Fahnenappell (Schulveranstaltung)
Der Fahnenappell war in der DDR eine formell an das gleichnamige Militärritual angelehnte Veranstaltung an allgemeinbildenden Schulen, welche mehrmals im Jahr zu besonderen Anlässen, z.B. dem Antikriegstag und dem Weltfriedenstag stattfand. In den letzten Jahren der DDR fand der Fahnenappell sogar wöchentlich, meist Montags von Schulbeginn, statt. Dabei versammelten sich sämtliche Lehrer und Schüler auf dem Schulhof zu einer Zeremonie von der Dauer einer Schulstunde.
Von der inhaltlichen Ausrichtung war der Fahnenappell eine politische Veranstaltung für die ganze Schule.
Während der Veranstaltung wurden üblicherweise von einer Schulklasse Texte, Lieder und Gedichte zu einem bestimmten Thema (z.B. Frieden) vorgetragen, seltener gab es auch Musik vom Band oder Vorträge von besonderen Gästen (z.B. Witwen gefallener antifaschistischer Widerstandskämpfer). Desweiteren wurden einzelne Schüler für hervorragende Leistungen ausgezeichnet.
Die Rolle der restlichen Schüler war dabei beschränkt auf das Stehen in Reihen und Zu- bzw. Weghören. Lediglich am Anfang und am Ende der Veranstaltung grüßten die Mitglieder der Pionierorganisation Ernst Thälmann mit „Immer bereit!“ und die Mitglieder der FDJ mit „Freundschaft!“. Ein Running Gag war dabei, dass einige der jüngeren Schüler ebenfalls mit „Freundschaft!“ grüßten.
An vielen Schulen konnte man beobachten, dass mit zunehmendem Alter der Enthusiasmus für die sozialistische Sache immer weiter abnahm, während die Ablehnung gegen den Fahnenappell bei Wind und Wetter zunahm. So kreischten die Jungpioniere ihr "Immer bereit" heraus, die Thälmannpioniere ließen es deutlich verhaltener angehen, während von der FDJ meist nur nach der zweiten Aufforderung ein verhaltenes "Freundschaft" gemurmelt wurde. (Und dies auch nur von den bedauernswerten, die es nicht in die hinteren Reihen geschafft hatten)
Ebenfalls zum Beginn und Ende der Veranstaltung gab es paramilitärische Gebräuche wie das Marschieren begleitet von Kommandos wie „Augen geradeaus“, „Links um“ oder „Still gestanden“.
Vorschriftsmäßige Kleidung waren für die Pioniere: eine blaue Hose oder Rock, das weiße Pionierhemd mit Emblem auf dem Ärmel, ein rotes oder blaues Pioniertuch; für die FDJler: blaue Hose und blaues FDJ-Hemd. Dies wurde jedoch oft nicht so genau genommen, so daß de facto nur das Halstuch, bzw. FDJ-Hemd zu tragen waren. Für die anderen Schüler gab es keine besondere Kleiderordnung.
Kritik
Bei den Schülern war der Fahnenappell oft unbeliebt aufgrund des langen Stehens und der fehlenden Möglichkeiten zur Interaktion. Auch bei den Erwachsenen wurde er aus diesem Grund häufig als nicht mehr zeitgemäß angesehen und somit schließlich zum Symbol des Unwillens der amtierenden Politiker zu Reformen.
Steffi Spira, Schauspielerin und überzeugte Kommunistin, äußerte am 4. November 1989 den bekannten Satz: „Ich wünsche für meine Urenkel, dass sie aufwachsen ohne Fahnenappell, ohne Staatsbürgerkunde, und dass keine Blauhemden mit Fackeln an den hohen Leuten vorübergehen“.