Frutiger
Frutiger ist eine serifenlose Linear-Antiqua-Schrift, die 1975 von Adrian Frutiger entworfen und von der D. Stempel AG veröffentlicht wurde.
Merkmale
Die Proportionen wurden ungefähr von Frutigers früherer Schrift Univers übernommen. Die x-Höhe ist relativ hoch, die Versalhöhe geringer als die Höhe der Kleinbuchstaben mit Oberlängen. Das Schriftbild erscheint offen, mit großen Innenräumen bei den Kleinbuchstaben. Die Buchstaben C, G, S, a, c, e, s haben stark abgeflachte Rundungsausläufe mit vertikalen Abschlüssen. Die Strichstärke der Vertikalen ist geringfügig größer als die der Horizontalen.
Geschichte
Die Schriftart Concorde (entwickelt von Adrian Frutiger und André Gürtler, 1959 bei Sofratype erschienen) wies bereits alle Merkmale der Frutiger auf. Lediglich die Buchstaben M, Q und g hatten noch andere Formen.
1970 entwarf Adrian Frutiger aus der Concorde die Schriftart Roissy für die Beschilderung am Flughafen Paris-Charles de Gaulle. Die Frutiger ist die um zusätzliche Schnitte ausgebaute Druckversion der Roissy.
Auf eine Idee von Adrian Frutiger hin wurde die Frutiger von Erik Faulhaber unter der Leitung des damaligen künstlerischen Leiters der Linotype, Professor Reinhard Haus, überarbeitet. Diese grundlegende Überarbeitung erschien 2001 unter dem Namen Frutiger Next bei Linotype und wurde in einem Fachbuch von Erik Faulhaber ausführlich dokumentiert. Sechs Gewichte wurden neu gestaltet. Die Kursivschrift weist nun eigene Formen der Buchstaben a, e, f, g, q auf, das ß ist als Ligatur aus ſ und s erkennbar, und das & aus der Buchstabenkombination Et abgeleitet.
Varianten
Die Concorde gab es in Normal und Fett. Die Roissy gibt es in Normal, Halbfett, Fett und Kursiv. Die Frutiger erschien im Lauf der Jahre in sieben Strichstärken, davon vier auch in kursiv und fünf in schmal. Wie bei der Univers wurden die Schnitte mit Nummern bezeichnet: 25, 35, 45, 55, 65, 75 und 95 (aufrecht); 46, 56, 66 und 76 (kursiv); 47, 57, 67, 77 und 87 (schmal).
Die Frutiger Next gibt es in sechs Strichstärken (Leicht, Normal, Halbfett, Fett, Extrafett und Ultrafett), die alle auch kursiv und schmal verfügbar sind. Das Nummernsystem wird hier nicht mehr verwendet.
Verwendung
Die Frutiger wird gern für Beschilderungen verwendet, ist aber auch im Druck sehr häufig zu finden, insbesondere bei kurzen Texten in kleinen Schriftgraden. Seit 2003 wird in der Schweiz für Straßenschilder die Schriftart ASTRA-Frutiger verwendet. Auch in Österreich sind in letzter Zeit vermehrt Wegweiser in Frutiger zu finden. Die Österreichischen Bundesbahnen verwenden die Frutiger Next seit 2002 als Hausschrift. Das Kursbuch der Schweiz ist in der Frutiger gesetzt. Außerdem sind die Eurobanknoten mit der Frutiger beschriftet.
Frutiger ist außerdem die Hausschrift von
- Universität Zürich
- Fraunhofer-Gesellschaft
- Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
- Diözese Rottenburg-Stuttgart
- Land Niedersachsen
- Gemeinde Stuhr
- Hochschule der Medien Stuttgart
- Bundeswehr
- UBS (Schweizer Großbank)
- Volksbanken und Raiffeisenbanken
- Deutsche Post
- Mitteldeutscher Rundfunk
- Gewerkschaft ver.di
- O2 Deutschland
- E-Plus
- MVV Energie
- Swisscom
- Verwaltung des Kantons Solothurn
- ViP - Verkehrsbetrieb Potsdam
- Berliner Verkehrsbetriebe (Frutiger-Derivat "Transit")
Gleiche und ähnliche Schriften
Die Schriftart Humanist 777 von Bitstream entspricht der Frutiger.
Die Schriftart Myriad von Adobe wurde von der Frutiger inspiriert, hat aber einige erkennbare Unterschiede, beispielsweise runde Punkte und geschwungene Formen bei den Großbuchstaben B und D. Die Kursive der Myriad floss wiederum in die Frutiger Next ein.
Siemens Sans, die neue Hausschrift der Siemens AG, ist ebenso von der Frutiger inspiriert und wurde um Kapitälchen und Mediävalziffern erweitert. Sie ist Teil einer Schriftfamilie, die die Egyptienne Siemens Slab und die Antiqua Siemens Serif umfasst.
Die Berliner Verkehrsbetriebe verwenden seit 1992 die Schrift Transit, die zwischen den schmalen Schriftschnitten Frutiger 57 und Frutiger 67 interpoliert wurde. Die Punkte bei den Buchstaben i, j, Umlauten und Satzzeichen wurden rund, und bei der Kursivschrift erhielten einige Buchstaben andere Formen.
Für die Designzeitschrift form wurde 1995 aus der Frutiger 45 und Frutiger 55 ein Zwischenschnitt interpoliert.
Für die Alte Pinakothek in München wurden 1998 drei schmale Frutiger-Varianten überarbeitet.
Die Firma Linotype wirft dem Softwarekonzern Microsoft vor, für seine neueste Windows-Version Vista die Frutiger Next kopiert zu haben und als geschmacksmustergeschützte Schriftart Segoe UI zu verwenden. Die Abweichungen zwischen den beiden Schriften sind sehr gering. Es lassen sich Unterschiede bei der Ausführung der Zeichen „1“ und „j“ erkennen. Mittlerweile unterlag Microsoft im Plagiatsstreit vor dem Harmonisierungsamt für den Europäischen Binnenmarkt [1].
Literatur
- Erik Faulhaber: Frutiger – Die Wandlung eines Schriftklassikers. Niggli, Sulgen/Zürich 2004, ISBN 3-7212-0520-0
Weblinks
- Liste der Schriftschnitte der Frutiger-Schriftfamilie (Linotype.com)
- Liste der Schriftschnitte der Frutiger Next-Schriftfamilie (Linotype.com)
- Adrian Frutiger - Portraitfoto von Mark-Steffen Göwecke
- Adrian Frutiger - Bemerkungen zum Schriftenentwerfen – ein Interview mit Erik Spiekermann zur TYPO Berlin 1996
Quellen
- ↑ Office for harmonizsation in the internal market - Design Department: Decision of the Invalidity Devision of 06/02/06 - Heidelberger Druckmaschinen AG ./. Microsoft Corporation auf http://oami.eu.int/PDF/design/invaldec/ICD%20000000743%20decision%20(EN).pdf [3.4.2006]