erhalten werden.

Während des jahrzehntelangen Kampfes der Belegschaft um Ihre Arbeitsplätze (1981 bis 2002) gelang es immer wieder, die Bevölkerung mit einzubeziehen. Mit machtvollen Demonstrationen wurde die Maxhütte auf der Tagesordnung der Landespolitik gehalten.

Dem Betriebsratsvorsitzenden der NMH Stahlwerke GmbH, Albert Vetter, wurde 1996 für seine Verdienste um die Mitbestimmung der Hans-Böckler-Preis, die höchste Auszeichnung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, verliehen.

Chronologie der Auseinandersetzungen zum Erhalt der Maxhütte - 1981 bis 2002

  • 1981 Demonstration in Sulzbach-Rosenberg mit 21.000 Teilnehmern: "Die Feuer der Maxhütte müssen weiterbrennen"
  • 1983 Gegen die Schließung des Kaltwalzwerks demonstrieren in Burglengenfeld 15.000 Menschen.
  • 1988 In Sulzbach-Rosenberg demonstrieren am 30. Januar 4000 Menschen - in dieser Nacht fällt die Entscheidung zur Fortführung als "neue Maxhütte"
  • 1992 Am 24. Oktober demonstrieren 2000 Stahlarbeiter im Geburtsort des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibel. Motto: "Passionsspiele nach Stahlarbeitermanier".
  • 1993 Aus Protest gegen Stillegungspläne blockieren Arbeitnehmer den Bahnverkehr zwischen Schwandorf und Nürnberg.
  • 1996 Die Georgsmarienhütte meldet öffentlich ihr Interesse an einer Übernahme der Maxhütte an.
  • 1997 Über 5.000 Menschen beteiligen sich an einer Lichterkette zwischen Stahl- und Rohrwerk. Motto: "Wir lassen uns nicht trennen"
  • 1999 Im November demonstrieren die Maxhütterer vor den Banken in Amberg für die Finanzierung des E-Ofen-Konzeptes.
  • 2000 Eine Delegation übergibt dem Bayerischen Landtag 24.000 Unterschriften für "Arbeit, Umwelt und Investitionen". Am 2. März besuchen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu und Ministerpräsident Edmund Stoiber eine Betriebsversammlung der Maxhütte. Edmund Stoiber erklärt, er habe Max Aicher zur Aufgabe seiner Blockade einer Fortführungslösung bewegen können. Die Sulzbach-Rosenberger Zeitung titelt: "Aicher gibt die Maxhütte frei".
  • 2001 Im Februar stehen 5000 Menschen auf dem Sulzbach-Rosenberger Marktplatz. Der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, fordert in seiner Ansprache die Verwirklichung des E-Ofenkonzepts.
  • 2002 In der Betriebsversammlung am 5. Juni wird bekannt, dass die Feuer in der Maxhütte ausgehen. Ministerpräsident Stoiber und Wirtschaftsminister Wiesheu verkünden in einer Betriebsversammlung am 28. Juni, dass die Schließung unmittelbar bevorsteht und sagen finanzielle Hilfen für die Belegschaft in Höhe von 28,6 Mio EUR zu.

Die Maxhütte als technisches Denkmal

Die Maxhütte besitzt aufgrund ihres Alters und wegen ihrer teilweise einmaligen technischen Ausstattung hohen Denkmalwert.

Sie ist das einzige integrierte Stahl- und Hüttenwerk Deutschlands, das auf engstem Raum alle Phasen der Produktion vom Erz bis zum fertigen Endprodukt beinhaltet. Sogar Zeugnisse der Erzförderung sind in unmittelbarer Nähe der Anlage erhalten.

Die Konverter des Stahlwerks sind die letzten verbliebenen Sachzeugen des auf der Maxhütte entwickelten OBM-Verfahrens.

Die beiden noch erhaltenen Walzenzugmaschinen sind Beispiele für technisch herausragende und hochentwickelte Anlagen und zählen zu den weltweit leistungsfähigsten Kolbendampfmaschinen.

Mit dem Hochofen 3 ist ein einmaliges Exemplar eines Hochofens mit Setzkübelbegichtung über Vertikalaufzug und elektrischen Möllerwagen erhalten. Er zählt neben dem Ofen der Henrichshütte zu den ältesten in Deutschland erhaltenen Hochöfen und stellt auch aufgrund seiner offenen Wasserkühlung ein herausragendes Denkmal dar.

Keine anderes Hüttenwerk in Europa verfügt über ein so hochentwickeltes und flexibles Cowper-System wie die Maxhütte.

Im Bereich der Hütte sind noch Kaminkühler seltener Bauart erhalten.

Mit dem Bau der Stranggussanlage S32 war die Maxhütte in den 80er Jahren technologisch führend und stellt daher einen Meilenstein in der Geschichte der Stahlindustrie dar.

Die Wurzeln der Anlage reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück und sind beispielsweise in Form einer der ältesten Stahlfachwerkhallen Deutschlands erhalten. Darüber hinaus wird hier deutlich, daß die Hütte sich im Laufe der Zeit evolutionär entwickelte und mit der Zeit den jeweiligen Erfordernissen angepasst wurde.

Die Maxhütte gehört somit zu den bedeutendsten Sachzeugen der Eisen- und Stahlindustrie in Deutschland.

Literatur

  • Oskar Duschinger, Dietmar Zierer: Glanz und Elend der Maxhütte. ISBN 3-925603-09-3
  • Diverse: 150 Jahre Maxhütte : "... eine wahrhafte Schmiede des Vulkan". ISBN 3-9807612-1-5
  • Udo Achten: Hüttenfeuer. ISBN 3-88783-20-8
  • Diverse: Denkmalpflege in strukturschwachen Regionen Probleme und Chancen, Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege mit einer Beurteilung des Denkmalwertes der MH. ISBN 3-87490-730-9
  • Detlef Knipping, Rolf Höhmann: Die Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg - ein Denkmal der bayerischen Eisen- und Stahlindustrie im europäischen Kontext, in: Denkmalpflege in strukturschwachen Regionen - Probleme und Chancen, Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.